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Eingesperrt!?: Reiselust und Reisefrust in der DDR, Reiseerzählungen
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Eingesperrt!?: Reiselust und Reisefrust in der DDR, Reiseerzählungen
eBook196 Seiten2 Stunden

Eingesperrt!?: Reiselust und Reisefrust in der DDR, Reiseerzählungen

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Über dieses E-Book

Ja, wart ihr denn nicht eingesperrt?Ansichtssache!Wer unbedingt in den Alpen klettern, Paris, oder gar New York sehen wollte, der fühlte sich wohl eingesperrt. Wer stattdessen die Berge der Hohen Tatra besteigen, im Moskauer Bolschoi-Theater Schwanensee erleben oder am Balaton und am Schwarzen Meer seinen Badeurlaub verbringen wollte, für den gab es auch als DDR-Bürger wunderschöne Urlaubserlebnisse.Eingesperrt oder eingeschränkt? Der Leser mag selbst entscheiden.
SpracheDeutsch
HerausgeberKarina Verlag
Erscheinungsdatum15. Mai 2019
ISBN9783966610735
Eingesperrt!?: Reiselust und Reisefrust in der DDR, Reiseerzählungen

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    Buchvorschau

    Eingesperrt!? - Waltraud Seidel

    „Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon."

    (Augustinus Aurelius)

    Mit der Lektüre nur einer Seite aber sind richtige Leseratten nicht zufrieden. Und die DDR hatte viele Leseratten, die das WELT-Buch erkunden wollten und auch einen Teil dessen erkundet haben.

    Doch kann so eine Leseratte die obersten Regalteile nicht erreichen, dann wählt sie ihren Lesestoff eben aus erreichbarer Höhe. Aber sie liest und liest und liest.

    Und genau so hatten es die Reiselustigen der DDR gemacht. Sie bereisten die Weltteile, die sie erreichen konnten. Sie fuhren nach Prag statt nach Paris, nach Krakau statt nach London und zum Baden ging es an den Balaton statt nach Mallorca.

    Und genau darüber, über Reiselust und Reisefrust vieler DDR-Bürger erzählt dieses Buch.

    Im Gefängnis

    „Es geht ein Schritt so leise, als wär’s ein letzter Schritt. Der Wind dreht sich im Kreise, das welke Laub zieht mit."

    Was habe ich es geliebt, Bechers Gedicht „Herbstweisen. In unseren Lesebüchern war es schon Schülern der 6. Klasse zugänglich. Noch immer läutet es für mich den Herbst ein. Ein Herbst, der leise, behutsam die letzten Sommertage verdrängt. Dachte Becher dabei auch an den Herbst des Lebens? Welches „Sommerglück ist es, das von Ferne in uns nachsummt? Das Glück sommerlicher Erlebnisse und sonnenverwöhnter Tage? Das Glück einer gemeinsamen Zeit?

    Wie weit musste es von Becher entfernt sein, dieses nachsummende Sommerglück, als er im Juli 1957 nicht aufstand gegen Ulbrichts gänzlich unberechtigte Anschuldigungen gegenüber Walter Janka, bis dahin Leiter des renommierten Aufbau-Verlages und als solcher J.R.Becher freundschaftlich verbunden.

    Ursache war der Ungarn-Aufstand im Jahre 1956. Anna Seghers, J.R. Becher und Brechts Witwe, Helene Weigel, sorgten sich um den befreundeten Ungarn Georg Lucacs, Literaturwissenschaftler und als solcher einer der Autoren des Aufbau-Verlages. Es schien wichtig, ihn aus dem ungarischen Politik-Wirrwarr nach Deutschland in zumindest relative Sicherheit zu bringen. Von jenen überredet, hatte sich Walter Janka zu diesem gefahrenträchtigen Vorhaben bereit erklärt. Wohl organisiert vom Kulturminister Becher selbst, sollte es diesen Versuch wert sein.

