Die großen Western 144: Der Gringo
Von Frank Callahan
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Über dieses E-Book
Es gibt Menschen, deren Schicksal von Anbeginn auf seltsame Weise miteinander verknüpft ist, die ein Stück ihres Weges gemeinsam gehen, sich trennen und dann in entscheidenden Augenblicken wieder zusammengeführt werden.
Ich spreche von zwei Männern, deren verwandtschaftliche Bindung nicht enger sein konnte: Sie waren Zwillinge. Sherman und Derrick Ross wurden am 16. April 1839 in Missouri geboren, auf einer jener Zuchtfarmen, die seit dieser Zeit die berühmten Missouri-Maultiere zu einem Begriff gemacht haben.
Kein Mensch war imstande, die Ross-Brüder äußerlich voneinander zu unterscheiden. Sogar die eigenen Eltern fielen zuweilen der Verwechslung zum Opfer. Und dennoch waren die Zwillinge von Charakter so verschieden, wie zwei Menschen es nur sein können.
Nur einer der Brüder, Sherman, bekam Gelegenheit, die Schule zu besuchen und einen Bildungsstand zu erreichen, der ihm während des Krieges fast automatisch ein Offizierspatent sicherte. Captain Sherman Ross diente zuletzt bei der Texas-Brigade und wurde mehrfach ausgezeichnet, ehe er nach der Kapitulation von Appomattox in Gefangenschaft geriet und schließlich den ehrenvollen Abschied erhielt.
Derrick Ross hingegen war über seine wenigen Grundschuljahre nicht hinausgekommen, weil seine Arbeitskraft schon sehr früh auf der Farm benötigt wurde. Er zeigte dann auch später wenig Neigung, zu den Fahnen zu eilen. Erst als das Land in den Strudel der Kriegswirren gerissen, die Farm zerstört und der Maultierbestand von der Armee requiriert wurde, stieß er zu einer Truppe, die im Verlauf des Krieges nur selten erwähnt wurde, weil sie wenig Ruhm an ihre Fahnen heftete. Es handelte sich um irreguläre Freischärler, um Guerilla-Banden und Plänklertruppen, die aus fanatischen Banden der
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Rezensionen für Die großen Western 144
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Buchvorschau
Die großen Western 144 - Frank Callahan
Die großen Western
– 144 –
Der Gringo
Frank Callahan
Es gibt Menschen, deren Schicksal von Anbeginn auf seltsame Weise miteinander verknüpft ist, die ein Stück ihres Weges gemeinsam gehen, sich trennen und dann in entscheidenden Augenblicken wieder zusammengeführt werden.
Ich spreche von zwei Männern, deren verwandtschaftliche Bindung nicht enger sein konnte: Sie waren Zwillinge. Sherman und Derrick Ross wurden am 16. April 1839 in Missouri geboren, auf einer jener Zuchtfarmen, die seit dieser Zeit die berühmten Missouri-Maultiere zu einem Begriff gemacht haben.
Kein Mensch war imstande, die Ross-Brüder äußerlich voneinander zu unterscheiden. Sogar die eigenen Eltern fielen zuweilen der Verwechslung zum Opfer. Und dennoch waren die Zwillinge von Charakter so verschieden, wie zwei Menschen es nur sein können.
Nur einer der Brüder, Sherman, bekam Gelegenheit, die Schule zu besuchen und einen Bildungsstand zu erreichen, der ihm während des Krieges fast automatisch ein Offizierspatent sicherte. Captain Sherman Ross diente zuletzt bei der Texas-Brigade und wurde mehrfach ausgezeichnet, ehe er nach der Kapitulation von Appomattox in Gefangenschaft geriet und schließlich den ehrenvollen Abschied erhielt.
Derrick Ross hingegen war über seine wenigen Grundschuljahre nicht hinausgekommen, weil seine Arbeitskraft schon sehr früh auf der Farm benötigt wurde. Er zeigte dann auch später wenig Neigung, zu den Fahnen zu eilen. Erst als das Land in den Strudel der Kriegswirren gerissen, die Farm zerstört und der Maultierbestand von der Armee requiriert wurde, stieß er zu einer Truppe, die im Verlauf des Krieges nur selten erwähnt wurde, weil sie wenig Ruhm an ihre Fahnen heftete. Es handelte sich um irreguläre Freischärler, um Guerilla-Banden und Plänklertruppen, die aus fanatischen Banden der sogenannten Missouri-Redlegs hervorgegangen waren und zumeist auf eigene Faust im Rücken der feindlichen Front operierten.
