Reise in die Vergangenheit: Der Bergpfarrer 223 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Über dieses E-Book
Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
Sepp Reisinger schaute missmutig zum Himmel hinauf. seit Tagen, und das schlechte Wetter verhagelte dem Inhaber des Hotels »Zum Löwen«, in St. Johann, das Geschäft. Nicht nur, dass die Tagesgäste ausblieben, auch der Umsatz im Biergarten war gleich Null. Bei diesem Regen setzte sich schließlich kein Mensch ins Freie. Aber was noch schlimmer war – am Wochenende sollte die Wahl der Trachtenkönigin stattfinden. Ein Ereignis, auf das sich nicht nur die Wachnertaler freuten, von überall her wurden Gäste erwartet. Allerdings – wenn sich das Wetter bis dahin nicht änderte, würde das Fest buchstäblich ins Wasser fallen. Ein Wagen kam um die Ecke gefahren und hielt vor dem Hotel. Ein Auto mit Münchener Kennzeichen. In Erwartung eines Gastes, rieb Sepp sich schon mal die Hände. Der Fahrer hatte die Seitenscheibe hinuntergelassen, und der Hotelier trat an das Auto. Ein junger Mann saß hinter dem Lenkrad. »Grüß Gott«, sagte Sepp Reisinger eifrig, »Sie suchen bestimmt ein Zimmer, was?« »Stimmt«, nickte der Autofahrer. Das Herz des wackeren Gastwirts schlug zwei Takte schneller. »Allerdings net im Hotel«
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Der Bergpfarrer (ab 375)
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Buchvorschau
Reise in die Vergangenheit - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 223 –
Reise in die Vergangenheit
Ein längst vergessenes Geheimnis
Toni Waidacher
Sepp Reisinger schaute missmutig zum Himmel hinauf. Es regnete
seit Tagen, und das schlechte Wetter verhagelte dem Inhaber des Hotels »Zum Löwen«, in St. Johann, das Geschäft.
Nicht nur, dass die Tagesgäste ausblieben, auch der Umsatz im Biergarten war gleich Null. Bei diesem Regen setzte sich schließlich kein Mensch ins Freie.
Aber was noch schlimmer war – am Wochenende sollte die Wahl der Trachtenkönigin stattfinden. Ein Ereignis, auf das sich nicht nur die Wachnertaler freuten, von überall her wurden Gäste erwartet. Allerdings – wenn sich das Wetter bis dahin nicht änderte, würde das Fest buchstäblich ins Wasser fallen.
Ein Wagen kam um die Ecke gefahren und hielt vor dem Hotel. Ein Auto mit Münchener Kennzeichen.
In Erwartung eines Gastes, rieb Sepp sich schon mal die Hände. Der Fahrer hatte die Seitenscheibe hinuntergelassen, und der Hotelier trat an das Auto.
Ein junger Mann saß hinter dem Lenkrad.
»Grüß Gott«, sagte Sepp Reisinger eifrig, »Sie suchen bestimmt ein Zimmer, was?«
»Stimmt«, nickte der Autofahrer.
Das Herz des wackeren Gastwirts schlug zwei Takte schneller.
»Allerdings net im Hotel«, fuhr der Mann zu Sepps Enttäuschung fort, »ich suche die Pension Stubler. Können S’ mir sagen, wo ich die finden kann?«
Der Hotelier verbarg seinen Ärger. »Da müssen S’ um die nächste Ecke fahren«, antwortete er. »In den Tannenweg. Ganz am End’ der Straße ist die Pension.«
Der Mann im Auto strahlte.
»Vielen Dank.«
Sepp Reisinger schaute dem davonfahrenden Wagen missgelaunt hinterher. Sicher gönnte er Ria Stubler jeden Gast von Herzen, zumal sein Haus in eine ganz andere Kategorie gehörte, als Rias Pension. Aber in Zeiten wie diesen, war sich jeder selbst der nächste.
Der junge Mann war in den Tannenweg eingebogen. Eine ruhige, kaum befahrene Seitenstraße, an deren Ende er, wie versprochen, die Pension fand. Er hielt vor dem Haus, stieg aus und nahm die Reisetasche von der Rückbank. Dann öffnete er die Gartenpforte, schritt über den Plattenweg und ging die drei Stufen zur Haustür hinauf.
Nicht lange nach dem Klingeln öffnete eine ältere, freundlich lächelnde Frau.
»Grüß Gott«, sagte sie. »Sie sind bestimmt der Herr Hofer …?«
Der Mann nickte.
»Ja, grüß Gott, Xaver Hofer ist mein Name. Frau Stubler?«
»Richtig«, nickte die Wirtin. »Kommen S’ nur herein. Herzlich willkommen in St. Johann, auch wenn das Wetter net grad einladend ist.«
Der neue Gast trat sich ordentlich die Füße ab, bevor er ins Haus ging. Rechts im Flur war eine kleine Rezeption. Ria nahm einen Zimmerschlüssel vom Brett.
»Hatten S’ denn eine gute Reise?«, erkundigte sie sich.
»Ja, danke der Nachfrage. Bis München bin ich mit der Bahn gefahren, dann hab’ ich mir einen Leihwagen genommen.«
Die Wirtin blätterte im Reservierungsbuch. »Eine Woche wollten S’ bleiben, net wahr?«, murmelte sie.
