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Der Weg von Felicitas Wiburg
Der Weg von Felicitas Wiburg
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eBook229 Seiten3 Stunden

Der Weg von Felicitas Wiburg

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Über dieses E-Book

Ein Liebesroman aus der Theater- und Adelswelt: Bevor die Schauspielerin Felicitas Wiburg das Theater verlässt, um zu heiraten, möchte der Theaterdirektor unbedingt das Stück "Die unmögliche Frau" von Georg Thorwest mit ihr auf die Bühne bringen. In der Zwischenzeit erfährt Felicitas, dass Luisa, die Schwester ihres adligen Verlobten, nichts von ihrer Heirat wissen darf, da sie keine Schauspielerin in der Familie duldet. Während Felicitas Probleme mit ihrer neuen Schwägerin und Rolle als Baronin hat, nähern sie und Thorwest sich langsam immer mehr an...
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum26. Mai 2016
ISBN9788711570371
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    Buchvorschau

    Der Weg von Felicitas Wiburg - Anny von Panhuys

    www.egmont.com

    „Ja, nun machen Sie grosse Augen, Wiburg, aber Sie werden noch grössere machen, denn das Ding ist ganz famos. So lebenswahr und bis ins kleinste durchgearbeitet, dass man schon beim Lesen seine helle Freude daran hat; die Aufführung gibt einen Schlager ersten Ranges. Nehmen Sie das Manuskript mit nach Hause und schauen Sie hinein, Sie können mir dann bald mal erzählen, was Sie sich von der „Unmöglichen Frau versprechen. Die Rollen sollen bereitgelegt werden, ich denke bald mit den Proben zu beginnen.

    Felicitas nahm das Manuskript an sich und verabschiedete sich mit nochmaligem Dank.

    Der Direktor sah noch ein Weilchen starr auf die Tür, hinter der sie verschwunden war, dann brummte er ärgerlich in sich hinein:

    „Eine der berufensten Schauspielerinnen ist sie und wird nun niemals die Höhen ihrer Kunst, auf die sie ihr Talent weist, erreichen, weil es sich ein oller Baron in den grauen Kopf gesetzt hat, ihr durch ’ne Ehe den Weg nach oben zu versperren."

    Er klingelte seinem im Vorzimmer sitzenden Sekretär.

    „Albert, schreiben Sie sogleich an Georg Thorwest, sein Schauspiel soll noch in dieser Spielzeit zur Aufführung gelangen."

    „Warum denn?" erkundigte sich Albert, der zum Verdruss, aber auch oft zur Belustigung seines Vorgesetzten an einer fast krankhaften Fragewut litt.

    Der Direktor schlug mit der Faust auf den Schreibtisch.

    „Weil die Wiburg der Hafer sticht, weil sie durchaus heiraten will und am ersten Mai aus unserer Bühne ausscheidet, und gerade sie passt so vorzüglich für die Rolle."

    Albert blieb der breite, schmallippige Mund vor Erstaunen offen stehen.

    „Felicitas Wiburg geht? Ach, du Grundgütiger, was sollen wir denn da machen?" brachte er endlich hervor.

    Der Direktor zuckte die Achseln.

    „Ja, wer die Wiburg nicht hat spielen sehen, findet vielleicht die Larsen glänzend, aber unsereins — Er brummte: „Die verflixte Heiraterei! und ging mit trippelndem Schritt wieder ins Vorzimmer, wo er, ehe er sich an den ihm aufgetragenen Brief machte, erst einmal tüchtig über die Unzuverlässigkeit der Weiber im allgemeinen und die Unzuverlässigkeit der Felicitas Wiburg im besonderen nachdachte. Natürlich heiratet sie den Baron Usswald, der sie schon öfters von den Proben abgeholt hatte. Ein ganz feiner Mensch, aber der Altersunterschied war zu gross; der Baron konnte gut und gern ihr Vater sein.

    Albert lächelte schlau. Natürlich der Titel und das Geld lockten die schöne Wiburg. Aber der Direktor tat ihm leid, denn mit der Wiburg verlor er seinen zugkräftigsten Kassenmagneten.


    Felicitas verliess leichten, raschen Schrittes durch eine Seitentür das Palasttheater. Ihre Augen blickten glücklich in den hellen, frischen Märzvormittag und viele angenehme Gedanken durchzogen ihren Kopf. Gewiss, es war schwer, von der Bühne zu scheiden, aber schliesslich vertauschte sie eine unsichere mit einer sicheren Zukunft, und wenn sie für den Baron auch gerade keine wilde Leidenschaft empfand, so mochte ein ruhiges, liebes Gernhaben viel wertvollere Bürgschaft für eine gute Ehe sein.

