Dr. Laurin 102 – Arztroman: Was hat mein Bruder dir angetan?
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Über dieses E-Book
Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist.
Dr. Leon Laurin seufzte schwer, als er den Operationssaal verließ. Alle Teammitglieder blickten ihm mitfühlend nach.
»Dieses verrückte Wetter ist schuld«, murmelte Dr. Rasmus. »Wem macht das nicht zu schaffen?«
Die frisch operierte Patientin spürte davon jetzt allerdings nichts. Sie wurde in den Wachraum gefahren. Ihr Gesicht wirkte durchscheinend zart wie Porzellan in seiner Regungslosigkeit.
»Armes Hascherl«, sagte Schwester Marie leise, als sie nach der Patientin schaute.
Bedauernswert war die junge Frau tatsächlich, arm im materiellen Sinne gewiss nicht. Moni Hillenberg füllte im Büro gerade ein Formular aus.
Jennifer Morland, fünfundzwanzig, Notfall, hatte Moni eingetippt, als die Schwerverletzte vor drei Stunden gebracht worden war. Sie war auf die Frauenstation gelegt worden, weil sie schwanger war. Im vierten Monat, schätzte Dr. Laurin nach einer ersten Untersuchung. Aber für das werdende Kind gab es keine Überlebenschance mehr, weil schwerste Blutungen eingesetzt hatten, und besonders dadurch war auch das Leben der Patientin in Gefahr geraten.
Jetzt konnte Moni noch einiges eintragen, denn inzwischen waren die näheren Umstände des Unfalls bekannt geworden – und auch, dass der Ehemann der Patientin, Volker Morland, noch an der Unfallstelle seinen Verletzungen erlegen war.
Dr. Laurin hatte jetzt schon Angst davor, es der Patientin sagen zu müssen, denn schon die Tatsache, dass sie das Kind verloren hatte, war schmerzlich genug.
Aber vorerst wusste sie gar nichts. Und bei der Polizei war nur bekannt, dass der Fabrikant Volker Morland den Unfall selbst verschuldet hatte, denn er war mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit auf teilweise vereister Straße gefahren.
Auf der Chirurgischen Station war das zweite Unfallopfer untergebracht worden, das schuldlos
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Buchvorschau
Dr. Laurin 102 – Arztroman - Patricia Vandenberg
Dr. Laurin
– 102 –
Was hat mein Bruder dir angetan?
Patricia Vandenberg
Dr. Leon Laurin seufzte schwer, als er den Operationssaal verließ. Alle Teammitglieder blickten ihm mitfühlend nach.
»Dieses verrückte Wetter ist schuld«, murmelte Dr. Rasmus. »Wem macht das nicht zu schaffen?«
Die frisch operierte Patientin spürte davon jetzt allerdings nichts. Sie wurde in den Wachraum gefahren. Ihr Gesicht wirkte durchscheinend zart wie Porzellan in seiner Regungslosigkeit.
»Armes Hascherl«, sagte Schwester Marie leise, als sie nach der Patientin schaute.
Bedauernswert war die junge Frau tatsächlich, arm im materiellen Sinne gewiss nicht. Moni Hillenberg füllte im Büro gerade ein Formular aus.
Jennifer Morland, fünfundzwanzig, Notfall, hatte Moni eingetippt, als die Schwerverletzte vor drei Stunden gebracht worden war. Sie war auf die Frauenstation gelegt worden, weil sie schwanger war. Im vierten Monat, schätzte Dr. Laurin nach einer ersten Untersuchung. Aber für das werdende Kind gab es keine Überlebenschance mehr, weil schwerste Blutungen eingesetzt hatten, und besonders dadurch war auch das Leben der Patientin in Gefahr geraten.
Jetzt konnte Moni noch einiges eintragen, denn inzwischen waren die näheren Umstände des Unfalls bekannt geworden – und auch, dass der Ehemann der Patientin, Volker Morland, noch an der Unfallstelle seinen Verletzungen erlegen war.
Dr. Laurin hatte jetzt schon Angst davor, es der Patientin sagen zu müssen, denn schon die Tatsache, dass sie das Kind verloren hatte, war schmerzlich genug.
