Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Wie Opa und ich die Deutsche Einheit feierten
Wie Opa und ich die Deutsche Einheit feierten
Wie Opa und ich die Deutsche Einheit feierten
eBook170 Seiten2 Stunden

Wie Opa und ich die Deutsche Einheit feierten

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Wir erfuhren von der neuen Freiheit durch Luises Oma. Die kam hereingestürzt und schrie: "Die Mauer ist auf."
"Das hätte ich nun gerade von dir nicht erwartet, solche dummen Witze", sagte Papa ziemlich streng.
Aber Luises Oma stellte unseren Fernseher an und da konnten wir es auch sehen.
Oma sagte: "Ihr werdet doch wohl nicht auf solchen Aprilscherz reinfallen, immerhin habe ich Geburtstag und wer weiß, ob ich nächstes Jahr noch lebe."
"Wir haben immerhin schon November und du bist ganz schön gesund", antwortete Papa ganz leise und schlich zum Fernseher, als wollte er eine Katze fangen. Ein paar Mal schaltete er zwischen den Kanälen hin und her, aber die Bilder zeigten viele aufgeregte Leute, zu Fuß oder in Trabbis, die freudig aufeinander zuliefen und Sektflaschen hoch hielten.
Plötzlich saß ich ganz allein am Tisch und vor dem Fernseher, sogar Oma war weg. Ich ging zu Suse ins Zimmer, die mit Kopfhörern auf dem Bett lag, und machte eines ihrer Ohren frei.
"Die Mauer ist auf und wir sind allein in der Wohnung. Keiner mehr da", sagte ich.
"Du solltest nicht zu früh mit dem Alkohol beginnen", meinte Suse und zog den Kopfhörer wieder übers Ohr.
Ich nahm mir Paul Hase und dachte, wenn die Mauer wirklich auf ist, dann ist sie morgen vielleicht auch noch auf und wenn nicht, hab ich ja auch noch immer Opa im Westen, das hat ja bisher auch reichen müssen.

.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum27. Juli 2014
ISBN9783847699446
Wie Opa und ich die Deutsche Einheit feierten

Mehr von Katrin Pieper lesen

Ähnlich wie Wie Opa und ich die Deutsche Einheit feierten

Ähnliche E-Books

Humor & Satire für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Wie Opa und ich die Deutsche Einheit feierten

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Wie Opa und ich die Deutsche Einheit feierten - Katrin Pieper

    1

    ICH HEISSE PINO PÄCHFOGEL

    Opa sagt, wir sind ein sehr altes Geschlecht und keineswegs verwandt mit irgendwelchen Unglücksraben, außerdem wüsste er auch niemanden, der diesen Namen mit Ä und F schreibt. Deshalb muss man diesen Namen mit Würde tragen. Opa tut das, außerdem ist er, wie man so sagt, etwas betagt, da traut sich keiner an den alten Pächfogel heran. An mich schon eher. Zum Beispiel fragte mich Frau Oberländer, die neue Deutschlehrerin, nach meinem Namen und ich murmelte erfahrungsreich leise: Pächfogel.

    Da guckt sie mich scharf an und meint, dass wir es noch ganz schön miteinander zu tun kriegen würden.

    Nun kann sich jeder meine mühseligen Deutschstunden vorstellen, die ohnehin noch nie zu meinen wenigen schulischen Glanzleistungen gehören. Wenn Opa sich vorstellt, sagt er immer laut: Gestatten - Pächfogel mit, ä f. Da findet keiner was dabei. Dabei könnte man doch denken, Opa sei zu alt, um noch die Rechtschreibung zu behalten, oder dass es sich hierbei schon um die neue Rechtschreibung handelt. Tante Sofie aus Rüsselsheim vermutete eher, dass es mit der Mangelwirtschaft in der DDR zu tun hätte. Weil das 'V' so häufig dort gebraucht wurde, da hätte die Regierung eine private Verwendung nicht zugelassen.

