Es geht auch anders ...: Ein Lesebuch mit Texten von Gad Beck, Georgette Dee, Cora Frost, Lotti Huber, Charlotte von Mahlsdorf und Napoleon Seyfarth
Von Peter Süß
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Über dieses E-Book
In der Autobiografien-Reihe "Es geht auch anders" berichten andere über ihr Leben und ihre Zeit: die, die am Rande der Gesellschaft stehen. Sie tun dies nicht im Gestus des Geschlagenen, sondern des Unbeirrten, der den aufrechten Gang pflegt.
Sie haben sich nie in eine Form pressen lassen, und so finden sich in "Es geht auch anders" neben klassischen Memoiren auch hingeplauderte Geschichten und Gesprächssammlungen. Was alle verbindet, sind Humor, Gelassenheit und Authentizität.
Das Buch versammelt Leseproben von Gad Beck, Georgette Dee, Cora Frost, Lotti Huber, Charlotte von Mahlsdorf und Napoleon Seyfarth.
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Buchvorschau
Es geht auch anders ... - Peter Süß
diá
Über dieses Buch
Für gewöhnlich sind Autobiografien eine Domäne der »großen Welt« – der Welt der Magnaten, der Profiteure und Schwadroneure, der Politiker, der begnadeten Selbstdarsteller, der gewesenen Showsternchen.
In der Autobiografien-Reihe »Es geht auch anders« berichten andere über ihr Leben und ihre Zeit: die, die am Rande der Gesellschaft stehen. Sie tun dies nicht im Gestus des Geschlagenen, sondern des Unbeirrten, der den aufrechten Gang pflegt.
Sie haben sich nie in eine Form pressen lassen, und so finden sich in »Es geht auch anders« neben klassischen Memoiren auch hingeplauderte Geschichten und Gesprächssammlungen. Was alle verbindet, sind Humor, Gelassenheit und Authentizität.
»Im Rampenlicht mit den queren, schön unordentlichen Lebensgeschichten von Lotti Huber, Charlotte von Mahlsdorf …« (BuchMarkt)
Inhalt
Vorwort
Charlotte von Mahlsdorf: Ich bin meine eigene Frau
Lotti Huber: Diese Zitrone hat noch viel Saft!
Lotti Huber: Jede Zeit ist meine Zeit
Gad Beck: Und Gad ging zu David
Napoleon Seyfarth: Schweine müssen nackt sein
Georgette Dee: Gib mir Liebeslied
Cora Frost: Mein Körper ist ein Hotel
Ulrich Michael Heissig: Irmgard, Knef und ich
Die Autoren
Impressum
Es geht auch anders …
»Lotti Huber, Helmut Schmidt und der Dalai Lama legen ihre Memoiren vor.«
Natürlich führte vor allem ironische Übertreibung die Feder Barbara Sichtermanns, die in der Zeit vom 11. Oktober 1990 mit Aplomb Lotti Huber in einem Atemzug nannte mit, heute kann man es mit noch mehr Berechtigung sagen als vor über zwanzig Jahren: zwei Jahrhundertmenschen.
Lotti Huber war damals außer den wenigen Fans von Rosa-von-Praunheim-Filmen und Teilen der Westberliner Schwulenszene praktisch niemandem ein Begriff. Erst nach Erscheinen ihrer Autobiografie überschlugen sich die Medien mit Charakterisierungen, die reichten von der »monströsen Muse des Kulturbetriebs« bis zu dem halb als Kompliment, halb als Verdikt gemeinten Ausspruch, Lotti Huber sei der »Gegenentwurf zu Inge Meysel«.
Und doch, so die begründete Vermutung, kam die Reihung Sichtermanns nicht ganz von ungefähr. Denn offenbar anerkannte sie die gleichrangigen individuellen Lebensleistungen dreier Zeitgenossen, die eine Haltung offenbarten; und in ihren Memoiren eine erzählerische Intelligenz und vor allem: einen Standpunkt.
Mit Hubers Autobiografie Diese Zitrone hat noch viel Saft! begann die Reihe von Lebensgeschichten in der Edition diá im Herbst 1990, die den von der FAZ mokant kritisierten Untertitel »Es geht auch anders« trug. Er war weder anmaßend noch ambitioniert gemeint, sondern speiste sich eher aus einer momentanen Eingabe, war als Slogan griffig; vor allem aber entlehnt der Brecht’schen »Dreigroschenoper«, wo der Halbsatz im Duett zwischen Polly und Mackie Messer endet mit: »… aber so geht es auch.«
Erst der ganze Satz weist auf ein Programm, von dessen Ausgestaltung wir in der Edition diá damals freilich selbst nur eine vage Idee hatten; wie hätte es auch anders sein können, wo doch die Reihe mit den Autoren Lotti Huber, Napoleon Seyfarth, Georgette Dee, Charlotte von Mahlsdorf, Knut Koch, Gad Beck und Cora Frost und einigen anderen sich erst allmählich in Umrissen abzeichnete, um sich dann doch aufs Glücklichste zu einem Ganzen zu fügen.
