Die Berliner Mauer: Geschichte eines monströsen Bauwerks
Von GEO EPOCHE
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Über dieses E-Book
Aber all das hat es wirklich gegeben: einen 155 Kilometer langen Sperrgürtel, teils Betonwall, teils Metallzaun, mit Panzersperren, Stacheldraht und Postentürmen. Diese bis zu 500 Meter breite Demarkationslinie, die die frühere Hauptstadt zerschnitt und gesichert war durch Hundestreifen, Signaldrähte und Soldaten mit Schießbefehl. Die Grenzübergänge von Stadtteil zu Stadtteil, für die eine Hälfte der Berliner unpassierbar, für die andere nur nach demütigenden Kontrollen zu überschreiten.
In diesem eBook erzählt GEO EPOCHE die Geschichte der Berliner Mauer. Es enthält zwei minutiöse Rekonstruktionen. "Die grausame Mauer" schildert, wie die SED 1961 den Plan fasste, die Grenzen rings um West-Berlin abzuriegeln. Es war der Versuch eines taumelnden Regimes, die immer weiter anschwellende Massenflucht ihrer Bürger in den Westen zu beenden. Der zweite Text dieses Lesebuchs berichtet von der wachsenden Protestbewegung in der DDR, von der Herbstrevolution - und von jenen dramatischen Tagen im November 1989, als nach 28 Jahren die Berliner Mauer fiel.
Inhalt
1. Bau des Grenzwalls: Die grausame Mauer
Von Mathias Mesenhöller
2. Herbstrevolution: Die Macht der Straße
Von Christoph Kucklick
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Buchvorschau
Die Berliner Mauer - GEO EPOCHE
Bau des Grenzwalls
Die grausame Mauer
Mehr als 50 Jahre ist es her, als die DDR über Nacht begann, ein Volk mit einem Bauwerk zu trennen und 17 Millionen Deutsche gefangen zu nehmen. Was geschah in jenen Tagen, die zu einem der ungeheuerlichsten Ereignisse unserer Geschichte gehören?
Von Mathias Mesenhöller
Berlin, August 1961. Wie ein Gefangener die Wände seiner Zelle abtastet, eine schwache Stelle sucht, so erkundet Günter Litfin die Sektorengrenze zwischen Ost- und Westberlin. Tag für Tag macht der junge Mann sich mit dem Fahrrad auf den Weg. Und jeden Tag wird das Sperrwerk dichter, das seit der Nacht auf den 13. August die Stadt zertrennt.
Von Altglienicke im Süden bis Schönholz im Norden stehen Postenketten, vor dem Brandenburger Tor und am Potsdamer Platz verwehrt Stacheldraht den Weg. Uniformierte bewachen die verbarrikadierten U-Bahnhöfe. Bauarbeiter reißen die Straßen auf, senken Betonplatten in den Grund und mauern sie mit Hohlblocksteinen auf. Verziegeln Fenster von Häusern, die auf der Grenze stehen. Die DDR-Oberen mauern ihr Volk ein.
Noch am ersten Tag der Abriegelung jagt ein Mann seinen Volkswagen auf die Barriere zu und bricht, Stacheldrahtrollen hinter sich herschleifend, in den Westen durch. Am 15. nutzt der Soldat Conrad Schumann einen unbeobachteten Moment, läuft mit geschultertem Sturmgewehr an und setzt über den Draht in die Freiheit. In der Bernauer Straße springen Menschen aus den Fenstern ihrer Wohnungen: Der Bürgersteig gehört bereits zum Französischen Sektor. Am 22. kommt eine Frau dabei um. Die Berliner Mauer hat ihre erste Tote.
Günter Litfin geht bedächtiger vor, sondiert. Er ist 24 Jahre alt, groß, schlank, dunkelhaarig. Maßschneider in einem Atelier am Bahnhof Zoo – im Westen. Litfin träumt davon, einmal Theaterschneider zu werden: einer von Millionen Träumen, denen das ostdeutsche Regime in diesen Tagen einen Riegel vorschiebt. Doch Litfin mag sich nicht abfinden.
Spannung liegt über der Stadt. Auf beiden Seiten des Stacheldrahts laufen Menschen zusammen; vom Westen gellen Beschimpfungen herüber, fliegen Steine. In die Wut mischt sich Angst. Mancher rechnet mit Krieg. Mit einem Showdown der Weltmächte, der atomaren Verwüstung Europas – ausgelöst zwischen Wedding und Pankow. Seit Jahren ist Berlin ein Unruheherd in der europäischen Nachkriegsordnung, nun erreicht die Reihe von Krisen ihren Höhepunkt. Und niemand weiß, wie es ausgeht.
Litfin indes treibt zunächst sein privates Schicksal um. Endlich findet er eine Lücke: den Humboldthafen, dessen Stege für Sand- und Kokskähne kaum mehr als eine Ausbuchtung des Spandauer Kanals bilden, gleich hinter der Charité. Auf seinen Erkundungen sieht Litfin hier nie eine Patrouille. Wohl aber eine Ausstiegsleiter auf der westlichen Kanalseite.
Am 24. August gegen 16 Uhr stiehlt er sich von der Charité her über das Gelände zwischen Friedrichstraße und Lehrter Bahnhof. Er erreicht die Wasserfront und lässt sich hinab. Diesmal aber sichert eine Streife das Gelände. Vermutlich bemerken die Polizisten ihn schon an Land, vielleicht auch erst im Wasser. Spätestens dort muss er die Aufforderung, umzukehren, hören, reagiert aber nicht. Volkspolizeimeister Herbert Plaul gibt Warnschüsse aus seiner Maschinenpistole ab, erst in die Luft, dann ins Wasser. Litfin schwimmt weiter.
Wie kann er auch ahnen, dass die Gefahr längst von den Handfeuerwaffen der ostdeutschen Polizei ausgeht – nicht von Panzern und Atombomben.
Denn in der Logik der Kabinette stellt der entstehende Todesstreifen keinen Kriegsgrund dar. Sondern eine Lösung. Mit jedem Meter Mauer wächst in den Stabsabteilungen die Zuversicht, dass die gefährlichste internationale Krise seit dem Zweiten Weltkrieg abklingen wird.
Gerade 16 Jahre ist es im Sommer 1961 her, dass amerikanische GIs und Rotarmisten einander bei Torgau an der Elbe die Hand gereicht und die Niederlage des Dritten Reiches gefeiert haben. Nach der deutschen Kapitulation besetzen Russen, Amerikaner, Briten und Franzosen je eine „Zone des Landes; analog teilen sie die Hauptstadt Berlin in vier „Sektoren
.
Schon früh versuchen die Sieger, ihr jeweiliges politisches System auf die Besatzungszonen zu übertragen: Demokratie und Kapitalismus im Westen, autoritären Staatssozialismus im Osten. Aus Verbündeten werden Rivalen.
Ebenso rasch finden die Gegner den Ort, an dem sie ihr Duell austragen: Berlin. Im Juni 1948 lässt Josef Stalin die Landwege nach Westen abriegeln, um die Alliierten zum Abzug zu zwingen.
Doch der amerikanische Militärgouverneur Lucius D. Clay überzeugt seine Regierung davon, die über zwei Millionen Einwohner der Westsektoren aus der Luft zu versorgen.
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