Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Und die Dornen spür ich heute noch
Und die Dornen spür ich heute noch
Und die Dornen spür ich heute noch
eBook295 Seiten4 Stunden

Und die Dornen spür ich heute noch

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Sylvia erlebt ihre Lebensgeschichte beim Schreiben noch einmal hautnah. Besonders betroffen macht sie, dass sie scheinbar kein Glück bei dem anderen Geschlecht hat.
Als sie sich bei ihrem leiblichen Vater darüber beschwert, sagt dieser ganz erschrocken:
„Aber Kind so kannst du nicht denken, du bist ein Kind der Liebe. Wir haben dich unter Rosen gezeugt."
Ihre Antwort darauf, traf ihn schmerzlich. Sylvia laufen Tränen über die Wangen und sie sagt: „Ja und die Dornen spüre ich heute noch."
Die junge Frau ist überzeugt, dass sie gestraft wird für die Fehler ihrer Eltern. Das Fiese daran ist, sie kennt diese Menschen gar nicht richtig.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum18. Nov. 2015
ISBN9783739281810
Und die Dornen spür ich heute noch
Autor

Natascha Bergvolk

geb. in Österreich, lebt seit vielen Jahren in Hessen. Inzwischen Rentnerin und die Schicksale der Menschen geben immer wieder neuen Stoff für neue Bücher.

Mehr von Natascha Bergvolk lesen

Ähnlich wie Und die Dornen spür ich heute noch

Ähnliche E-Books

Biografie & Memoiren für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Und die Dornen spür ich heute noch

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Und die Dornen spür ich heute noch - Natascha Bergvolk

    nicht."

    Vera und Arno

    Es ist Nachkriegszeit, eine sehr harte Zeit, ohne Frage für jedermann. Vera will insgeheim fort von zu Hause und bekommt auch ihre Chance.

    Sie steht ihrem Vater gegenüber. Mit Zorn im Blick erklärt er Vera, sie muss ausziehen, sie soll endlich gehen. Vera ist entsetzt. Wohin kann sie gehen? Warum das alles? Sie ist es doch, die hier alles zusammenhält. Sie hilft ihrer Schwester bei den Kindern, bei der Wäsche, beim Kochen. Die anderen Geschwister hat er schon aus der Wohnung geworfen und nun auch noch sie? Warum?

    „Vater, bittet Vera, „darf ich mir wenigstens noch eine Arbeit und eine Bleibe suchen?

    Zitternd vor Zorn brüllt er: „Aber nicht zu lange! Sieh zu, dass du so schnell wie möglich das Haus verlässt! Hier ist kein Platz für dich – geh, geh mir aus den Augen!" Er geht und wirft die Tür mit lautem Knall zu.

    Vera ist entsetzt - sprachlos -, verwirrt und unendlich traurig. Sie atmet tief durch und wird langsam ruhiger.

    Die Überlegung, zum Arbeitsamt zu gehen, wird sofort in die Tat umgesetzt. Ob die mir wohl helfen können?, fragt sich Vera auf dem Weg dorthin.

    Immer wieder schleichen sich Gedanken über ihren Vater bei ihr ein. Was ist nur in den Mann gefahren? Hysterisch und grob benimmt er sich den Kindern gegenüber. Dass er Vera nun auch noch rausschmeißt, damit konnte sie nicht rechnen. Sicher überlegte Vera nach manch einer Auseinandersetzung schon mal einfach zu gehen. Doch sie fühlt sich verantwortlich für so vieles hier und nun das.

    Die Frau vom Amt bittet Vera sich zu setzen. „Hier, Fräulein, ich hätte etwas für Sie. Es ist zwar weit fort, aber ganz sicher eine dankbare Aufgabe. Eine alte Dame sucht ganz dringend jemanden, der ihr zur Seite steht bei den alltäglichen Aufgaben im Haushalt."

    Vera überlegt. Hab ich eine andere Chance?

    Schließlich nimmt sie die Stelle an. Sie bekommt die Auflage, sich so schnell wie möglich auf den Weg machen. Zweihundert Kilometer entfernt wird sie bereits erwartet.