    Doch dann plötzlich das Veto von höchster Stelle. Walter Ulbricht, persönlich kein Lukacs- Freund, hatte es untersagt. Für Janka schien das damit erledigt, hatte er doch Sorgen genug wegen der Verhaftung seines Cheflektors Wolfgang Harich. Konterrevolutionäre Umtriebe waren dem zur Last gelegt worden, bestraft mit zehn Jahren Zuchthaus. Doch Harich allein genügte der Staatssicherheit nicht. Nach monatelanger Kleinarbeit unterstellten deren Untergrund-Mühlen auch Walter Janka staatsfeindliche Konzeptionen und konspirativ - umstürzlerische Pläne nach ungarischem Vorbild. Seine von Ministerhand vorbereite Ungarn-Reise war der gesuchte Anlass. Im Juli 1957 wurde Walter Janka in einem Schauprozess vom Obersten Gericht der DDR zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt.

    In welch schlimmen inneren Konflikt muss dieses Urteil Menschen wie J.R. Becher und Anna Seghers gestürzt haben? Wie groß muss die Furcht vor Repressalien durch Ulbricht und seine Sicherheitsschergen gewesen sein, dass sie sich ruhig verhielten zu diesem Urteil? Beide waren als Zeugen zum Prozess nicht zugelassen. Was hätte denen wirklich passieren können, weltbekannt und hochgeachtet wie sie waren?

    Verzweifelt über seine Machtlosigkeit soll Becher sogar an eine erneute Emigration in die Sowjetunion gedacht haben. Sinnlos ein solcher Gedanke bei den damaligen Machtpositionen! Was ihm schließlich blieb, war die Flucht ins Krankenbett am Scharmützelsee.

    Und Wolfgang Harich? Womit konnte einem bereits verurteilten Zuchthausinsassen derart gedroht werden, dass er seinen einstigen Chef und langjährigen Freund durch seine Zeugenaussage zwar wenigstens nicht be-, aber auch nicht im Mindesten entlasten konnte? Tatsache ist, es gab damals in der DDR noch die Todesstrafe!

    Fünf Jahre Zuchthaus für Walter Janka, seit Februar 1958 sogar in strenger Einzelhaft in einer unbeheizten, weit abliegenden Zelle. Im Februar! Und das in eben jenem Bautzen, wo Janka bereits im Juni 1933 für eineinhalb Jahre von der GESTAPO inhaftiert gewesen war.

    Erschreckend dieses Schicksal, erschreckend und bewegend! Nachzulesen in Jankas autobiografischem Bericht „Schwierigkeiten mit der Wahrheit, erschienen 1990, wo sonst als im Aufbau-Verlag Berlin und Weimar. Bewegend auch die Schicksale von Wolfgang Harich, von Heinz Zöger und Gustav Just, den beiden Journalisten der Wochenzeitschrift „Sonntag. Und nicht weniger bewegend die Lektüre „Durch die Erde ein Riss, geschrieben vom Bautzen-Insassen Nr. 23/59, Erich Loest. Keineswegs geringer war die Haftgefahr für dessen damaligen Schriftsteller-Kollegen Gerhard Zwerenz. Bereits 1956 aus der SED ausgeschlossen wegen seines revolutionierenden Gedichts „Die Mutter der Freiheit heißt Revolution, gelang diesem rechtzeitig nach einem internen Hinweis die Flucht nach Westberlin.

    Es sei auch an den Schauspieler Peter Sodann erinnert, 1961 festgenommen wegen „staatsgefährdender Hetze und Vorbereitung der Konterrevolution. Grund war lediglich sein Kabarett-Programm im „Rat der Spötter.

    Geboren im Grundübel des Stalinismus wurden in der DDR derartige Exempel statuiert, Exempel, die einen besonders düsteren Aspekt der DDR-Vergangenheit aufzeigen. Sie gehören zu den unwürdigsten Seiten der DDR-Realität, Geschehnisse, die nie vergessen werden dürfen. Was wusste der Normalverbraucher in relativ gesicherter Lebensposition eigentlich davon? Mitunter hatte er schon mal etwas läuten hören. Von der Tagespresse dagegen wurde all das stets als ein gelungener Sieg über gefährliche Feinde des Staates offeriert. Könnte sonst tatsächlich wie erst neulich das Sprachbild vom „DDR-Gefängnis" so unbedarft, so geschwätzig in heutige Diskussionen geworfen werden?

    „Riverboat", - eine Freitagabendsendung des MDR, mitunter gern gesehen. Promis in Erzähllaune. Mal interessant, mal weniger. Das Plus: Ein Klick der Fernbedienung beendet Ungewolltes.

