Das unerwünschte Enkelkind: Sophienlust 193 – Familienroman
Von Susanne Svanberg
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Über dieses E-Book
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Unsanft stieß Henrik den gleichaltrigen Jörg in die Seite. »Drängle nicht so«, flüsterte er ungeduldig.
»Ich möchte doch auch die Braut sehen«, seufzte Jörg und begab sich wieder auf seinen Platz im Chor.
»Ist ja keine da!« belehrte Pünktchen den Jüngeren.
»Immer noch nicht? Die Orgel spielt doch schon seit einer Stunde.«
»Seit einer halben Stunde«, berichtigte Nick, der Größte in dieser Runde. Er stand ganz hinten, hatte aber trotzdem, über die Köpfe der Kameraden hinweg, eine recht gute Sicht ins Kirchenschiff.
Das Gotteshaus des kleinen Ortes Wildmoos war bis auf den letzten Platz besetzt. Wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht verbreitet, daß ein reicher Aristokrat diese romantische Hochzeit in der kleinen Dorfkirche arrangiert habe. Alle wollten dabeisein, alle wollten das beneidenswerte Brautpaar sehen. Der Bürgermeister selbst hatte sich dafür eingesetzt, daß die kleine Kirche prächtig mit Blumen geschmückt worden war und daß hoch vom Turm die Fahnen wehten. Er war es auch gewesen, der Denise von Schoenecker gefragt hatte, ob die Kinder von Sophienlust zu diesem feierlichen Anlaß singen könnten.
Selbstverständlich hatte Denise von Schoenecker zugestimmt. So war es gekommen, daß die Buben und Mädchen nun in ihren Sonntagskleidern im Chor standen und ungeduldig auf ihren Einsatz warteten.
Doch nicht nur ihnen wurde die Zeit lang. Auch die Schaulustigen waren unruhig. Das Raunen in der kleinen Kirche wurde immer lauter. Schließlich war es nicht üblich, daß eine Hochzeit mit solcher Verspätung begann.
Herr Rennert, der Leiter des Kinderchors, legte den Zeigefinger über die Lippen, um so seinen Schützlingen anzudeuten, daß nicht gesprochen werden dürfte. Er hatte
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Buchvorschau
Das unerwünschte Enkelkind - Susanne Svanberg
Sophienlust
– 193 –
Das unerwünschte Enkelkind
Was soll nur aus Simon werden?
Susanne Svanberg
Unsanft stieß Henrik den gleichaltrigen Jörg in die Seite. »Drängle nicht so«, flüsterte er ungeduldig.
»Ich möchte doch auch die Braut sehen«, seufzte Jörg und begab sich wieder auf seinen Platz im Chor.
»Ist ja keine da!« belehrte Pünktchen den Jüngeren.
»Immer noch nicht? Die Orgel spielt doch schon seit einer Stunde.«
»Seit einer halben Stunde«, berichtigte Nick, der Größte in dieser Runde. Er stand ganz hinten, hatte aber trotzdem, über die Köpfe der Kameraden hinweg, eine recht gute Sicht ins Kirchenschiff.
Das Gotteshaus des kleinen Ortes Wildmoos war bis auf den letzten Platz besetzt. Wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht verbreitet, daß ein reicher Aristokrat diese romantische Hochzeit in der kleinen Dorfkirche arrangiert habe. Alle wollten dabeisein, alle wollten das beneidenswerte Brautpaar sehen. Der Bürgermeister selbst hatte sich dafür eingesetzt, daß die kleine Kirche prächtig mit Blumen geschmückt worden war und daß hoch vom Turm die Fahnen wehten. Er war es auch gewesen, der Denise von Schoenecker gefragt hatte, ob die Kinder von Sophienlust zu diesem feierlichen Anlaß singen könnten.
Selbstverständlich hatte Denise von Schoenecker zugestimmt. So war es gekommen, daß die Buben und Mädchen nun in ihren Sonntagskleidern im Chor standen und ungeduldig auf ihren Einsatz warteten.
Doch nicht nur ihnen wurde die Zeit lang. Auch die Schaulustigen waren unruhig. Das Raunen in der kleinen Kirche wurde immer lauter. Schließlich war es nicht üblich, daß eine Hochzeit mit solcher Verspätung begann.
Herr Rennert, der Leiter des Kinderchors, legte den Zeigefinger über die Lippen, um so seinen Schützlingen anzudeuten, daß nicht gesprochen werden dürfte. Er hatte mit den Kindern von Sophienlust die Brautmesse einstudiert und war stolz darauf, daß bei der Probe alles so gut geklappt hatte. Doch langsam wurden die Kinder nervös, und damit war der Erfolg der Darbietung in Frage gestellt.