    Na wenn das gut geht - und hier, wie soll es hier weitergehen ohne sie? Sie, die alles für alle erledigt hat? Noch einmal geht Vera nach Hause. Tränen laufen ihr über die Wangen. Nun heißt es Koffer packen, Fahrkarte kaufen und Abschied nehmen. Verabschieden von all ihren Lieben, ihrer Kindheit, ihrer Jugend. Noch einmal will sie zum Grab ihrer Mutter, die sie nicht gekannt hat. Da ist auch das Grab der Stiefmutter, auch sie soll noch einen letzten Blick bekommen.

    Nun nimmt sie den Koffer und geht zum Bahnhof. Hier sind Menschen, die sie kennt. Wie gelähmt ist Vera, als eine Frau ihr erzählt: „Die Kinder deiner Schwester, das sind auch die Kinder deines Vaters."

    Nein … nein … das kann nicht möglich sein! Weinend setzt sich Vera auf eine Bank. Sie schließt die Augen und überlegt: So was gibt es doch nicht. Mein Vater ist kein angenehmer Mensch, das weiß ich. Aber das glaub ich von ihm nicht.

    Vera steht auf und geht nochmals auf die Frau zu: „Kannst du mir sagen, wer solche Verleumdungen aufbringt?"

    Die Antwort kommt spontan: „Mädchen, das weiß doch hier jeder. Das zwitschern die Vögel schon von den Dächern."

    Beschämt von der Antwort dreht sich Vera um und denkt: Fort, nur fort von hier! Egal was kommt, egal wie es sein wird, alles ist besser als die Schande zu Hause.

    Nun wird ihr auch klar, weshalb die Kinder ihrer Schwester behindert sind. Es ist nicht zu fassen, ihre Neffen und Nichten - gezeugt von dem Großvater, der gleichzeitig der leibliche Vater dieser Kinder ist. Das sind doch auch meine Geschwister. Sie mag nicht mehr daran denken. So eine Blamage! Und der Vater – was hat er sich nur dabei gedacht?

    Die junge Frau fährt los in einen neuen Lebensabschnitt mit Zukunft, mit ganz viel Zukunft. Das wünscht und hofft sich Vera so sehr.

    Während sie noch voller Abschiedsschmerz in ihrem Eisenbahnabteil sitzt, überlegt sie, was ihr der Tag wohl noch bringen mag? Wie wird ihre neue Arbeit sein? Einen Haushalt führen bei einer alten Dame. Wie wird sie aufgenommen werden? Werden sich die beiden Frauen verstehen?

    Viele Gedanken gehen Vera, der zweiundzwanzigjährigen Frau durch den Kopf. Was wird aus dem Vater werden? Wie wird es den neuen Geschwistern ergehen? Sie sind doch um viele Jahre jünger als sie. In welchem verwandtschaftlichen Verhältnis stehen diese Kinder zu Vera? Sind das nun ihre Geschwister? Oder ist sie doch die Tante? Werden diese Kinder auch ihren Weg finden, so wie sie ihren Weg zu finden hofft?

    Der Zug hält. Vom Bahnhoflautsprecher hört man eine Stimme: „Würzburg – bitte aussteigen!"

    Dieser Teil wäre geschafft. Nun muss Vera noch die Adresse finden. Sie fragt sich bei einigen Passanten durch und endlich steht sie erschöpft mit dem wenigen Gepäck vor der Eingangstür. Das Herz klopft ihr bis in die Haarspitzen – sie muss sich jetzt überwinden.

    Vera klingelt. Geschafft!

    Die Haustür wird aufgemacht. Eine ältere Dame tritt lächelnd in den Eingangsbereich. Vera wird freundlich begrüßt und in die Wohnung zu einem Gespräch gebeten. Sie hat gerade noch genügend Zeit sich umzusehen, da wird sie aufgefordert, sich doch zu setzen.

    Bei einer Tasse Tee wird die Atmosphäre lockerer. Vera ist froh, das scheint eine sehr warmherzige Frau zu sein. Mit ihr wird sie nun in Zukunft zusammenleben.

