Ein Brüderchen für Laura: Mami Classic 2 – Familienroman
Von Gisela Reutling
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»Hier ist schon Geburtstagspost für dich, Laura!« Vera wedelte ihrem Töchterchen, das gerade aus der Schule kam, mit einem Brief und einer Karte entgegen. Eigentlich war der große Tag ja erst morgen, aber sollte sie ruhig schon heute eine Freude haben. »Ja, von wem denn?« fragte Laura neugierig und streifte den Ranzen von den Schultern. Sie griff zuerst nach der Karte von Bärbel, mit dem bunten Blumenstrauß darauf. Auf der Rückseite stand mit sorgfältig gemalten Buchstaben: Ich gratuliere Dir herzlich zum Geburtstag. Hier ist es sehr schön. Viele Grüße, Deine Freundin Bärbel. Über den Zusatz Purzel läßt auch grüßen, mußte Laura lachen. Der Purzel! Der Spitz-Pudel-Dackel-Hund, wie Bärbels Vater den drolligen Mischling scherzhaft nannte. Die beiden Mädchen führten ihn oft zusammen spazieren. Jetzt war Bärbel mit ihren Eltern zum Opa gefahren, der an seinem siebzigsten Geburtstag die ganze Familie um sich haben wollte. Dafür war sie sogar zwei Tage aus der Schule genommen worden. Mit einem Feiertag dazwischen und dem Wochenende machte das fünf Tage in dem schönen Schwarzwaldort, wo die Großeltern wohnten. Na ja, Laura sah es schon ein, daß ein siebzigster viel mehr war als ein achter Geburtstag. »Aber schade ist es doch, daß sie nicht dabeisein kann, wenn wir morgen feiern«, meinte sie, als sie die Karte aus der Hand legte. Schließlich war Bärbel Schuler ihre allerbeste Freundin.
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Mami Classic
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Buchvorschau
Ein Brüderchen für Laura - Gisela Reutling
Mami Classic
– 2 –
Ein Brüderchen für Laura
Gisela Reutling
»Hier ist schon Geburtstagspost für dich, Laura!«
Vera wedelte ihrem Töchterchen, das gerade aus der Schule kam, mit einem Brief und einer Karte entgegen. Eigentlich war der große Tag ja erst morgen, aber sollte sie ruhig schon heute eine Freude haben.
»Ja, von wem denn?« fragte Laura neugierig und streifte den Ranzen von den Schultern. Sie griff zuerst nach der Karte von Bärbel, mit dem bunten Blumenstrauß darauf. Auf der Rückseite stand mit sorgfältig gemalten Buchstaben: Ich gratuliere Dir herzlich zum Geburtstag. Hier ist es sehr schön. Viele Grüße, Deine Freundin Bärbel. Über den Zusatz Purzel läßt auch grüßen, mußte Laura lachen.
Der Purzel! Der Spitz-Pudel-Dackel-Hund, wie Bärbels Vater den drolligen Mischling scherzhaft nannte. Die beiden Mädchen führten ihn oft zusammen spazieren. Jetzt war Bärbel mit ihren Eltern zum Opa gefahren, der an seinem siebzigsten Geburtstag die ganze Familie um sich haben wollte. Dafür war sie sogar zwei Tage aus der Schule genommen worden. Mit einem Feiertag dazwischen und dem Wochenende machte das fünf Tage in dem schönen Schwarzwaldort, wo die Großeltern wohnten.
Na ja, Laura sah es schon ein, daß ein siebzigster viel mehr war als ein achter Geburtstag. »Aber schade ist es doch, daß sie nicht dabeisein kann, wenn wir morgen feiern«, meinte sie, als sie die Karte aus der Hand legte. Schließlich war Bärbel Schuler ihre allerbeste Freundin.