Aber vorerst wusste sie gar nichts. Und bei der Polizei war nur bekannt, dass der Fabrikant Volker Morland den Unfall selbst verschuldet hatte, denn er war mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit auf teilweise vereister Straße gefahren.
Auf der Chirurgischen Station war das zweite Unfallopfer untergebracht worden, das schuldlos in dieses tragische Geschehen verwickelt worden war, als der schwere, hochtourige Wagen des Fabrikanten auf die linke Fahrbahnseite schleuderte. Es war ein Wunder, dass Lutz Jensen lebte, wenn man die Trümmer seines Cabrios betrachtete, und seine Verletzungen waren nicht einmal lebensbedrohend.
Der linke Arm war gebrochen, ein paar Rippen gequetscht, Schnittwunden an der linken Gesichtshälfte, die stark geblutet hatten, ließen zuerst alles schlimmer aussehen, als es war. Dr. Sternberg konnte feststellen, dass es sich bei dem jungen Mann um einen durchtrainierten Sportler handelte mit einer starken Konstitution und gesunden Organen.
Die Gehirnerschütterung schien auch nicht allzu schwer zu sein, denn er war schon wieder bei Bewusstsein. Er war zwar noch sehr benommen, aber er fragte recht deutlich, was denn eigentlich passiert sei.
Dr. Sternberg erklärte ihm, dass er einen Unfall gehabt hätte und ob er sich daran erinnern könne.
»Nein«, erwiderte Lutz verwundert. »Wo war das?«
Dr. Sternberg schilderte ihm die ungefähre Unfallstelle, wie er es von dem Notarzt wusste, der Lutz Jensen hergebracht hatte.
Er konnte dem Patienten ansehen, wie angestrengt er nachdachte.
»Momentan kann ich mich nicht erinnern«, erklärte er schleppend. »War ich allein im Wagen?«
»Anscheinend, ich weiß es jedenfalls nicht anders.« Dr. Sternberg betrachtete ihn forschend. »Sie kommen nicht aus München«, sagte er beiläufig.
»Noch wohne ich nicht hier. Ich sollte zu einem Vorstellungsgespräch kommen, aber das wird ja nun wohl hinfällig sein. Ärgerlich.«
»Daran können Sie sich erinnern?«, fragte Dr. Sternberg.
»Gewiss, es war wichtig für mich. Sehr wichtig.«
»Nun, Sie sind an dem Unfall nicht schuld, das wird man in Betracht ziehen.«
»Die Stellung ist bestimmt anderweitig vergeben. Ich kenne das.«
»Wo haben Sie sich beworben?«
»Bei Morland & Söhne.«
Dr. Sternberg schrak leicht zusammen.
Das war wieder einmal ein unerklärlicher Zufall, aber er wollte nicht sofort sagen, dass der Unfallverursacher Volker Morland gewesen war.
»Als was haben Sie sich beworben?«, erkundigte er sich stattdessen.
»Als Diplomingenieur.«
»Ich werde dort anrufen und Bescheid sagen, was Ihnen passiert ist«, erklärte Dr. Sternberg.
Ein erstaunter Ausdruck kam in Lutz Jensens matte Augen. »Das wollen Sie tun? Es wird wenig Sinn haben.«
»Vielleicht doch«, erwiderte Dr. Sternberg. »Und vielleicht erinnern Sie sich, wie es zu dem Unfall kam.«
»Ist jemand getötet worden?«
»Ja, der Unglücksfahrer. Seine Frau ist schwer verletzt. Sein Name war Volker Morland.«
Lutz riss die müden Augen noch einmal auf.
»Das darf doch nicht wahr sein!«, murmelte er. Aber dann überkam ihn die Schwäche, und er schlief ein.
Sehr nachdenklich ging Dr. Sternberg hinüber zur Gynäkologischen Station, um sich mit Dr. Laurin über diese beiden neuen Patienten zu unterhalten, die nun auf eine fast fatale Weise in Zusammenhang gebracht werden konnten.
Er ging zuerst zu Moni ins Büro, und die konnte nicht genug staunen, als er sie fragte, ob sie schon die Firmennummer von Morland hätte.