    Ich hab aber gesagt, F's und V's seien reichlich vorhanden, sonst hätte man das doch in der Schule zuallererst gemerkt. Da stünde an der Wandzeitung längst der Aufruf: Wie können wir zur Schonung der Buchstaben F & V beitragen!

    Ich lebe in einer Mehrgenerationenwohnung, was nicht immer ganz einfach ist. In vier Zimmern wohnen OPA UND OMA, MAMA UND PAPA, MEINE SCHWESTER SUSE UND ICH und das Wohnzimmer mit einem einzigen Fernseher (!) gehört allen. Dann gibt es noch einen PAPAGEI, PIZZI und den ZWERGHASEN: PAUL HASE. Er gehört eigentlich Suses Freund und kommt schleunigst raus, hat Mama gesagt. Das war vor etwa sieben Monaten. Inzwischen gibt es den Freund längst nicht mehr aber dafür noch Paul Hase, und zwar auf Mamas Schoß, wenn sie Fernsehen sieht, weil er so lieb und so schön kuschelig ist. Suse schweigt und grinst. Darin ist sie echt stark. Suse kann unheimlich schweigen. Wenn es Krach gibt mit Papa, schreit der am Ende immer: mach endlich den Mund auf! Bei mir ist es umgekehrt. Ich muss immer den Mund halten. Einmal hat Papa sogar zu TANTE SOFIE, seiner einzigen Schwester, gesagt, sie solle einfach mal ihren Mund halten. Papa hat auch nicht Mund gesagt. Aber - egal. Das war, als sie zwei Kuckucksuhren gekauft hatte und die mit nach Rüsselsheim nehmen wollte. Damals hatten wir noch die Grenze und Rüsselsheim lag dahinter.

    Die Tante kam jedes Jahr für sechs Wochen zu uns; dass sie so lange blieb, hatte drei Gründe: neue Dauerwelle, neue Zähne, neue Brille. Das braucht seine Zeit. Dafür brachte sie uns auch immer etwas mit, was Westtanten eben für gut und richtig befanden, wenn's in den Osten ging. Papa kriegte regelmäßig einen neuen Werkzeugkoffer, was Mama 'wieder solchen Schrott' nannte. Und wenn sie das sagte, konnte es zwischen meinen lieben Eltern ganz schön giftig her gehen.

    Anders war es, wenn es Radzierblenden für unseren alten Wartburg gab, da wurde Mama regelrecht sanft, beinahe zuckersüß. Suse meinte, dass die alte Schüssel, also unser Auto, aussähe wie Tante Sofie mit ihren neuen Zähnen, die Opa immer volkseigene Modelle nannte. Tante Sofies Zähne und Opas sahen sich wirklich sehr ähnlich. Papa war ein guter Bruder, zahlte geduldig, was zu zahlen war, weil die Tante das gute Westgeld nicht unnötigerweise gegen die 'Ostlappen' tauschen wollte. Da waren wir mal alle einer Meinung, außer Papa, der meinte, ihm würden die Ostlappen auch nicht nachgeworfen werden und wir würden nun mal gar nicht schlecht davon leben. Was so falsch nun auch wieder nicht war. Papa beschwor die Tante, nur das zu kaufen, was Besucher aus dem goldenen Westen auf der Rückreise in denselben auch mitbringen durften. Die Tante kannte sich da nicht so genau aus und wir waren auch nicht mit jemandem vom Zoll verwandt. Tante Sofies Herz hing damals an Kuckucksuhren. Kuckucksuhren können nur selten fliegen, aber sie geben auf ihre Art Laut, meistens stündlich, je nachdem, wann man solchem Vogel erlaubt, aus dem Häuschen zu sein. Unser Nachbar, ein Kollege von Papa, der die Deutsch-Sowjetische Freundschaft im Betrieb beaufsichtigte, hatte sich eine solche Uhr mal aus Russland von einem Freundschaftstreffen mitgebracht und die sagte Kuckuck auf Russisch, Papa meinte, es würde sich eher wie Lenin anhören, was Mama für einen faulen Witz hielt, aber Papa meinte, nach Kuckuck würde es sich so gar nicht anhören. Wir wussten aber alle nicht, wie ein Kuckuck auf Russisch kuckuckt. Jedenfalls als die Tante mit den Vogeluhren im Koffer über die Grenze fliegen wollte und der Zöllner Tante Sofie fragte, was denn im Koffer so Schönes sei, meldeten sich die Tierchen, was ja richtig ist, denn sie waren schön im Koffer, vielleicht wollten sie auch lieber im Osten bleiben. Papa hatte jedenfalls gewaltigen Ärger mit der Behörde, sagte er. Die Tante fuhr zeternd und vogellos über die Grenze, Papa kam mit den Uhren nach Hause, obwohl er, wie er immer wieder betonte, sie gar nicht haben wollte.

