Die großen Western 145: Raubwölfe in Pecos
Von U.H. Wilken
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Die Fliegendrahttür filtert die gleißend hellen Sonnenstrahlen. Milliarden von Staubteilchen tanzen im breiten Lichtstrahl, der durch das geöffnete Fenster in den sauberen kleinen Wohnraum fällt. Draußen flimmert und flirrt die windstille Luft von der Glut der Sonne. Hier im Raum herrscht wabernde Hitze. Die alte Frau im Stuhl am Fenster bewegt sich ein wenig, das graue Haar schimmert so hell wie Gletschereis im Sonnenschein.
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Buchvorschau
Die großen Western 145 - U.H. Wilken
Die grossen Western –145–
Raubwölfe in Pecos
Roman von U.H. Wilken
Die Fliegendrahttür filtert die gleißend hellen Sonnenstrahlen. Milliarden von Staubteilchen tanzen im breiten Lichtstrahl, der durch das geöffnete Fenster in den sauberen kleinen Wohnraum fällt.
Draußen flimmert und flirrt die windstille Luft von der Glut der Sonne. Hier im Raum herrscht wabernde Hitze.
Die alte Frau im Stuhl am Fenster bewegt sich ein wenig, das graue Haar schimmert so hell wie Gletschereis im Sonnenschein.
Sie blickt gedankenversunken auf die saubere Tischplatte, auf der kleine Sonnenkreise tanzen und spielen.
Mrs Pamela Carter denkt an ihre Söhne.
Auf der breiten sonnendurchglühten Straße rollt die Conrad-Kutsche entlang. Staub breitet sich wallend nach beiden Seiten aus. Das Geschirr klirrt, dumpf pochen die Hufe.
Die alte Frau blickt hinaus.
»Die Postkutsche«, murmelt sie. »Sie ist wieder gut durch das Indianergebiet gekommen. Comanchen und Kiowas sind ruhig. Gott sei Dank. Und der Krieg ist aus.«
Ihre Stimme verklingt im Raum. Ihre Gedanken sind jenseits des Pecos River. Ihre Augen sind noch immer klar, und ihr Blick wandert nun über die staubige Straße, über das gegenüberliegende Haus hinweg zu den vielen Hügeln und Bergen, über denen sich ein stahlblauer wolkenloser Himmel dehnt.
»Meine Söhne.«
Sie lächelt irgendwie schmerzvoll, schluckt bitter und grübelt. Seit Jahren grübelt sie nun schon, diese alte Frau, die zwei prächtige Söhne hat.
Die Kutsche hält vor dem Postoffice. Stimmen ertönen auf der Straße. Einwohner nähern sich. Die gewölbte Tür der Kutsche wird geöffnet. Ein hagerer, großer Mann kommt hervor. Seine grauen Augen sehen nur kurz auf den Kutschfahrer, der vom Bock klettert. Postsäcke werden ins Office getragen. Die Leute drängen heran.
Der große Mann steht auf der Straße. Er lehnt sich an die Kutsche, hinter der die Leute nach Post fragen. Seine Rechte nimmt den festen Krückstock. Als er langsam über die Fahrbahn humpelt, steigen noch zwei Reisende aus der Kutsche.
Robert Carter sieht nach vielen Jahren seine Heimatstadt Pecos wieder. Sein Blick ruht auf den Häusern, Gehsteigen und Vordächern. Pecos hat sich nicht verändert, es ist alles noch so wie früher. Nichts ist getan oder neu geschaffen worden. Die alten Holzhäuser haben noch immer keine neue Farbe erhalten, und auch die Sidewalks sind wie damals brüchig und ausgetreten.
Er lächelt auf einmal sanft. In seinen grauen Augen ist plötzlich jener stille Frieden, den ein Mann empfinden muss, wenn er nach schlimmen Kriegsjahren zum ersten Mal wieder seine vertraute Heimat sieht. Hier verlebte er die sorgenfreie Zeit seiner Kindheit, nur wenn die Comanchen Pecos angriffen, war auch in dieser Stadt kein Frieden.