»Claus und Katrin kommen doch und auch ein paar Kinder aus deiner Klasse, da wirst du genug beschäftigt sein«, tröstete Vera ihre Kleine, während sie sich weiter mit den Vorbereitungen für das Mittagessen beschäftigte. »Nun lies erst mal noch deinen Brief.«
Der war von der Oma, Veras Mutter Ingrid Droste. Sie wohnte in Hannover, wo sie die Apotheke ihres verstorbenen Mannes weiterführte. Sie hatte schon immer mitgearbeitet, seit ihre beiden Töchter Vera und Jenny erwachsen waren. In ihrem Beruf fand sie eine Aufgabe, die sie jung erhielt mit ihren immerhin schon dreiundsechzig Jahren.
Laura hatte sich auf die Küchenbank gesetzt und las mit lauter Stimme vor, was die Oma ihr schrieb. Gute und herzliche Wünsche waren es für das neue Lebensjahr des Kindes. Ein Päckchen sollte auch noch kommen. Aus Zeitgründen war das noch nicht fertiggemacht, deshalb schickte sie den Brief voraus. »Das hat die Oma aber schön geschrieben«, freute sich Laura und strich über das Briefblatt. »Vielleicht kommt das Päckchen ja auch noch morgen. Was da wohl drin sein wird?«
»Wenn nicht, wird dein Geburtstagstisch auch nicht leer sein«, lächelte Vera verheißungsvoll.
»O Mami!« Laura errötete. »Ich will doch gar keine Geschenke von dir und Papa. Ich hab’ doch schon alles, was ich mir nur wünschen kann.«
Vera spülte den Schnittlauch und die Petersilie ab, die zuletzt über die Frühlingssuppe kommen sollten. »Hm, ich weiß schon noch etwas, das du nicht hast. Laß dich überraschen.«
Über Lauras feingeschnittenes Gesichtchen huschte ein spitzbübischer Ausdruck. »Mit was für einem Buchstaben fängt das denn an?«
»Nein, nein, verraten wird nix«, lachte Vera und stellte das Brettchen mit den Kräutern auf den Tisch. Da haschte Laura nach ihrer Hand und schmiegte ihre Wange hinein.
»Du bist so lieb«, hauchte sie und wollte ihre Hand gar nicht mehr loslassen. Mit leiser Rührung strich Vera über das weiche braune Haar. Immer wieder fand Laura solche kleinen zärtlichen Gesten. Sie war für alles so dankbar und achtete hoch, was für andere Kinder selbstverständlich war. Dieses Kind vergaß eben nicht, wie arm und verlassen es einst im Karolinen-Haus gewesen war, eines von vielen Waisen, die dort von der Sozialfürsorge lebten.
»Ich hab’ dich lieb«, betonte Vera, bevor sie sich abwandte. Sie warf einen Blick auf die Uhr. Eine Viertelstunde würde es mindestens noch dauern, bis ihr Mann zum Mittagessen kam. Als Filialleiter verließ er immer als letzter nach seinen Angestellten die Bank.
Sie deckte den Tisch in der Eßecke im großen Wohnzimmer. Die Tür zur Terrasse war halb geöffnet, an der Brüstung blühten die frischgepflanzten roten Geranien in den Kästen, und im Vorgarten leuchtete es bunt von den Beeten. Mußte man an einem so schönen Maientag nicht von Herzen froh sein?
Na, wollte Laura ihr denn heute gar nicht helfen? Sie war doch sonst immer so eifrig. Aber nein, Laura saß noch auf ihrem Platz,
sie hatte die Ellenbogen aufgestützt und das Kinn in die Hände gelegt.
»Was machst du denn für ein tiefsinniges Gesicht?« fragte Vera neckend.
Es dauerte noch einen Moment, bis es mit Überwindung kam: »Eigentlich könnte mir meine Mutter ja auch mal schreiben.«
Vera hielt mitten in der Bewegung inne. Nie, in diesem ganzen Jahr nicht, hatte Laura ihre Mutter jemals erwähnt. Über deren Besuch war ein Stillschweigen gebreitet worden, als hätte es ihn nie gegeben. Es war wohl besser so gewesen. Um so mehr trafen sie jetzt diese Worte.
