Mein Bekanntenkreis: ... aber den wollt Ihr nicht wirklich kennenlernen, oder?
Von Franziska König
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Über dieses E-Book
Und Veronika, eine liebe Freundin, wird von einem alten Verehrer, dem die Frau verstorben ist, bedrängt, den Lebensabend mit ihm zu verbringen.
Liebevoll, und im Bestreben, das Geschehen für die Sinne der Leserschaft gescheit aufzupixeln, schildert Franziska den Alltag um diese und andere Dramen und kleinen Freuden aus dem ersten Halbjahr 2009.
Franziska König
'Ich könnt´ Romane erzählen!' Diesen Ausruf, der auch den Lippen einer älteren Dame entsprungen sein könnte, hört man von Franziska König öfters. Sie wohnt in einem alten Fachwerkhaus direkt neben der Stadtkirche im nordhessischen Grebenstein, nur wenige Trippelschritte von jenem prächtigen Fachwerkbau entfernt, wo einst ihr Vater, der unvergessene Geigenvirtuose und Lehrer Wolfram König (1938 - 2019) seine viel zu kurze Kindheit verbracht hat. Wolfram begann seine Laufbahn als Wunderkind der Malerei, doch nach dem viel zu frühen Tode seines Vaters wurde er bereits als 14-Jähriger in die Weltstadt Frankfurt a.M. entsandt, wo er ,von der Familie Neckermann an Sohnesstatt aufgenommen, die Kunst des Violinspiels erlernen sollte. Die malerische Kleinstadt Grebenstein, in der seine alte Mutter bis zu ihrem Tode lebte, besuchte er fortan nun noch als Gast. Und dennoch scheint sein Geist noch heute in den Gassen zu schweben. Franziska ist ebenfalls Geigerin von Beruf, aber bereits mit etwa 7 oder 8 Jahren begann sie Bücher zu schreiben, und längst ist´s zur Sucht geworden. Sie erzählt aus einem Musikerleben, berichtet von Begegnungen, und fasst die Dramen des Alltags zu einem Lesegenuss zusammen. Seit vielen Jahren führt sie ein Tagebuch in Romanform, das dem Zwecke dienen soll, sich dereinst im Alter wieder jung zu blättern. Seit dem 1.1.1992 fehlt nicht ein einziger Tag! Website: www.franziska-koenig.de
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Buchvorschau
Mein Bekanntenkreis - Franziska König
Franziska „Kika" im Jahre 1995
fotografiert von ihrer lieben Freundin Ute Bott
Ein Buch ohne Vorwort.
Sie können gleich anfangen zu lesen.
Meinem lieben Onkel Hartmut gewidmet!
Inhaltsverzeichnis
Januar 2009
Donnerstag, 1. Januar
Freitag, 2. Januar
Samstag, 3. Januar
Sonntag, 4. Januar
Montag, 5. Januar
Dienstag, 6. Januar
Mittwoch, 7. Januar
Donnerstag, 8. Januar
Freitag, 9. Januar
Samstag, 10. Januar
Sonntag, 11. Januar
Montag, 12. Januar
Dienstag, 13. Januar
Mittwoch, 14. Januar
Donnerstag, 15. Januar
Freitag, 16. Januar
Samstag, 17. Januar
Sonntag, 18. Januar
Montag, 19. Januar
Dienstag, 20. Januar
Mittwoch, 21. Januar
Donnerstag, 22. Januar
Freitag, 23. Januar
Samstag, 24. Januar
Sonntag, 25. Januar
Montag, 26. Januar
Dienstag, 27. Januar
Mittwoch, 28. Januar
Donnerstag, 29. Januar
Freitag, 30. Januar
Samstag, 31. Januar
Februar 2009
Sonntag, 1. Februar
Montag, 2. Februar
Dienstag, 3. Februar
Mittwoch. 4. Februar
Donnerstag, 5. Februar
Freitag, 6. Februar
Samstag, 7. Februar
Sonntag, 8. Februar
Montag, 9. Februar
Dienstag, 10. Februar
Mittwoch, 11. Februar
Donnerstag, 12. Februar
Freitag, 13. Februar
Samstag, 14. Februar
Sonntag, 15. Februar
Montag, 16. Februar
Dienstag, 17. Februar
Mittwoch, 18. Februar
Donnerstag, 19. Februar
Freitag, 20. Februar
Samstag, 21. Februar