    Leidenschaft? Liebe?

    Die beiden Worte, die sie oft auf der Bühne gesprochen, waren ihrem Dasein bisher fremd geblieben. Vielleicht hatte sie überhaupt nicht die Natur, einem Manne in Leidenschaft anzuhängen, die Menschenherzen waren ja so verschieden. Sie mochte Jörgen Usswald sehr, sehr gern und hatte in seiner Nähe immer ein schönes Gefühl von Geborgensein. Denn geborgen war sie bei ihm; die Stürme, die einst ihr kleines, trautes Elternhaus zerstört, die sie in die Schatten der Kulissen, wo die Statisten leben, gejagt, sie waren sicher machtlos, wenn Jörgen Usswalds breite Gestalt ihr Schutz und Schirm ward. Schliesslich kam es dabei ja eigentlich nicht einmal so sehr auf sie selbst an. Die Hauptsache war, dass sie nun eine alte drückende Schuld, die ihre Eltern hinterlassen, hatte bezahlen können, eine Schuld, die sie erst im Laufe langer, langer Jahre ganz allmählich zu tilgen vermocht hätte, wenn sie viel Geld verdient und keine Störung ihr Wirken ins Stocken gebracht oder gar ein Ziel gesetzt hätte. Zwar konnte niemand rechtlich von ihr die Bezahlung der Summe fordern, aber moralisch fühlte sie sich dazu verpflichtet, und als sie einst in einer Stunde, da ihr das Herz auf die Zunge trat, dem Baron davon erzählte, hatte er ihr zart und taktvoll seine Hilfe angeboten. Und als er sie dann bald darauf bat, seine Frau zu werden, hatte sie seine Hilfe gern und freudig angenommen. Sie war ja so glücklich in dem Bewusstsein: Nun durften Vater und Mutter ruhig schlafen, niemand konnte sie mehr einer ungetilgten Schuld zeihen.

    Und die zweite Hauptsache war ihr junger Bruder Martin; dessen Zukunft lag nun sonnenklar vor ihr. Jörgen Usswald hatte ihr versprochen, er wolle für ihn sorgen wie für einen eigenen Sohn, wenn sie die Seine würde. Das Versprechen hatte vielleicht den Ausschlag gegeben, alle Bedenken in ihr restlos erstickt, weil sie immer in Angst gewesen war, Martin müsse vielleicht einmal in irgendeine Lebenssphäre, in die er nicht gehörte.

    O, sie hing so mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele an dem Bruder, dem kleinen Idealisten mit dem Erfinderkopfe.

    Zugegeben, sie verdiente jetzt genügend, um ihn bis zum Maturium eine gute Schule besuchen zu lassen und ihn dann auf eine Technische Hochschule zu senden, jedoch, wer konnte wissen, ob nicht irgendeine Krankheit, ein Zufall ihr plötzlich die weitere Schauspielerlaufbahn versperrte, ob ihr nicht gar der Tod eines Tages die Tür zur Zukunft mit seinen rauhen Knochenhänden zuwarf! Man kann auch jung sterben! Was aber wurde dann aus Martin, ihrem lieben Blondkopf, was wurde dann aus seiner Jugend, aus allem, was er hoffte und erstrebte?

    Ingenieur wollte er werden, Maschinen wollte er bauen, die Wunder schafften und an die noch niemand vor ihm gedacht, obwohl sie einen Segen für die Menschheit bedeuteten. Mit ihrer Heirat schaffte sie ihm Boden unter die Füsse, darauf seine jungen Beine feststehen konnten. Und bei solcher Aussicht konnte es nicht schwer fallen, dem Ruhm Valet zu sagen und eine schöne, glückliche Häuslichkeit dafür einzutauschen, darin ihr ein guter, verehrter Gatte die Sorge für den halberwachsenen Bruder abnahm und er und sie dem verträumten Jungen gemeinsam das viel zu früh verlorene Elternhaus ersetzen würden.

