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Winterhochzeit
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eBook241 Seiten5 Stunden

Winterhochzeit

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Über dieses E-Book

Entsetzt erfährt die schöne Hero: Für 10.000 Pfund will ihr Vater sie verheiraten - ausgerechnet an den Earl of Calverstock, dem ein höchst zweifelhafter Ruf vorauseilt! Temperamentvoll sträubt sie sich gegen sein Ansinnen, zumal ihr doch kürzlich im Dorf ein Gentleman begegnet ist, der seitdem ihre romantische Fantasie beflügelt. Wer war dieser attraktive Fremde? Könnte er sie nicht vor einer Ehe ohne Liebe bewahren? Die Antwort erhält die Braut wider Willen, als sie zum ersten Mal ihrem zukünftigen Gatten, dem berühmt-berüchtigten Earl of Calverstock, entgegentritt…

SpracheDeutsch
HerausgeberCORA Verlag
Erscheinungsdatum18. Nov. 2017
ISBN9783733754112
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    Buchvorschau

    Winterhochzeit - Sarah Westleigh

    IMPRESSUM

    Winterhochzeit erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

    © 1995 by Sarah Westleigh

    Originaltitel: „Felon‘s Fancy"

    erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    © Deutsche Erstausgabe in der Reihe MyLady Royal

    Band 24 - 2004 by CORA Verlag GmbH, Hamburg

    Übersetzung: Mirjam Schmidt

    Umschlagsmotive: GettyImages_Grape_vein

    Veröffentlicht im ePub Format in 11/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN 9783733754112

    Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

    BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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    1. KAPITEL

    Fassungslos starrte Hero ihren Vater an.

    „Heiraten?, rief sie aus. Lauter, als sie beabsichtigt hatte, hallten ihre Worte von den Wänden wider, denn der fadenscheinige Teppich und die fast leeren Bücherschränke in der großen Bibliothek verstärkten den Klang ihrer Stimme mehr, als sie ihn dämpften. „Du wünschst, dass ich mich vereheliche, Papa?

    Baron Polhembury warf ihr über seinen Schreibtisch hinweg einen gebieterischen Blick zu. „Ich wünsche es nicht – ich befehle es dir, Miss!"

    „Aber du wolltest doch, dass ich hier in Polhembury Hall bleibe und mich um den Haushalt kümmere! Warum soll ich jetzt plötzlich diese Verbindung eingehen? Unmutig fügte sie hinzu: „Noch dazu mit jemandem, den ich nicht kenne. Einem Mann, der einen denkbar schlechten Ruf genießt.

    „Wäre es dir lieber, wenn ich Polhembury Hall verlieren würde?, fragte ihr Vater sarkastisch. „Was dann aus dir werden soll, weiß ich allerdings nicht – du stehst nicht mehr in der Blüte deiner Jugend und nennst keinen einzigen Penny dein Eigen.

    „Es ist nicht mein Fehler, gab Hero leise zurück, „dass ich mit dreiundzwanzig noch keinen Gatten habe – auch nicht, dass du wegen deiner Schulden vor dem Ruin stehst.

    „Nein, Tochter, dafür trage ich die Verantwortung. Das gestehe ich freimütig ein, erklärte der Baron würdevoll und wischte seine Verfehlungen mit einer Handbewegung beiseite. „Darum gib mir nun die Möglichkeit, den Schaden wieder gutzumachen. Ich habe einen Gentleman von Rang und mit ansehnlichem Vermögen gefunden, der bereit ist – nein, der darauf brennt –, dich zur Gemahlin zu nehmen. Im Gegenzug zu meiner Zustimmung zu eurer Verbindung wird er meine Schulden begleichen. Damit wären alle Probleme zur Zufriedenheit geregelt. Der Baron erhob sich aus seinem Sessel. „Ich dulde keine Widerworte. Du wirst den Earl of Calverstock heiraten", befahl er.

    „Aber ich werde diesen Mann nie lieben können!", sprudelte Hero heraus, während unwillkürlich das Gesicht des Fremden, mit dem sie vor ein paar Tagen im Dorf auf der Schwelle des Kramladens zusammengestoßen war, vor ihrem inneren Auge erschien.

    Ihr Korb war ihr aus der Hand gefallen. Der Fremde hatte sie entschuldigend angelächelt, und es war ihr erschienen, als erleuchte dieses charmante Lächeln sein ernstes Gesicht von innen. Heros Herz hatte angefangen, schneller zu schlagen, als sie in seine grauen Augen blickte, und sie war rot geworden.