Sie alle stehen für eine außenseiterische Subjektivität, welche nicht vom Kollektiv geteilt wird – »die ausgeflippte Alte« (Huber), der an Aids erkrankte Ledermann (Seyfarth), das »Frauenkleid im Mann« (Dee über Dee), der ostdeutsche Transvestit, der in einem Meer staatlich geführter Museen ein privates Eiland namens Gründerzeitmuseum eröffnete und gegen vielerlei Widerstände verteidigte (Mahlsdorf), der Stricher und Schauspieler (Koch), der verfolgte schwule Jude, der im »Dritten Reich« im Berliner Untergrund überlebte (Beck), und die »Expertin des Bizarren« (Frost).
Das trotzige »Aber so geht es auch« kommt zum Ausdruck in der Haltung, die allen Autoren der Reihe gemein ist: Es sind Unbeirrte, die den aufrechten Gang pflegen. Aus dem Abseits wurde ein sicherer Ort, einer, der die individuelle Widerstandsfähigkeit erst möglich machte.
Das Leben aus einer jenseits der Konventionen liegenden Perspektive wahrzunehmen steht nicht im Gegensatz zum bürgerlichen Kanon, sondern bereichert ihn: »Dies ist ein Mensch mit Grundsätzen und einer beachtlichen Lebensleistung«, konzedierte Tilman Krause in der FAZ Charlotte von Mahlsdorf.
Zum bürgerlichen Kanon hinzu tritt freilich aufgrund der eigenen, immer gefährdeten Position der Blick für des Lebens törichte und komische Seiten – und auch für die tödlichen Späße, die das Leben mitunter bereithält.
Der Außenseiter, so kann mit einigem Recht gesagt werden, hat in einem demokratischen Gemeinwesen die Funktion des Narren an absolutistischen Höfen übernommen: »Der Narr als Persönlichkeit ist doch etwas Hochinteressantes«, sagt Lotti Huber im Gesprächsband Jede Zeit ist meine Zeit, der 1991 erschien. Und weiter: »Sein Narrentum war ein Schutz und ein Panzer wie bei einer Schildkröte, um überhaupt leben und existieren zu können. Unter diesem Närrischsein verbarg sich oft ein hochphilosophischer und sehr kluger Geist. Er brachte den Leuten seine Weisheit in komischer Form nahe und trat dann lachend ab (…) Aufgrund seiner augenzwinkernden Art sagten die Leute: ›Gott, ist der komisch‹, aber wer darüber nachdachte, hatte vielleicht das ein oder andere Aha-Erlebnis.«
Der Philologe und Kritiker Hans Mayer – als schwuler Jude ebenfalls ein Außenseiter – bezeichnete »das Monstrum als Ernstfall der Humanität«: Außenseiter und der Umgang mit ihnen sind Seismografen für den Zustand eines Landes.
Der Erfolg der Reihe »Es geht auch anders« und ihrer Autoren über mittlerweile zwei Jahrzehnte gründete darin, dass die abseitige Perspektive Erkenntnisgewinn bereithielt, auch weit über das jeweilige Getto hinaus. Außenseiter erleben mehr, und die Leser der Reihe konnten in Gestalt eines wohlfeilen Buches eine Welt kennenlernen, die weit von der ihren entfernt lag. »Ein Buch für alle«, schrieb Volker Hagedorn in der Hannoverschen Allgemeinen über Charlotte von Mahlsdorfs Autobiografie Ich bin meine eigene Frau, die 1992 bundesweites Aufsehen erregte.
Die Autoren und Autorinnen dieser Reihe lupfen mitunter den Rock, stillen auch legitime voyeuristische Leserbedürfnisse, haben aber wenig gemein mit dem bis in die 1990er Jahre vorherrschenden Allerlei, dem Einerlei und dem Nebenbei, dem beliebigen Klatsch und Tratsch herkömmlicher Star- und Sternchenmemoiren, die auch heute wieder den Markt überschwemmen.
Ihre Randperspektive ermöglichte den »anderen« Blick auf die Zeitläufte und auf dieses Land, das ja in jenen Jahren ein ganz anderes wurde – auch wenn unsere lieben Landsleute in der alten Bundesrepublik dies bis heute kaum zur Kenntnis genommen haben.
Insofern entwickelte sich mit dem Erscheinen der Mahlsdorf’schen Autobiografie eines der ersten gesamtdeutschen Projekte auf dem