Sonntag, 22. Februar
Montag. 23. Februar
Dienstag, 24. Februar
Mittwoch, 25. Februar
Donnerstag, 26. Februar
Freitag, 27. Februar
Samstag, 28. Februar
März 2009
Sonntag 1. März
Montag, 2. März
Dienstag 3. März
Mittwoch, 4. März
Donnerstag, 5. März
Freitag 6. März
Sonntag, 7. März
Sonntag, 8. März
Montag, 9. März
Dienstag, 10. März
Mittwoch, 11. März
Donnerstag, 12. März
Freitag, 13. März
Samstag, 14. März
Sonntag, 15. März
Montag, 16. März
Dienstag, 17. März
Mittwoch, 18. März
Donnerstag, 19. März
Freitag, 20. März
Samstag, 21. März
Sonntag, 22. März
Montag, 23. März
Dienstag, 24. März
Mittwoch, 25. März
Donnerstag, 26. März
Freitag, 27. März
Samstag, 28. März
Sonntag, 29. März
Montag, 30. März
Dienstag, 31. März
April 2009
Mittwoch, 1. April
Donnerstag, 2. April
Freitag 3. April
Samstag, 4. April
Sonntag, 5. April
Montag, 6. April
Dienstag, 7. April
Mittwoch, 8. April
Donnerstag, 9. April
Freitag, 10. April
Samstag, 11. April
Sonntag, 12. April
Ostermontag, 13. April
Dienstag, 14. April
Mittwoch, 15. April
Donnerstag, 16. April
Freitag, 17. April
Samstag, 18. April
Sonntag, 19. April
Montag, 20. April
Dienstag, 21. April
Mittwoch, 22. April
Donnerstag, 23. April
Freitag, 24. April
Samstag, 25. April
Sonntag, 26. April
Montag, 27. April
Dienstag, 28. April
Mittwoch, 29. April
Donnerstag, 30. April 2009
Mai 2009
Freitag, 1. Mai
Samstag, 2. Mai
Sonntag, 3. Mai
Yvonne 1967-2009
Montag, 4. Mai
Dienstag, 5. Mai
Mittwoch, 6. Mai
Donnerstag, 7. Mai
Freitag, 8. Mai
Samstag, 9. Mai
Sonntag, 10. Mai
Montag, 11. Mai
Dienstag, 12. Mai
Mttwoch, 13. Mai
Donnerstag, 14. Mai
Freitag, 15. Mai
Samstag, 16. Mai
Sonntag, 17. Mai
Montag, 18. Mai
Dienstag, 19. Mai
Mittwoch, 20. Mai
Donnerstag, 21. Mai
Freitag, 22. Mai
Samstag, 23. Mai
Sonntag, 24. Mai
Montag, 25. Mai
Dienstag, 26. Mai
Mittwoch, 27. Mai
Donnerstag, 28. Mai
Freitag, 29. Mai
Samstag, 30. Mai
(Pfingst-)sonntag, 31. Mai
Juni 2009
(Pfingst-)montag, 1. Juni
Dienstag, 2. Juni
Mittwoch, 3. Juni
Donnerstag, 4. Juni
Freitag, 5.Juni
Samstag, 6. Juni
Sonntag, 7. Juni
Montag, 8. Juni
Dienstag, 9. Juni
Mittwoch, 10. Juni
Donnerstag, 11. Juni
Freitag, 12. Juni
Samstag, 13. Juni
Sonntag, 14. Juni
Montag, 15. Juni
Dienstag, 16. Juni
Mittwoch, 17. Juni
Donnerstag, 18. Juni
Freitag, 19. Juni
Samstag, 20. Juni
Sonntag, 21. Juni
Montag, 22. Juni
Dienstag, 23. Juni
Mittwoch, 24. Juni
Donnerstag, 25. Juni
Freitag, 26. Juni
Samstag, 27. Juni
Sonntag, 28. Juni
Montag, 29. Juni
Dienstag, 30. Juni
Januar 2009
Donnerstag, 1. Januar
Ofenbach/ Niederösterreich
Bewölkt,
doch auf dem Spaziergang durch gefrostetes
Herbstlaub zuweilen ein Lächeln der Sonne
durch sanft schwebende, flächendeckende
Wolkenschichten
Rehlein, meine 69-jährige Mutter, hatte sich dem Neujahrsmorgen zur Huld sehr hübsch mit einem auf dem Basar in der Türkei gekauften Hemd gekleidet, das über der Brust von einer goldschimmernden, weihnachtlichen Verzierung geschmückt wurde.
Man schaltete den Televisor ein, und ab Viertel nach elf schauten die Erwachsenen den ganzen Vormittag lang das Neujahrskonzert aus Wien unter der Leitung von Daniel Barenboim, und Rehlein tänzelte zu der Musik, während unser Familienoberhaupt „Buz" in seinen malerischen Pantoffeln, unbewegt im Sorgenstuhle saß.
Das Publikum, von oben gesehen, schaute aus wie die Oberfläche eines Zwetschgenkuchens, und es heißt, eine Karte koste etwa 900 €uro.