    „Pardon, Madam! Wie gedankenlos von mir", hatte der Gentleman gemurmelt und sich galant vor ihr verneigt. Dann war er in die Hocke gegangen und hatte eigenhändig die Pflaumen aufgelesen, die aus dem Korb herausgekullert waren. Sein hervorragend gearbeiteter Gehrock aus feinem dunklen Tuch ließ auf einen Mann von Geschmack und Reichtum schließen. Mit einem Zwinkern hatte er ihr schließlich den gefüllten Korb überreicht.

    Hero, die in ihrem verwaschenen blauen Baumwollkleid verlegen dastand, war nur zu einem knappen „Danke, Sir!" in der Lage gewesen, hatte jedoch einen kleinen Knicks zu Stande gebracht.

    Das Gerede von der Liebe auf den ersten Blick war ihr immer als romantischer Unsinn erschienen, doch diesen Mann hätte sie respektieren, bewundern, sogar lieben können, wie sie augenblicklich begriff. Noch nie war ihr jemand wie er begegnet. Und das würde wohl auch nie wieder geschehen, so abgeschieden wie Polhembury Hall gelegen war.

    „Liebe? Der Baron riss Hero aus ihren Gedanken. „Was hat eine Heirat denn damit zu tun? Es wird höchste Zeit, dass du diese Schulmädchenvorstellungen hinter dir lässt, Tochter! Du hast offenbar zu viele Romane gelesen.

    Mit einem geringschätzigen Schnauben wandte er seine Aufmerksamkeit dem Brief zu, der vor ihm auf der Schreibtischplatte lag. Hero folgte seinem Blick. Als Erstes fiel ihr das geprägte Wappen am Kopf der Seite auf. Die auffällig kühnen Schriftzüge darunter zeugten von großer Selbstsicherheit.

    „Seine Lordschaft wird morgen hierher kommen, erklärte Baron Polhembury. „Veranlasse alles Nötige. Und zieh bitte dein bestes Kleid an.

    „Das grüne Reitkostüm? Aber es ist viel zu warm bei diesem Wetter, erwiderte Hero unwillig. „Ich werde mein gelbes Musselinkleid tragen – aber das heißt nicht, dass ich einer Heirat zustimme, betonte sie.

    „Du hast gar keine andere Wahl, mein Kind", meinte der Baron leichthin und wedelte sie aus dem Raum.

    Ich bin kein Kind mehr, dachte Hero trotzig, während sie nach oben eilte und Zuflucht in ihrem Zimmer suchte. Die Entschiedenheit, mit der ihr Vater auf dieser Eheschließung bestand, besorgte sie. Welche Vereinbarung er wohl mit dem Earl of Calverstock getroffen hatte? Einem ehemaligen Sträfling, wie sie in Gedanken abfällig hinzufügte, der den Titel von einem Onkel geerbt hatte! Einem solchen Mann war alles zuzutrauen. Und ihrem Vater auch. Ich will ihn nicht heiraten, dachte sie. Lieber brenne ich durch.

    Der Gedanke hob ihre Stimmung und ließ ihre Augen aufleuchten. Es würde schwierig sein, aber es wäre machbar. Sie konnte Mathilda nicht mitnehmen. Ihr altes Kindermädchen ging auf die sechzig zu und wurde von Rheumatismus geplagt. Und wenn sie allein reiste?

    Hero verfügte über kein eigenes Geld, und die Haushaltskasse für diesen Monat war schon fast leer. Sonst hätte sie von Exeter aus die Postkutsche nach London nehmen können, wo die Schwester ihrer verstorbenen Mutter lebte. Früher war öfter davon die Rede gewesen, dass Hero bei der Tante wohnen und ihr Debüt geben könne, aber es war bei vagen Plänen geblieben. Ihr Vater hatte auf die Dienste seiner Tochter in Polhembury Hall nicht verzichten wollen. Bis jetzt. Er muss in einer verzweifelten Lage sein, wenn es ihn derart pressiert, sich seiner Schulden zu entledigen, dachte Hero erbost.

    Nun, er würde in Zukunft allein zurechtkommen müssen, ob sie nun heiratete oder weglief. Selbst wenn ich zu Fuß gehen muss, überlegte die junge Frau, werde ich irgendwie nach London kommen. Vielleicht kann ja Bessy mich begleiten.