    Langsam wanderte Felicitas durch eine stille Westendstrasse ihrer Pension zu, wo sie wohnte, seit sie aus dem Dunkel des Bühnenlebens plötzlich mitten in die strahlendste Helle gerückt, vor den Augen des Publikums stand, seit sie ein Monatsgeld verdiente, das ihr ermöglichte, nicht nur für sich, sondern auch ausreichend für den Bruder zu sorgen. Der Vormund, ein biederer kleiner Kaufmann im Osten Berlins, war glücklich, die Obhut über den Jungen los zu sein, und erlaubte ihr gern, ihn zu einem Lehrer ins Haus zu geben.

    Der Vormund! Felicitas musste lächeln, als sie seiner gedachte, und sie malte sich schon die Szene aus, wenn sie ihn nun in den nächsten Tagen aufsuchen würde, ihn von ihrer bevorstehenden Verheiratung zu benachrichtigen.

    Vor der Tür des Hauses, darin sie wohnte, stand ein grosser, breitschultriger Herr; kaum erblickte er die schlanke Gestalt in dem hübschen, einfachen Kostüm von grauem Tuch, eilte er ihr entgegen. „Ich war schon oben bei dir, Felicitas, doch Fräulein Michels meinte, du müsstest jeden Augenblick kommen, da wollte ich dir entgegengehen, war nur nicht sicher, welche Richtung ich wählen sollte. Er nahm mit unendlicher Zartheit die ihm gereichte Mädchenhand. „Liebes, dass ich dich sehe!

    Baron Jörgen Usswald war nicht hübsch, aber er sah vornehm aus und das bereits stark ergraute Schläfenhaar gab seinem frischen und dunkelgefärbten Gesicht einen gewissen Reiz. Er hatte sehr gutmütige Augen und ein liebes Lächeln. Felicitas stellte das bei jedem Sehen von neuem fest und es waren wohl besonders diese Augen und das Lächeln, die ihr den ganzen Mann charakterisierten.

    Sie schob ihren Arm in den seinen.

    „Nun darf ich dich wohl bitten, mich wieder mit nach oben zu begleiten, damit wir in Ruhe über mancherlei Wichtiges reden können."

    Er machte keine Einwendungen, aber Felicitas war es, als hätte sie einen flüchtigen Schatten über sein Gesicht huschen sehen. Ach, Unsinn, sie hatte sich geirrt.

    Oben angekommen, half ihm ein Hausmädchen beim Ablegen des Ueberziehers, dann geleitete ihn Felicitas in ihr Wohnzimmer. Sie warf die pelzumrandete Jacke über einen Sessel, schob den kleinen seidenen Uebergangshut mit dem weichen Parmaveilchentuff dazu, dann zog sie den Mann auf das alte Ripssofa, dessen Grün gar so schwermütig verblichen dreinschaute.

    „Nun bin ich frei, lächelte sie den Baron an, „nun bin ich am ersten Mai frei, nach mancherlei kleinen Wortklaubereien hat Direktor Rellstab endlich meinen Vertrag gelöst.

    Jörgen Usswald nickte. „Das ist gut, weisst du, es tut mir weh, dich abends auf den Brettern zu sehen. Du bist eine wunderbare Schauspielerin, bist eine Künstlerin, deren eigenartiges Spiel ich mit dem keiner einzigen deiner berühmten Kolleginnen vergleichen möchte, aber ganz offen gesagt, ich spüre jedesmal, wenn du aus der Kulisse heraustrittst und die vielen, vielen Augen zu dir hinaufstarren, eine geradezu herzbeklemmende Eifersucht, und das, weisst du, Liebstes, das ertrug ich nicht länger."

    Sie fragte gedehnt: „So ist wohl nur das der Grund, dass du mir deinen Namen botest?"

    Er sah an ihr vorbei.

    „Nein, Liebes, nein, ich wollte dich für mich, wenn ich dich liebe, aber nun muss ich dir noch etwas sagen und ich möchte vorausschicken, es fällt mir schwer, weil — —"

    Felicitas lachte. „O, du grosser, breiter Mensch fürchtest dich wohl gar vor mir? Sprich nur, denn sieh mal, wenn ich deine Frau werde, müssen wir uns doch auch in allen Dingen einig sein und ich denke, wir beide können einander alles sagen, ohne Bedenken, ohne Stocken."