Besorgt schaute deshalb auch Herr Rennert immer wieder hinab ins Kirchenschiff. Warum kam das Brautpaar nicht? Die mit rotem Samt gepolsterte Gebetsbank direkt vor dem Altar blieb leer.
Es war schon für Erwachsene nicht leicht, so lange ruhig und gelassen zu warten. Für lebhafte Kinder war das noch viel schwieriger. Heidi, das jüngste Kind der kleinen Schar, trat von einem Füßchen aufs andere und spielte nervös mit den Schleifen an ihrem langen Kleidchen.
»Wann singen wir denn?« erkundigte sich Vicky nun schon zum dritten Mal.
»Sobald das Brautpaar durch den Mittelgang geht«, gab Wolfgang Rennert leise Auskunft.
»Und wann ist das?« wollte Fabian, ein schmächtiger Junge mit mittelblondem Haar und graugrünen Augen wissen.
»Eigentlich müßte es längst soweit sein.« Herr Rennert drehte sich um und sah wieder hinab ins Kirchenschiff. Die Neugierigen in den Bänken und in den schmalen Seitengängen wurden mit jeder Minute unruhiger. Manche äußerten schon laut ihre Vermutungen. Nur der Organist ließ sich von der allgemeinen Ungeduld nicht anstecken. Unbekümmert spielte er ein Stück nach dem anderen.
Denise von Schoenecker und Schwester Regine, die Betreuerin der Kinder, hatten in der letzten Kirchenbank Platz genommen. Sie hatten sich darauf gefreut, die Schützlinge singen zu hören. Doch nun wurde wohl nichts daraus, denn eben trat der Pfarrer zu der jungen Braut, die blaß und ängstlich an der Kirchentür wartete.
Etwas verloren sah das Mädchen in dem langen weißen Kleid, geschmückt mit einem winzigen Blütenkrönchen, aus. Ängstlich schauten die sanften braunen Augen dem Geistlichen entgegen.
Der Pfarrer hatte das festliche Kirchengewand wieder mit dem einfachen schwarzen Anzug vertauscht und machte ein bekümmertes Gesicht. Obwohl Denise, die charmante, noch sehr jugendliche Frau des Gutsbesitzers Alexander von Schoenecker, es gar nicht wollte, wurde sie Zeuge seines Gesprächs mit der Braut.
»Ich glaube, wir sollten nicht länger warten«, meinte der Pfarrer halblaut. »Sicher ist Ihr Bräutigam aufgehalten worden.«
»Er mußte heute morgen noch einmal weg, wollte aber pünktlich zurück sein. Ich verstehe nicht, weshalb…« Martinas Stimme klang kläglich. Tränen glänzten in ihren Augen. Einsam und verlassen kam sie sich unter all den fremden Leuten vor, die sie sensationslüstern anstarrten. »Andy wollte die Trauzeugen mitbringen…« Ratlosigkeit spiegelte sich auf Martina Fabers hübschem Gesicht.
»Es wird am besten sein, Sie gehen in den Gasthof zurück und warten dort auf Ihren Bräutigam. Wenn alles in Ordnung ist, können wir in den nächsten Tagen einen neuen Termin vereinbaren.«
Der Geistliche bemühte sich um einen gütigen, väterlichen Ton. Trotzdem fühlte Martina sehr genau, daß ein ganz bestimmter Verdacht hinter seinen Worten lauerte. Jener Verdacht, der auch aus den schadenfrohen Blicken der Neugierigen sprach.
Als Ereignis des Jahres hatte die Flüsterpropaganda die Hochzeit des Millionärs angekündigt. Nun war sie geplatzt, und alle waren enttäuscht. Der Bürgermeister, der sich eine beträchtliche Aufbesserung der Gemeindekasse versprochen hatte, verließ als erster die kleine Kirche.
»Ich werde den Anwesenden eine kurze Erklärung geben. Im übrigen sollten Sie sich nicht ängstigen. Es kommt sicher alles wieder in Ordnung.« Überzeugend klang die Stimme des Pfarrers nicht. Seit vierzig Jahren versah er den Dienst in der kleinen Pfarrei Wildmoos. Weit über hundert Paare hatte er schon getraut. Doch so etwas war ihm noch nicht passiert. Dabei hatte er die Kirche für diese Hochzeit auf Hochglanz bringen lassen. Es waren Kosten entstanden, die er durch eine angemessene Spende des vermögenden Bräutigams wieder hereinzuholen gehofft hatte. Nun war auch er enttäuscht.
Martina nickte kaum merklich. Steif und unbeweglich stand sie neben der schweren eichenen Kirchentür. Dabei wäre sie am liebsten geflohen. Geflohen vor den vielen neugierigen Blicken, vor den unverschämten Fragen, die man an sie stellen würde. Wie im Traum hörte sie die Stimme des Pfarrers, die von einem unvorhergesehenen Zwischenfall sprach. Die kleine Dorfkirche verschwamm vor ihrem Blick. Tränen rannen über ihre bleichen Wangen.