    Endlich stellt sich die ältere Dame vor. „Junge Frau, wir werden es hoffentlich länger miteinander zu tun bekommen, wenn es recht ist, sage ich du zu dir. Und mich rufst du am Besten einfach Oma."

    Ein schönes Zimmer wird Vera zugewiesen. Sie schaut aus dem Fenster und sieht ein großes Schwimmbad. Noch schnell den Koffer auspacken, nun wird es aber Zeit ins Bett zu gehen.

    Am nächsten Morgen bei Dienstbeginn bekommt Vera gezeigt, was von ihr erwartet wird. Diese Arbeit ist der jungen Frau nicht fremd, es läuft gut. Sie wird nett und freundlich aufgenommen und ihre Arbeit mit viel Lob versehen.

    Die Abende sind recht einsam in der fremden Stadt. Sonntag Nachmittag, Vera geht ein wenig spazieren. Würzburg will sie sich ansehen.

    In der Innenstadt sieht sie schon von Weitem ein paar Soldaten in ihre Richtung gehen. Als sie das junge Mädchen sehen, kommen Pfiffe und lautes Lachen dringt an Veras Ohren. Auf gleicher Höhe angekommen, wird sie von den Männern angesprochen. Mit hochrotem Kopf bleibt sie stehen. Sie versteht kein Wort. An der Uniform erkennt sie dann - das sind Amerikaner. Die jungen Männer merken nun auch, dass sie nicht die gleiche Sprache sprechen, und gehen weiter.

    Nur einer nicht. Er bleibt stehen und sagt in deutscher Sprache: „Na, junge Frau - so alleine an diesem schönen Ort?"

    Vera sieht dem jungen Mann ins Gesicht und staunt. Das hat sie jetzt nicht erwartet. Ein blonder Mann mit einem Wiener Dialekt in einer amerikanischen Uniform.

    Er stellt sich vor: „Ich bin Arno. Darf ich Sie ein Stück begleiten?"

    „Ja, sagt die junge Frau, „Na klar, wenn Sie nichts Besseres zu tun haben?

    Man kommt ins Plaudern. „Ich heiße Vera und bin erst seit ein paar Wochen hier."

    Arno erzählt: „Ein halbes Jahr noch und dann bin ich fertig mit dem Militärdienst."

    „Ja so etwas, meint Sylvia. „Was wird es dann geben?

    „Mal sehen, lacht er, „mal sehen.

    Als es Zeit wird für Vera zu gehen, verabredet man sich. Ja, den sympathischen Mann will sie gerne wiedersehen. Ganz langsam und in Gedanken versunken geht Vera nach Hause. Blaue Augen hat Arno und blonde Haare. Ein ganz bezauberndes Lächeln, ja das Lächeln steht vor ihren Augen. Einen so warmen Blick hat sie schon lange, lange Zeit nicht mehr bekommen. Und außerdem der Dialekt, - wow - das ist schon jetzt etwas ganz Besonderes für sie.

    Zu Hause angekommen wird sie von der alten Dame ganz lieb empfangen. Ja und Oma ist ein wenig neugierig.

    „Wie war es in der Stadt? Hast du was gesehen von Würzburg?", fragt sie Vera.

    Röte steigt in Veras Gesicht. Sie mag und kann noch gar nichts erzählen. Nur so viel, da waren ein paar Soldaten, die sie nicht verstehen konnte. Es waren wohl Amerikaner.

    Der Alltag holt die junge Frau wieder ein. Die Arbeit bei Oma ist nicht schwer und macht Spaß. Es läuft alles gut und die alte Dame ist glücklich, nicht mehr alleine sein zu müssen.

    Oh je, doch wie langsam schleichen die Tage bis zum Wochenende! Ob Arno wohl auch manchmal an sie denkt? Ob er am Sonntag zur verabredeten Zeit zu diesem Café kommen wird?

    Ob er auch kommt? Er ist schon da. Als er Vera sieht, steht er auf und rückt ihr den Stuhl zurecht. Das ist ihr gänzlich neu, so was hat sie ja noch nie erlebt.