    Jörgen Usswald sann, wie schon so oft vordem, dass er solch zartes, reines Empfinden niemals bei einer Schauspielerin gesucht. Aber wenn Felicitas Wiburg nicht so gewesen wäre, hätte er auch wohl niemals an eine Heirat mit ihr gedacht. Niemals! Baron Jörgen Usswald und eine Schauspielerin, das war ihm noch vor kurzem das Unwahrscheinlichste, was es gab, und nun wurde es Wahrheit. Eine Felicitas Wiburg lässt man entweder mit respektvoll abgezogenem Hut an sich vorbei ihre Strasse ziehen, oder man behandelt sie als Dame der Gesellschaftsklasse, der man selbst angehört. Ein Zwischending gab es einfach nicht.

    Er seufzte und fand nicht den rechten Anfang, um ihr zu erklären, was ihm die Brust beengte.

    Felicitas schüttelte den Kopf.

    „Jörgen, man könnte fast meinen, du hättest mir irgendein schweres Geständnis zu machen, du siehst so verstört aus."

    Er rang sich zum Entschluss durch, denn er durfte nicht länger aufschieben, was gesagt werden musste, und er fürchtete sich doch davor, wie sie seine Worte aufnehmen würde.

    Schon wollte er seine Lippen öffnen, da meinte sie beruhigenden Tones:

    „Fällt dir’s so schwer, Jörgen, dann schweige doch bis auf ein anderes Mal, reden wir dafür jetzt von Dingen, die doch schliesslich auch einmal auf Erledigung drängen. Sage, Jörgen, hast du nun inzwischen deiner Schwester von mir gesprochen, ihr mitgeteilt, dass du mich von den Brettern weggelockt, damit ich dir in euer altes, graues Haus folgen soll?"

    Er erschrak. Nun berührte Felicitas bereits das heikle Thema, über das er heute mit ihr reden wollte, und was zu tun ihm doch so schwer, so entsetzlich schwer wurde. Herrgott, er schämte sich wirklich, dass in seinem riesigen Körper zuweilen eine so kindische Angst vor Unannehmlichkeiten, Unbequemlichkeiten und Aufregungen spukte. Aber darin litt er von je, lieber machte er Umwege, schob Dinge tage- ja wochenlang hinaus, nur um momentan seinen Frieden zu haben. Er ärgerte sich oft selbst über diesen Charakterfehler, doch war er da, und wenn er selbst auch darunter litt, so sann er doch niemals darüber nach, denselben mit festem Willen zu bekämpfen.

    Er zwang sich, zu lächeln, denn Felicitas wartete auf Antwort.

    „Ob ich mit meiner Schwester von dir gesprochen habe? Nein, Liebes, nein, noch nicht. Ach, weisst du, ich kam in letzter Zeit so zu gar nichts, und meine Schwester war mit ihrem Manne wieder acht Tage bei der alten Gräfin Brattekow auf Mellechin, und ich deutete dir ja bereits an, in wie starkem Masse der Adelstick bei ihr entwickelt ist. Wenn sie von solchem Besuch wie diesem kommt, wo sie die Prinzessin Eckenstädt-Zarchhausen getroffen und die Fürstin Romst-Kallehnen und die Freifrau Zeisig, die auch irgend so’ne Zwetschenprinzessin von Geburt ist, dann kann kein vernünftiger Mensch mit ihr reden, dann faselt sie den ganzen Tag von ihren vornehmen ‚Freunden‘, nennt alles, was unterm Baron steht, ‚gemeine Leute‘ und ist völlig ungeniessbar."

    Felicitas lachte hell auf.

    „Wie komisch du das alles sagst, aber du solltest nicht so stark übertreiben, denn sieh, Jörgen, was du da vorbringst, kann doch gar nicht stimmen, denn deine Schwester ist doch eine Bürgerliche und sie schlüge sich mit solchen Ansichten, wie du ihr zuschreibst, ins eigene Gesicht, ihr Mann heisst doch Vogel, schlichtweg Dr. Alfred Vogel, und somit führt sie doch den Namen Vogel ebenfalls."

    Jörgen Usswald erwiderte betont:

    „Du irrst, Felicitas, sie hat herausgefunden, dass es den Namen Vogel zu häufig gibt und um Verwechselungen mit anderen Vögeln zu entgehen, bitte nur deshalb, folgt sie dem Beispiel vieler Künstlerinnen und süddeutschen Familien, die ihren Mädchennamen dem Namen ihres Gatten zufügen und nennt sich Frau Luisa Vogel von Usswald. Er sah Felicitas an. „Das klingt gleich anders, nicht wahr, und auf Visitenkarten macht sich die Geschichte auch ganz repräsentabel. Auf der Karte ihres Mannes steht: Dr. Alfred Vogel von Usswald, und beide fühlen sich sehr wohl dabei. Er lässt sich von seiner Frau ins Schlepptau nehmen und hat den Adelsrappel von ihr auch schon bekommen, doch ist er nicht so durchseucht davon wie sie, und wenn sie nicht in seiner Nähe ist, kann man mit ihm ein vernünftiges Bürgerwort reden.

