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Zsofia, Klara, Eva Braun und der Pilot: die unwahrscheinliche Rettung zwei jüdischer Mädchen
Zsofia, Klara, Eva Braun und der Pilot: die unwahrscheinliche Rettung zwei jüdischer Mädchen
Zsofia, Klara, Eva Braun und der Pilot: die unwahrscheinliche Rettung zwei jüdischer Mädchen
eBook391 Seiten5 Stunden

Zsofia, Klara, Eva Braun und der Pilot: die unwahrscheinliche Rettung zwei jüdischer Mädchen

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Über dieses E-Book

Die unglaubliche Lebensgeschichte einer Familie vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland.
Warum hat ein junger Pilot Eva Braun die Schuhe gestohlen - und wie hat er das geschafft?
Was wurde aus Klara und Zsofia?
Was passierte dem jungen Piloten?
Warum kennt der Pilot Hermann Göring und Adolf Hitler?
Wer bekam hundert rosa Nelken und warum?
Wer ist Charlotte?

Dieses Buch ist ein Bericht aus erster Hand über eine durchschnittliche Familie zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs und über mysteriöse und unwahrscheinliche Wendungen des Schicksals.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum5. Okt. 2020
ISBN9783347159099
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    Buchvorschau

    Zsofia, Klara, Eva Braun und der Pilot - Lisa M Hutchison

    Kapitel 1

    Albert K. wurde in St. Andreasberg geboren, einem kleinen Wintersportort mitten im Harz. Er stammte aus einer recht namhaften Familie, die mit einem weltberühmten Chemiker, einem Schriftsteller und Sinologen, einem Erforscher Chinas und Russlands im 18. Jahrhundert und vielen Industriellen, Lehrern und Militärkommandanten aufwarten konnte.

    Er wurde zehn Monate nach seinem älteren Bruder am 22. November 1902 geboren, dem Bußund Bettag des deutschen Protestantischen Kalenders. Er behauptete immer, dass er passenderweise an diesem Tag geboren wurde, da es ihm so vorkam, als ob er für die Geburt seines älteren Bruders büßen sollte. Es war allgemein bekannt, dass Hans das Ergebnis einer „Unbesonnenheit" seiner Mutter gewesen war. Hans wurde nach seinem sehr wahrscheinlichen biologischen Vater benannt und Albert trug den Namen seines Vaters. Die Jungen waren wie Tag und Nacht und blieben sich immer fremd.

    Die Ehe ihrer Eltern konnte bestenfalls als miserabel beschrieben werden. Die Mutter führte die Beziehung zu Hans‘ eigentlichem Vater weiter, was erst viel später ans Licht kam und den Brüdern zu ihrer Zeit nicht bewusst war. Sie würden die einzigen Kinder aus dieser Ehe bleiben. Alberts Vater war Telegrafen Baumeister und die Mutter, wie damals üblich, Hausfrau. Der Onkel war Postillion und klein Albert rannte der Postkutsche meilenweit entgegen sobald das Posthorn erklang. Der Onkel nahm ihn dann vorne auf dem Pferd mit, zum großen Neid seines Bruders Hans. Auf diesen Ritt durch St. Andreasberg freute er sich schon die ganze Woche.

    Als Albert die Schule abschloss, war der Erste Weltkrieg gerade zu Ende gegangen. Der Unterricht war in den Kriegsjahren oft unterbrochen und verkürzt worden und den Schülern wurde zu schnellen Abschlüssen verholfen. Er war kaum 17 Jahre alt, als er sein Abitur machte.

    Lehrstellen für junge Leute waren in buchstäblich keinem Beruf vorhanden und erst recht nicht in gutbezahlten Positionen oder für weitere Ausbildungen. Somit kehrte Albert vom Internat zurück nach Hause, um seine Zukunft zu besprechen.

    „Vater, was denkst du, was ich tun soll?, fragte er seinen Vater, als sie beim Frühstück zusammensaßen. „Ich bin nicht für die Arbeit in einem Büro geschaffen, oder gar wie Hans bei den Großeltern im Schlachthof. Ich wäre so gern Schiffsingenieur – und ich möchte die Welt bereisen.

    „Du und deine großen Ideen, schimpfte seine Mutter. „Träume bringen dich nirgendwohin. Hans ist vernünftig und hat das Angebot meiner Eltern angenommen, er wird einmal den ganzen Betrieb erben. Du solltest ebenfalls nach etwas Dauerhaftem suchen. Die Welt bereisen – was für ein Unsinn!, kicherte sie. Albert schüttelte es, alleine der Gedanke Tiere zu schlachten ekelte ihn. Sicher, die Großeltern besaßen mehrere große Schlachtereien und Fleischereien, aber er ging immer ausgesprochen ungerne die Großeltern besuchen.

