Die Moser und der Sägemörder: Alte Erinnerungen Januar - März 1999
Von Franziska König
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Über dieses E-Book
Der Sägermörder wohnte bis gestern Vormittag in einer netten Wohnung in Celle, und an der weißgestrichenen Tür mit fächerförmigem, spitzenbeghangenem Türfenster hing bzw. hängt zur Stunde noch ein Kranz.
Franziska König
'Ich könnt´ Romane erzählen!' Diesen Ausruf, der auch den Lippen einer älteren Dame entsprungen sein könnte, hört man von Franziska König öfters. Sie wohnt in einem alten Fachwerkhaus direkt neben der Stadtkirche im nordhessischen Grebenstein, nur wenige Trippelschritte von jenem prächtigen Fachwerkbau entfernt, wo einst ihr Vater, der unvergessene Geigenvirtuose und Lehrer Wolfram König (1938 - 2019) seine viel zu kurze Kindheit verbracht hat. Wolfram begann seine Laufbahn als Wunderkind der Malerei, doch nach dem viel zu frühen Tode seines Vaters wurde er bereits als 14-Jähriger in die Weltstadt Frankfurt a.M. entsandt, wo er ,von der Familie Neckermann an Sohnesstatt aufgenommen, die Kunst des Violinspiels erlernen sollte. Die malerische Kleinstadt Grebenstein, in der seine alte Mutter bis zu ihrem Tode lebte, besuchte er fortan nun noch als Gast. Und dennoch scheint sein Geist noch heute in den Gassen zu schweben. Franziska ist ebenfalls Geigerin von Beruf, aber bereits mit etwa 7 oder 8 Jahren begann sie Bücher zu schreiben, und längst ist´s zur Sucht geworden. Sie erzählt aus einem Musikerleben, berichtet von Begegnungen, und fasst die Dramen des Alltags zu einem Lesegenuss zusammen. Seit vielen Jahren führt sie ein Tagebuch in Romanform, das dem Zwecke dienen soll, sich dereinst im Alter wieder jung zu blättern. Seit dem 1.1.1992 fehlt nicht ein einziger Tag! Website: www.franziska-koenig.de
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Buchvorschau
Die Moser und der Sägemörder - Franziska König
Erinnerungen
Für Onkel Dölein
Franziska (Kika) mit ihrer Violine – fotografiert von ihrer lieben Freundin Ute Bott aus Rottweil.
„Wenn ich dereinst verstorben bin, so schweigt auch meine Violine!" sagt sie.
Und drum bringt Franziska alle vier Wochen ein schlankes bis vollschlankes Taschenbuch heraus.
Erzählt werden Geschichten aus ihrem Leben, die von erhöhtem Interesse sein dürften.
Jeden vierten Dienstag um 18.05 wird das fertige Manuskript in die Umlaufbahn entsandt.
Die meisten Vorkömmlinge
finden sich im Personenverzeichnis
Hier die engste Familie vorweg:
Opa, (*1909) Opa mütterlicherseits in Ofenbach (Niederösterreich)
Omi, Mobbl, (*1910) Oma mütterlicherseits
Oma Ella, (*1913) Omi väterlicherseits in Hessen
Buz (Wolfram), mein Papa (*1938) Professor für Violine an der Musikhochschule in Trossingen
Rehlein (Erika), meine Mutter (*1939)
Ming (Iwan), mein Bruder (*1964)
Ein Buch ohne Vorwort.
