24 Stunden Zeit: Die großen Western 281
Von G.F. Wego
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Über dieses E-Book
Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen).
Es ist Zora Torray, als sei der Mann, der dort kommt und einfach durch das Tor in den Hof reitet, ihm irgendwie bekannt. Jedoch sind zu viele Männer Zora begegnet. Er kann sich nicht alle Gesichter merken, selbst wenn er es wollte. Dieser Mann, der nun kommt und sich – wohl in der Meinung, daß Zora ihn nicht gesehen haben kann – vor dem Tor noch einmal umblickt, erinnert Zora an die anderen Männer, die zu ihm gekommen sind. Mit diesem aber, und das Gefühl wird ihn nicht trügen, hat es einen andere Bewandtnis. Zora hat ihn schon entdeckt, als er den Hügel herabgeritten ist, der vor dem Kershaw Canyon als eine breite, stark gewellte Erhebung liegt. Die Staubwolke hat ihn verraten. Keine dreißig Meilen weiter ist die Straße, doch der Mann muß gewußt haben, wie er von hinten zum Office gelangen kann. Er hat den Seitenweg benutzt und befindet sich schon am Tor. »Hallo«, sagt der Mann, während das Pferd leise schnaubt, das nun am Holzstapel mit den auseinandergekeilten Baumstammenden steht. »Hallo… Torray?« Zora Torray wendet sich, das Beil mit einem kurzen Schwung in den Haublock schlagend, langsam um. Aus der Nähe wirkt das Gesicht des Fremden grob. Die Spuren von Pockennarben machen es nicht gerade anziehend. Und die hellen farblosen Augen sind für Zora wie die Augen eines toten Fisches, der drei Tage am Ufer eines Flusses in der Sonne gelegen hat. »Ja«, sagt er. »Ich bin Torray.« Er glaubt nun doch etwas wie Überraschung in den Augen des Fremden zu erkennen, dessen hochbeinige Fuchsstute mit Staub bedeckt ist.
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Buchvorschau
24 Stunden Zeit - G.F. Wego
Die großen Western
– 281 –
24 Stunden Zeit
G.F. Wego
Es ist Zora Torray, als sei der Mann, der dort kommt und einfach durch das Tor in den Hof reitet, ihm irgendwie bekannt.
Jedoch sind zu viele Männer Zora begegnet. Er kann sich nicht alle Gesichter merken, selbst wenn er es wollte. Dieser Mann, der nun kommt und sich – wohl in der Meinung, daß Zora ihn nicht gesehen haben kann – vor dem Tor noch einmal umblickt, erinnert Zora an die anderen Männer, die zu ihm gekommen sind.
Mit diesem aber, und das Gefühl wird ihn nicht trügen, hat es einen andere Bewandtnis.
Zora hat ihn schon entdeckt, als er den Hügel herabgeritten ist, der vor dem Kershaw Canyon als eine breite, stark gewellte Erhebung liegt. Die Staubwolke hat ihn verraten.
Keine dreißig Meilen weiter ist die Straße, doch der Mann muß gewußt haben, wie er von hinten zum Office gelangen kann. Er hat den Seitenweg benutzt und befindet sich schon am Tor.
»Hallo«, sagt der Mann, während das Pferd leise schnaubt, das nun am Holzstapel mit den auseinandergekeilten Baumstammenden steht. »Hallo… Torray?«
Zora Torray wendet sich, das Beil mit einem kurzen Schwung in den Haublock schlagend, langsam um. Aus der Nähe wirkt das Gesicht des Fremden grob. Die Spuren von Pockennarben machen es nicht gerade anziehend. Und die hellen farblosen Augen sind für Zora wie die Augen eines toten Fisches, der drei Tage am Ufer eines Flusses in der Sonne gelegen hat.
»Ja«, sagt er. »Ich bin Torray.«
Er glaubt nun doch etwas wie Überraschung in den Augen des Fremden zu erkennen, dessen hochbeinige Fuchsstute mit Staub bedeckt ist.
»Holzhacken«, sagt der Fremde und verzieht seinen Mund, wahrscheinlich soll das ein Lächeln sein, »das ist auch eine Beschäftigung für – für einen Sheriff.«
Sheriff Zora Torray bleibt so ruhig, daß der leichte Spott, der aus den Worten des Fremden herauszuhören ist, wie von einer Mauer abprallt. Es ist immer Torrays größte Stärke gewesen, die Ruhe zu bewahren. So auch hier.
»Nicht die schlechteste Beschäftigung«, erwidert er. »Man kann mit Arbeit viele Dinge überwinden, glaube ich. Was kann ich für dich tun, mein Freund?«
Es ist seine Angewohnheit, jeden Mann seinen Freund zu nennen, eine Redensart, die oft im krassen Widerspruch zu dem steht, was ein Sheriff tun muß.