    „Gusti, lass den Jungen in Ruhe; wir finden schon etwas für ihn, antwortete sein Vater. „Für meinen Abenteurer von Sohn können wir alle Arten von Büroarbeiten ausschließen, fügte er mit einem Hauch Bitterkeit hinzu. „Er ist aus einem anderen Holz geschnitzt als Hans."

    „Gut, macht, was ihr wollt – ihr seid sowieso zwei vom gleichen Schlag." Und damit verschwand sie und knallte die Tür hinter sich.

    Albert saß auf dem Rand seines Stuhls und schob seine Füße unbehaglich hin und her. Es endet immer im Streit, dachte er. Ich hasse es, zuhause zu sein.

    Sein Vater stand auf und der junge Albert sprang auf seine Füße. „Wir können auch später darüber reden, Vater."

    „Nein, nein, es ist äußerst wichtig, über deine Zukunft zu sprechen, mein Sohn – also lass uns doch schauen, was am besten zu dir passt. Beide setzten sich wieder hin. „Schiffsingenieur ist ein großartiger Beruf, aber momentan gibt es wenige bis gar keine Schiffe in Deutschland, demnach ist das zumindest gegenwärtig nicht machbar. Tatsächlich glaube ich, dass eine Karriere bei den Ulanen oder Husaren gut zu dir passen würde. Du liebst Pferde und du kommst in einer geordneten Umgebung gut zurecht, wie deine Jahre im Internat gezeigt haben. Und außerdem, bei guter Führung, Beförderungen und viel Abwechslung.

    Albert nickte. „Du weißt, Vater, ich hatte ähnliche Vorstellungen, aber ich wollte wissen, wie du darüber denkst – immerhin hattest du eine schlimme Zeit im Krieg…"

    „Mein Junge, es war unaussprechlich fürchterlich, das streite ich nicht ab; und ich wäre untröstlich, wenn Du auch in einen Krieg ziehen müsstest. Andererseits wärst du viel besser dafür ausgebildet, als ich es seinerzeit war. Aber ich glaube, wir gehen friedvolleren Zeiten entgegen und eine Karriere bei der Kavallerie würde gut zu dir passen."

    Vater und Sohn saßen einige Zeit tief in Gedanken versunken beisammen. Sein Vater sprach nur selten von seiner Zeit in den Schützengräben von Frankreich und Belgien, aber er war als veränderter Mann zurückgekommen – keinerlei äußere Verletzungen, aber oft bedrückt und still in sich gekehrt. Sollte er sich ebenfalls einem derartigen Schicksal aussetzen, fragte sich Albert. Andererseits gibt es vielleicht nie wieder Krieg und welche andere Möglichkeit bleibt mir noch?

    „Einverstanden, Vater, sagte er endlich. „Kommst du mit mir zur Rekruten Musterung?

    „Natürlich werde ich das tun – immerhin muss ich unterschreiben, da du noch minderjährig bist."

    Und damit erhob sich sein Vater und umarmte ihn lange – eine durchaus seltene Zärtlichkeit, eine, die Albert nie mehr vergessen würde.

    So schloss sich der junge Albert dem 1. Hannoverschen Ulanen-Regiment Nummer 13 an. Die Ausbildungszeit war hart und es gab Zeiten, an denen er sich fragte, ob es das alles wert war, aber er genoss das allgemeine Armeeleben, die Kameradschaft und die Disziplin. Die jungen Rekruten mussten morgens um 4: 30 Uhr aufstehen und, ganz gleich welches Wetter herrschte, nur in kurzen Hosen gekleidet mehrere Runden um das Trainingsgelände rennen. Dann waschen und rasieren mit kaltem Wasser, die Ställe ausmisten und die Pferde striegeln, sich anziehen und um 6: 30 Uhr für das Frühstück bereit sein. Nach dem Frühstück übernahm der Feldwebel und sie versammelten sich erneut auf dem Trainingsgelände, um das Marschieren, Gewehrübungen, Reiten und das niemals enden wollende Stallausmisten zu exerzieren. Nach dem Mittagessen standen Stiefel polieren, Uniformreinigen und die Reparaturen von Satteln und Ausrüstung auf der Tagesordnung, ihre Tage waren lang und ermüdend.