Sparte ich beispielsweise ab sofort jeden Tag 3 €uro, so könnte ich Buzen am Ende des Jahres eine Karte für das nächste Neujahrskonzert kaufen. Doch was, wenn man
dann dort säße, und die ganze Zeit aufs Klo pressierte?
(Letzteres dachte abwimmelnd die Schwäbin in mir.)
Rehlein meinte, daß während dem Neujahrskonzert auch viele Bilder aus dem Zoo gezeigt würden, und auf diese Schiene sprang ich sehr interessiert auf. Ständig rannte ich in die Wohnstube und rief:
„Sind schon Bilder vom Zoo gekommen??"
Nach dem Kunstgenuß lud mich das süßeste Rehlein auf einen Neujahrsspaziergang ein.
Ich sprach davon, lieber daheim bleiben zu wollen, doch Rehlein duldete es nicht, und so stieg ich im Keller in meine dunkle Tuchhose, die ich unlängst einem sultansartigen Herrn in Kassel abgekauft habe, wie ich Rehlein plastisch berichtete, als ich aus dem Keller wieder emporgestiegen war.
Der Herr, der die Sultanshose verkauft hat, sei sehr nett gewesen. Ich hätte mich beim Kaufvorgang gefühlt wie in einem Märchen aus 1001 Nacht, und Kassel sei jetzt ganz und gar in türkischer Hand und hieße mittlerweile Küssül, wußte ich Rehlein zu erzählen.
Buz war vorausgelaufen, ich sollte ihm nacheilen, und Rehlein wiederum würde mir hinterher stürmen.
„Wo ist er denn, der oide Depp?" frug ich mich, als ich mich anschickte, den Hang zur Pferdekoppel vor dem Hause zu erklimmen, und da sah man Buz bereits rübezahlartig in der Ferne schimmern.
Auch das emsige und wieselflinke Rehlein in schönem, glänzenden Biberpelze zeigte sich alsbald.
Buz atmete pfeifend und mühsam und kehrte sehr den Leidenden hervor, und leider sind wir Drei in sehr unterschiedlichen Tempi geeicht, so daß es eine Mühe ist, uns als kleines Spaziergangsgespann beieinander zu halten.
Ich lief meist neben Rehlein her, doch da Rehlein etwas flinker ist als ich, mußte ich mich sehr anstrengen, um mit Rehlein Schritt zu halten.
Wir bewanderten einen schönen, breiten, leicht aufschüssigen Weg, mit gefrostetem, eingeknülltem rosa Herbstlaub bedeckt, und mir gefiel der Gedanke, daß wir uns ab sofort jeden Tag Prosciuttobrote zubereiten, die wir dann im Walde picknicken könnten.
Rehlein hatte ein Sackerl mit Leckereien dabei:
Dörrobst (selbstgedörrt), Walnüsse (sich selbst danach gebogen), und für jeden von uns zwei Basler Leckerli (selbstgebacken).
Wieder atmete Buz schwer und mühsam und ich stellte mir für die Doku „Mitten im Leben" vor, wie wir in unserer matriarchisch geprägten kleinen Herde, von Rehlein angeführt durch den Wald spazieren:
„Mutter Erika weiß, daß man die Tränke vor Sonnenuntergang erreicht haben muß – doch Vater Wolfram wird zusehends schwächer.
Schafft Wolfram es nochmals, Anschluß an die Herde zu finden? –
Dies und mehr sehen sie nach der Werbung…"
Auf dem Weg lag eine kleine Spitzmaus, die trotz ihres Pelzes erfroren war, und dann lief Buz uns gar voraus, so daß man von hinten auf das altgewordene kleine Buzzewackele von einst draufschauen konnte.
Rehlein erzählte, wie irritiert sie einst war, als der junge Buz zuweilen vorschlug „spazieren zu gehen, denn „spazieren
tat sie doch nur mit der Oma. Die jungen Leute gingen wandern, und mit dem Opa dauerten die Wanderungen immer einen ganzen Tag.
Daheim geriet ich in eine seltsam schwummrige Stimmung: Meine Sicht fühlte sich so schwach und schwebend an.
Mir schien es anstrengend, aus meinen Augen überhaupt ins Freie zu blicken, solcherart, als müsse ich dafür einen inneren Klimmzug tätigen, und grad so, als sei die innere Auspolsterung meiner Hülle unter Augenhöhe gerutscht.
Buz hatte sich wie selbstverständlich in den Sorgenstuhl zurückgefleezt und den Fernseher eingeschaltet, während Rehlein in der Küche für uns schuftete.
Ich half Rehlein so gut ich konnte – bloß konnte ich´s nicht gut.