»Die Leute dort sind schon benachrichtigt worden. Der Schwager von Frau Morland wird bald hier sein.«
»Umso besser, ich möchte ihn sprechen.«
»Das macht doch Dr. Laurin«, wandte Moni irritiert ein.
»Mein Patient, Lutz Jensen, wollte zu einem Vorstellungsgespräch zu Morland & Söhne. Ist das ein Zufall oder nicht?«
Moni war momentan sprachlos. »Manchmal kann man sich bloß noch wundern«, sagte sie dann.
Viel anders reagierte Leon Laurin auch nicht. »Ich wundere mich schon über gar nichts mehr. Nun, auf der Straße werden sie ja wohl nicht verabredet gewesen sein«, fügte er sarkastisch hinzu. »Aber bitter für den jungen Mann, dass ihm dadurch vielleicht eine große Chance verbaut wurde.«
»Oder auch nicht, man ist ihm schließlich etwas schuldig.«
»So könnte man es auch sehen. Aber man muss erst einmal abwarten.«
In diesem Moment wurde Sebastian Morland schon angemeldet. Er war sehr blass und sichtlich aufgeregt. Etwas mehr als mittelgroß, schlank, dunkelhaarig und mit einer schmalen, randlosen Brille wirkte er mit seinen dunklen Augen eher wie ein Künstler und nicht wie ein Fabrikant. Aber vielleicht war er das auch nicht. Es musste ja nicht unbedingt sein, dass er auch die Firma vertrat.
»Was ist mit Jennifer?«, fragte er heiser. »Kann ich sie sehen?«
»Sie ist noch nicht bei Bewusstsein. Wir haben sie eben operiert. Die Verletzungen sind als mittelschwer zu bezeichnen, aber das Kind hat sie verloren.«
Sebastian Morland starrte ihn betroffen an. »Ich wusste nicht, dass sie ein Kind erwartet hat«, murmelte er. »Ich bin erst seit drei Tagen aus Spanien zurück und habe sie noch nicht gesehen. Meinen Bruder übrigens auch nicht. Sie waren in der Schweiz, und anscheinend waren sie auf dem Weg zu meiner Schwester.«
Die Ärzte spürten, dass er verunsichert und nachdenklich war. Dann aber fragte er wieder hastig nach den Verletzungen, die Jennifer erlitten hatte.
»Es handelt sich um schwere Prellungen, die auch die Nieren in Mitleidenschaft gezogen haben. Dazu kommt ein Schleudertrauma, die beiden oberen Halswirbel sind in Mitleidenschaft gezogen, dann eine schwere Gehirnerschütterung. Aber die größte Gefahr droht von dem enormen Blutverlust durch die Fehlgeburt. In diesem Stadium ist sie immer gefährlich. Hinzu kommt noch die zarte Konstitution Ihrer Schwägerin.«
Sebastian Morland hatte den Kopf gesenkt. Seine Wangenmuskeln zuckten.
»Und mein Bruder hatte einwandfrei Schuld?«, sagte er gepresst. »Es wurde noch jemand verletzt, habe ich gehört?«
»Ein junger Mann namens Lutz Jensen«, warf Dr. Sternberg ein.
Sebastian hob erstaunt den Kopf. Konsterniert blickte er den Art an. »Dr. Jensen?«, fragte er bestürzt.
»Er sagte mir, dass er sich als Diplomingenieur bei Morland & Söhne beworben hätte. Mich hat es auch verblüfft.«
»Ich habe auf ihn gewartet, sonst wäre ich schon früher gekommen«, sagte Sebastian geistesabwesend. »Ich kann es noch nicht fassen. Es ist tragisch. Ich werde ihn besuchen. Das wird doch gestattet sein?«
»Es wird ihn sicher aufmuntern, wenn Sie ihm sagen würden, dass er die Stellung doch noch bekommen kann«, erwiderte Dr. Sternberg.
»Das ist doch selbstverständlich! Eine merkwürdige Verkettung. Hoffentlich können Sie sein Leben erhalten.«
»Daran besteht kein Zweifel.«