    Sonntagsmorgens marschierten die Soldaten zur Kirche, sehr zur Freude der Bewohner und ganz besonders der jungen Damen. Die Rekruten mussten in den ersten Reihen sitzen, mit geraden Rücken, die Augen nach vorne gerichtet, die Helme auf den Knien. Selbstverständlich nickte der eine oder andere während einer langen Predigt ein und der Helm rollte mit großem Gepolter über den Kirchenboden. Der jeweilige arme rotgesichtige Soldat musste seinen Helm aufsammeln und verbrachte das Wochenende im Bau. (Tatsächlich war das Gefängnis kein schlimmer Ort; dort konnte man schlafen!) Und an Sonntagen hatten sie das Recht, den Besuch eines Pfarrers einzufordern – der mit einer Pferdekutsche abgeholt werden musste. Selbstverständlich waren die restlichen Soldaten nicht allzu erfreut darüber, weil sie die Pferde und Kutsche vorher und nachher saubermachen mussten.

    Die Ausbildungszeit wurde überraschend abgekürzt, da einige radikale kommunistische Splitterparteien die Macht anstrebten. Eine davon war der Spartakusbund unter der Führung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, zweier sozialistischer Aktivisten, die ihre Inspirationen aus der Russischen Revolution von 1917 bezogen.

    Während das Nachkriegsdeutschland versuchte, nach der Abdankung Kaiser Wilhelms, eine neue Regierung aufzubauen, bereitete der Spartakusbund einen bewaffneten Aufstand vor, um einen Deutschen Sowjetstaat zu gründen.

    1919 probierte sich der Spartakusbund an einer bewaffneten Übernahme Berlins und blutige Straßenkämpfe brachen aus, die die Polizei völlig überrumpelten. Die alarmierte Regierung mobilisierte den Freikorps, der größtenteils aus Kriegsveteranen mit Kampferfahrung bestand, um den Aufstand zu durchbrechen und Liebknecht und Luxemburg zu ergreifen. Die beiden Anführer des Spartakusbunds wurden tatsächlich gefangen genommen und hingerichtet. Viele Soldaten und Zivilisten wurden in den Straßenkämpfen getötet und Truppenverstärkungen wurden dringend einberufen. Aber die Revolution war noch nicht überstanden. Die Kommunisten hatten Bayern unter ihre Kontrolle gebracht und München als ihre Hauptstadt ausgerufen. Sie benannten Minister und stellten den Kontakt mit den Bolschewiken in Russland her, woraufhin 9.000 Soldaten der Reichswehr und 30.000 Mitglieder des Freikorps entsandt wurden, um die Kommunisten zu bekämpfen. Nach tagelangen erbitterten Kämpfen konnte die Herrschaft über Bayern wieder an die Weimarer Republik zurückgegeben werden. Mehr als 1.700 Kommunisten waren getötet worden.

    Auch Albert war zu diesen Kämpfen gesandt worden und hatte dort seinen ersten Vorgeschmack eines Kampfes bekommen, auch wenn der Krieg offiziell beendet war.

    Deutschland war nun eine Republik und langsam kehrte Ordnung ein. Albert wurde in seine Kaserne zurück kommandiert und als seine Ausbildung abgeschlossen war, entschied er sich für eine Militärkarriere und Offiziers Laufbahn.

    Kapitel 2

    Kurze Zeit nach dem Aufstand wurde Albert in das Dienstzimmer des Kommandanten gerufen.

    „Es tut mir leid Ihnen mitzuteilen, dass Ihr Vater heute Morgen überraschend verstorben ist", lautete die Nachricht.

    Er war sich sicher, dass sie den falschen Mann gerufen hatten, aber dann sah er das Telegramm, das seine Mutter geschickt hatte, und erstarrte urplötzlich. Wie war das möglich? Der Krieg war vorbei; sein Großvater hatte eine kleine Beinwunde, aber sein Vater war nicht einmal verletzt worden.

    Die Stimme des Kommandanten brachte ihn zurück in die Gegenwart. „Hier ist Ihr Passierschein für zehn Tage. Ziehen Sie bei der Beerdigung ihre Paradeuniform an; versuchen Sie, Ihrer Mutter zur Hand zu gehen, mein Beileid – weggetreten."

    Als er in Göttingen ankam, wo seine Eltern lebten, war niemand da, um ihn am Bahnhof abzuholen. Er nahm den Bus in Richtung Zuhause.