Unsere Bemühungen in der Küche wurden vom Televisorenlärm beplärrt und es lief das große Zirkusfestival von Monte-Carlo:
Auf einem wackeligen v-förmig hängenden Seil stand ein tollkühner Chinese auf einer Hand. Das Seil zitterte und vibrierte, doch der tollkühne Chinese hielt sich wacker. Dann versuchte er sich als Einradfahrer auf dem Seil, und Buz rief mindestens viermal in Folge begeisternd crescendierend:
Das gibt´s doch nicht!
Fürst Albäär saß inmitten seiner Familie, und seine Freundin bekam einen ungläubigen Gesichtsausdruck, als ein Zauberkünstler eine zerfallene Puppe in eine lebendige Frau zurückverwandelte.
Sie sah aus, als dächte sie: „Halloooo?!? Geht´s noch, ej?" (auf französisch natürlich)
Ein Herr aus Mexiko wagte in den Lüften einen vierfachen Salto, an dessen Ende er von einem anderen Artisten aufgefangen werden sollte, und scheiterte zwiefach!
Sein Vater wurde ganz wild, doch beim dritten Versuch schaffte es der Sohn, und dadurch war die Ehre für den Vater wieder hergestellt, so daß er den Schweißgebadeten innig umarmte, und leidenschaftlich stammelnd das Wörtchen „Mexiko!" hauchte, um aller Welt zu bedeuten, daß dies ein wahrer Mexikaner sei.
Als Rehlein den Tisch aufräumen wollte, sagte Buz: „Das machst du jetzt nicht – das mache ich!" während Rehlein zu diesen schönen Worten bereits den halben Tisch aufgeräumt hatte.
Wir spielten „Kuhhandel", ein lustiges Kartenspiel, und ich fühlte mich noch immer so schwummrig.
Buz frug mich, ob ich nicht mal wieder Kontakt zu Frau Leonskaja aufgenommen habe, doch ich habe es nicht, denn meinen Freundeskreis habe ich drastisch ausgedünnt.
Viele Freunde von einst, wie z.B. die Dame Gerswind oder auch Frau Leonskaja, habe ich ohne Reu dem Freundschaftssperrmüll überantwortet.
Doch dies muß ja wohl nicht zwangsläufig bedeuten, daß die so lieblos an den Straßenrand gestellten Freundschaften nicht eines Tages überraschend zu einem zurückkehren?
Andere Freundschaften wie z.B. zur hübschen Nicole oder auch Frau Kirwald sind mittlerweile erkaltet, und dies wiederum muß auch nicht zwangsläufig bedeuten, daß sie nicht wieder aufgewärmt werden könnten?
Buz telefonierte mit dem Onkel Eberhard, und der Anruf lud den süßen Buz und mit ihm auch Rehlein und mich freudig auf, da der vom Weine ansentimentalisierte Onkel am anderen Ende der Leitung, Buzen 5000 €uro für sein Buch versprach.
Jedoch war´s nicht das viele Geld, das ihm versprochen wurde, sondern die brüderliche Liebe die hinter diesen schönen Worten zu fühlen war, die Buz so rührte.
Vorwissen für den nächsten Tag:
Jahrelang besuchte ich auf meinen langen Reisen immer wieder meine liebste Freundin Veronika, die im Nürnberger Operngraben Violine spielt.
Doch seit dem Sommer wird die Veronika vom 81-jährigen Herrn Jorberg bestalkt, dem die Frau hinweggestorben ist, und mit dem sie offenbar vor vielen Jahren eine verbotene Liebe verband?
Freitag, 2. Januar
Bleich verhangen, fast neblig.
Es wurde kalt wie im Kühlschrank
und drohte zu schneien und zu vereisen
Ich dachte über Veronikas Freund Jorberg nach, von dem zu befürchten wäre, daß er bereits bei der Veronika eingezogen ist, zumal es sich ja leider um einen großen Manipulatoren handelt, der sich durchaus darauf versteht, das Weltgeschehen mit passenden Worten zu seinen Gunsten hinzubiegen.
Es war noch kälter geworden und vor dem Hause hatte sich ein kleiner Schneeteppich ausgebreitet.
Am warmen Kachelofen versuchte man das vermaledeite Error-Gefühl der Lebensmitte hinwegzuwärmen.
Rehlein hatte das schöne rote Weihnachtstischtuch aufgedeckt und stellte einige Behältnisse mit Knabbereien, wie beispielsweise Wasabi-Erbsen, auf den Tisch, als unsere Gäste, die Poppingers, eintrafen.
Den Jakob, ihren Taschendackel, hatten sie daheimgelassen.
Poppi & Renate kamen soeben aus Wien, und sahen je schön herausgeputzt aus.
Die Renate in spitzzulaufenden Stiefeletten, schmuckbehangen, und mit frischgescheitelter, blondierter Frisur, und der Poppi gar mit edler Krawatte.
