Paprika, rot-weiß-grün.: Eine Reise in die Vergangenheit.
Von Andy Albergue
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Buchvorschau
Paprika, rot-weiß-grün. - Andy Albergue
Paprika, rot-weiß-grün.
Eine Reise in die Vergangenheit.
Andy Albergue
logo.pngImpressum
© 2015 Andy Albergue
Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
ISBN 978-3-7375-5199-1
Printed in Germany
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Ich widme dieses Buch meiner geliebten Gabi Mami,
die mir unendliche und wahrhaftige Liebe schenkte,
wie auch all den Menschen einer kleinen Nation,
die mir mit ihren großen Herzen und ihrer Lebensfreude
das wahre Glück auf Erden zeigten.
Die Stationen meiner Zeitreise
Inhalt
Umzug und die ersten Jahre im neuen Zuhause
Ich, als Feinschmecker und Sportskanone
Der Handelsguru und der Zauber des Balatons
Gymnasialzeit und die Liebe zum Lángos & Co.
Die wilden Zeiten
Im Dienste hinter der Gulasch-Kanone
Aufbruch in ein neues Abenteuer
Umzug und die ersten Jahre im neuen Zuhause
……………………………………………………
Ich saß im Zug auf dem nach Hause Weg, neben mir meine Oma, still und traurig. Ich bin gerne mit meiner Oma Helga unterwegs gewesen, aber an diesem Tag lag etwas Bedrückendes in der Luft, sie machte keinen Spaß und ich war ziemlich unruhig. Ich versuchte meine Gedanken zusammen zu fassen, aber mit meinen fünf Jahren gelang mir das ein wenig schwierig. Nach einer Weile sprach ich sie endlich an und fragte:
»Omi, warum kann ich nicht bei meinem Papa bleiben?«
Sie drehte sich zu mir, schaute mich mit ihren Tränen gefüllten Augen an, dann folgten ihre Blicke wieder den am Fenster vorbei rauschenden Bäumen und schwieg weiterhin. Ich überlegte mir, was ich nur Falsches fragte, konnte aber zu dieser Zeit noch nicht ahnen, was in ihr vorgegangen war. Sie war machtlos und hatte versucht, mir ihre Gedanken so zu übermitteln, dass ich auch verstand, was sie zu sa-gen hatte und in nächster Zeit auf mich zukommen würde. Es dauerte einige Zeit, bis sie mich zu sich zog, ihre Hände auf meine legte und sagte:
»André, deine Mama und dein Papa werden sich trennen, und du wirst mit deiner Mama nach Ungarn ziehen, denn sie möchte nicht mehr hier bleiben. Ihr werdet bei der Oma Rosi am Plattensee wohnen. Sei aber nicht traurig, wir sind in Gedanken bei Dir und du kannst uns jederzeit besuchen kommen. Außerdem scheint am Plattensee fast immer die Sonne, die Menschen sind dort ganz lieb und es ist doch schön, im Sommer jeden Tag baden gehen zu können.«
Mir wurde nur klar, dass wir nicht mehr in unserem Haus in Pirna-Mockethal wohnen würden, was das für die Zukunft bedeutete, nahm ich noch nicht wahr. Gut, wir wohnen also erst mal bei der anderen Oma, viele Stunden weit weg von hier. Wird schon nicht viel anders werden, dachte ich. Mehr Sonnenschein und baden in einem See, klang auch nicht so schlimm.
Ich kannte die Mutti meiner Mama kaum, sie besuchte uns kurz nach meiner Geburt, dann waren wir 3-mal bei ihr, sonst nur von Fotos und Erzählungen. Meine Mama nannte sie ,,Édes’’ (Edäsch), was eigentlich ,,süß’’ bedeutet. Zucker oder Schokolade ist ,,édes’’, aber nicht eine Mutti! Doch, in Ungarn schon. Die leiblichen Eltern werden mit ,,Édesanya’’ und ,,Édesapa’’ (Edäschanja/Edäschapa) bezeichnet. Wenn die Mama von ihr sprach, klang das sehr liebevoll, mit viel Wärme und Zuneigung. Im Nachhinein verstand ich, warum alle ihre 6 Kinder sie so riefen. Von mir wurde sie mit ,,Nagyi’’ (Nadji) angesprochen, was so viel heißt, wie Omi. Und Omi hieß übrigens nicht Rosi, sondern Rózsi (Róschi), eine Kurzform von ,,Rozália’’. Sie lebte alleine in ihrer Wohnung, Opa Franz, Franz-Josef Ferdinand - also vom Namen her, wie der Österreich-Ungarische Kaiser (was später in der Schule, bei ausgedachten Geschichtenerzählen, natürlich Pluspunkte einbrachte) - war leider kurz vor meiner Geburt gestorben. Omi hatte aber noch ihre Kinder, die alle, außer der Mama, bis zu diesem Zeitpunkt in der Nähe lebten.
