Hätte ich doch eine Familie: Sophienlust 186 – Familienroman
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Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Fröhlich vor sich hin pfeifend betrat Sascha von Schoenecker die Bankfiliale in Heidelberg, bei der er sein Konto hatte. Eigentlich hatte er keinen Grund zur Fröhlichkeit, denn er hatte in letzter Zeit ziemlich viel Geld verbraucht, ohne recht zu wissen, wo es geblieben war. Aber Sascha ließ sich, solange er noch etwas auf dem Konto hatte, finanzieller Probleme wegen keine grauen Haare wachsen. Das Semester ging bald zu Ende, und bis dahin würde er bei einiger Sparsamkeit schon auskommen. Dann begannen die großen Ferien. Er würde zuerst einmal seine Familie in Wildmoos aufsuchen, und später würde er vielleicht noch mit Freunden eine Campingreise machen.
Im Kassensaal der Bank herrschte wenig Betrieb, sodass Sascha sofort an die Reihe kam. Er hob einen Betrag ab, der seinen Kontostand ziemlich dezimierte, nicht jedoch seinen Optimismus. Es war ein wunderschöner, sonniger Tag, da musste man einfach gut aufgelegt sein, fand Sascha. Die Bankangestellte aber, die ihm die Banknoten aushändigte, schien anderer Ansicht zu sein. Dem Studenten fiel auf, dass der schön geschwungene Mund der jungen Frau verkniffen war, während ihre grauen Augen leicht gerötet waren. Sascha warf einen Blick auf das Namensschild, das am Schalterpult stand und fragte teilnahmsvoll: »Haben Sie Kummer, Frau Kunze?«
Die junge Frau zuckte zusammen und strich eine Strähne ihres blonden Haares aus der Stirn. Sie sah Sascha nicht besonders freundlich an und entgegnete unwirsch: »Ich bin nicht Frau Kunze. Das ist ja der Jammer. Ich bin Frau Pöschek und vertrete Frau Kunze.«
»Ach so«, sagte Sascha, ein wenig verwundert über die Unfreundlichkeit
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Sophienlust (ab 351)
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Buchvorschau
Hätte ich doch eine Familie - Elisabeth Swoboda
Sophienlust
– 186 –
Hätte ich doch eine Familie
Warum Leonie sich einen Papi wünschte
Elisabeth Swoboda
Fröhlich vor sich hin pfeifend betrat Sascha von Schoenecker die Bankfiliale in Heidelberg, bei der er sein Konto hatte. Eigentlich hatte er keinen Grund zur Fröhlichkeit, denn er hatte in letzter Zeit ziemlich viel Geld verbraucht, ohne recht zu wissen, wo es geblieben war. Aber Sascha ließ sich, solange er noch etwas auf dem Konto hatte, finanzieller Probleme wegen keine grauen Haare wachsen. Das Semester ging bald zu Ende, und bis dahin würde er bei einiger Sparsamkeit schon auskommen. Dann begannen die großen Ferien. Er würde zuerst einmal seine Familie in Wildmoos aufsuchen, und später würde er vielleicht noch mit Freunden eine Campingreise machen.
Im Kassensaal der Bank herrschte wenig Betrieb, sodass Sascha sofort an die Reihe kam. Er hob einen Betrag ab, der seinen Kontostand ziemlich dezimierte, nicht jedoch seinen Optimismus. Es war ein wunderschöner, sonniger Tag, da musste man einfach gut aufgelegt sein, fand Sascha. Die Bankangestellte aber, die ihm die Banknoten aushändigte, schien anderer Ansicht zu sein. Dem Studenten fiel auf, dass der schön geschwungene Mund der jungen Frau verkniffen war, während ihre grauen Augen leicht gerötet waren. Sascha warf einen Blick auf das Namensschild, das am Schalterpult stand und fragte teilnahmsvoll: »Haben Sie Kummer, Frau Kunze?«
Die junge Frau zuckte zusammen und strich eine Strähne ihres blonden Haares aus der Stirn. Sie sah Sascha nicht besonders freundlich an und entgegnete unwirsch: »Ich bin nicht Frau Kunze. Das ist ja der Jammer. Ich bin Frau Pöschek und vertrete Frau Kunze.«
»Ach so«, sagte Sascha, ein wenig verwundert über die Unfreundlichkeit der jungen Frau. »Ich wollte Ihnen nicht nahetreten. Ich hatte nur den Eindruck, dass Sie niedergeschlagen sind. Aber natürlich geht mich das nichts an.« Er nickte der jungen Frau kurz zu, verstaute das Geld in seiner Brieftasche und schickte sich an zu gehen.