Sie können gleich anfangen zu lesen…
Inhaltsverzeichnis
Januar 1999
Freitag, 1. Januar
Samstag, 2. Januar
Sonntag, 3. Januar
Montag, 4. Januar
Dienstag, 5. Januar
Mittwoch, 6. Januar
Donnerstag, 7. Januar
Freitag, 8. Januar
Samstag, 9. Januar
Sonntag, 10. Januar
Dienstag, 12. Januar
Mittwoch, 13. Januar
Donnerstag, 14. Januar
Freitag, 15. Januar
Samstag, 16. Januar
Sonntag, 17. Januar
Montag, 18. Januar
Dienstag, 19. Januar
Mittwoch, 20. Januar
Donnerstag, 21. Januar
Freitag, 22. Januar
Samstag, 23. Januar
Sonntag, 24. Januar
Montag, 25. Januar
Dienstag, 26. Januar
Donnerstag, 28. Januar
Freitag, 29. Januar
Samstag, 30. Januar
Sonntag, 31. Januar
Februar 1999
Montag, 1. Februar
Dienstag, 2. Februar
Mittwoch, 3. Februar
Donnerstag, 4. Februar
Freitag, 5. Februar
Samstag, 6. Februar
Sonntag, 7. Februar
Montag, 8. Februar
Dienstag, 9. Februar
Mittwoch, 10. Februar
Donnerstag, 11. Februar
Freitag, 12. Februar
Samstag, 13. Februar
Sonntag, 14. Februar
Montag, 15. Februar
Dienstag, 16. Februar
Mittwoch, 17. Februar
Donnerstag, 18. Februar
Freitag, 19. Februar
Samstag, 20. Februar
Sonntag, 21. Februar
Montag, 22. Februar
Dienstag, 23. Februar
Mittwoch, 24. Februar
Donnerstag, 25. Februar
Freitag, 26. Februar
Samstag, 27. Februar
Sonntag, 28. Februar
März 1999
Montag, 1. März
Dienstag, 2. März
Mittwoch, 3. März
Donnerstag, 4. März
Freitag, 5. März
Samstag, 6. März
Sonntag, 7. März
Montag, 8. März
Dienstag, 9. März
Mittwoch, 10. März
Donnerstag, 11. März
Freitag, 12. März
Samstag, 13. März
Sonntag, 14. März
Montag, 15. März
Dienstag, 16. März
Mittwoch, 17. März
Donnerstag, 18. März
Freitag, 19. März
Samstag, 20. März
Sonntag, 21. März
Montag, 22. März
Dienstag, 23. März
Mittwoch, 24. März
Donnerstag, 25. März
Freitag, 26. März
Samstag, 27. März
Sonntag, 28. März
Montag, 29. März
Dienstag, 30. März
Mittwoch, 31. März
Personenregister
Januar 1999
Freitag, 1. Januar
Sequim (Washington, USA)
Morgens wolkig.
Auf dem üppig verschneiten Berg
schönster Sonnenschein.
Dann war wieder alles in dicke Wolken verpackt
Vorwissen:
Den Jahreswechsel verbrachten Ming, Linda und ich bei
Tante Bea und Onkel Jesse in Amerika
Alle schliefen noch. Vielleicht gäbe es ja einen Sonnenaufgang zu bestaunen , dachte und hoffte ich, weil es so ausschaute, als würde von der dunklen Decke, die uns nachts umhüllt, ein erster Zipfel sachte ange-lupft.
Doch die Dunkelheit wich vorerst nicht, und nachdem ich mir Tee aufgebrüht hatte, saß ich auf dem türkisfarbenen Barhocker und las in dem philosophisch angehauchten und doch so persönlichen Tagebuch von Georges Simenon, während sich in mir bereits Pflichterfüllungsgedanken dahingehend ballten, daß ich der Dame Gerswind schreiben sollte, denn mit ihr, der ehemaligen unehelichen Schwägerin, und Bratscherin in meinem einstigen Streichquartett, führe ich seit Jahr und Tag ein Briefabbo – jeweils am Ersten den Monats.
Das philosophisch Nachdenkliche von Georges S. hatte sich in meine Art zu denken verzwickt, und nun fühlte ich eine Anfangsscheu vor meiner brieflichen Plauderei mit der Gerswind und überlegte herum, was man ihr, einer Frau für die ich eher munkeleswarme Freundschaftsgefühle hege, wohl schreiben könne?
Ich schickte meine Gedanken zur Gerswind nach Österreich, und stellte mir bildlich vor, wie sie in ihr Tagebuch schreibt:
„Fritzis Küsse beginnen schal zu schmecken."