Und das ist manchmal nicht wenig, geschweige denn, daß es etwas mit Freundschaft zu tun hat.
»Ich suche einen Mann, Sheriff, der hier in der Gegend lebt. Ich brauche keine Unterstützung, ich brauche nur den Mann und den Ort, an dem er sich aufhält, das ist alles.«
»Nicht mehr?« fragt Zora so ruhig, daß der Mann ihn kurz anblickt. »Wenn es nicht mehr ist?«
»Mein Name ist Rose, William Rose, Torray. Darf ich absteigen? Ich halte dich nicht lange auf.«
»Natürlich nicht«, murmelt Zora. »Du hast es eilig, sehe ich.«
»Genau das, Sheriff.«
William Rose wirft die Zügel seiner Stute locker auf den Sägebock, dann steigt er ab, schlingt die Zügel um den Bock und deutet auf die Tür.
»Wollen wir nicht besser ins Office gehen?« fragt er dann.
Einen Augenblick denkt Zora, daß der Mann sehr sicher sein muß, seinen Auftrag allein durchführen zu können. Vielleicht hält er Zora wirklich für einen Sheriff, der sich ungern in rechtlich einwandfreie Dinge mischt, aber Rose irrt sich gewaltig.
»Sicher, mein Freund, gehen wir hinein.«
Er geht voraus, aber er hält sich etwas schräg, so daß er William Rose aus den Augenwinkeln immer noch sehen und jede Bewegung des Mannes erkennen kann.
Im Office steht die zweite Tür zu den Zellen offen. Vom Gang ist nicht viel zu sehen. Und von dem Mann, der in einer der drei Zellen liegt, ist auch nichts zu hören. Wahrscheinlich wird Tinky schlafen.
Torray bleibt am Tisch stehen, deutet auf einen der Stühle, sieht jedoch, daß Rose den Kopf schüttelt und in die Brusttasche seiner dunklen Weste greift.
Dann zieht Rose einen Umschlag aus steifem gelbem Kartonpapier heraus, öffnet ihn und sucht unter einigen Schriftstücken, bis er wohl das richtige Papier gefunden hat.
»Hier«, sagt er mit seiner kühlen, unpersönlichen Stimme träge. »Das ist der Befehl des Richters. Und neben ihm, das angeheftete Blatt, eine Beschreibung.«
Er schiebt Torray das Papier über den Tisch zu, einen der üblichen Vordrucke, unterzeichnet von Richter Baldwin aus Monticello, Utah.
Torray liest den Namen, und obwohl er im gleichen Augenblick weiß, um welchen Mann es sich handelt, bleibt er ganz ruhig.
»Die Beschreibung«, sagt William Rose träge, »ist auf der anderen Seite, Sheriff.«
»Ich weiß.«
Joel Clason, denkt Torray und liest den Text durch.
Joel Clason. Das hätte ich nie gedacht, ausgerechnet der?
»Er hat einen Mann erschossen«, sagt Rose, und nun klingt seine Stimme gar nicht mehr unpersönlich, eine Tatsache, die Torray aufmerksam werden läßt. »Er hat Budd Farrigan erschossen.«
»Ja, ich lese es«, erwidert Torray kühl. »Hier steht, daß Clason Farrigan in einem Duell getötet hat. Du willst ihn nach Monticello bringen, damit gegen ihn verhandelt werden kann?«
Er blickt nicht hoch, er wartet auf die Antwort von Rose. Der Mann zaudert etwas.
»Ja«, sagt er dann. »Das will ich. Er kommt vor Gericht. Wenn es auch Totschlag gewesen ist, abgeurteilt muß er werden, wie?«
»Natürlich, natürlich«, antwortet Zora Torray gemütlich und greift nach dem Zigarrenkasten, um sich eine Zigarre anzuzünden.
»Die Sache ist ja schon ein Jahr und drei Monate her, sehe ich gerade. Dieser Befehl hier ist aber erst vor vier Wochen ausgestellt worden. Warum so spät, mein Freund?«
Es ist die Tatsache des sehr späten Festnahmebefehls, die Torray stutzig werden läßt. Entweder jagt man gleich einen Steckbrief durch den Draht überallhin oder man läßt einen Mann, der einen anderen erschossen hat, gleich suchen.
Hier aber hat sich der Richter Zeit gelassen, warum, das mag zu denken geben. So schwer scheint Richter Baldwin den Fall nicht angesehen zu haben.