    Zwei Menschen plaudern ungezwungen über alles Mögliche. Dann fragt Vera plötzlich: „Arno, was wirst du denn machen, wenn deine Zeit hier abgelaufen ist?"

    Seine Antwort kommt zögernd: „Ja so genau weiß ich es noch nicht. Vielleicht bleibe ich, oder ich reise zurück in meine Heimat."

    „Erzähle mir doch von deiner Heimat."

    Wien - ja Wien ist eine besondere Stadt. Es gibt da so viel Sehenswertes. So vieles, dass selbst er, von dort gebürtig, noch nicht alles kennt. Da ist das Schloss, wo einst Sissi mit ihrem Franz Josef lebte. Da gibt es Grinzing mit seinem Heurigen, die Sachertorte ist auch ein Erlebnis, sie zergeht auf der Zunge.

    Stunden hätte man verbringen können, um wenigstens die wichtigsten Punkte erklären zu können. Aber Arno will mit Vera noch ein wenig spazieren gehen. So verlassen sie das Lokal und eng umschlungen gehen sie das Gässchen entlang.

    Die Zeit ist so schnell vergangen, beide müssen wieder zurück. Ein weiteres Treffen ist keine Frage mehr, nur noch das Wann.

    So vergeht Woche für Woche, Monat für Monat.

    „Du, Vera, nächste Woche werde ich entlassen, jetzt muss ich eine Entscheidung treffen. Arno wirkt ein wenig nervös. „Wie wird es mit uns weitergehen? Können wir uns Anfang der Woche abends sehen? Mitte der Woche werde ich zurückfahren in meine Heimat. Meine Schwester hat dort ein Friseurgeschäft. Mal sehen, ob sie für mich Arbeit hat.

    So trennen sich die Beiden, mit dem Wissen, nächste Woche wird sich etwas Entscheidendes tun.

    Traurig geht Vera zurück in ihr neues Zuhause. Was wird es geben? Wird sie Arno nur noch einmal sehen können?

    Oma merkt, dass irgendetwas die junge Frau bedrückt. So oft sie auch fragt, Vera erzählt nichts von Arnos Abschied aus der Armee.

    Die alte Dame mag den jungen Mann. Er ist inzwischen ja auch schon des Öfteren zu Besuch gewesen.

    „Auf den darfst du ganz gut aufpassen, warnt Oma die junge Frau oft. „Der ist hübsch und ein richtiger Charmeur.

    Das letzte Zusammentreffen verläuft erst einmal sehr deprimierend. Die Beiden überlegen und besprechen ihre Lage. Sie wollen sich auf keinen Fall trennen. Aber wie soll das gehen? Vera hat keine Ausweispapiere. Außerdem kann sie Oma unmöglich alleine lassen.

    Zwei verliebte Menschen sitzen unter einem Rosenbogen im Park und genießen noch einmal das Gefühl der Nähe.

    „Vera - es geht nicht anders, lass uns übermorgen Abend einfach abhauen. Wir treffen uns am Bahnhof, so gegen Acht. Wir steigen in den Zug. Ich bekomme dich schon über die Grenze, nur keine Angst", schlägt Arno schließlich vor.

    Vera ist entsetzt. Abhauen, ja warum denn das? Sie hat doch nichts verbrochen. Was wird aus Oma? Wie soll sie das der alten Frau erklären? „Nein Arno, dass geht ja gar nicht."

    „Gut, mein Schatz, erwidert Arno, „dann müssen wir jetzt Abschied nehmen.

    Weinend fällt Vera in seine Arme. „Bleib, mein Liebling, bleib doch hier. Such dir eine Arbeit, du wirst ganz sicher etwas finden. Gemeinsam sind wir stark."

    Arno sieht sie entschlossen an. „Nein, mein Mädchen, ich muss fahren. Nimm nur ganz wenig von deinen Sachen mit und sei pünktlich am Bahnsteig, ansonsten fährt der Zug ohne dich."

    Ein ganz, ganz schlimmer Arbeitstag beginnt. Zu gerne hätte Vera mit jemanden über ihre Not gesprochen. Wie soll sie sich entscheiden? Was wird sein, wenn sie abhaut? Wird das alles gut gehen? Wird man sie suchen? Hin und her gerissen zwischen Pflicht und Gefühl kommt, was kommen muss.