    Sie verwarf diesen Gedanken ebenso schnell, wie er ihr gekommen war. Das junge Hausmädchen besaß keine Manieren und war ein wenig zurückgeblieben. Als ihr der Korb mit den Pflaumen zu Boden gefallen war, hatte sie einen spitzen Schrei ausgestoßen und mit großen Augen gerufen: „Ach, Miss Hero! Und das, wo es so gefährlich war, sie zu pflücken!" Der fremde Gentleman dagegen – er hat sich sofort gebückt, um das verstreut liegende Obst einzusammeln, erinnerte sie sich. Ihr Herz zog sich sehnsüchtig zusammen.

    Nein, dachte Hero und rief sich zur Vernunft, Bessy wäre nur ein Klotz am Bein. Nachdem der Bruder des Mädchens wegen Diebstahls zu sieben Jahren Zwangsarbeit verurteilt und deportiert worden war, hatte das Mädchen anscheinend seinen gesunden Menschenverstand eingebüßt. Ben war dabei ertappt worden, wie er Gemüse aus dem Garten der Polhemburys stahl. Hero hatte ihren Vater damals bestürmt, den jungen Mann nicht anzuzeigen, da die Familie am Verhungern war, aber Lord Polhembury hatte sich nicht erweichen lassen.

    „Ben Foster davonkommen lassen?, hatte er geschnaubt. „Du bist viel zu weichherzig, Hero! Denk doch einmal an die Zukunft: Was würde passieren, wenn Foster sich nicht für seine Tat verantworten müsste? Es wäre ein Freibrief für die anderen Dienstboten, uns nach Strich und Faden auszunehmen. Und wir würden in kürzester Zeit am Bettelstab gehen! Ihn davonkommen lassen – also wirklich!

    So war Ben verurteilt und in die Strafkolonie New South Wales auf der anderen Seite der Erde deportiert worden. Bessys Vater war kurz darauf gestorben, seine Mutter und die jüngeren Geschwister waren lange auf die Armenfürsorge angewiesen gewesen. Hero hatte ihnen, von Gewissensbissen geplagt, ab und an Essen vorbeigebracht.

    Schließlich, vor etwas über einem Jahr, hatte sich das Schicksal der Familie überraschend zum Guten gewendet. Mrs. Foster hatte in Gloucestershire eine Stellung als Haushälterin gefunden. Wie es zu diesem Angebot gekommen war, war ihr selbst ein genauso großes Rätsel wie Hero, aber sie hatte die Position angetreten und alle ihre Kinder mitgenommen, außer Bessy, die in Polhembury bleiben wollte. Das Mädchen weigerte sich, in die Fremde zu gehen, sogar in Gesellschaft ihrer Familie. Nein, Bessy kam als Begleiterin nicht infrage.

    Hero grübelte weiter. An Hauspersonal gab es in Polhembury Hall noch die Köchin und den Diener, der als Butler und Bote diente. Die schwere Hausarbeit wurde von Frauen aus dem Dorf verrichtet. Hero konnte keinen von ihnen bitten, sie zu begleiten.

    Junge Damen reisten nicht allein, das wusste sie, aber eigentlich war sie alt genug, um auf sich selber aufzupassen, und wenn ihre Tante sie aufnahm, würde sich jeder mögliche Klatsch bald legen.

    Dafür gab es natürlich keine Garantie. Hero konnte sich nicht einmal daran erinnern, wie ihre Tante Augusta aussah. Seit dem Tod ihrer Mutter hatte sie sie nicht mehr gesehen. Ein vager Eindruck von einer ziemlich einschüchternden Dame war ihr haften geblieben, die flüchtige Erinnerung an eine Frau, die beileibe nicht so sanft und liebevoll wie ihre Mutter gewesen war.

    Wenn ich erst in London bin, werde ich weitersehen, machte sie sich Mut. Sie würde jedenfalls nicht bleiben und sich mit Lord Calverstock verheiraten lassen.

    „Ausgeschlossen, Miss, erklärte Mathilda einige Zeit später mit Nachdruck und schüttelte energisch den Kopf. „Für eine junge Dame wie Sie ist es vollkommen unmöglich, allein zu reisen. Schlagen Sie sich das besser aus dem Kopf!

    Mathilda war, solange sich Hero zurückerinnern konnte, ihre Vertraute gewesen. Jetzt sah die alte Bedienstete sie ratlos an. Sie war gekommen, um Hero dabei zu helfen, sich zum Dinner umzuziehen, und hatte ihren Schützling beim Packen ihrer Reisetasche vorgefunden.