»Spät?« fragt Rose hart. »Wir haben es nicht eher erfahren, das ist es. Ehe uns die Nachricht erreicht hat, ist über ein Jahr vergangen.«
»Euch?« fragt Torray zurück. »Wen meinst du damit, mein Freund?«
»Nun, sein Bruder und ich, wir beide.«
»Ach, du hast Farrigan gekannt?« erkundigt sich Torray und blickt langsam hoch. »Ein Freund von dir?«
»Nicht von mir, der Bruder meines Freundes. Hör mal, Torray, was sollen deine Fragen? Die Sache ist doch vollkommen in Ordnung. Hier ist der Befehl des Richters, der ist nun mal da, oder nicht? Wo finde ich Joel Clason?«
»In meinem County«, erwidert Zora beruhigend. »Wer sagt denn, daß ich dir Schwierigkeiten machen will, Rose? Ich wundere mich nur etwas, daß Farrigans Bruder nicht auch mitgekommen ist.«
»Er – er hat keine Zeit«, sagt Rose mit einem leichten Stocken. »Wenn ich eher von der Geschichte gehört hätte, dann…«
»Sicher, sicher.«
Torray geht zum Schrank, macht die Tür auf, nimmt seinen Gurt heraus und legt ihn um. Er weiß genau, daß ihn Rose mit Bestürzung beobachtet und sich eine Menge Gedanken macht, aber er schnallt den Gurt zu, steckt den Revolver nach kurzem Nachsehen in das Halfter und nimmt die Weste von der Stuhllehne hoch.
»Was soll das?« fragt Rose da auch schon. »Willst du mitkommen, Sheriff?«
»Ich denke, daß ich das tue«, erwidert Torray ganz freundlich, aber sehr bestimmt. »Immerhin soll in meinem County eine Verhaftung erfolgen, da muß ich zugegen sein, Rose. Du hast doch nichts dagegen?«
»Aber es ist nicht nötig«, antwortet Rose heiser. »Ich werde mit dem Burschen schon allein fertig.«
Torray, der sein Gewehr aus dem Regal nimmt, lächelt bitter vor sich hin. Er hört Tinky in der Zelle, die Pritsche knarrt.
»Ich bin anderer Meinung. Ich denke, es ist nötig, daß ich dabei bin«, sagt Torray sehr ruhig und sieht Rose an, in dessen Augen er etwas wie Wut zu erkennen glaubt. »Wir haben keinen langen Weg, Rose. Kennst du Joel Clason?«
»Ich werde ihn kennenlernen«, sagt Rose bissig. »Darauf kannst du dich verlassen, Sheriff. Ich werde ihn kennenlernen. Man hat mir einige Dinge von ihm erzählt.«
»Hoffentlich«, murmelt Torray kühl. »Clason ist ein schneller Mann, mein Freund, sehr schnell sogar. Ich möchte keine Schießerei, verstehen wir uns?«
»Wenn er sich wehrt…«
»Eben«, gibt Zora knapp zurück »Darum komme ich auch mit, damit wir uns richtig verstehen, Rose. Clason soll also Farrigan beleidigt haben, ehe es zu der Schießerei zwischen den beiden gekommen ist? Was ist das für eine Beleidigung gewesen? Weißt du das zufällig?«
Rose verzieht das Gesicht. Die Frage ist ihm sichtlich unangenehm.
»Es hat irgend etwas mit Pferden zu tun gehabt«, erwidert er dann. »Farrigan soll ein Pferd von Clason gekauft, soll es aber nicht ganz bezahlt haben. Daraufhin hat ihn Clason einen Betrüger genannt. Das Wort Pferdedieb ist auch gefallen.«
Torray sieht sein Gewehr nach und blickt William Rose nicht an. Dafür denkt er über Clason nach. Joel Clason ist vor gut einem Jahr ins County gekommen, ein ruhiger, wenig redender Mann, ein erstklassiger Reiter und schneller Schütze, der aber jedem Streit aus dem Wege geht. Er arbeitet jetzt für Blanchot, einen der größten Rancher am Rande des Dry Creek Tales.
Es gibt nichts Nachteiliges über Clason zu sagen, der Mann ist im Gegenteil hilfsbereit und anständig. Daß dieser ruhige, wenn auch schnelle Mann Farrigan einfach nur wegen einer banalen Pferdesache erschossen haben soll, das will Torray nicht ganz richtig erscheinen. Hinter der Sache scheint mehr zu stecken.
*
»Wie weit ist es?« fragt Rose. »Jemand aus Monticello hat mehrmals Post von Clason erhalten – aus diesem Nest, darum bin ich gekommen. Wie weit ist es?«
»Gut zwei Stunden«, antwortet Torray. »Wenn wir Glück haben, ist er auf der Ranch. Die Leute treiben Vieh auf, um es an die Bahn zu schaffen, er reitet die Pferde zu und wird vielleicht auf der Ranch sein, Rose.«
»Ich habe immer Glück«, antwortet Rose trocken und wartet darauf, daß Torray das Tor schließt. »Wen ich haben will, den bekomme ich auch.«
Torray gibt ihm keine Antwort. Er reitet scharf an