»Ja. Allerdings wollt’ ich mir die Möglichkeit offen halten, eventuell zu verlängern.«
»Das dürfte kein Problem sein. In der Woche drauf wär’ das Zimmer noch frei. Sie hatten ja ohnehin Glück, dass es noch geklappt hat. Am Samstag und Sonntag findet das große Fest mit der Wahl der Trachtenkönigin statt, da ist fast jedes Zimmer im Tal ausgebucht. Einer meiner Stammgäste musste allerdings absagen. Glück für Sie.«
»Ich bin auch sehr froh, dass ich das Zimmer noch bekommen konnte«, versicherte Xaver Hofer.
»Aber Urlaub machen S’ net?«, fragte Ria, während sie den Gast die Treppe hinauf geleitete.
»Nein, nein, ich bin geschäftlich hier. Aber weil ich net weiß, wie lang’ ich tatsächlich brauch’, um alles unter Dach und Fach zu bringen, möcht’ ich also gleich schon mal anmelden, dass ich unter Umständen noch länger bleib’.«
»Das geht dann schon in Ordnung«, nickte Ria und schloss die Zimmertür auf.
Sie ließ dem Gast den Vortritt und machte dann eine Rundumbewegung.
»So, das wär’s. Ich hoff’, Sie werden sich bei mir wohl fühlen. Frühstücken können S’ ab sieben Uhr. Aber die meisten Gäste kommen net vor acht; sie haben ja Urlaub und wollen meist ausschlafen.«
Xaver Hofer hatte sich im Zimmer umgesehen. Es war im typischen alpenländischen Stil eingerichtet, mit viel Natur belassenem Holz, bunten Vorhängen an den
Fenstern, und Bildern, die zumeist bäuerliche Motive zeigten.
Der Gast nickte.
»Sehr schön. Vielen Dank, Frau Stubler.«
Die Wirtin lächelte und ging mit einem Gruß hinaus.
Der junge Mann hatte seine Reisetasche abgestellt und öffnete die Balkontür. Da der umlaufende Balkon teilweise durch das überstehende Dach geschützt war, konnte Xaver Hofer unbeschadet hinausgehen, ohne befürchten zu müssen, nass zu werden.
Im Moment kam gerade wieder ein wahrer Regenguss vom Himmel herunter.
»Na, das Trachtenfest wird wohl ein Reinfall werden«, murmelte er vor sich hin.
Allerdings interessierte ihn das Ereignis ganz und gar nicht. Hätte die Wirtin es nicht erwähnt, würde er gar nichts davon gewusst haben.
Weder Trachten noch Urlaub waren es, die Xaver Hofer ins Wachnertal und nach St. Johann geführt hatten. Der junge Mann war aus einem ganz anderen Grund hier hergekommen. Sein Ziel war es, ein bei allen Beteiligten wohl längst vergessenes Geheimnis wieder ans Tageslicht zu bringen, und begangenes Unrecht wieder gutzumachen …
*
Hannelore Grundlinger lief hastig durch den strömenden Regen über den Hof. In der Haustür schüttelte sie wie eine nasse Katze ihr Haar und griff nach einem Handtuch, das über der Klinke hing.
»Mistwetter!«, schimpfte die junge Bäuerin. »Keinen Hund mag man vor die Tür jagen.«
Hasso, der Hofhund, kroch noch weiter unter den Dielentisch, unter dem er dösend lag. Ganz als habe er verstanden, was Hannelore gesagt hatte.
Durch den Regenschleier tauchte eine Gestalt auf, und wenig später zwängte sich der alte Hannes durch die Tür.
»Sauwetter!«, kommentierte er den Regen.
Hannelore lachte den Knecht an.
»Schimpfen wir net«, meinte sie. »Wenn’s zu trocken ist, hoffen wir, dass es endlich regnet. Und bis zur Ernte ist’s ja noch ein Weilchen. Komm in die Küche, die Resl hat das Essen gleich fertig.«
Hannes nickte und zog die Gummistiefel aus. Während er in seine Hausschuhe schlüpfte, war die Bäuerin schon in die Küche gegangen und wusch die frischen Kräuter ab, die sie gerade aus dem Garten geholt hatte. Um nichts in der Welt hätte Hannelore Grundlinger darauf verzichten wollen und sie scheute auch den Regen nicht, wenn es darum ging, dem Essen die richtige Würze zu verleihen. Geschickt hatte sie die Kräuter ausgeschüttelt und auf einem Holzbrett klein geschnitten. Der Knecht kam in die Küche, wusch sich die Hände an der Spüle und setzte sich an den Tisch. Hansi, wie die junge Bäuerin allgemein genannt wurde, stellte den Topf auf die Unterlage und nahm ebenfalls Platz. Resl Huber stellte den Brotkorb dazu und setzte sich ebenfalls.
Früher hatte Hansi immer auf der Eckbank gesessen, direkt unter dem Holzkreuz, das dort in der Nische hing. Seit ein paar Wochen war ihr Platz allerdings ein anderer. Nun saß die Bäuerin auf dem Stuhl, auf dem immer der Vater gesessen hatte, denn Franz Grundlinger lebte nicht mehr. Ganz plötzlich hatte sein Herz aufgehört, zu schlagen.
Es war ein schwerer Verlust, und nur die Tatsache, dass der Vater ganz sanft im Schlaf gestorben war und keine Schmerzen gehabt hatte, konnte die Tochter ein wenig trösten.
Hansi sprach das Tischgebet und forderte Hannes und Resl auf, sich zu bedienen. Der Knecht ließ sich nicht lange bitten. Alles,