    Hero machte eine hilflose Geste. „Ich muss weg, Mathilda, verstehst du nicht? Papa hat gedroht, mich mit einem Mann zu verheiraten, den ich nicht einmal flüchtig kenne."

    „Vielleicht gefällt er Ihnen ja, Miss", wandte die Dienerin ein.

    „Gefallen? Er ist ein Verbrecher, soviel ich weiß! War er nicht in New South Wales?, gab Hero düster zurück. „Was muss dieser Lord Calverstock für ein Mann sein! Er hat ein Vermögen geerbt und verprasst es jetzt beim Spielen und Wetten!

    „Zähmen Sie Ihre Zunge, Miss Hero, tadelte Mathilda sie. „Das ist nur dummer Klatsch, den Sie da wiederholen.

    „Etwas Wahres wird schon daran sein", meinte die junge Dame ungerührt.

    „Ben Foster ist auch deportiert worden, erinnerte Mathilda sie. „Er war im Grunde seines Herzens ein anständiger junger Kerl – so wie wahrscheinlich viele andere. Was hat Seine Lordschaft denn verbrochen?

    „Ich weiß es nicht, gestand Hero und warf wütend ihre Kreuzbandschuhe und ein Nachthemd in die Tasche. „Aber es muss etwas wirklich Schlimmes gewesen sein, wenn man ihn deportiert hat.

    Mathilda zögerte. „Wenn Sie unbedingt nach London wollen, werde ich mit Ihnen kommen, sagte sie schließlich. „Ich könnte es mir mein Leben lang nicht vergeben, wenn Ihnen auf der Reise etwas zustoßen würde. Ich habe Ihrer Mutter, Gott hab sie selig, versprochen, dass ich mich um Sie kümmere. Und das werde ich auch tun.

    „Ach, Mathilda! Hero warf der älteren Frau einen liebevollen Blick zu. „Ohne dich wäre es hier in Polhembury sicher nicht zum Aushalten gewesen. Aber mich auf dieser langen, unkomfortablen Reise zu begleiten – ein solches Opfer kann ich wirklich nicht von dir verlangen! Papa würde dich entlassen, das weißt du. Und ich kann dich nicht anstellen. Aber sobald ich mich eingerichtet habe, werde ich nach dir schicken, das verspreche ich dir!

    „Ich begleite Sie, Miss Hero, und dabei bleibt es. Aber müssen Sie wirklich schon heute Nacht aufbrechen? Warum warten Sie nicht, bis Sie Lord Calverstock gesehen haben? Schaden kann es doch nichts. Und wenn Sie ihn partout nicht wollen und Ihr Vater trotzdem auf einer Heirat besteht, dann werden wir morgen Abend gemeinsam von hier fortgehen. Was meinen Sie?"

    „Ich weiß nicht recht. Hero war über den Vorschlag nicht glücklich, indes fehlten ihr die Argumente dagegen. Schließlich nickte sie. „Einverstanden. Es stimmt, es schadet nichts, wenn ich mir den Mann erst einmal ansehe.

    Mathilda strahlte. „Dann werde ich jetzt Ihr gelbes Musselinkleid bügeln."

    „Danke. Aber die Tasche packe ich nicht wieder aus. Ich habe den Verdacht, dass ich trotz allem gezwungen sein werde, bei meiner Tante Zuflucht zu suchen."

    „Zu ihr wollen Sie? Mathilda war einerseits erleichtert, dass ihre Herrin nicht die Absicht hatte, die Familie in Verruf zu bringen, hegte aber andererseits Bedenken: „Sie hat selbst Töchter, und ich weiß nicht, ob sie schon verheiratet sind. Sie sind eine Schönheit, Miss Hero. Wenn die Mädchen nicht bereits verlobt sind …

    Hero lachte. „Was redest du denn da, Mathilda! Ich bin doch nicht schön. Mein Haar ist fast schwarz, nicht goldblond, und meine Augen sind von einem ganz gewöhnlichen Braun, weder groß noch blau. Und außerdem bin ich längst eine alte Jungfer."

    „Ihre Augen leuchten, Miss Hero, und Ihr Haar ist dicht und lockig und glänzt so schön, wenn es wie jetzt frisch gewaschen ist. Unterschätzen Sie Ihre Reize nicht. Und Sie sind auf keinen Fall eine alte Jungfer! Der Earl würde sonst ja wohl kaum um Ihre Hand anhalten, oder?"