»Ver…, verzeihen Sie«, sagte die Kassiererin plötzlich. »Ich wollte nicht unfreundlich sein. Es ist nur … Ach, ich würde am liebsten alles hinwerfen und davonrennen.«
»Ärger mit Ihrem Vorgesetzten?«, erkundigte sich Sascha mitfühlend.
»Ja, so könnte man es nennen«, erwiderte Gerda Pöschek und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen. Dann sah sie sich verstohlen um. Ihre Kollegin wurde von einem anderen Bankkunden in Atem gehalten, einem älteren Herrn, der sich lautstark über schlecht bearbeitete Daueraufträge beschwerte. Die Rundfunkgebühr war ihm in den letzten Monaten doppelt abgezogen worden, dafür hatte man die Miete zu überweisen vergessen, was zu Komplikationen mit dem Hausbesitzer geführt hatte.
»Und reden Sie sich ja nicht auf den Computer heraus!«, schimpfte der alte Herr.
Zwei weitere Bankangestellte eilten der bedrückten Kassiererin zu Hilfe. Niemand achtete auf Frau Pöschek und Sascha. Gerda seufzte. Es drängte sie, jemandem ihren Kummer anzuvertrauen. Sascha war ihr vollkommen fremd. Er würde ihr kaum helfen können, aber er sah so aus, als ob er ihr wenigstens zuhören würde. Trotzdem meinte sie zögernd: »Sie werden mich vielleicht für aufdringlich halten …«
»Keineswegs«, entgegnete Sascha. »Ich habe Sie ja nach dem Grund Ihres Kummers gefragt. Soll ich zum Vorstand gehen und ihm klarmachen, dass er seine Untergebenen nicht schlecht behandeln darf?«
»Um Gottes willen, nein!«, rief Gerda erschrocken aus. »Er ist nämlich vollkommen im Recht. Leider. Ich habe ihn um Urlaub gebeten, und er hat es mir abgeschlagen. Frau Kunze ist krank, und ich musste sie vertreten. Normalerweise bearbeite ich zusammen mit einer anderen Frau die Buchhaltung. Aber da Frau Kunze krank und ein weiterer Kollege im Urlaub ist, muss ich hier aushelfen.«
»Und nur deswegen regen Sie sich so auf?«, fragte Sascha erstaunt.
»Nicht nur deswegen. Ich würde so dringend zwei Wochen Urlaub brauchen. Der Kindergarten ist nämlich gestern gesperrt worden, weil Scharlach ausgebrochen ist. Unglücklicherweise hat sich auch die Erzieherin angesteckt. Man hat mir gesagt, dass es zwei Wochen dauern kann, bis man einen Ersatz für sie gefunden hat.«
»Der Kindergarten?«, fragte Sascha verwirrt. »Was haben Sie mit einem Kindergarten und einer Kindergartentante zu tun?«
»Ich habe eine kleine Tochter – Leonie«, erklärte Frau Pöschek. »Sie ist fünf Jahre alt. Da ich berufstätig bin, sind wir auf den Kindergarten angewiesen. Außer Leonie habe ich niemanden mehr – keine Verwandten. Meine Mutter ist vor ein paar Jahren gestorben. In den Ferien kann ich Leonie tagsüber zu den Nachbarn geben. Sie beaufsichtigen sie dann. Leider sind sie aber im Moment verreist. Alle anderen Hausparteien sind so wie ich berufstätig. Leonie ist also völlig allein im Haus. Ich bin deshalb furchtbar in Sorge. Es ist ja niemand da, an den sie sich wenden könnte, wenn …, wenn etwas passiert. Sie ist zwar für ihr Alter ziemlich selbstständig, und ich habe ihr auch die Telefonnummer von der Bank aufgeschrieben und sie auf die Wand neben dem Telefon geklebt, aber trotzdem – ich habe einfach keine Ruhe.«
»Das kann ich verstehen«, stimmte Sascha ihr zu. Er überlegte eine Weile, dann fuhr er langsam fort: »Vielleicht wüsste ich eine Möglichkeit. Aber ich will Ihnen noch nichts versprechen, bevor ich mich erkundigt habe.«
Gerda Pöschek sah den jungen Mann zweifelnd an. Er merkte es, lachte ein wenig und meinte: »Ich bin in Kinderfragen zwar kein Experte, aber möglicherweise gelingt es mir, für Ihre Tochter einen Platz ausfindig zu machen, an dem sie die vierzehn Tage sicher aufgehoben ist.« Mehr sagte er nicht. Er verabschiedete sich von Frau Pöschek und versprach, sich wieder zu melden.