Für Rehlein hatte man ein Gastgeschenk dabei: Eine glühbirnenartige Vorrichtung mit einem Schornsteinfeger und einem rosa Schweinderl drinnen, die man einschneien lassen kann, wenn man sie kräftig schüttelt, und genau so etwas hatte sich Rehlein einst als 14-jährige so glühend gewünscht!
Damals jedoch mit einer Madonna drin.
Fast hätte dies der Opa ihr gekauft, doch dann appellierte er an Rehleins Vernunft und man verschob den Kauf auf den St. Nimmerleinstag.
Doch daß Rehleins Traum sich 55 Jahre später, wenn auch in gedämpfter Form, doch noch erfüllen sollte….!
Die Wasabi-Erbsen schmeckten dem Poppi leider nicht, und so holte Buz seine Nugat-Mandeln der Firma Laaber herbei, die ich ihm zu Weihnachten geschenkt habe, weil der süße Buz immer so gerne teilt.
Hm, dies mundete doch immer! Wir erfuhren, daß nun auch die Aysche heirate. (Eine blutjunge Türkin aus dem Dorf.)
Glücklich sei sie leider nicht, doch sie traue sich nicht „nein" zu sagen, und der Poppi habe schöne Worte gemacht:
Er selber habe drei Anläufe gebraucht und „nun brobiern mr´s hoid amoi!"
Dies habe er ausgerufen, und da war ihm die Aysche dankbar um den Hals gefallen, weil sie sich sehr über die ermutigenden Worte gefreut hat.
Und außerdem erfuhren wir, daß die Renate dem Poppi zu Weihnachten Lateinstunden bei einem renommierten Professor geschenkt habe.
Buz telefonierte noch mit dem Gabilein, seiner Exschwägerin die heute Geburtstag feiert, und wirkte als Gratulator und Telefonator so vergnügt bei diesem Telefonat.
Auch ich sprach mit der Verlorengeglaubten, und die Gabi klang wie Mings* Schwiemu Birgit und war immer ganz leicht zu erheitern.
Als ich ihr jedoch das mit Mings Schwiemu sagte, erschrak sie kurz und wollte wissen, ob Ming wirklich eine Schwiegermutter habe, da sie ja selber mal leicht in ihn verknallt war.
„Nur eine uneheliche!" sagte ich schreckdämpfend, und Buz lachte so entzückend über diesen kleinen Scherz.
*Mein Bruder Ming
Samstag, 3. Januar
Bißl schneebestäubt. Sonnenschein
Am Vormittag litt ich plötzlich so sehr darunter, mor- oder übermorgen wieder abreisen zu müssen, daß sich mein Herz anfühlte, wie ein Schwamm, den man in eine essighaltige Tränenflüssigkeit gelegt hat.
Buz hatte sich wie ein Rabe, der in einen entfernten Winkel des Käfigs fliegt, an seinen Läptop zurückgezogen, wo er meist geistesabwesend mit hochgezogenen Flügeln (könnte man fast schreiben) dasitzt und an seinem Buch über die Finessen der Violintechnik arbeitet.
Rehlein und ich liebten uns unglaublich, doch davon wich mein Wehmutsgefühl natürlich nicht und wurde eher schlimmer.
Heute wurde ich an der Kasse bei Billa von der Frau-Hartl-Variante bedient, und sie, die vormals eher Unpersönliche, bediente sehr freundlich und höflich, so als sei Billa vor sich selber mit gutem Beispiel vorausgegangen und habe alle Mitarbeiter zu einer Scharmschulung geschickt, weil die Aktion „eine Stadt wird nett", nun auch die Randbezirke Wr. Neustadts erreicht hat.
Nach dem Essen maßen wir unseren Blutdruck.
(Ob eine norddeutsche Hand jetzt wohl schrübe: maßen wir unsere Blutdrücke
?)
Buzens Blutdruck gab zu Verwunderung Anlaß: 84 – 63.
Davon schien´s mir so, als sei Buzens Batterie leer, und ich glaubte somit, die Erklärung gefunden zu haben, warum Buz wohl so einkanalig ist, bzw. in vieler Hinsicht gar überhaupt nicht funktioniert?
Richtet man das Wort an ihn, so fühlt es sich zuweilen an, als benütze man eine Fernbedienung, deren Batterie alt und schwach geworden ist, und es passiert praktisch gar nichts, wenn man sie auf den Fernseher richtet und einen Knopf drückt.
Mir gelang´s, Buz zu einem kleinen Spaziergang zu überreden, während Rehlein sich auf´s Ohr legte.
Wir liefen an der Pferdekoppel entlang in den Wald, und ein Pferd berumpelte mit seinem lieben, weichen Maul Buzens Schulterblatt.