»Kann ich Ihnen helfen?« fragte da eine elegante jugendliche Dame.
Martina wollte ablehnen, doch dann sah sie in zwei faszinierende dunkle Augen. Mitgefühl und Verständnis spiegelten sich darin.
»Ich glaube, Sie sind allein hier. Es wäre aber nicht gut, wenn sich jetzt niemand um Sie kümmern würde. Ich würde Sie gern nach Sophienlust einladen. Dort hätten Sie sehr viel Abwechslung. Bitte, sagen Sie nicht nein. Wir werden im Gasthof hinterlassen, wo Sie zu finden sind.«
»Aber ich kann doch nicht…« Martina fand Denise von Schoenecker sofort sympathisch. Sie spürte, daß diese Einladung nicht aus Sensationslust, sondern aus echter Anteilnahme erfolgte.
»Ich wäre glücklich, wenn Sie für einige Zeit unser Gast sein würden.« Offen und ehrlich klangen diese Worte. Gewinnend war das Lächeln um Denises hübschen Mund. Sie konnte sehr gut ermessen, was Martina Faber in dieser Stunde empfinden mußte. Der Tag, der für sie zum schönsten in ihrem Leben hatte werden sollen, hatte ihr nur Enttäuschung und Leid gebracht.
»Kommen Sie, dort drüben steht mein Wagen.« Besorgt führte Denise das Mädchen aus dem Kreis der neugierigen Gaffer. »Ich muß Ihnen noch sagen, daß Sophienlust ein privates Kinderheim ist«, meinte sie, als Martina auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte. »Falls Sie der Lärm unserer Schützlinge stört, könnten Sie nach Gut Schoeneich übersiedeln. Dort wohne ich mit meinem Mann und unseren zwei Jüngsten, Nick und Henrik. Allerdings sind die beiden mehr in Sophienlust als zu Hause.«
»Ich mag Kinder sehr gern. Sie stören mich ganz bestimmt nicht«, versicherte Martina. Mit einer müden Bewegung streifte sie das Blütenkrönchen vom Kopf. Wo war Andy? Andy, den sie vor einem halben Jahr in Hamburg kennengelernt hatte und der ihr den Himmel auf Erden versprochen hatte. Ihm zuliebe hatte sie ihre Stelle als Dolmetscherin bei einer Hamburger Exportfirma aufgegeben, hatte ihre Wohnung gekündigt und war mit ihm nach Wildmoos gefahren, wo die Hochzeit hatte stattfinden sollen. Andy hatte diesen sonderbaren Einfall mit seinem Hang zur Romantik erklärt, und Martina hatte ihm geglaubt.
»Eigentlich gehört Sophienlust meinem Sohn Nick«, fuhr Denise fort. »Er hat es von seiner Urgroßmutter geerbt, die verfügt hat, daß ein Heim für elternlose Kinder daraus entstehen soll. Wir bemühen uns, dieses Vermächtnis nach Kräften zu erfüllen. Bis Nick volljährig ist, verwalte ich den Besitz für ihn.«
Martina war froh und dankbar, daß Denise von Schoenecker sie nichts fragte.
»Da kommen sie ja, unsere Kinder.« Denise wies auf die muntere kleine Schar, die aus der Kirche ins Freie drängte.
Martina vergaß vor Überraschung ihren Kummer. Wie Waisenkinder sahen diese Kleinen ganz bestimmt nicht aus. Sie waren nicht nur sehr geschmackvoll gekleidet, sondern wirkten auch sehr gepflegt und ausgesprochen fröhlich.
*
Die Kinder hatten es nicht eilig, in den roten Kleinbus einzusteigen. Da sie so lange hatten stillhalten müssen, wollten sie jetzt am liebsten den Weg nach Sophienlust zu Fuß zurücklegen. Doch das ließ Herr Rennert nicht zu. Mit Geduld und Ausdauer brachte er die quirlige kleine Schar schließlich ins Fahrzeug.
»Das war eine komische Hochzeit«, piepste Heidi, als sie endlich zwischen Fabian und Henrik saß.
»Das war überhaupt keine«, murrte Angelika von hinten. »Fünfmal haben wir geprobt, und nun war alles umsonst.« Angelika zog einen Schmollmund.
»Vielleicht können wir die Messe zu einem anderen Zeitpunkt singen«, tröstete Herr Rennert die Kinder. Er war selbst ein bißchen unzufrieden, als er hinter dem Lenkrad Platz nahm und den Kleinbus startete.
»Warum ist eigentlich nur die Braut