    Seine Mutter öffnete die Tür. „Wird aber auch Zeit, dass du kommst, sagte sie zur Begrüßung. „Dein Bruder ist mir eine große Hilfe gewesen.

    „Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte, antwortete er und schluckte seine Tränen herunter. „Jetzt erzähl mir bitte, was mit Vater passiert ist.

    „Er hat Dir einen Zettel hinterlassen, aber es steht kaum etwas darauf."

    „Er hat mir einen Zettel hinterlassen?" Albert starrte seine Mutter an, die er, so lange er lebte, nie verstehen oder lieben konnte.

    Die Notiz lautete: „Mein geliebter Sohn, ich verlasse diese Welt. Mach etwas aus Dir."

    „Er hat sich mit Deinem Schal erhängt!, schrie ihn seine Mutter voller Vorwurf an. „Hat sich am Fensterkreuz erhängt und ich musste ihn finden! Weißt Du auch, dass er nicht auf dem Friedhof beerdigt werden darf, weil er sich umgebracht hat?, tobte sie weiter. „Was für eine Schande für seine Familie, dass er außerhalb des Friedhofs beigesetzt wird!"

    „Aber warum, Mutter? War er krank, was hat ihn dazu gebracht, das zu tun?"

    „Woher soll ich das wissen?, kreischte sie. „Dein Vater hat schon lange nicht mehr mit mir geredet, war wahrlich keine Freude ihn um sich zu haben. Vermutlich werde ich ihn nicht einmal vermissen.

    Albert musste sich setzen. Selbstmord? Mit meinem Schal? Keine Beerdigung auf dem Friedhof? Das kann nur ein schlechter Traum sein.

    Sein Bruder Hans kam herein und sie schüttelten sich die Hände, beide versucht, die Tränen zu unterdrücken. Albert hatte seinen Bruder noch nie so gefühlvoll erlebt.

    „Gut, dass du da bist, sagte Hans. „Ich habe einen Arzt gefunden, der eine andere Todesursache auf die Urkunde schreibt, damit wir ihn angemessen bestatten können.

    „Ja, ja, murmelte Albert, „hast Du das?

    Hans nickte. „Ja, er hatte offiziell eine Kopfgrippe."

    „Siehst du, wie viel mir Hans bedeutet? Die Schimpftirade seiner Mutter war noch nicht beendet. „Du warst fort, als ich zu einer hilflosen Witwe gemacht wurde, zeterte sie weiter.

    „Und was für eine hilflose Witwe, fauchte Albert. „Jetzt lass mich bitte in Frieden und gib mir Zeit, mich mit Hans zu unterhalten. Damit ergriff er den Arm seines Bruders und zog ihn durch die Tür. Sie setzten sich auf die niedrige Steinmauer am Hauseingang, und rauchten eine Zigarette.

    „Ich wünschte, ich hätte jetzt einen Schnaps", meinte Hans.

    Albert nickte nur, immer noch benommen. „Ich verstehe das alles nicht. Kannst du mir erzählen, was passiert ist?"

    Hans zuckte die Schultern, „Du weißt, dass er von der Front als noch stillerer Mann zurückgekehrt war, und er und Mutter hatten oft heftige Auseinandersetzungen. Du kennst Mutter – sie will immer ausgehen und Spaß haben, jetzt, wo der Krieg vorbei ist; und Vater hatte noch nie viel Interesse an Tänzen und spaßigen Unternehmungen."

    Albert wusste all das nur zu gut und fragte sich, wie sehr sein Vater wohl unter seiner grausamen Ehefrau gelitten haben musste. Meine Mutter, dachte er bitter. Ich kann kaum erwarten, wieder abzuhauen.

    Die Beisetzung war eine stille Trauerfeier. Albert Senior wurde auf dem Göttinger Friedhof im Beisein eines Pfarrers beigesetzt. Gusti hatte sich dramatisch in Schwarz gehüllt und einen Schleier über ihr Gesicht gezogen.

    Bestimmt, um ihr Grinsen zu verstecken, dachte Albert mit tiefer Verbitterung. Er hatte kaum bemerkt, dass Hans seine Verlobte mitgebracht hatte; er hatte nicht einmal gewusst, dass er verlobt war. Er wurde Renate vorgestellt und murmelte seine Glückwünsche; er wurde nicht zu ihrer Hochzeit eingeladen.