Saschas nächster Weg führte ihn zu einem Postamt, von wo er nach Wildmoos telefonierte. Er hatte die Nummer von Gut Schoeneich gewählt, und sein Vater Alexander von Schoenecker hob ab. Nachdem Sascha seinen Vater beruhigt und ihm erklärt hatte, dass sein unverhoffter Anruf keineswegs etwas mit etwaigen Schwierigkeiten zu tun habe, verlangte er seine Stiefmutter zu sprechen.
»Denise ist in Sophienlust«, erwiderte Alexander.
»Danke, Vati. Dann werde ich mein Glück dort versuchen«, meinte Sascha.
Der zweite Anruf führte Sascha dann zum Ziel. Er erreichte seine Stiefmutter Denise von Schoenecker in Sophienlust, dem Kinderheim, das sie für ihren Sohn aus erster Ehe, Dominik, verwaltete. Er erzählte ihr von seinem Besuch in der Bank und der Sorge, die Frau Pöschek bedrückte.
»Du hast Geld abgehoben?«, fragte Denise. »Hast du überhaupt noch etwas auf deinem Konto?«
»Jetzt beinahe nichts mehr«, gestand Sascha.
»Soll ich Vati bitten, dass er dir …«
»Nein, danke«, unterbrach Sascha seine Stiefmutter. »Irgendwie werde ich bis zum Semesterschluss schon auskommen. Das ist im Moment nebensächlich. Ich habe dich wegen der kleinen Leonie angerufen. Wäre in Sophienlust ein Platz für sie frei? Es geht ja nur um höchstens vierzehn Tage, bis der Kindergarten wieder geöffnet wird.«
»Warum wurde er gesperrt?«, fragte Denise.
»Die Erzieherin und vermutlich auch einige Kinder haben Scharlach.«
»Scharlach!«, wiederholte Denise erschrocken. »Nein, Sascha. Wenn du mir dieses Kind nach Sophienlust bringst, werden womöglich alle anderen angesteckt.«
»Aber, Mutti, seit wann bist du so ängstlich? Leonie ist gesund, sonst würde sie im Krankenhaus liegen und ihre Mutter brauchte sich keine Sorgen darüber zu machen, dass sie den ganzen Tag über allein ist. Abgesehen davon musst du doch immer damit rechnen, dass eines der Kinder in Sophienlust krank wird. Sie können sich bei Spielkameraden anstecken, in der Schule. Überall lauert die Gefahr.«
»Das brauchst du mir nicht extra zu sagen. Das weiß ich selbst gut genug«, seufzte Denise.
»Dann nimmst du Leonie auf?«, fragte Sascha. Um Denise den Entschluss leichter zu machen, fügte er hinzu: »Stell dir einmal vor, was es bedeutet, dass dieses fünfjährige Kind den ganzen Tag über allein im Haus ist. Die Nachbarn sind verreist, alle anderen arbeiten, niemand ist zu Hause. Was ist, wenn Diebe einbrechen oder ein Gasrohr platzt? Oder wenn ein Feuer ausbricht oder …«
»Hör auf, Sascha!«, bat Denise. »Ich begreife, dass die Lage schwierig ist. Hat Frau Pöschek denn wirklich niemanden, der auf das Kind aufpassen könnte?«
»Nein, sicher nicht. Sie wäre sonst nicht so verzweifelt gewesen.«
»Gut, dann werde ich Leonie in Sophienlust aufnehmen«, entschloss sich Denise. »Frau Pöschek kann das Kind noch heute herbringen.«
Sascha sah auf seine Armbanduhr und runzelte die Stirn.
»Ich fürchte, für heute ist es schon zu spät. Da Frau Pöschek keinen Urlaub bekommt, müsste sie in der Nacht die Rückfahrt antreten. Nein, ich selbst werde Leonie morgen nach Sophienlust bringen.«
»Du? Hast du denn so viel Zeit? Ich möchte nicht, dass du eine wichtige Vorlesung versäumst.«
»Keine Angst«, beruhigte Sascha seine Stiefmutter.
Nachdem er nun alles zu seiner Zufriedenheit erledigt hatte, eilte er zurück zur Bank, um der Kassiererin den Vorschlag, morgen mit Leonie nach Sophienlust zu fahren, zu unterbreiten.
Sascha hatte angenommen, dass Gerda Pöschek begeistert sein würde, aber die junge Frau zögerte anfangs. »Ein Kinderheim?«, fragte