*
Nach und nach wurden alle wach:
Tante Bea, Onkel Jesse, Jenny, Eric, Ming und das Lindalein. Ich schlug vor, daheim in Ofenbach anzurufen, wo das für uns frisch angezapfte Jahr immerhin schon 20 Stunden alt sei, so daß dort bereits Fernsehzeit herrsche.
Tante Bea hat immer ein wenig Angst, Omi Mobbl könne den Hörer abheben, weil Mobbl bei ihrem Geplabber meist kein Ende findet, immer die gleichen Geschichten erzählt und immer die gleichen unergiebigen oder gar torhaften Fragen stellt.
Z.B. frägt sie mich, wie es mir geht, und Ming frägt sie hernach auch, wie es mir geht, schüttelte man allgemein wie in einem schlechten Roman den Kopf, „und dabei ist es doch äußerst reizvoll, sich das Wohlergehen eines Menschen aus zwei verschiedenen Perspektiven schildern und beleuchten zu lassen!" fand wiederum ich.
Es könnte z.B. sein, daß ich auf die Frage nach meinem Wohlergehen mit: „Guuuht! antworte, während Ming sagt: „Sie verbirgt die Leere ihres Lebens hinter aufgesetzter Heiterkeit.
Das Beätchen erzählte von ihrem Exmann Ric, in den sie sich einst als junges Ding direkt ungestüm verliebt hatte, so daß sie sich allen weisen und ach so klugen Ratschlägen zum Trotze mit ihm liierte und eine fünfköpfige Familie gründete.
Einige Jahre später wünschte sich das kleine Rifflein immer so sehr, sein Papi möge ein Baumhaus mit ihm bauen, und der Ric sagte: „Oh yes! That´s a great Idea! „Irgendwann mal…
– fügte der stets Stringente innerlich hinzu, was in der Erwachsenensprache nichts anderes als „nirgendwann mal bedeutet. Aber vielleicht dachte er auch „gegebenenfalls…
Es verging Jahr um Jahr, und bloß für´s Tennisspiel hatte der Ric immer Zeit, weil er vom zweifelhaften Ehrgeiz getrieben wurde, die Tage mögen einander gleichen wie ein Ei dem anderen, damit man sie besser aufeinander stapeln könne.
Als wenn man Eier übereinander stapeln könnte, hahaha!!! Da lacht man doch.
Der Jesse als Neuer an der Seite von der Bea, hat dem kleinen Rifflein die Freude mit dem Baumhaus aber sofort gemacht.
Vormittags retirierte ich mich zum Üben ins Zimmer von Beate und Jesse, nicht ohne vorher höflich gefragt zu haben, ob es den Jesse vielleicht störe, wenn jemand in seinem Schlafzimmer wirkt und eventuell furzt?
Den Jesse aber stört das nicht, weil er ein unkomplizierter Mensch ist, der selber gerne irgendwo wirkt und furzt.
Mittags:
Ohne die Tante Bea, die daheimgeblieben war, fuhren wir serpentinenförmig in die Höh´ auf einen üppigst verschneiten Berg hinauf.
Der Berg ragte mitten durch einen Wolkenteppich hindurch steil in die Höhe, so daß oben schönster Sonnenglanz auf uns wartete.
Wir stapften durch den Schnee, doch der Jesse lief nur ganz kurz mit, um sich bald darauf in die Berggasthütte zurückzuziehen, weil seine Füße nass geworden waren. Uns wurde somit die Sicht auf den weiteren Verlauf seines Lebens vorübergehend entzogen.
Er als gemütlicher Seemannstypus hob vermutlich ein paar Biere, und lernte eventuell eine Frau kennen?
Wir aber liefen weiter, und die Linda brachte uns das Lied vom rotnasigen Hirschen Rudolph bei.
Ming frug mich, ob es mir in Amerika gefalle?
„Ja," sagte ich, obwohl ich hier nicht so gerne leben würde.