    „Oma, morgen Abend gehe ich kurz weg. Ich habe da noch etwas zu erledigen", sagt Vera.

    „Ja, mein Kind, erwidert diese, „komm aber nicht so spät nach Hause.

    Am nächsten Abend verlässt Vera das Haus mit einer Tasche und Tränen in den Augen. Wohl wissend, was sie jetzt tut, ist Unrecht.

    Am Bahnhof angekommen, sieht sie den Zug schon einfahren. Arno steht lächelnd da. Er schiebt sie langsam und wortlos zum Waggon, macht die Tür auf und sagt: „Einsteigen - auf zu neuen Zielen, auf dass es uns gelingen möge."

    Viel Glück haben die Beiden. Obwohl Vera sehr oft auf der Toilette verschwinden muss, um nicht gesehen zu werden. Sie schaffen es, in Wien unbehelligt auszusteigen. Aber nun wohin? Erst einmal zu Arnos Verwandtschaft. Doch wo die Beiden auch hinkommen, besonders gern gesehen sind sie nirgends.

    So fahren sie immer weiter fort von Wien. Dabei hat Vera noch gar nichts von den Schönheiten und Sensationen zu Gesicht bekommen. Aber Arno ist bei ihr. Das will sie doch und ist deshalb auch bereit so manche Unannehmlichkeit in Kauf zu nehmen.

    Im nächsten Aufenthaltsort wollen die Beiden sich nach Arbeit umsehen. Das Geld wird langsam knapp. Doch wen sie auch nach Arbeit fragen – es gibt hier keine, heißt es. So haben sie keine Wahl.

    Arno nimmt den letzten Geldschein und sagt: „Ein Ticket kann ich noch kaufen, danach müssen wir zu Fuß weitergehen."

    Vera ist den Tränen nahe. „Wären wir doch geblieben, wo wir waren, du hättest sicher Arbeit gefunden."

    Ein Zug fährt im Bahnhof ein. Der Schaffner ruft: „Einsteigen und Türen schließen!"

    Zwei traurige junge Menschen sitzen im Abteil und überlegen, wie es weitergehen soll.

    „Vera, kannst du dir vorstellen, auf einem Bauernhof als Magd zu arbeiten?", fragt Arno plötzlich.

    Sie überlegt kurz. „Das hab ich noch nie gemacht, aber man kann diese Arbeit sicher lernen."

    Der Zug hält. Über den Lautsprecher kommt eine Stimme: „Alles aussteigen – Endstation."

    Mit zwei Koffern bepackt marschieren sie los. Nach einer Weile kommen sie in einem kleinen Ort an und sehen sich erst einmal um. Vera versteht absolut nichts von der Sprache, sogar Arno hat so seine Schwierigkeiten. „Wo sind wir denn da gelandet? Wir setzen uns erst einmal auf eine Bank, ich hol uns was zu essen"

    So geht er los, um ein Geschäft zu suchen. Vera kommt die Zeit sehr lange vor, die sie bis zu seiner Rückkehr warten muss. Er hat für jeden zwei belegte Brötchen und einen Zettel in der Hand. „Wo warst du denn solange? Die Aussicht ist zwar schön, aber alleine zu sitzen ist nicht so mein Ding."

    Arno strahlt und winkt mit dem Zettel: „Stell dir vor, ich spreche die Verkäuferin auf Arbeit an und sie sagt zu mir, dass da oben auf dem Berg ein schöner großer Bauernhof steht. Und jetzt hör genau zu – die suchen eine Magd und einen Knecht. Hier hab ich die Adresse. Es ist ein weiter Weg nach oben zum Hof, lass uns aufbrechen."

    Vera ist aufgeregt. Was erwartet sie wohl da oben?

    Müde und abgespannt stehen sie vor der Tür des Hofes. Aus dem Stall hört man ein Muhen und das Sprechen eines Mannes. Arno geht dorthin, wo er die Stimme hört.

    Ein älterer Mann sieht ihm ins Gesicht und fragt: „Hast du dich verlaufen?"