Sein Elternhaus steht am Ortsrand. Er warf einen ernsten, suchenden Blick hinaus, als die Kutsche vorbeirollte, und er sah das silbern schimmernde Haar seiner Mutter.
Nun geht er langsam am Rand der Straße entlang.
»Das ist doch – verdammt, das ist doch Rob Carter.«
Er hört die brüchige Stimme und dreht sich um. Ein alter Mann kommt heran.
Carter lächelt.
»Ja, Old Logan«, sagt er und verlagert sein Körpergewicht aufs linke Bein. »Der Krieg ist aus.«
»Du warst im Krieg, Robert?«, fragt der Oldtimer. »Wir alle dachten, dass du mit deinem Bruder Ted Cowboy in Texas bist.«
»Wir waren es auch, Old Logan«, murmelt Carter, »aber dann kam der Krieg, und wir gingen freiwillig. Sieh dir mein Bein an, ein Andenken an den verdammten Krieg.«
»Es sieht schlimm aus, Robert.«
»Ja, es ist völlig steif.« Carter lächelt bitter. Er sieht sich um. »Und hier in Pecos ist alles so geblieben, nicht wahr?«
Old Logan nickt.
»Yeah. Und die Indsmen sind jetzt ruhig. Aber es wird wohl nicht immer so bleiben. Wo ist dein Bruder, Rob?«
»Ich habe ihn zwei Jahre nicht mehr gesehen«, erwidert Carter dumpf. »Wer weiß, ob er das alles überstanden hat. Ich weiß nicht, wo er ist, Old Logan.«
»Er wird schon noch kommen.«
»Ja, vielleicht.«
»Sam Ballard ließ seine Söhne nicht in den Krieg reiten«, sagt der Alte schleppend. »Er zwang sie richtig, hierzubleiben. Ja, er kümmerte sich gar nicht um unseren Krieg. Und er war in den ganzen vergangenen Jahren nur wenige Male in der Stadt. Auch er hat sich nicht geändert. Wir alle nicht, Rob. Pecos ist das Pecos von damals geblieben.«
»Wo sind die anderen jungen Männer der Stadt?«
»Auch sie sind fortgeritten. Einige stehen auf Ballards Lohnliste. In der Stadt leben nur wir Alten. Und Lucas Corey ist noch immer unser Sheriff.«
Carter lächelt einen Atemzug lang.
»Der alte dicke Lucas?«
»Er ist noch fetter und fauler geworden. Es waren ruhige Jahre in Pecos. Vielleicht wird es jetzt anders, wie?«
»Möglich. Wir sehen uns noch.« Carter nickt ihm zu und geht dann langsam weiter.
Der Oldtimer blickt ihm nachdenklich und ernst nach, wie er durch den Straßenstaub humpelt und das steife Bein schwer nachzieht.
Dann steht Robert Carter vor dem kleinen Haus und atmet schwer. Er verspürt eine stille Furcht. Die Mutter wird fragen, immer nur nach Ted fragen, und er wird keine gute Antwort geben können.
Drinnen horcht die alte Frau und blickt starr zur Tür. Sie hört schwere, humpelnde Schritte. Jetzt ist es draußen vor dem Haus still. Ihre abgearbeiteten Hände krampfen sich ineinander. Robert betritt den Raum.
Die Frau kommt mit einem Ruck hoch. Ihre Augen beginnen zu leuchten, ihr ganzes faltiges Gesicht zittert auf einmal.
»Robert. Mein Junge«, flüstert sie erstickt.
Er ist kein Junge mehr. Er ist ein verschlossener, ernster Mann, der ein hartes Schicksal tapfer ertragen will. Tiefe Hautkerben durchziehen sein kantiges Antlitz.
»Ja, Mutter«, sagt er ganz rau und schluckt hart.