»Denkst du doch noch manchmal an sie?« fragte Vera mit enger Stimme und strich sich das Haar an der Schläfe zurück.
»Och… nein… Es fiel mir nur grad so ein…« Zögernd und stockend brachte Laura es hervor. Dann hob sie den Blick. »Glaubst du denn, daß sie noch manchmal an mich denkt, Mami?«
Vera schluckte hart. »Das glaube ich sicher. Aber dann denkt sie auch, daß du es hier viel besser hast, als du es bei ihr jemals haben könntest.«
»Hallihalloh, hier kommt einer, der großen Hunger hat!« klang es gutgelaunt von der Diele her. Der Hausherr war gekommen. Erleichtert seufzte Vera auf und ging ihrem Mann entgegen. Auch Laura kam angelaufen. Ihre Miene hatte sich von einer Sekunde zur anderen entspannt.
»Ich hab’ schon Geburtstagspost gekriegt, Papa!« verkündete sie ihm.
»Ja, ja, große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus«, schmunzelte Edgar Gerstner.
Vera sagte: »Wir können auch gleich essen. Nimm schon mal den Nachtisch aus dem Kühlschrank, Laura, damit er nachher nicht so kalt ist.« Das Kind gehorchte eilends. Was ihm eben noch, sonderbar genug, durch den Sinn gegangen war, hatte sich wieder verflüchtigt.
Erst am Abend, als Laura schon mit einem Lächeln auf den Lippen ihrem Geburtstag entgegenschlief, sprach Vera mit ihrem Mann darüber.
Edgar hatte den Fernseher abgestellt und sah ihr zu, wie sie aus breitem Band eine riesige rote glänzende Schleife fertigte. Die sollte die Lenkstange des funkelnagelneuen Fahrrads schmücken, das vorläufig noch ganz hinten in der Garage stand.
»Da wird sie ja morgen früh Augen machen«, meinte Edgar. »Sie war doch immer ganz glücklich, wenn sie sich Bärbels Rad mal ausleihen und eine Runde damit fahren durfte. Aber gesagt hat sie nie etwas, daß sie selber gern eins hätte.«
»Das würde sie auch nie tun. Dafür ist unsere Laura zu bescheiden.«
Vera blickte auf. »Stell dir vor, Edgar, heute hat sie plötzlich von ihrer Mutter gesprochen!«
»Ach ja?« entfuhr es ihm erstaunt. »Wie ist sie denn darauf gekommen?«
Ungewiß hob Vera die Schultern. »Wohl durch die Post, die sie bekommen hat. Da sagte sie auf einmal, ihre Mutter könnte ihr ja auch mal schreiben.
»Was sollte sie ihr denn schreiben?« murmelte der Mann, sich abwendend, »für Alice Pavel existiert ihre Tochter doch nicht mehr.«
»O Edgar, nein, so solltest du das nicht sehen.« Veras Stimme bebte ein wenig. »Sie hat darauf verzichtet –«
»Für Geld«, fiel er ihr mit einiger Härte ins Wort.
»Damals, ja, aus einer großen Notlage heraus«, verteidigte Vera die andere. »Aber als sie vor einem Jahr von hier ging, war ihr das Herz schwer genug, das kannst du mir glauben.«
»Nun gut. Doch sie blieb für Laura eben eine Fremde. Hat es dich nicht auch gewundert, als sie heute davon anfing?«
»Es hat mir einen Stich gegeben«, gab Vera zu. »Laura ist schon so sehr unser Kind geworden, daß ich manchmal vergesse, daß wir nur ihre Pflegeeltern sind.«
»Die Laura sich selber ausgewählt hat«, vollendete er mit dem Anflug eines Lächelns.
»So war es«, nickte Vera, und sie lächelte ebenfalls still in sich hinein. Die Schleife war unter ihren geschickten