Stunden der Glückseligkeit: Der Bergpfarrer 385 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
»Na, Doktor, wie schaut's aus?« fragte Sebastian Trenker, während er sich das Hemd zuknöpfte. Toni Wiesinger saß inzwischen wieder an seinem Tisch und schrieb ein paar Notizen auf das Patientenblatt. Auf die Frage des Bergpfarrers hob er den Kopf und runzelte die Stirn. »Schlecht, fürcht' ich, Hochwürden«, antwortete er mit einem verschmitzten Lächeln. »Bei Ihnen ist für mich einfach nix zu verdienen.« Der Geistliche lächelte ebenfalls. Er hatte keine andere Antwort erwartet. Der Besuch beim Arzt gehörte für ihn ebenso zu einer gesunden Lebensführung, wie eine vernünftigte Ernährung und ausreichende Bewegung. Daß er an diesem Morgen in die Praxis Dr. Wiesingers gekommen war, lag ganz einfach daran, daß Sebastian Trenker diesen Termin viermal im Jahr, als reine Vorsorgeuntersuchung wahrnahm. »Sie sind kerngesund«, konstatierte der Dorfarzt, als der Pfarrer Platz genommen hatte. »Aber das haben S' natürlich selbst schon gewußt.« Die beiden Männer unterhielten sich noch einen Moment. Seit der sympathische Toni Wiesinger die Praxis des verstorbenen Dorf-arztes übernommen hatte, waren sie sich auch freundschaftlich verbunden. Sebastian hatte es sich angelegen sein lassen, den ›Neuen‹, ein wenig unter seine Fittiche zu nehmen, denn ganz zu Beginn hatte Toni wahrlich keinen leichten Stand bei den Dörflern. Sie waren der Meinung, daß jemand, der so jung war, kein richtiger Doktor sein könne. Einen nicht unwesentlichen Anteil an dieser Behauptung hatte Maria Erbling, die gefürchtete Klatschtante von St.
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Buchvorschau
Stunden der Glückseligkeit - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 385 –
Stunden der Glückseligkeit
Oder war es nur ein schöner Traum?
Toni Waidacher
»Na, Doktor, wie schaut’s aus?« fragte Sebastian Trenker, während er sich das Hemd zuknöpfte.
Toni Wiesinger saß inzwischen wieder an seinem Tisch und schrieb ein paar Notizen auf das Patientenblatt. Auf die Frage des Bergpfarrers hob er den Kopf und runzelte die Stirn.
»Schlecht, fürcht’ ich, Hochwürden«, antwortete er mit einem verschmitzten Lächeln. »Bei Ihnen ist für mich einfach nix zu verdienen.«
Der Geistliche lächelte ebenfalls. Er hatte keine andere Antwort erwartet. Der Besuch beim Arzt gehörte für ihn ebenso zu einer gesunden Lebensführung, wie eine vernünftigte Ernährung und ausreichende Bewegung. Daß er an diesem Morgen in die Praxis Dr. Wiesingers gekommen war, lag ganz einfach daran, daß Sebastian Trenker diesen Termin viermal im Jahr, als reine Vorsorgeuntersuchung wahrnahm.
»Sie sind kerngesund«, konstatierte der Dorfarzt, als der Pfarrer Platz genommen hatte. »Aber das haben S’ natürlich selbst schon gewußt.«
Die beiden Männer unterhielten sich noch einen Moment. Seit der sympathische Toni Wiesinger die Praxis des verstorbenen Dorf-arztes übernommen hatte, waren sie sich auch freundschaftlich verbunden. Sebastian hatte es sich angelegen sein lassen, den ›Neuen‹, ein wenig unter seine Fittiche zu nehmen, denn ganz zu Beginn hatte Toni wahrlich keinen leichten Stand bei den Dörflern. Sie waren der Meinung, daß jemand, der so jung war, kein richtiger Doktor sein könne. Einen nicht unwesentlichen Anteil an dieser Behauptung hatte Maria Erbling, die gefürchtete Klatschtante von St. Johann. Die Witwe des ehemaligen Poststellenleiters brachte mit ihrer spitzen Zunge immer wieder Gerüchte in Umlauf, die meistens jeglicher Grundlage entbehrten. In einem Fall hatte sie es sogar geschafft, daß ein zufällig in St. Johann weilender Kollege den jungen Dr. Wiesinger vor das Standesgericht zitierte, weil Maria behauptete, Toni habe sie mit obskuren Heilmitteln behandelt.
Pfarrer Trenker war es zu verdanken, daß diese ungeheuerliche Behauptung entkräftet, und Toni Wiesinger freigesprochen wurde. Der Geistliche konnte nachweisen, daß nicht der Arzt, sondern der Brandhuber-Loisl, der Witwe die Salbe verkauft hatte.
Der selbsternannte Wunderheiler von St. Johann war auch der zweite Grund, warum Dr. Wiesinger darum kämpfen mußte, von den Dörflern akzeptiert zu werden. Loisl, der am Rand des Dorfes in einer heruntergekommenen Hütte hauste, verkaufte ihnen immer wieder seine selbstgebrauten Tinkturen, Kräutertees und merkwürdige Salben, die angeblich gegen allerlei Gebrechen halfen. Natürlich sah er in dem Arzt einen unliebsamen Konkurrenten, der ihm das Geschäft verdarb. Zusammen mit Maria Erbling wetterte er gegen Toni bei den Dörflern, bis es Sebastian endlich gelang, dem ein Ende zu machen.