Sonst aber war es gar nicht lustig.
Buz schien mir als Mann mit absterbender Batterie plötzlich so fern und unzugänglich wie jener schwerdepressive Mann, den ich einmal an der Bushaltestelle vor der Universitätsklinik Göttingen gesehen habe.
Die ganze Zeit pfiff er nur geräuschvoll an seinem Atem herum, und wußte man schon früher oftmals nicht, was man mit Buz so reden solle, so wußte man es jetzt überhaupt nicht.
Wir liefen bis zum Hochstand am Echofeld. Dort stand Buz, atmete noch ein bißchen rum, und schaute mich dazu undefinierbar an.
Zuvor sah man die untergehende Sonne hinter Baumwipfeln. Buz hat aber nicht stehenbleiben mögen, und als wir endlich auf dem Feldweg angekommen waren, war sie verschwunden.
Im Wäldchen sagte Buz plötzlich: „Ich finde die Österreicher sollten ihr Land besser heizen!"
Darüber lachte ich, weil ich mich freute, daß Buz eine leichte Lustigkeit von sich gegeben hatte.
Nach der Teestunde versuchte ich, die Veronika zu erreichen.
Unfaßbar wär´s gewesen, wenn ich jetzt auf den Anrufbeantworter gesagt hätte: „..falls der oide Depp schon wieder dasitzt".
Doch dann hob der alte Depp selber ab und ich erfuhr, daß die Veronika ihren Nachmittagsschlummer absolviere, dieweil sie um 6 Uhr schon wieder im Operngraben Dienst schieben müsse.
Wir konnten es nicht fassen, daß sich der alte Manipulator bei der Veronika wieder eingeschmeichelt hat, und mittags hatte ich den Erwachsenen doch noch erzählt, wie er sich an Veronikas Finanzgeschäften versucht hat.
Er tut so, als habe er ein Knoff-hoff, und dabei weiß er gar nichts.
Er verlangte Einblick in Veronikas Finanzpapiere, und sagte darüber in falschem Knoff-hoff-Gebaren:
„Dein Geld ist katastrophal angelegt, meine Liebe!" und das, wo die Veronika noch nie irgendwelche finanziellen Nöte gespürt hat, und sich immer alles kaufen konnte, was sie haben wollte.
Die Veronika hat dann aber doch noch angerufen.
Ich bin unfroh darüber, daß sich der alte Tatterich nun bei der Veronika eingenistet hat, und die Veronika am anderen Ende der Leitung sagte womöglich mehr für die Ohren des Herrn bestimmt:
Mein Gast will nur bis morgen bleiben!
(Na, wer´s glaubt!)
Mich wolle er allerdings unbedingt kennenlernen.
„Mich braucht man doch nicht kennenzulernen. Ich bin nur eine ganz gewöhnliche alte Frau!" sagte wiederum ich für die Ohren des Herrn.
Abends erfand ich noch eine spannende Jorberg-Geschichte und bedauerte zutiefst, daß man die der Veronika nicht erzählen kann, da der Herr ja nun immer in ihrer Horchweite sitzt – denn vielleicht erging es dem Jorberg ja wirklich so?:
Nach dem Ableben seiner Frau ging er zur Testamentseröffnung und mußte erfahren, daß er mit sofortiger Wirkung absolutes Hausverbot habe – die Geschwister seiner Frau ließen ihn nicht einmal mehr ins Haus um seinen Schlafanzug zu holen, und nur eine mitleidige Schwester reichte ihm seinen Rasierapparat über den Zaun.
Ich verabschiedete meine Eltern mit besonders viel Liebe, und hatte doch immer das Gefühl, es war nicht genug.
Sonntag, 4. Januar
Klar zunächst, dann mild-verhangen
Nachmittags gab´s eine Jausenstunde mit Ingwertee und Rehleins köstlichen Gutsles. Trotz Diätbestrebungen gönnte ich mir fünf davon, und dachte dabei an Königin Elisabeth mit ihren beiden Butterkeksen der Firma Friesenboom, die täglich um Punkt 5 zum Tee geliefert werden.
Man schaut die Kekse an und weiß: „Gleich sindse weg."
Ich liebte meine Eltern unglaublich, und konnte es nicht fassen, wie ich´s zuweilen so lange ohne die ausgehalten haben soll – so, als sei mein Herz tiefgekühlt gewesen! Jetzt aber ist es wieder aufgetaut, und ich halte es ohne die nimmer aus.
Abends bemäkelte mich Buz mindestens dreimal, daß ich im Sommer auf meiner Violine über die Töne hinaus vibrierend, zu hoch intoniert habe, und wurde wild, als ich ihn darauf hinwies, daß er es schon fünf mal gesagt habe.