Er sagt nichts mehr, jedes Wort bereitet ihm Mühe. Er fühlt sich wieder leer, ausgehöhlt und irgendwie überflüssig. Aber man sieht es ihm nicht an.
Seine Mutter starrt mit bangen Augen auf sein rechtes Bein und auf den Krückstock, seufzt leise.
»Du warst im Krieg, mein Junge? Oder bist du vom Pferd gestürzt?«
Sie spricht so sachlich, denkt er, so furchtbar sachlich. Sie wird gleich weinen, wenn sie so spricht.
Er nickt langsam und sagt schleppend: »In Atlanta traf mich ein Granatsplitter. Es ist schon bald ein Jahr her. Im September war’s. Jetzt ist Sommer in Texas, der Krieg ist für uns verloren.«
Sie schluckt trocken.
»Ja«, sagt sie seltsam heiser, »ja. Und ich dachte immer …« Sie verstummt und kommt langsam zu ihm. Sie muss den Kopf zurücklegen, um ihm in die Augen sehen zu können. »Wo ist dein Bruder? Wo ist Ted?«
Ganz leise kommt diese brennende Frage über ihre blassen Lippen.
Alle fragen sofort nach Ted, denkt er. Nach Ted und diesem verdammten Bein. Und ich weiß nicht, wo Ted ist.
»Wir waren Cowboys. Dann brach der Krieg aus. Wir meldeten uns. Und schon bald verloren wir uns. Ich hörte nichts mehr von Ted. Ich weiß auch nicht, wo er kämpfte.«
»Mein Himmel«, flüstert sie. »Ihr kämpftet für den Süden, nicht wahr? Und der Süden verlor den Krieg. Viele Tausend Soldaten kamen um im Krieg – und Ted auch.«
Nach ihren Worten entsteht eine beklemmende Stille. Er muss sich zusammenreißen.
»Das darfst du nicht sagen, Mutter. Ted ist ein kluger Mann. Er wird durchkommen.«
Ihre Augen schimmern feucht. Dann blenden Tränen ihren Blick.
»Mein Junge, es ist gut, dass du zurückgekommen bist. Ich bin froh und glücklich darüber. Ich habe nicht beide Söhne verloren. Du bist hier.«
Aber sie macht keinen glücklichen Eindruck. Sie sitzt reglos und voller Kummer auf ihrem Stuhl und weint lautlos.
»Warum hast du mir nicht geschrieben, Robert? Warum nicht?«
»Es wäre nicht besser dadurch geworden, Mutter. Du hättest dir viele Sorgen gemacht. Wir wollten, dass du denkst, wir wären noch Cowboys. Und wir wollten ja auch zurückkommen. Ja, ich bin hier, und auch Ted wird zurückkommen. Du musst daran glauben, Mutter.«
Sie erhebt sich langsam und geht zum Herd.
»Ich werde dir einen starken Kaffee kochen, mein Junge. Du wirst durstig sein.«
Ihre Stimme klingt jetzt anders, sie hat sich wieder gefasst. Sie wird ihm nicht mehr ihre Tränen zeigen.
Und er atmet tief und nickt nur, während sie den Kessel auf das Herdloch stellt und Holz nachwirft.
»Wirst du noch reiten können, Robert?«, fragt sie plötzlich.
»Ja, aber nicht mehr so gut wie früher.«
»In der Stadt gibt es kaum Arbeit.«
»Ich werde zu Ballard reiten.«
»Ja, versuch es, mein Junge. Vielleicht hat Sam Ballard Arbeit für dich. Er sucht Reiter. Seine Ranch ist in diesen Jahren noch größer geworden. Nun will er das herrenlose Vieh in Texas zusammentreiben. Das erzählt man sich in Pecos. Deshalb sucht er wohl noch Reiter.«
»Morgen reite ich zu ihm.«
Das Wasser im Kessel summt. Die Frau stellt die Tasse auf den Tisch. Dann braut sie den Kaffee und gießt wenig später den duftenden schwarzen Kaffee in