    Arno meint lächelnd: „Grüß Gott, nein das hab ich nicht. Mir wurde im Dorf gesagt, dass ihr hier einen Knecht und eine Magd sucht."

    „Ja, das stimmt, entgegnet der Bauer, „kannst gleich anfangen mit der Arbeit. Hast du die Magd auch dabei?

    Er lacht und staunt, als Arno ihm erklärt: „Ja, die sitzt draußen auf der Hausbank."

    Wieder ergreift der Bauer das Wort: „Setze dich erstmal draußen dazu, ich mach meine Arbeit fertig, dann können wir uns unterhalten."

    Arno geht zu Vera und erzählt von dem Gespräch mit dem Mann. „Jetzt kommt es auf uns an, ob wir die Arbeit bekommen."

    Sie sehen sich während des Wartens die Gegend an. Wunderschön sind die Berge anzusehen mit ihren Wiesen und Wäldern. Die Sonne leuchtet auf einen nackten Felsen, darunter steht dunkelgrün der Wald. Steile Hänge liegen vom Hof aufwärts bis zum Waldessrand.

    Vera überlegt, was da so an Arbeit auf sie zukommen könnte. Da wird sie auch schon angesprochen.

    Eine Frau fragt: „Ja, Mädchen, wie sieht es aus, kennst du dich aus mit der Arbeit auf einem Bauernhof?"

    Vera entgegnet: „Nein, habe ich noch nie gemacht. Aber es lässt sich sicher erlernen."

    Als die Bäuerin merkt, dass sie es mit einer Deutschen zu tun bekommt, murmelt sie: „Na das kann was werden - auch noch eine Deutsche. Es bleibt einem aber auch nichts erspart." Sie geht wieder in das Haus.

    Endlich gesellt sich der Bauer zu den Beiden: „Wo kommt ihr denn her? Was habt ihr vorher gemacht?"

    Arno übernimmt das Erklären. „Ich war beim Militär bis vor kurzem. Damit bin ich jetzt fertig. Und Vera hat für eine alte Dame den Haushalt geführt. Da haben wir uns kennen gelernt und festgestellt, dass wir unser Leben gemeinsam leben möchten. Deshalb suchen wir jetzt hier eine Arbeit."

    Der Landwirt ruft seine Frau: „Komm doch mal her und setze dich dazu. Schauen wir einmal, ob wir mit den Beiden was anfangen können."

    Nach einer Weile wird sich per Handschlag geeinigt, dass Arnold und Vera hier auf dem Hof den landwirtschaftlichen Dienst antreten können. Sie bekommen noch gesagt, dass früh um Fünf die Arbeit im Stall losgeht. Melken und Misten müssen sie lernen. Die Milch kommt in eine große Kanne und muss um sechs Uhr bei der Straße stehen. Dort wird sie mit dem Milchauto abgeholt. Frühstück gibt es so um Sieben. Danach wird der Stall fertig gemacht. Später muss Vera dann im Haus helfen und Arno muss mit auf das Feld. Wenn das Heu gemacht wird, müssen alle kräftig mit anpacken, egal ob Männlein oder Weiblein.

    Die Beiden bekommen noch ein gemeinsames Schlafzimmer zugewiesen und werden daran erinnert: Morgen um fünf Uhr früh geht es los, da kommt ihr in den Stall.

    Müde und aufgeregt packen sie wieder einmal ihren Koffer aus. Endlich sinken sie in ihre Betten. Der Wecker wird gestellt, das Licht geht aus, die Augen fallen zu und eine unruhige Nacht lässt sie sehr früh wach werden.

    Pünktlich um fünf Uhr erscheinen sie im Stall. Voller Erwartung auf die neue Arbeit stehen sie da.

    Melken – Vera saß noch nie auf einem Melkschemel und Arno auch nicht. Es ist eine sehr schwere Arbeit und die Arbeitgeber sind nicht gerade feinfühlig bei der Verteilung der Arbeit.