    Albert kehrte frühzeitig zu seiner Kompanie zurück. Kurze Zeit danach wechselte er zur Offiziersausbildung, und als die Kavallerie zugunsten von Panzern und Flugzeugen aufgelöst wurde, ließ er sich zum Berufspiloten ausbilden.

    Albert wurde für seine Ausbildung nach Erfurt versetzt. Er packte seine Ausrüstung und machte sich auf den Weg zum Bahnhof für seine Fahrt nach Erfurt.

    Er war froh, wieder nach Erfurt zurückzukehren, eine Stadt, in der er immer gern gewesen war. Er hoffte, Stephanie wiederzusehen, ein Mädchen, dass er vor einigen Wochen bei einer Tanzveranstaltung in einer Stadt unweit entfernt kennengelernt hatte, wo er zu militärischen Übungen stationiert gewesen war.

    An einem warmen Sommernachmittag saß er im Zug nach Erfurt. Albert lehnte sich auf der harten Holzbank in der dritten Klasse zurück und schloss die Augen. Die Erinnerungen an den noch nicht weit zurückliegenden Tod seines Vaters kamen zurück; er schluckte schwer. Ich kann jetzt nicht weinen, hier im Zug mit all diesen Leuten um mich herum, dachte er. Warum nur musste er so sterben? Er wachte mit einem Ruck auf, als der Zug Erfurt erreichte, und er beeilte sich, schnell auszusteigen. Er war immer noch tief in seine Erinnerungen vertieft, während er sich langsam auf den Weg zu seinem neuen Quartiert machte.

    Kapitel 3

    „Steffi, Steffi, bitte, wie oft müssen wir das noch diskutieren?"

    Albert hatte seinen Arm um Stephanies Schultern gelegt, versuchte an ihrem Ohr zu knabbern, und gab sein Bestes, ihre Gedanken von dem Thema Hochzeit abzulenken. Er konnte sich nicht erklären, warum sie immer wieder davon anfing. Sie war ein attraktives Mädchen, sicher – aber ein bisschen zu kokett für ihn. Sie traf weiterhin andere Männer, während er weg war, warum also sollte sie gerade ihn ausgewählt haben? „Ich dachte, du hast ein Auge auf Heinz geworfen?"

    „Naja, er hat mich ein paar Mal ausgeführt, aber ich denke, er könnte verheiratet sein", antwortete Stephanie.

    Hmmm, murmelte Albert und fuhr fort, ihren Nacken zu küssen. „Lass uns das für den Moment mal vergessen und stattdessen die Zeit zusammen genießen."

    „Oh Albert, hör auf!, kicherte Stephanie. „Du bringst mein Haar ganz durcheinander und ich muss noch zu dem Empfang gehen, den meine Eltern für die Verlobung meines Bruders geben.

    Albert stöhnte leise auf. „Wir haben noch eine halbe Stunde." Als er sie weiter liebkoste, warf sie endlich ihre Arme um ihn und erwiderte seine Zärtlichkeiten.

    Nachdem er sie nach Hause gebracht hatte, schlenderte er langsam zu seinem Quartier zurück und grübelte über eine Hochzeit nach. Er fühlte sich für eine derartige Verpflichtung noch zu jung; außerdem wohnte er immer noch in der Kaserne und würde die Erlaubnis seines Kommandanten benötigen, um heiraten zu können, etwas, das nicht leicht zu kriegen war. Er war sicherlich nicht dazu in der Lage, sich mit seinem Gehalt eine Frau und eventuelle Kinder zu leisten. Gewiss, Steffi war eine verlockende Partie, ihre Eltern waren gut situiert. Sie besaßen mehrere Kachelofen Fabriken, in denen viele Arbeiter angestellt waren. Aber es widerstrebte ihm seine eventuelle zukünftige Ehefrau wegen ihres Geldes zu heiraten. Sie hatte ihn bereits einige Male gebeten, beim Militär zu kündigen und für ihren Vater und ihren Bruder zu arbeiten, eine Vorstellung, die ihn mit Grauen erfüllte. Er sehnte sich nach einem Leben als Offizier und Pilot; er wollte keine Keramikfliesen herstellen. Und Heinz war sein kommandierender Offizier – er hatte sein Auge ebenfalls auf Steffi geworfen. War er wirklich verheiratet? Albert glaubte es nicht.