Buz warf mir verärgert vor, daß ich ihm zehnmal sag, daß er etwas fünfmal sagt.
Montag, 5. Januar
Ofenbach – Nürnberg
In Österreich nur bleich bewölkt, in Deutschland
Schnee
Ich öffnete einen ersten 20-Minuten-Sack, um ihn mit Pack- und sonstigen Nützlichkeitsmolekülen zu füllen, und dieser schwere 20-Minuten Sack beinhaltete auch ein, zwei Frösteleien, die zu erdulden waren – wenn ich nämlich mein Auto packte.
Buz in einem weißen Alzheimer-Leiberl stand am Kachelofen.
Ich sage „Alzheimer-Leiberl weil das Hemd mit lauter leeren kleinen Quadrätchen „beschriftet
ist, und so stell ich mir jenen Alzheimerschub im Leben vor, wenn sich das Schriftdoc im Gehirn plötzlich aufgelöst hat.
Der Alzheimerkranke tritt z.B. an ein Plakat an einer Littfaßsäule hinan und möchte es lesen – doch oh Schreck! statt der Buchstaben sieht er nur noch kleine Quadrätchen, die alle gleich ausschauen, und keinen Sinn (mehr) ergeben!
Voller Panik schlägt er ein Buch auf – ein nächstes, - und überall das gleiche….
Kurz bevor Rehlein zur Bank radelte, umarmte ich sie noch so tiefempfunden, versenkte mein kleines Tapir- oder Vögelchenhaupt in Rehleins warmer Halsbeuge (gefühlte Gefühle) und sagte: „Niemand kann mir die Mutter ersetzen, und Du schon gar nicht!"
Noch vor 17 Uhr kam ich in Nürnberg an.
Ich sah einen alten Mann durch die verschneite Kaulbachstraße huschen und bildete mir ein, dies sei der Jorberg!
Später erfuhr ich, daß er gekocht und gespült habe, um die Veronika gefügig zu machen, denn wenn´s nach ihm ginge, so solle die Veronika lieber heut als morgen zu ihm in´s Remstal ziehen, wo er ein sehr schönes Haus habe.
Allerdings sei´s hoch oben auf einem Berg, wo man kaum Besuch empfangen könne.
Dienstag, 6. Januar
Nürnberg – Grebenstein (Nordhessen)
Wunderschön.
Kein Wölkchen am Himmel,
aber verschneit und sibirisch kalt
Buz am Telefon hatte mir die Straßen- und Wetterverhältnisse in den unglaublichsten Farben geschildert: 20 Grad minus!
Den Ständeplatz in Kassel sah ich im Geiste bereits in üppigstem Schnee versinken.
Ich erhob mich zeitig, da die Grebensteinreise – eventuell in eine Winterkatastrophe hineinmündend – etwas hürdelig im Tage stand.
Die Veronika wiederum stand im roten Morgenrock in der Küche.
Gestern abend wirkte die Veronika ja etwas fahrig-nervös, sah allerdings ziemlich hübsch aus. Am Morgen sah sie dann eher etwas bettwarm aus, wirkte dafür aber zum Ausgleich ausgeglichener.
„Was hat er Dir für einen schönen roten Morgenrock gekauft!" rief ich aus.
Einen Ausruf, den ich schon gestern über den elektrischen Eierkocher ausgerufen hatte.
Für den Eierkocher war der Ausruf passend gewesen, doch den Morgenrock hat die Veronika doch schon ganz lange.
Trotzdem bin ich derzeit in Versuchung, genau dies über alles im Hause auszurufen, denn es heißt ja, der Jorberg kaufe ihr ständig neue Geschenke.
Wir frühstückten, und überraschenderweise wurde das Frühstück so nett, daß ich kaum loskam.
Leider ging es Veronikas Mutti so, daß sie nach der Knieoperation eine Weile an Krücken gehen mußte, und dabei wurde ihre eine Hand so unschön abgewetzt, daß man mit dieser Hand z. Zt. gar nichts machen kann, obwohl sie die Krücken schon nicht mehr braucht.
Früher war Veronikas Mutti noch sehr jugendlich und voller Elan. Sie hatte so viel vor, und wollte so viel bewegen, und nur das eine Knie spielte nicht mehr mit.
Dann bestellte sie sich einen Ersatzteilkatalog, und ließ sich ein neues Leichtmetall-Knie einbauen.
Jetzt ist die ganze Frau drumherum alt geworden, und nur das Knie ist ganz neu und jugendlich und will immer irgendwie etwas unternehmen.
Wenn Mutti Himstedt sich erschöpft vom Alter und den Mühen des Alltags mal hinsetzen und relaxieren will, dann zuckt das juvenile Knie ungeduldig - so, als wolle es ihr zurufen:
„Wollen wir nicht noch ein bißchen Sport treiben? Tanzen gehen? Hm?? Uns im „Klub der jungebliebenen Hundertjährigen anmelden??