    Die behalten doch sonst alles, stellte Mama verwundert fest.

    Vielleicht hatten sie dafür keine Verwendung, seufzte Papa erschöpft.

    Tante Sofie soll auch mit den Rüsselsheimer Stadtnachrichten gedroht haben und gesagt haben, dass die Regierungsautos der DDR ja schließlich auch nicht alte Zweitakter unter der Haube hätten. Der Grenzchef, wie Tante Sofie ihn nannte, soll gefragt haben, was denn das nun mit den Kuckucksuhren zu tun hätte. Sehr viel, mein Herr, sehr viel, soll Tante Sofie geantwortet haben, Opelmotoren sind in Ihrem Staat hier, besonders bei der Regierung, sehr beliebt und werden in Rüsselsheim gefertigt, das sollte einer wie Sie, mein Herr, schon mal wissen, und die kommen schließlich auch nicht von allein über die Grenze herübergerollt. Und Kuckucksuhren kommen aus dem Schwarzwald, dort sind sie mal erfunden worden.

    Und so mein Herr, endete Tante Sofie, haben wir es hier mit einem Wirtschaftsvorgang zu tun, insofern, als die guten Dinge aus dem Westen schließlich dem Wohl der DDR dienen und es sich in diesem speziellen Fall um eine Art natürlicher Rückführung handelt, wobei die DDR ein gutes Geschäft gemacht hat, denn ich habe sie auch bezahlt, und zwar in der hier landesüblichen Währung.

    Papa meint, der Grenzchef soll ein Weilchen darüber nachgedacht haben und auch sein Begleiter soll ziemlich angestrengt ausgesehen haben. Schließlich aber habe er entschieden und erklärt: In Gottes Namen, dann nimmt Ihr Bruder die Vogelhausuhren an sich. Beim nächsten Besuch können Sie sich die aufziehen und jede Stunde anhören. Wir werden es aber vermerken.

    Ich hab Papa gefragt, ob der liebe Gott an den Ausfuhrbestimmungen für Kuckucksuhren in der DDR mitgearbeitet hätte. Papa hat gefeixt und gemeint, dann wären sie ja jetzt dort oben und nicht bei ihm im Keller.

    Ich fand, dass es ein schönes Bild ist: zwei geflügelte Kuckucksuhren vor den Himmelstoren und Petrus fragt den lieben Gott: wohin mit der neuen Ware? Und der liebe Gott sagt: Kammer Zwei, links oben, unter die Pornos.

    Seit unser Nachbar von der Beerdigung seiner alten Mutter in Hamburg mit einem Koffer voller Pornohefte geschnappt wurde, die unter seiner getragenen Wäsche versteckt lagen, wissen wir aus der 5b sehr viel mehr über Pornos, die Liebe und alles, was damit zusammenhängt. Ein Heft hat er nämlich retten können, das brachte Carmen mit in die Schule. Es war Langem die beste große Pause, oder wie Suse es nannte: s e n s a t i o n e l l.