    Er erreichte die Kaserne gerade zum Zapfenstreich und entschied, etwas Abstand zwischen Steffi und sich zu halten. Der Zeitpunkt dafür war gerade richtig, da er zur Fliegerausbildung einige Monate nach Norddeutschland versetzt würde. Albert liebte die Fliegerausbildung. Er war ein erstklassiger Schüler und durfte schnell allein fliegen. Es gab einfach kein Gefühl, was dem gleichkam – hoch über dem Boden zu schweben, den blauen Himmel über und die weißen Wolken neben sich. Das Gefühl völliger Freiheit war so mächtig, dass er wünschte, es würde niemals aufhören.

    Und dann eines Tages wurde er zum Dienstzimmer seines Kommandanten beordert.

    „Klaproth, kennen Sie eine Stephanie Brandt?"

    „Ja, Herr Kommandant, das tue ich", antwortete Albert leicht verwirrt.

    „Nun, ihr Vater hat sich bei Ihrem früheren Offizier, Heinz Meister, beschwert, dass seine Tochter schwanger ist. Sie nennt Sie als den Vater ihres ungeborenen Kindes und fordert Sie auf, dass Sie augenblicklich das Richtige tun und sie heiraten."

    Albert war sprachlos. Wie weit konnte sie schon sein? Er hatte sie seit einigen Wochen nicht mehr gesehen und sie hatte ihm in ihren wenigen Briefen absolut nichts davon gesagt. Er kehrte sofort nach Erfurt zurück, um Stephanie zur Rede zu stellen.

    „Warum hast du mir nicht gesagt, dass du ein Kind erwartest?, wollte Albert wissen. „Und wie weit bist du schon? Wir sind schon zwei oder drei Monate nicht mehr miteinander intim gewesen – ist das Kind wirklich meins?

    „Albert, bitte, du musst mir glauben, es ist dein Kind." Steffi weinte und wiederholte wieder und wieder dasselbe, sie schwor, dass das Kind, das sie erwartete, wirklich seines war, und flehte ihn an, sie zu heiraten.

    „Ich denke, dass du nur nach einem Sündenbock suchst, sagte Albert außer sich vor Zorn. „Du warst mit mehreren Männern zusammen und jetzt hast du mich als wehrloses Opfer ausgesucht.

    „Nein, Albert, ich bin mir ziemlich sicher, dass das Baby von dir ist. Albert schüttelte konsterniert den Kopf. „Ich weiß nicht, Steffi – ‚ziemlich sicher‘ ist mir nicht sicher genug.

    „Es muss an dem Tag passiert sein, bevor du zu deinem Posten zurückgekehrt bist – erinnerst du dich? Der Tag, an dem ich zu der Verlobungsfeier meines Bruders gehen musste." Inzwischen war Steffi vollkommen aufgelöst.

    „Steffi, hör mir zu. Er warf seine Hände in die Luft. „Ich liebe dich nicht, ich will dich nicht heiraten, ich will an diesem Zeitpunkt meines Lebens kein Kind und ich glaube nicht, dass es überhaupt mein Kind ist! Ich liebe mein Leben genauso, wie es jetzt ist, und ich kann mir gerade jetzt sowieso keine Familie leisten.

    „Albert, was soll aus mir werden? Steffi war beinahe hysterisch. „Es ist zu spät, um noch über eine Abtreibung nachzudenken, selbst wenn es noch einen Arzt gäbe, der sich dazu bereit erklären würde.

    Albert starrte sie an. „Denk nicht mal daran, fuhr er sie. „Du weißt, dass auf Abtreibung die Todesstrafe steht.

    Die beiden starrten sich lange Zeit nur an. Gedanken rasten durch seinen Kopf. Sie war ein törichtes Mädchen, aber er mochte sie dennoch. Das letzte, was er wollte, war Unglück über sie zu bringen, und vielleicht, vielleicht war es ja sein Kind. Er wollte nicht in einer Ehe wie der seiner Eltern enden. Aber Steffi war nicht seine Mutter – sie war liebenswert und freundlich, freundlicher, als gut für sie war.

    Albert seufzte tief auf. „Also, wie stellst du dir die Hochzeit vor?"

    Steffi blickte ihn hoffnungsvoll an, die Augen rot vom Weinen. „Ich weiß nicht, Albert. Ich weiß nur, dass ich lieber tot wäre, als einen Bastard auf die Welt zu bringen."

    Sie sah erbärmlich aus und das war der Moment, in dem Albert sie in seine Arme zog, sie festhielt und murmelte: „Es ist gut, Steffi, es ist gut – ich werde dich heiraten und wir werden das Beste daraus machen."