Eine ähnliche Truppe war auch die wilde Horde des berühmt-berüchtigten »Obersten« Quantrill. Keine dieser Einheiten wurde von der Unionsarmee als reguläre Truppe anerkannt, und dementsprechend gab es für ihre Angehörigen auch nach dem Waffenstillstand keinen Pardon.
Derrick Ross hatte bei diesen Plänklern zuletzt den zweifelhaften Dienstgrad eines Master-Sergeants inne. Auch hatte er keine Chance, sich nach Beendigung der Feindseligkeiten den siegreichen Yankee-Truppen zu stellen und als Kriegsgefangener behandelt zu werden. Dazu hatte sein Name längst einen viel zu gefürchteten Klang bekommen.
So blieb ihm nur die Möglichkeit, sich der Heimat fernzuhalten und einfach unterzutauchen. Erst im Jahre 1870 kreuzte sich seine Fährte wieder mit der seines Bruders. Das geschah im Red River-Valley, das damals wie heute die Grenze bildete zwischen dem Lonestar-Staat Texas und dem Territorium von Oklahoma. Nur dass es sich bei diesem Territorium zu jener Zeit noch nicht um einen Staat handelte, sondern um ein Indianerterritorium, das den immer weiter nach Westen gedrängten Rothäuten von Washington auf »ewige Zeiten« zugesichert worden war.
Hier ist also die Geschichte der Zwillingsbrüder Sherman und Derrick Ross, die so völlig gleich schienen und in Wirklichkeit so verschieden waren.
H. C. Nagel
Llano City ist nichts weiter als eine Ansammlung staubiger, von der Sonne ausgetrockneter Holzhäuser am Südufer des Red River am Rande des Llano Estacado. Die Stadt wäre wahrscheinlich zu endlosem Dahindämmern in ihrem staubigen Dasein verurteilt gewesen, wenn nicht Rancher aus den Llanos nach dem verlorenen Krieg auf den abenteuerlichen Gedanken gekommen wären, ihre Rinder durch das Indianerland nach Norden zu treiben und in Waggons zu verfrachten. Das war ein historischer Verdienst, das Texas, welches im wirtschaftlichen Chaos zu versinken drohte, zu einer einmaligen Chance verhalf, die gigantischen Longhornherden in harte Dollars umzumünzen.
Ehemals nichts weiter als eine Büffeljäger- und Handelsstation im weiten Indianerland, hat sich die Stadt Llano City nun zu einem Versorgungszentrum für Treibherdenmannschaften entwickelt, denn der große Trail nach Norden geht über die breite Furt durch den Red River rechts und links von der Stadt.
Sherman Ross kehrt auf seinem kastanienbraunen Wallach von der Furt zurück. Er eskortiert einen Prärieschoner, einen jener Pittsburgh-Wagen, die mit ihren walzenähnlichen Acht-Zoll-Reifen und einem Sechsergespann von Maultieren oder Zugochsen auch das unwegsamste Gelände durchqueren. Bei diesem Wagen jedoch ist das linke Hinterrad zu Bruch gegangen und durch einen Schleppbalken ersetzt worden.
Johnny Thursday, der auf dem Bock die Leinen führt, hatte alle Mühe, das schwerfällige Gefährt in der Spur zu halten. Johnny Thursday, ein Halbblut, übt den Beruf eines Comancheros aus, eines Indianerhändlers also, der mit den Rothäuten einen regen Tauschhandel unterhält. Zucker, Kaffee, Tabak und alle möglichen Nahrungsmittel, aber auch Messer, Axtklingen, Decken und vielerlei Geschirr tauscht er gegen Häute, Nuggets und Silberarbeiten.
Man kann nicht behaupten, dass sich ein Comanchero bei der weißen Bevölkerung besonderer Sympathien erfreute. Etwa ein Dutzend von ihnen gab es während des Krieges in den Llanos, und es waren skrupellose Burschen darunter, die heimlich Feuerwaffen, Munition und miserablen Handelswhisky in ihr Sortiment aufgenommen hatten und damit einen höllischen Beitrag zu den Indianeraufständen in den Staked Plains lieferten.
Johnny Thursday jedoch konnte in diesem Punkt nie etwas nachgewiesen werden. Im Gegenteil, er hatte es geschafft, mehrfach weiße Gefangene, Frauen und Kinder, von den Comanchen freizukaufen.
Als der Wagen in den Hof von Mike Dunhams Schmiede einbiegt, hebt Dunham gerade eine glühende Achse aus der Esse und bringt sie zum Amboss.