Dennoch – das Geschäft blühte im Verborgenen! Immer wieder gelang es dem Brandhuber, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen, und eine seiner besten Kundinnen war Maria Erbling. Trotz der Erfahrung, die sie inzwischen gemacht hatte, hielt sie dem Alten die Treue – hin und wieder ein Täßchen Kräutertee wirkte Wunder, davon war sie immer noch überzeugt.
Auch wenn sie inzwischen regelmäßig zur Untersuchung in die Arztpraxis kam...
Sebastian traf sie, als er gerade hinausging. Maria kam die Treppe herauf, und der Geistliche hielt ihr die Tür auf.
»Grüß Gott, Frau Erbling«, sagte er freundlich. »Wie geht’s denn immer?«
Die Frau machte ein säuerliches Gesicht.
»Fragen S’ bloß net, Hochwürden«, winkte sie ab. »Die ganze Nacht hab’ ich kein Aug’ zugetan. Ich weiß gar net, was mit mir los ist.«
»Nanu, das hört sich net gut an.«
Maria nickte.
»Net wahr, das finden S’ auch?«
»Vielleicht liegt’s am Föhn.«
Die Witwe seufzte.
»Man wird halt net jünger«, meinte sie und ging an ihm vorbei.
In der Tür drehte sie sich um.
»Und Sie?« wollte sie wissen. »Ist bei Ihnen alles in Ordnung?«
Der gute Hirte von St. Johann nickte. In den Augen der Klatschtante blitzte es dennoch auf.
Hochwürden beim Arzt – das kam doch nur alle Jubeljahre vor! Gewiß sagte er ihr nicht ganz die Wahrheit...?
Maria wurde plötzlich ganz aufgeregt. Hoffentlich dauerte es nicht zu lang’ beim Doktor. Diese Neuigkeit mußte sie unbedingt sofort ihrer Freundin erzählen.
Wenn Hochwürden zum Arzt ging, dann war er auch krank!
Sebastian hatte ihr noch einmal grüßend zugewunken und war weitergegangen. Als er nach einiger Zeit zum Pfarrhaus zurückkam, hatte er die Begegnung mit Maria Erbling längst vergessen.
*
Zwanzig gut gelaunte Wochenendurlauber saßen in dem Reisebus, der von Regensburg auf dem Weg nach St. Johann unterwegs war. Eine gemischte Gesellschaft, die sich vor der Abfahrt nicht gekannt, aber ein gemeinsames Ziel hatte – ein paar unbeschwerte Tage in den Bergen zu verbringen.
Initiator dieser Kurzreisen war Sepp Reisinger, der Wirt und Chef vom Hotel ›Zum Löwen‹. Um auch in den weniger starken Monaten, wenn das Tourismusgeschäft langsam schwächer wurde, seine Zimmer nicht leerstehen zu haben, war Sepp auf die Idee gekommen, ein besonderes Wochenendarrangement anzubieten. In Zusammenarbeit mit einem Reisebüro offerierte der drei Übernachtungen mit Vollpension und einem Unterhaltungsprogramm zu einem geradezu sensationellen Preis. Neben einer Bergwanderung gehörte dazu natürlich auch die Teilnahme am samstäglichen Tanzver-gnügen auf dem Saal des Löwen. Zwischen der Anreise am späten Freitagnachmittag und der Abreise am Sonntagmittag sollten vergnügliche und unvergeßliche Stunden liegen. Gaudi und Musik wurden garantiert.
In der letzten Sitzreihe saß Lisa Kramer. Die zweiundzwanzigjährige Verkäuferin aus der Domstadt hatte die Reise von ihren Eltern geschenkt bekommen. Sie waren der Meinung gewesen, die Tochter müsse endlich einmal ausspannen, auch wenn es nur für ein Wochenende sein würde. Neben ihr, auf der rechten Seite, saßen zwei junge Burschen, die sich ihr gleich zu Beginn der Fahrt vorgestellt hatten. Florian Brunner und Joseph Villinger.
»Kannst Sepp zu mir sagen«, hatte er lächelnd angeboten und ihr dabei tief in die Augen geschaut.
Während der Fahrt flirtete er unverhohlen mit der hübschen Verkäuferin, während sein Freund eher teilnahmslos daneben saß und aus dem Fenster schaute.
»Lang’ kann’s net mehr dauern, bis wir da sind«, meinte Sepp und sah auf seine Uhr.
Im gleichen Augenblick passierten sie das Ortschild. Schon vor geraumer Zeit hatte Lisa auf die Berge gesehen, die sich in der Ferne abzeichneten. Je näher sie kamen, um so gößer wurden sie, und jetzt zeigten sie sich in geradezu majestätischer Größe.
Der Bus hielt auf dem Parkplatz des Hotels, und die Türen öffneten sich mit dem typischen, schnaufenden Geräusch. Drau-ßen standen Sepp Reisinger und auch etliche Hotelangestellte, die beim Tragen der Koffer und Reisetaschen behilflich sein sollten. Der Gastwirt begrüßte die Reisegesellschaft und hieß sie willkommen. Dann ging