    Sie brach in unkontrollierbares Schluchzen aus, vor Erleichterung. „Ich werde Dir eine gute Frau sein, Albert, schniefte sie tränenüberströmt. „Wir können bei meinen Eltern leben. Ich werde nichts weiter von Dir verlangen, ich verspreche es!

    Er musste darüber lächeln. Sie ist noch so ein Kind, dachte er sich.

    „Steffi, wir werden heiraten, aber ich werde meine Karriere als Pilot weiterverfolgen. Ich werde immer wieder monatelang nicht da sein; bist du sicher, dass du damit klarkommst?"

    „Ja, antwortete Steffi und Tränen rannen ihr das Gesicht herab. „Du bist ein viel größerer Ehrenmann als Heinz. Du und ich, wir werden zusammen ein gutes Leben führen, schluchzte sie.

    „Heinz?, brüllte Albert. „Was hat er damit zu tun? Bist du dir sicher, dass nicht er der Vater ist?

    Jetzt wurde sie hysterisch. „Nein, nein, das Baby ist von Dir!, schrie sie. „Bitte glaube mir!

    Oh Gott, was für ein Chaos, dachte Albert. Ich habe keinerlei Wahl – vielleicht ist es trotz allem von mir. Er seufzte und legte seine Arme um sie. „So, jetzt hör mit dem Geflenne auf – leg ein Hochzeitsdatum fest und ich werde da sein. Und jetzt lass mich deine Eltern kennenlernen, sie sollten ja zumindest wissen, wen ihre Tochter heiratet, schlug Albert vor. „Dein Vater muss mir die Erlaubnis und seinen Segen geben.

    Da er gedacht hatte, dass es lediglich ein Höflichkeitsbesuch sein würde, war er angenehm überrascht über den warmen Empfang seitens ihrer Eltern. Sie waren offene und freundliche Leute, glücklich miteinander und ihren Kindern und gute Eltern. Sie waren aufgeregt darüber, so kurz hintereinander zweimal Großeltern zu werden – ihr Sohn Lothar hatte vor kurzem geheiratet und das junge Paar erwartete ihr erstes Kind.

    Albert und Steffi heirateten im Februar 1930 im Erfurter Dom, einer 1200 Jahre alten Kirche. Das war ein Zugeständnis an ihre Eltern. Er selbst war Protestant, weigerte sich aber zu konvertieren; dennoch versprach er, dass ihre Kinder als Katholiken erzogen würden. Die Hochzeit fand einen Monat nach der Geburt von Gisela statt. Mein Schwiegervater muss sehr großzügig mit der Spende gewesen sein, dachte er etwas zynisch. Ein paar Monate später wurde das Baby getauft.

    Albert hatte große Schwierigkeiten damit, zu seiner Tochter eine Beziehung aufzubauen, und er sah sie oft gedankenverloren an, fragte er sich immer wieder, ob sie wirklich seine Tochter war. Sie war ein dickköpfiges kleines Mädchen, anfällig für Wutausbrüche und in ständiger Suche nach Aufmerksamkeit. Mit ihrem mürrischen kleinen Gesicht, ihren dunklen Locken und ihrem quirligen Temperament wurde sie bald zum Liebling ihrer Großeltern.

    Albert führte seine Ausbildung weiter, sodass er nur sporadisch während der Ferien und verschiedener Urlaubstage nach Hause kam. Das Leben mit Steffi war eine nicht enden wollende Achterbahnfahrt. Sie litt unter starken Stimmungsschwankungen, höchstwahrscheinlich wegen Alberts zahlreicher Abwesenheit. Steffi brauchte viel Aufmerksamkeit und erwartete Alberts volle Zuwendung. Wenn Albert nicht zuhause war, ging sie weiterhin mit ihren Freundinnen tanzen und flirtete gern mit ihren vielen Tanzpartnern.

    Albert wusste recht genau was los war, aber er sprach das Thema nicht an; er fühlte keinerlei Eifersucht, sondern war ziemlich zufrieden mit allem. Wenn er zuhause war, war Steffi aufmerksam und liebevoll. Somit war es auch keine Überraschung, als sie ihm verkündete, dass sie erneut schwanger war. Dieses Mal waren es gute Neuigkeiten und Albert freute sich regelrecht auf sein zweites Kind.

    Es war im März 1932, als ihr kleiner Sohn geboren wurde und es gab keinerlei offene Fragen bezüglich seines Vaters – er war das perfekte Abbild von Albert.

    „Steffi, du machst mich so stolz!, sagte er voller Freude. „Wir haben einen Sohn.