    Und da erzählt eine einstige DDR-Schauspielerin, dass sie seit dem Mauerfall gern reise. Es wurde nachgefragt: Warum so spät? Und dann diese aufwühlende, nicht nachvollziehbare Antwort jener Dame, die ich bis dahin zumindest für keineswegs unterbemittelt gehalten hatte: „Ich war ja im Gefängnis."

    Erschütternd! Warum das? Diese doch relativ junge Frau! Was hatte man ihr vorgeworfen? Wie lange? Und wo?

    Ich habe Freunde, erwischt in Ungarn beim Versuch, illegal in die Bundesrepublik auszureisen. Das war im Jahre 1971. Fast zwei Jahre dafür eingesperrt, er in Bautzen, sie in Hohneck. Sofort waren mir deren Erzählungen präsent. Präsent auch die Schicksale von Harich, Janka, Loest...

    Aufklärung brachte das weitere Gespräch: „Gefängnis war lediglich eine bildhafte Umschreibung. Eingesperrt hatte sie sich gefühlt. Eingesperrt bei bestmöglicher und kostenfreier Ausbildung an der Schauspielschule „Ernst-Busch mit anschließender Möglichkeit zu erfolgreicher Arbeit in ihrem Beruf. Eingesperrt trotz vielseitiger Reisemöglichkeiten, die wir in der DDR doch hatten, wenn auch lediglich in Richtung Osten. Wie gern erinnern wir uns im Freundeskreis an unsere gemeinsamen Reisen mit Zelt, später mit unserem kleinen Camping-Anhänger. In der Tat nicht sonderlich komfortabel, aber dafür mit ganz viel Spaß.

    Und dann diese „Gefangene"! Nie musste sie den gefahrenstrotzenden Keller in Hohenschönhausen erblicken! Sie würden sich im Grabe umdrehen, die vielen aus politischen Gründen in der DDR tatsächlich und meist zu Unrecht Eingesperrten. 

    „Ich war ja im Gefängnis." - War das reine Provokation? War es bloße Unverschämtheit oder gar nur dummes Geschwätz? Was auch immer! Nicht nur für die Betroffenen wirkt diese metaphorische Wortwahl wie Hohn. Mich ließ sie seither nicht mehr los. Dem will ich nachgehen. Wie sah es wirklich aus, dieses Reisegefängnis DDR?

    Definitiv gab es sie, die Reisedefizite. Und richtig, unsere Reisemöglichkeiten waren eingeschränkt. Wie gern wären wir an der Straßengabelung Bratislava – Wien auf unseren Ungarn-Touren wenigstens einmal westwärts abgebogen! Es blieb uns nur ein sehnsuchtsvoller Blick Richtung Wien. Die Ursachen dafür waren vielfältig und diffizil. Nicht zuletzt auch die finanzielle Situation durch die nicht konvertierbare DDR-Währung. Reisen ohne finanzielle Reisemittel? - Nicht machbar!

    Und wie sieht das eigentlich heute aus mit derartigen Reisedefiziten? Kein Problem bei wohlgefülltem Kontostand! Doch fragen wir die alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern, fragen wir das Rentnerehepaar, das heute viel Zeit zum Reisen hätte. Zeit schon, die magere Rente aber weist viele Reiseträume in oft sehr enge Grenzen.

    Auch die jungen Eltern, die ihren Kindern gern den Ski-Kurs in den österreichischen Bergen ermöglichen würden, so wie es Klassenkameraden nach den Winterferien begeistert erzählen. Allein die dafür unumgängliche Wintersportausrüstung kostet ein kleines Vermögen.

    Wie müssen die sich fühlen, die reisen könnten, wenn sie könnten? Reisedefizite?!

    DDR - ein Reiseland?

    Die Sommerferien kündigen sich an. Nein, noch gar nicht so sehr in den Schulen etwa mit Zeugnisfreuden und –sorgen, von den Prüfungsjahrgängen mal abgesehen. Die waren immer etwas früher dran. Aufgeregtes Prüfungsgewusel, - geschafft! Oder: „Na. grad mal so! Egal!" Die Ausbildungsplätze sind sicher. Nicht in jedem Fall der Sehnsuchtsberuf, aber immerhin, kein Jugendlicher wird auf der Straße stehen.