Der Prospekt für den Klub der 100-jährigen liegt immer noch herum, grad neben dem Prospekt für die Ersatzteile.
(„Unser Motto: je oller, desto doller!
" liest man schelmisch, so jedoch leicht klischéebehaftet geschrieben auf der Prospektesoberfläche, und im Inneren des Journals leuchten einem lauter wie aus dem Ei gepellt aussehende, glückliche Senioren entgegen.)
Über den Jorberg sprachen wir natürlich auch:
Die Veronika hatte am Morgen schon mit ihm telefoniert, und im neuen Tag ging es dem Schwerdepressiven auch schon viel besser! Er erwartete seinen Sohn zum Frühstück und liebe Leute hatten ihn zum Mittagessen eingeladen, und so hofft die mitfühlende Veronika, daß er davon mit der Zeit aufgefangen
würde.
Gestern hatte ich als Trost dafür, daß er nicht schlafen könne, vorgeschlagen, ihn mit den Worten zu ermuntern, er könne bald ganz lange schlafen!
Dann sprach ich noch davon, daß er der Veronika drei Läptops schenken könne, und wenn sie dann bei ihm im Remstal auf dem Berg lebe, dann könne sie sich drei Streichquartettpartner zuschalten!
Geht einem ein Spieler auf den Wecker, so reicht es, den Stecker herauszuziehen.
Ich stellte uns vor, wie es für die Veronika wäre, mit ihm zusammenzuleben:
Der Jorberg habe beim Wiedersehen nach 35 Jahren zwar spontan ausgerufen, sie habe sich üüüberhaupt nicht verändert, doch nun sitzt sie ihm in glitzrigem Sonnenscheine gegenüber und dabei fallen ihm dann doch ein paar Dinge auf, die er gerne anders hätt´: „Würdest du deine Haare für mich wachsen lassen?"
„Du solltest eventuell färben!"
„Schuhe sollte man dir auch mal neue kaufen! Mal was schickes, hochhackiges??" Er beginnt mit der Frisur, und endet bei den Schuhen.
Er kauft ihr Kleider und bittet die Veronika hineinzuschlüpfen.
„Um die Taille herum könntest du zwei, drei Kilo abspecken. Das würde dir gut zu Gesichte stehen!"
Dann bringt er silberne, hochhackige Schuhe mit.
„Würdest du die über deine kleinen Füßchen stülpen?"
Die Veronika muß die Zehen dafür sehr einrollen, und außerdem kann sie kaum laufen. Doch dem Jorberg gefallen die Schuhe so gut.
„Versuuuch´s doch mal! Vielleicht gewöhnst du dich daran!"
Heute erwartete er ja erstmal seinen Sohn zum Frühstück, und der Sohn möchte natürlich daß sein Vater glücklich wird, und ahnt das Kommende schon voraus. Jetzt reden die, so wie wir hier über ihn, die ganze Zeit über die Veronika.
„Vater, bitte rede ihr erstmal auf keinen Fall in ihre Kleidung hinein!" sagt der Sohn beschwörend, weil er das Gefühl hat, es sei die letzte Chance des alten Mannes auf ein dauerhaftes Glück, und wenigstens macht sich der Alte eifrig Notizen darüber, was der lebensgewandte Sohn wohl so rät.
Die Veronika hatte die Zeitung herbeigeholt, um die Wetterlage zu studieren.
Auf einer Seite las man etwas über das Mammografie-Screening und die Zeitung hatte ermunternd eine Frau mit bloßem Oberkörper abgebildet, deren pralle Melonenbrüste von Röntgenstrahlen durchzuckt wurden.
Es gäbe „falsche positive und „falsche negative
Befunde, so las man.
Einer Dame, die geglaubt hatte, als Einzige aufgrund eines erhöhten Risikos angeschrieben worden zu sein, nahm man im persönlichen Gespräch die Scheu.
Auch hier konnte man lesen, daß Boris Becker jetzt wieder fest mit der Lilli liiert sei, und davon stellte ich uns gleich vor, wie der Jorberg, der ja kein unbedeutender Mann ist, zumal sein Sohn ja sogar eine Biographie über ihn schrieb, mit der Veronika in die Zeitung kommt.
(In Form einer Fotomontage, die sein Sohn gemacht hat.)
„Ja, wir sind wieder fest zusammen!" erklärt der Jorberg der Schweizer Illustrierten einfach, ohne die Veronika vorher um ihre Genehmigung gebeten zu haben.
Und es steht noch mehr in dem Artikel:
Nämlich, daß sie im Sommer zusammen nach Ostfriesland reisen