    Selbst sie hat offenbar noch was lernen können. Boxer, der schönste Junge aus unserer Schule, hat ein paar Seiten vorgelesen und am Ende waren auch seine Ohren dunkelrot. Es war wirklich eine schöne große Pause.

    Wir konnten aber das Heft nicht zu Ende lesen, Carmen hat es gleich nach der Schule wieder dort hingetan, wo ihr Vater es versteckt hatte, in einem Buch von Karl Marx. Das Kapital hieß es und war ein Brigadegeschenk zu seinem fünfzigsten Geburtstag.

    2

    Früher sollen Oma und Opa ein ruhiges, angenehmes Ehepaar gewesen sein.

    Sie hatten zwei Kinder: Papa, der mit richtigem Namen Alfred heißt und immer Freddy gerufen wird, was manchmal wie Teddy klingt, und Tante Sofie, dann noch einen Hund, der Bobby hieß und eine richtige bissige Töle gewesen sein muss, denn Opa zeigt heute noch gern und leidvoll sein zernarbtes Ohr, in das Bobby gebissen hatte, als Opa ihn streicheln wollte. Da hatte der Hund aber gerade über seinem Fressnapf gehangen und mochte keine Störungen.

    Oma soll gelacht haben, als das Blut spritzte.

    Das soll Opa damals sehr gekränkt haben und es war von Lieblosigkeit die Rede. Inzwischen haben sich die Dinge gewaltig verschärft.

    Opa zog nämlich eines Tages seinen Rentnerreisepass hervor und fuhr zu Tante Sofie in das schöne Rüsselsheim - ohne Oma. Davor hätte schon ein Blinder merken müssen, dass sie sich nicht mehr so richtig leiden konnten. Wir jedenfalls in der Mehrgenerationenwohnung haben es schnell mitgekriegt und das konnte einem die Abende und Sonntage ganz schön versauen, denn da hockten wir alle im Wohnzimmer und stritten demokratisch um den Fernseher. Wie das ausging, kann sich jeder leicht denken, jedenfalls nicht zugunsten kleinerer und vor allem jüngerer Minderheiten.

    Ich hab mal mit Suse, meiner älteren Schwester, die ja mehr Lebenserfahrung hat als ich, über Oma und Opa gesprochen. Die meinte, dass es eigentlich gar nicht möglich ist, ein ganzes Leben mit ein und demselben Mann oder derselben Frau zu verbringen.

    Pass auf, sagt Suse, die gerade dabei war, die Haarsträhnen lilagrün zu übersprayen. Es ist ziemlich einfach. Erst ist man verliebt und denkt, das muss ein ganzes Leben lang halten. Ahnt ja keiner, wie lang so ein Leben sein kann. Dann kommen die Kinder, für gewöhnlich jedenfalls, da geht's auch noch ganz gut, die ersten Jahre jedenfalls, dann sind die Kinder groß und hatten Krach genug mit den Eltern, gehen also aus dem Haus und die Alten bleiben allein und sind erst mal froh, dass endlich wieder Ruhe ist, und dann, Pino, dann beginnt das große Elend und die geballte Langeweile. Das hält kein Schwein aus. Dann geht der Mann los und nimmt sich was Junges, Süßes, Blondes, damit er mal wieder angehimmelt wird und die Frau sucht sich einen gemeinnützigen Verein, weil sie mal unter die Leute muss. An dem Punkt sind die beiden alten Leutchen. Kannste glauben.

    Suse holte Luft, sprayte noch einen Hauch Gelb über die Haare, die jetzt aussahen wie das Gefieder von Pizzi. Suses Lebenserfahrung hat mich überzeugt und mir taten meine Eltern irgendwie jetzt schon leid, weil die vielleicht noch gar nicht wussten, was ihnen noch so bevorsteht. Denn noch war die Bude voll. Und

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1