    Dort aber stehen andere, wie aufgereiht auf den Stufen eines attraktiven, riesig wirkenden Gebäudes im Stil der Neorenaissance. Hier ist in unserem Städtchen das Domizil der Staatsbank der DDR. Die Menschenschlange auf deren Treppe verrät, es geht auf die Urlaubszeit zu. Reisewütige, inzwischen im Besitz der notwendigen Visa, warten darauf, dass sich die große Mitteltür am oberen Treppenrand öffnet, - Zugang zu den Bankschaltern und damit Zugriff auf die arg begrenzten ausländischen Zahlungsmittel, die Kronen, die Forint, die Lewa. So begrenzt sie auch waren, die Umtauschmöglichkeiten pro Person, sie konnten das Reisefieber der Anstehenden nicht eindämmen. Und jeder versuchte mit so manchem Trick doch ein paar Mark mehr umzutauschen, zu attraktiv waren verschiedene Einkaufsmöglichkeiten in den befreundeten Ländern.

    Alljährlich stehen sie hier zu zweit, die dem Ungarn-Urlaub entgegenfiebernden Schwestern. Ausgerüstet mit den vorliegenden Visa für die dreiköpfigen Familien. Zusätzlich jedoch zwei weitere Visa für ihre Eltern. Die allerdings hatten das Land an der Donau nie gesehen und mit Sicherheit gehört es auch nicht zu den Reisewünschen der beiden bereits recht hoch Betagten. Doch die elterlichen Visa verhelfen den Familien ihrer beiden Kinder zu einem dreiwöchigen Balaton-Urlaub auf einem offiziellen Campingplatz. Nun reicht es nicht nur für die Platzgebühren, sondern vor allem auch für einige neue Kleidungsstücke vom Siofoker Pullovermarkt.

    Und wie sah’s aus mit dem Geld für die Urlaubsverpflegung? So wenig wie möglich! Naja, für Brot und Brötchen, - für viel mehr nicht. Okay, mal ne Melone, etwas Obst ! Die Verpflegung reiste mit, haltbar gemacht in Einweckgläsern. Seit Wochen wurde eingekocht: Gulasch, Rouladen und Krautrouladen, Königsberger Klopse und alles, was konservierbar war.

    Auch Kartoffeln reisten mit, Spaghetti, Reis, Gemüse, vieles aus dem heimischen Garten! Wenn man mit dem kleinen Wohnanhänger jemals hätte auf die Waage fahren müssen, dann wäre die Reise zu Ende gewesen, bevor sie richtig losgegangen war.

    Warum einwecken, nicht einfrosten? Ja warum wohl in den siebziger und achtziger Jahren? Den Tiefkühlschrank gab es bestenfalls in wohlsituierten Haushalten. Im kleinen DDR-Wohnwagen oder gar im Zelt definitiv noch nicht.

    Getrickst wurde auch beim zusätzlichen einmaligen Umtausch im Urlaubsland. Jedem Reisenden stand eine Zollerklärung zu, gleichsam ein zusätzlicher Umtauschzettel, der vom Bankbeamten im Ausland abgestempelt wurde. Nach einer Woche in glühender Sonne hinter einem Eckchen der Autoscheibe deponiert, war der Stempel oft bis zur Unkenntlichkeit verblasst,- hurra, dann versuchen wir es erneut! Manchmal hat’s geklappt.

    Mit dem ersten Ferientag ging es los. Alle Jahre wieder Treffen der drei Wohnwagenbesatzungen am Parkplatz Stadtausgang. Drei befreundete Familien mit ihren Kindern. Stundenlanges Warten an den tschechischen Grenzübergängen war eingeplant, - Null-Problem! Balaton, wir kommen!

    Zunächst mit zwei Ladas und einem Wartburg.

    Tschechoslowakei - Jugendreise nach Prag und

    in die Hohe Tatra (1960)

    Wie hatte es eigentlich angefangen, das Reiseinteresse? Die Ferienzeit in der Kindheit verbrachten wir doch auf der Straße: Haschen und Verstecken, Räuber und Gendarm, Himmelhix, Springseil springen, Radschlagen und im Handstand laufen. Luxus schon das Rollschuhfahren, noch luxuriöser dann - ein eigenes Fahrrad! Stolze Besitzer ließen die anderen mal probieren, ein, zwei oder gar

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