»Thursday«, brummt er mürrisch. »Was ist los? Komm jetzt nur nicht mit einer Reparatur! Wir stecken bis zum Hals in der Arbeit. Drüben im Saloon sitzen drei haarige Burschen hinter den Scheiben und lassen uns nicht aus den Augen, bis wir die Achse an ihrem verdammten Chuckwaggon gerichtet haben.«
»Hallo, Mike«, sagt Sherman Ross mit schmalem Lächeln, »springen Sie Johnny nur nicht gleich ins Gesicht. Er hat verteufeltes Pech gehabt; drüben ist ihm ein Rad zu Bruch gegangen. Wenn Sie wenigstens den Eisenreifen abziehen, dann kann Dick Houston inzwischen zwei Speichen ersetzen und das angeknickte Felgenstück herrichten. Auf diese Weise geht Johnny nicht so viel Zeit verloren. Ehe Sie dann den Reifen wieder aufziehen müssen, haben Sie den Chuckwaggon längst wieder hergerichtet.«
Die drei Rinderleute sind inzwischen aus dem Saloon gekommen und haben die letzten Sätze verstanden.
Allem Anschein nach handelt es sich um einen Herdenboss, den Mannschaftskoch und einen Treiber. Noch im Gehen hebt der Herdenboss die Hand. Er ist ein großer, starkknochiger und schnauzbärtiger Mann mit rotem Gesicht.
»Mister, daraus wird nichts«, schnaubt er jetzt etwas ärgerlich. »Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Wir werden schon darauf aufpassen, dass Sie uns diese Füchse nicht ausspannen.«
Wenn Mike Dunham etwas nicht ausstehen kann, dann sind es Anspielungen auf sein brandrotes Haar und das seiner beiden Söhne. Und da er ein vollblütiger Ire ist, hängt er seine schwieligen Fäuste an den Halsriemen seines Lederschurzes und gibt einen drohenden Grunzlaut von sich.
Sherman Ross und der Comanchero wechseln einen besorgten Blick. Dann sagt Johnny Thursday mit kehliger Stimme: »Gewisse Burschen unten aus dem Süden haben sich noch nicht abgewöhnen können, andere Leute herumzustoßen und sie zu kommandieren, als ob die Sklaverei immer noch nicht abgeschafft wäre.«
Der hartgesottene Bursche neben dem Herdenboss schüttelt den Kopf und sagt mit scharfem Grinsen: »Boss, mir war eben so, als hätte ich einen Ziegenbock meckern gehört. Wenn ich so ein Vieh bloß sehe, dann juckt es mir in den Fingern, ihm eins aufs Fell zu brennen.«
»Hört auf damit!«, sagt Sherman Ross gepresst vom Sattel seines Wallachs herab. »Johnny«, setzt er rau hinzu, »lassen Sie die Hände von Ihrer verdammten Schrotflinte!«
Der Comanchero lässt trotzdem die Rechte auf den Kolben der abgesägten Flinte sinken, die neben ihm auf dem Bock liegt,
»Er hat mich einen Ziegenbock genannt, Marshal«, knirscht er verbissen »Ich will nur vorbereitet sein, wenn einer von diesen lausigen Kuhtreibern noch einmal auf diese Idee kommen sollte. Vielleicht haben sie bisher noch nicht mit richtigem Indianerschrot Bekanntschaft gemacht, aber dazu kann ich ihnen schnell verhelfen.«
Der hagere Leibwächter scheint zu jener aufbrausenden und gefährlichen Sorte Menschen zu gehören, die keine Herausforderung unbeantwortet lässt. Er macht einen Satz zur Seite und reißt den Revolver aus dem Halfter,
Geschmeidig wie ein echter Indianer lässt sich Johnny Thursday auf die Bodenbretter seines Fahrersitzes fallen und zerrt die kurze Schrotflinte nach vorn. Obgleich diese Reaktion im Bruchteil einer Sekunde erfolgt, ist ein anderer noch schneller.
Sherman Ross setzt seinem Pferd die Sporen ein. Mit schrillem Wiehern wirft der Braune den Kopf empor und stürmt vorwärts.
Der hagere Bursche will sich noch zur Seite werfen, aber es ist zu spät.
Sein zorniger Schrei erstickt, als er durch das Pferd von den Beinen gerissen wird. Krachend löst sich ein Revolverschuss, und die Kugel patscht dumpf in die Seitenbretter von Johnny Thursdays Wagen. Dann ertönt auch schon die klirrende Stimme des Marshals: »Weg mit dem Revolver, Kerl! Wer es jetzt noch rau haben will,