    Trotzdem, mit der Zeit bekommen sie die Anforderungen in den Griff. Immer wieder hört Vera, dass sie sich an die Sprache hier gewöhnen muss. Das ist nun mal der Dialekt der Berge. Die Bäuerin versäumt es nie, der neuen Magd zu zeigen, wie wenig sie die „Deutschen" mag.

    Trotzdem finden Arno und Vera abends immer mal ein Stündchen Zeit, um sich ihrer Gefühlswelt zu widmen. Ein Jahr sind sie bereits auf diesem Hof. Langsam geht auch die angeforderte Arbeit ganz gut von der Hand. Vera, die relativ klein ist, empfindet das Melken und das Milch fortbringen immer noch als sehr anstrengend. Viel hat sie dazu gelernt. Die Blöße, dass sie die Arbeit nicht schafft, gibt sie sich nicht. Und wenn Arno Zeit hat, steht er ihr zur Seite.

    Bei ihrem allabendlichen Spaziergang kommen sie regelmäßig an einem liebevoll angelegten Rosenbeet vorbei. Die Beiden verweilen gerne an diesem Platz, sind es doch Veras Lieblingsblumen.

    Ab und an gibt es Gelegenheit, dort ein Schäferstündchen abzuhalten. Sie lieben es, sich in freier Natur ihren Gefühlen hinzugeben. Trotz der schweren Arbeit ist die Gefühlswelt der Beiden in Ordnung. Viele Gespräche führen sie darüber, wie es in ihrem Leben weitergehen kann. Erst einmal muss Geld verdient und gespart werden. Eine nette Wohnung wollen sie sich in spätestens zwei Jahren suchen. Vielleicht heiraten und ein oder zwei Kinder haben? Arno will sich später nach einer angenehmeren Arbeit umsehen.

    Der Herbst zieht ins Land. Es gibt sehr viel Arbeit auf den Feldern. Das Getreide muss mit der Sichel geschnitten und zu Garben gebunden werden. Die Kartoffeln müssen aus der Erde und in den Keller zum Lagern gebracht werden. Es dauert nicht mehr lange, bis der erste Schnee fallen wird.

    Vera fühlt sich sehr müde. Der Magen scheint auch nicht in Ordnung zu sein. Sie fühlt sich elend, das Essen bekommt ihr gar nicht.

    Als die Bäuerin das mitbekommt, stellt diese fest: „Vera, du bist schwanger, das sind doch die typischen Zeichen. Ja das geht doch gar nicht. Ich brauche jemand, der anpacken kann."

    Die junge Frau geht zum Arzt und bekommt bestätigt, was sie eigentlich schon geahnt hat. Ein wenig deprimiert sagt sie zu Arno: „Du wirst Papa, ich bin im vierten Monat schwanger."

    Freudestrahlend schwingt er seine Geliebte durch den Raum. „Das ist ja wunderbar, ich freue mich so sehr!"

    Sie kann seine Freude nicht so recht teilen. So viele Gedanken gehen ihr durch den Kopf. Wie soll das alles funktionieren? Ich habe noch nicht einmal Ausweispapiere. Die schwere Arbeit kann ich auch nicht mehr machen.

    „Ach, mein Schatz, sagt Arno, „ich such für uns eine kleine Wohnung. Du musst jetzt nicht mehr arbeiten, es geht auch mit einem Verdiener. Wir kommen ganz sicher zurecht.

    Trotzdem überlegt Vera, wie das alles laufen soll. In solchen Momenten kommt Heimweh auf. Die Brust wird eng, das Herz klopft.

    Wie mag es der Schwester mit ihren kranken Kindern gehen? Lässt Vater sie endlich in Ruhe? Die Augen füllen sich mit Tränen. Ich kann nichts mehr für meine Familie tun. Nun muss ich an mein Baby und an meine Zukunft denken. Hoffentlich meint es Arno ernst mit den Versprechungen. Ist alles Wahrheit, was er erzählt? Kann ich ihm restlos vertrauen? Sie überlegt weiter, ihr Gesicht hellt sich auf. Warum soll ich ihm nicht vertrauen? Es gibt doch bis jetzt dafür keinen Anlass, ihm zu misstrauen. Es läuft doch alles

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1