    „Können wir ihn Manfred nennen, nach meinem Großvater?", fragte sie.

    „Das ist ein guter, starker Name, ja, lass ihn uns so nennen."

    Einige Wochen später wurde Manfred in der gleichen Kirche wie seine Schwester getauft. Beide Kinder waren katholisch.

    Inzwischen war Albert bei der neugegründeten deutschen Fluglinie namens „Lufthansa" angestellt worden, blieb aber gleichzeitig Reserveoffizier.

    Steffi und die Kinder lebten immer noch in dem Haus ihrer Eltern und Steffi war recht eifersüchtig auf ihren Bruder und seine Frau, die gemeinsam mit ihrem kleinen Mädchen in ihr eigenes Haus gezogen waren.

    „Können wir nicht auch ein eigenes Haus haben?", flehte sie Albert bei seinem nächsten Heimaturlaub an. Sie saßen in dem von Steffis Mutter so liebevoll gepflegten Garten. Albert hielt das Baby im Arm und schaukelte es sanft vor und zurück.

    „Steffi, mein Schatz, ich muss in Berlin Tempelhof wohnen, nahe des Flughafens. Das weißt du doch, sagte er. „Wenn du dich bereit erklärst, aus Erfurt wegzuziehen, dann können wir dort eine Wohnung finden.

    Doch Steffi blieb eisern. „Ich will, dass Du in Erfurt wohnst. Ich werde nicht nach Berlin ziehen."

    „Du redest wie ein kleines Kind und nicht wie eine Ehefrau und Mutter." Albert wurde zunehmend ungeduldig.

    Steffi nahm das nun schreiende Baby aus seinen Armen. „Zum letzten Mal, ich will Erfurt nicht verlassen." Und sie stapfte eigensinnig zum Haus zurück.

    Albert zuckte die Schultern. „Na ja, dann wirst du wohl bei Deinen Eltern wohnen bleiben müssen. Ich kann nicht aus Tempelhof weg und das ist endgültig."

    Sein Leben mit Stephanie blieb stürmisch; sie forderte mehr und mehr von seiner Zeit ein und drängte ihn dazu, in das Familiengeschäft einzusteigen. Ihr Bruder Lothar hatte es übernommen, als der Vater krank geworden war. Albert vebrachte immer weniger Zeit in Erfurt, um den nervigen Wortstreitereien seiner Frau und den Bitten seiner Schwiegereltern zu entkommen.

    Wenig später starb sein Schwiegervater. Albert kam nach Hause und fand einen chaotischen Haushalt vor. Steffi schien sich wenig um die Kinder zu kümmern und stattdessen die meiste Arbeit ihrer Mutter zu überlassen, die mit dem Tod ihres Mannes und ebenso mit ihrer Tochter überfordert war. Steffi war mehr für Vergnügungen interessiert als für die diversen Verantwortlichkeiten als Mutter. Gisela war praktisch völlig sich selbst überlassen und das Baby schien bereits chronisch an Windelausschlag und einer laufenden Nase zu leiden.

    „Steffi, die Kinder brauchen mehr Aufmerksamkeit und etwas Disziplin", mahnte Albert seine Ehefrau.

    Steffi warf ihren Kopf angriffslustig in den Nacken und sagte: „Wo bist Du denn? Du bist nie hier, ich kann das nicht alles allein machen.

    „Du bist hier nicht allein; so wie ich es sehe, macht Deine Mutter den Großteil der Arbeit, und selbst wenn ich hier wäre, müsste ich immer noch arbeiten, antwortete Albert. „Ich bin ernstlich besorgt über Deine Einstellung. Steffi zuckte die Schultern und verließ den Raum, Knallend fiel die Tür ins Schloss.

    Albert führte ein langes Gespräch mit Lothar, der Albert dazu anhielt, seine Karriere weiterzuverfolgen. Er habe wirklich keine Position für ihn in der Firma, sagte er.

    „Meine Schwester muss zur Vernunft kommen, fügte Lothar hinzu und schüttelte seinen Kopf. „Sie muss nach Berlin ziehen; Mutter braucht etwas Ruhe.

    Die beiden Männer schüttelten sich die Hände und ein sehr erleichterter Albert versuchte nochmals seine Ehefrau zu überreden.

    „Steffi, Du und die Kinder müsst jetzt mit mir nach Berlin kommen, sagte er. „Es ist Zeit, dass wir eine Familie werden. Erneut saßen

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