Früher, als wir noch in Japan lebten, schwang bei meiner Sehnsucht, nach Amerika zu ziehen, eine gehörige Portion Sandkasten- und Klassenzimmersyndrom mit, und auch jetzt würde ich, wenn ich schon in Amerika leben sollte, gern mit ansehen wie meine Freunde und Kollegen in Europa wohl „spitzen", wenn ich hier lebte.
Bloß sähe ich die dann ja gar nicht mehr beim Spitzen, und den Leuten hier wäre es einerlei, weil die ja selber hier leben, und nichts Besonderes mehr dabei finden können.
Abends:
Ich fühlte eine zärtliche Rührung in mir aufwallen, daß es uns das Beätchen so schön macht! Zwei Auflaufformen mit einem köstlichen Nudel-Pilz-Auflauf standen verheißungsvoll dampfend auf dem Tisch.
Man sprach über eine eventuelle Reise in einen Ort namens „Victoria" im angrenzenden Kanada – gleich morgen früh.
Die Linda hat immer Angst, Ming könne ums Leben kommen, wenn er auf Reisen geht.
„Das Dumme an solchen Gedanken ist: Wenn´s denn mal passiert, so meint man, man habe recht gehabt!" sagte Ming.
Tante Bea nahm ihre Näharbeit zur Hand, und sah dabei aus wie „die Mutter" in einem berührenden skandinavischen Film.
Ming und ich setzten uns zu ihr.
Wieder sprachen wir über den Ric, und darüber, wie schwierig er war. Mal sprach er tagelang kein Wort mit der Beate, dann wiederum konnte man sich fabelhaft mit ihm unterhalten, und manchmal entschuldigte er sich für sein befremdliches Benehmen.
Kurzum, und um Worte von Ute M.* zu nutzen: „Ein Wechselbad der Gefühle!"
*Liebe Freundin, die immer in geflügelten Worten spricht und schreibt, so daß man sich wie auf Wolke sieben fühlt, wenn ein Brief von ihr ins Haus flattert.
Dann lenkte man das Psychologisierungsokular auf mich, und sprach mahnend und wachrüttelnd:
Daß ich zu sehr an den moribunden Großeltern klebe, und daß Rehlein heute noch Kinderberichte über mich schreibt, obwohl ich doch schon so alt bin!
Die Beate meinte gar, daß sie sich gar nicht vorstellen könne, sich mit mir gescheit zu unterhalten.
Ich aber finde, daß man sich mit mir gut unterhalten kann. Wahrscheinlich war ich nur müd, oder aber Beätchens zwar süße, aber auch etwas hippelige Art nahm mir ein beim Versuch, Klugheiten von mir zu geben, ein wenig den Wind aus den Segeln?
Ming brachte die Sprache darauf, daß ich wohl derothalben so gut mit den Großeltern klar käme, weil ich nie Freunde mitbringe?
Es ist aber einfach bloß so, daß die wenigen Freunde die ich habe, mir bei meinem Glück mit den Großeltern eigentlich nur im Wege stehen würden.
Samstag, 2. Januar
Schmuddelweiße Wölkchen
über einem mattblauen wässrigen Himmel.
Zur Dämmerstunde jedoch zauberhaft
Etwas ungelenk, nach Art eines neuen Au-pair-girls, das sich weder eingelebt noch eingearbeitet hat, räumte ich die Spülmaschine aus. Immer auf der Hut, hoffentlich nichts fallen zu lassen, da das Beätchen doch ein so wunderschönes buntes Picasso-Geschirr hat, auf das man sehr stolz ist.
Tatsächlich kann ich mit dem Beätchen nicht ganz so toll plaudern wie mit Rehlein oder Frau Kettler.
Meistens fühle ich mich bei meinen Geschichten etwas „staubig" an, so als sprächen die Großeltern aus mir, und dabei redet die Bea viel mehr über die Großeltern, die ihr auf den Wecker fallen.
Und obwohl sie die Großeltern liebt, weil die ja ihre Eltern sind, sagte sie gar:
„Ich müsste die Großeltern jetzt gar nicht mehr besuchen!"
Die Linda war heute ein wenig krank, und