Ich war in keinem Kindergarten, ich konnte zu Hause bleiben, hatte dennoch von der Aufbruch- stimmung meiner Mama und das ganze Vorbereiten der großen Reise nichts mitbekommen. Ich düste weiterhin mit meinem Dreirad durch den Garten, spielte mit den Nachbarkindern im Garten oder auf der Straße und knackte Haselnüsse in meiner Hängematte. Auch unsere dänische Dogge Hasso merkte nichts von allem, und ließ mich, wie so oft, auf seinem Rücken reiten, oder rannte nach meinen geworfenen Gummibällen und Stöcken. Bis eines Tages im Spätsommer, ein weißer Trabi mit himmelblauem Dach und einem Anhänger, vollgeladen mit Kleinmöbel, Haushaltsgeräten und persönlichen Gegenständen, auf der Hauseinfahrt stand. Da wusste ich, es ist so weit. Nachdem ich mich von meinem Papa verabschiedet und bis Bald gesagt hatte, fuhren wir in Richtung Hungaria. Wie lange die Fahrt dauerte und wie wir auf den holprigen Autobahnen bis nach Keszthely (Kästhäj) am Plattensee gekommen sind, wusste ich nicht, denn ich schlief fast nur. Das Einzige, was bei mir hängen blieb, waren die Diskussionen mit den Grenzposten zwischen den einzelnen Ländern, weil keiner wusste, wie man mit uns Heimkehrern umgehen musste.
Als wir in Keszthely bei der Nagyi mit großem Gehupe vorgefahren sind, das war ein unvergessliches Erlebnis. Die ganze Verwandtschaft rannte auf die Straße, zerrte uns aus der Rennpappe, umarmte und küsste uns. Diese ganzen Menschen drückten mich so heftig, als wäre ich vom anderen Stern, was Besonderes. Irgendwie war ich auch sonderlich, denn ich war das kleine, neue Familienmitglied aus Deutschland. Also umklammerten mich alle gleich noch einmal, so fest, dass ich beinahe keine Luft bekam. Auch so konnte ich nur schwer atmen, denn hier war es richtig heiß und trocken. Sie hießen uns Willkommen und boten an, nach dem Ausladen zum Balaton zu gehen, damit ich die schöne Seite der neuen Heimat kennen lerne.
»Aber wie jetzt?!« fragte ich, und legte nach:
»Wir sollten doch am Plattensee wohnen!«
Alle lachten, fanden mich niedlich und erklärten mir dann, dass die beiden Begriffe für das ungarische Meer identisch seien. Ich nickte nur verlegen, begriff aber nicht, warum ein See zwei Namen hat und gleichzeitig auch ein Meer sein kann. Wichtig für mich war nur, dass ich im Wasser wegen der Tiefe nicht gleich verschwinde und jemand mir zeigt, wie ich ein Papierboot basteln kann. Was mich auch noch wunderte, dass alle die gleiche Sprache sprachen, die meine Mama bei uns in Deutschland neben Deutsch verwendete. Irgendwie war es auch logisch, denn sie stammte von hier. Für mich war es somit leicht, all diese Leute zu verstehen, hier musste ich aber überlegen, was ich sagte, nicht wie beim Papa, der kaum was von unseren Gesprächen mit der Mama verstand. Das war oft lustig, nur eben nicht für den Papa. Von den 5 Geschwistern hatte die Mama zwei Brüder, den Feri und den Zoli. Die beiden waren mir am sympathischsten, denn sie unterrichteten mich alsbald im Angeln, nahmen mich mehrmals mit ihren Mopeds zum Eis essen mit, hatten jede Menge Unfug auf Lager und waren durchweg sehr lustig. Am Strand brachten sie mir Fußball Tricks bei, ließen mich bei den Erwachsenen mitspielen und formten mich dabei zu einem echten Kerl. Das gab mir auch Mut und Kraft, gegen die Zigeuner-Jungs auf der Straße, Fußball ohne Regeln zu spielen. Der Einsatz war klar. Bei einem Sieg unserer Mannschaft sollte der Ball in unserem Besitz bleiben. Wir gewannen ständig, bekamen aber statt unserem Leder paar Veilchen aufs Auge. Nach dem dritten Ballverlust spielten wir lieber von Neuem unter uns. Das Schwimmen lernen bereitete mir auch keine großen Probleme, Feri schubste mich einfach vom Steg und schickte mich zum Zoli, der bereits im Wasser wartete. Zoli entfernte sich zwar immer mehr von mir, bot mir aber eine Taucherbrille an, falls ich ihn doch erreichen sollte. Feri gab mir Zeichen, wie ich mit den Armen und Beinen arbeiten sollte, damit ich nicht so ungeschickt abtauchte. Schließlich war ich irgendwie beim Zoli angelangt und fieberte meiner Taucherbrille entgegen, die ich von meinen Onkels erhalten sollte. Die beiden freuten sich darüber, dass ich so schnell alles kapiert hatte und beichteten mir, dass eine Taucherbrille total sinnlos wäre, weil im Wasser