    Mathilda war daran gewöhnt, ihrem Zögling offen ihre Meinung zu sagen, und häufig war sie ausgesprochen direkt. Aber noch nie zuvor hatte sie so lobende Worte über ihr Aussehen verloren.

    Vielleicht bin ich ja wirklich nicht völlig unansehnlich, dachte Hero, die nie stolz auf ihr Äußeres gewesen war, ja eher darunter gelitten hatte, da es so gar nicht dem geltenden Schönheitsideal entsprach. Allerdings glaubte sie, eine ganz passable Figur zu haben, denn sie war wohlgerundet und hatte Kurven an den richtigen Stellen.

    Das gelbe Musselinkleid, das sie anziehen wollte, schmeichelte ihren Formen, obwohl der Schnitt etwas aus der Mode war. Dennoch war Hero unschlüssig. Für Calverstock wollte sie gar nicht hübsch aussehen. Doch es war besser, den Wünschen des Vaters erst einmal Folge zu leisten. Aufbegehren konnte sie nach dem Treffen mit dem Earl immer noch.

    Der Earl of Calverstock würde am Nachmittag eintreffen, kurz nach dem leichten Lunch, den Hero wie üblich um zwei Uhr servieren ließ.

    Nachdem sie ein paar Bissen gegessen hatte, zog sie sich in ihr Zimmer zurück, um sich umzuziehen. Es war heiß und stickig. Überall im Haus standen die Fenster offen.

    „Wie froh bin ich, eine Frau zu sein, erklärte Hero, während Mathilda die letzten Häkchen an ihrem Kleid schloss. „Ich werde nie verstehen, warum die Herren sich bei dieser Hitze unter ihren schweren Fräcken und Westen nicht in Schweiß auflösen!

    „Dafür müssen sie im Winter weniger leiden, gab Mathilda zurück und begann Hero zu frisieren. „Dann ist es ihnen warm, während die Damen in ihren dünnen Chemisenkleidern frieren.

    „Wir können uns zur Not mit einem Schal vor der Kälte schützen. Doch wie schützt man sich vor Hitze? Gelassen betrachtete Hero im Spiegel, wie die Zofe ihr üppiges Haar kämmte. „Mein Teint wird ihm nicht gefallen, bemerkte sie kritisch. „Ich war zu oft an der Sonne. Vielleicht will er mich ja gar nicht zur Frau. Dann wäre es vorbei mit diesem grässlichen Handel. In einem Anflug von Verzweiflung wandte sie sich zu Mathilda um. „Wie konnte mir Vater das antun? Wie kann er erwarten, dass ich einen Verbrecher heirate? Einen ehemaligen Sträfling? Oh Gott!

    Die alte Frau ließ die Hände sinken. „Er ist ein Earl, meine Liebe."

    „Pah! Seine Mutter ist jedenfalls nicht von Stand. Was hat sich mein Vater nur dabei gedacht?"

    „Dünkel und Übermut stehen einer Dame nicht gut zu Gesicht, wies Mathilda sie zurecht. „Es steht außer Zweifel, dass seine Mutter aus gutem Hause war.

    Hero zuckte mit den Schultern. „Gleichwohl. Ich will gar nicht daran denken. Zum Mann nehmen werde ich so jemanden auf keinen Fall. Sie warf einen Blick auf die Uhr auf dem Kaminsims. „Beeile dich bitte. Er wird gleich da sein.

    Mathilda steckte die letzten Haarnadeln fest. Zwei weiche Strähnen umrahmten lose Heros Gesicht. Nach ein paar weiteren Handgriffen meinte die Zofe: „Fertig, Miss. Sie trat einen Schritt zurück. „Sie sehen sehr hübsch aus. Wenn er Sie verschmäht, muss er ein Narr sein.

    „Offensichtlich würde er mich ja sogar unbesehen heiraten, murmelte Hero. „Ich frage mich nur, warum.

    „Sie werden Polhembury Hall erben, wenn Ihr Vater stirbt", spekulierte Mathilda.

    „Aber Calverstock hat genug eigenen Landbesitz. Und das Gut ist im derzeitigen Zustand ohnehin nichts wert."

    „Es könnte rentabel bewirtschaftet werden."

    „Möglicherweise. Aber erst müsste man eine Menge Geld investieren", gab Hero zurück und verließ ihr Schlafgemach, um nach unten zu gehen.

    Nein, ich verstehe wirklich nicht, warum er unbedingt mich zur Frau will, dachte sie, während sie sich zum Morgensalon begab. Dieser Raum wurde meist als Empfangszimmer benutzt, da mangels

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