    Felicitas hatte plötzlich erschreckte Augen.

    „So ist das und so sehen deine Schwester und dein Schwager aus. Wie wird sich da aber Frau Vogel von Usswald mit mir abfinden, ich bin doch bürgerlich und dazu noch Schauspielerin." Sie sprang auf und ging ein paarmal schnell durchs Zimmer, um plötzlich vor dem Manne stehen zu bleiben.

    „Weshalb hast du bisher nicht so deutlich gesprochen, sondern das Bild deiner nächsten Verwandten immer mehr oder weniger durch einen Schleier gezeigt, denn weisst du, Jörgen, Stolz habe ich auch, und wenn du meinst, ich würde deiner Schwester vielleicht als demütig Bittende nahen, dann irrtest du."

    Sie nahm seinen Kopf zwischen ihre schmalen, kühlen Hände.

    „Ich bin dir von Herzen gut, Jörgen, aber klein und demütig werden, ohne dass ich etwas Böses getan habe, das liegt mir nicht, ich hatte mich auf unser Heim gefreut, deinetwegen, meinetwegen und um Martins willen, aber wenn mich deine Schwester vielleicht nur widerwillig willkommen heissen würde, dann ist’s tausendmal besser —"

    Sie brach ab, ein bisher mühsam zurückgehaltenes Schluchzen riss ihr den Schluss vom Munde.

    Um Martins willen! Das wars, was ihr jählings so entsetzlich wehe tat, denn wenn es ihr vielleicht auch nicht allzu schwer geworden wäre, auf einen Zukunftstraum zu verzichten, um Martins willen litt sie bittere Not. Wenn das Schicksal irgendwie ihre Karriere in Frage stellte, oder sie jung starb, dann war ihr blonder, ehrgeiziger Träumer hilflos, und der Vormund mit dem engen kleinen Krämerverstand nahm ihn vielleicht, sein Bestes im Sinne, vom Gymnasium fort und stopfte ihn in irgendein Handwerk hinein, das Gelegenheit zu raschem Verdienen bot.

    Ein paar grosse, dicke Tränen liefen über ihr feines, schmales Gesicht.

    Der Anblick überwältigte den Baron. So liebte ihn Felicitas, so sehr liebte sie ihn.

    Er zog sie wieder neben sich auf das Sofa nieder und breitete mutig seinen Plan, mit dem er heute zu ihr hergekommen, vor ihr aus.

    „Höre, Kind, was kümmert uns meine Schwester, sie ist zehn Jahre älter als ich, aber das ist kein Grund, dass ich sie wie eine Mutter um ihren Segen bitte. Ich bewohne ein Stockwerk in ihrem Hause, aber das verpflichtet mich zu nichts, sieh, was kümmern uns die Menschen, wir haben uns lieb, und nur darauf kommt es an. Wir heiraten einfach, ohne dass ich meiner Schwester irgend etwas davon mitteile. Hübsche Wohnungen gibt es genug in Berlin, am einfachsten, ich miete oder kaufe uns ein nettes Häuschen für dich und Martin und mich, alles übrige findet sich dann später von selbst, auch die Bekanntschaft mit meinen Verwandten."

    So, nun war es heraus, Jörgen Usswald atmete freier, aber er vermied den Blick der schönen, blauen Mädchenaugen.

    Felicitas hatte das Gefühl, als hätte sich ein kühles Tuch um ihren Körper gelegt, sie erschauerte heimlich ob der plötzlichen Kälte, die sie einhüllte und ihr Herz tat seltsam schweren Schlag, als wollte es in der nächsten Minute überhaupt aussetzen.

    Was wagte ihr Jörgen Usswald anzubieten?

    Dünkte sie ihm nicht genug, um sie zu Schwester und Schwager und den paar entfernten Verwandten, die er noch besass, zu bringen und mit Selbstverständlichkeit zu sagen:

    „Hier stelle ich euch meine Braut Felicitas Wiburg vor!" — Galt sie ihm so wenig? Oh, sie hatte ihren Stolz und wenn er dachte, dass sie wie eine, die sich vor den

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