Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

The Creature
The Creature
The Creature
eBook307 Seiten4 Stunden

The Creature

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Jannik gefällt seine Arbeit in der Rechtsmedizin, die Wohnung teilt er sich mit seiner Katze und sein Kumpel Kevin ist für erotische Treffen am Abend stets zu haben. Diese Beschaulichkeit ist jäh vorbei, als eine Brandleiche aus dem Institut verschwindet, ein Mord geschieht und ein mysteriöser Mann in Janniks Leben tritt. Was hat der Fremde mit diesen Ereignissen zu tun und welches Geheimnis umgibt ihn? Nicht nur sein Alltag, auch Janniks Gefühle werden heftig durcheinandergewirbelt.
SpracheDeutsch
Herausgeberdead soft verlag
Erscheinungsdatum2. Nov. 2016
ISBN9783960890461
The Creature

Mehr von Justin C. Skylark lesen

Ähnlich wie The Creature

Ähnliche E-Books

Schwulen-Literatur für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für The Creature

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    The Creature - Justin C. Skylark

    The Creature

    Von Justin C. Skylark

    Impressum

    © dead soft verlag, Mettingen 2016

    http://www.deadsoft.de

    © the author

    Cover Irene Repp

    http://www.daylinart.webnode.com

    Bildrechte:

    © Svetoslav Sokolov – fotolia.com

    © Hektor 2 – fotolia.com

    1. Auflage

    ISBN 978-3-96089-045-4

    ISBN 978-3-96089-046-1 (epub)

    Inhalt:

    Jannik gefällt seine Arbeit in der Rechtsmedizin, die Wohnung teilt er sich mit seiner Katze und sein Kumpel Kevin ist für erotische Treffen am Abend stets zu haben. Diese Beschaulichkeit ist jäh vorbei, als eine Brandleiche aus dem Institut verschwindet, ein Mord geschieht und ein mysteriöser Mann in Janniks Leben tritt. 

    Was hat der Fremde mit diesen Ereignissen zu tun und welches Geheimnis umgibt ihn? Nicht nur sein Alltag, auch Janniks Gefühle werden heftig durcheinandergewirbelt.

    Kapitel 1

    - Wer tot ist, kann nicht sterben, sich aber stärker und härter erheben -

    Ich gähnte, ohne mir die Hand vor den Mund zu halten. Noch war niemand anwesend, der mein Benehmen kritisieren konnte. Mit schlurfenden Schritten näherte ich mich meinem Arbeitsplatz – dem Sektionssaal der Rechtsmedizin. Wie jeden Morgen drückte ich die Lichtschalter nach unten. Es ertönte ein „Pling-pling-pling" und die Neonröhren sprangen mit Verzögerung an.

    Der Geruch von Desinfektionsmittel lag in der Luft. Eine intensive Grundreinigung war in diesen Räumen täglich vonnöten. Obwohl wir nicht mit lebenden Menschen arbeiteten, wurden Hygiene und Sauberkeit großgeschrieben. Mehrmals am Tag desinfizierten wir eigenhändig die Arbeitsflächen, bei extrem blutigen Aktionen kamen zwischendurch die Reinigungskräfte.

    Ich inspizierte jeden Winkel des Raumes und war zufrieden mit dem schimmernden Boden und den funkelnden Tischen. Routiniert bestückte ich die Metallschalen mit den sterilen Sektionsbestecken, die der Chefarzt und seine Kollegen benötigten. Ich war kein Arzt, nur der Obduktionsassistent, die rechte Hand.

    Ich vernahm Stimmen. Kurz darauf öffnete sich die Schiebetür. Zwei Fahrer kamen herein. Sie trugen rote Shirts mit der Aufschrift „Gerichtsmedizin". Ich kannte sie nicht beim Namen, nur von ihrem Erscheinungsbild.

    „Wir bringen jemanden, sagte einer von ihnen. Der andere sah sich gelangweilt um. Noch gab es hier nichts zu sehen. „Regal 6, Brandopfer, unklar ob Suizid oder Fremdverschulden.

    Der Sprechende legte mir ein Klemmbrett mit Formularen auf die Ablage in der rechten Ecke. Einen Schreibtisch gab es hier nicht. Daten wurden mit Kreide an die Tafel geschrieben. Informationen wurden in ein Gerät diktiert.

    Ich hob nur die Hand. „Danke."

    Zehn Minuten später ging die Tür nochmals auf. Dr. Conal Byrne, Leitender Rechtsmediziner der Abteilung, betrat den Raum. Ich konnte mich glücklich schätzen, sein Mitarbeiter zu sein. Von ihm lernte ich. Mit ihm eine Sektion durchzuführen, war faszinierend. Besonders, wenn sich die Todesursache nicht ersichtlich zeigte und wir forschen mussten, manchmal tagelang.

    Meistens kamen jedoch nur lapidare Fälle auf unseren Tisch, wie zum Beispiel die einundneunzigjährige Dame, die am Abend zuvor das oberste Fach in Regal 2 belegt hatte.

    Mit den Verstorbenen erhielten wir Informationen über die Umstände des Ablebens und soweit vorhanden über die Krankengeschichte des Toten.

    Die alte Dame hatte an einer Herzerkrankung gelitten. Sie hatte nach einem erneuten Infarkt in der Kardiologie gelegen. Dort war sie bei einem nächtlichen Toilettengang zusammengebrochen. Der Klinikarzt hatte einen erneuten Gefäßverschluss der Herzarterien vermutet. Man hätte den Fall zu den Akten legen können, doch die Familie der Verstorbenen hatte eine Privatsektion veranlasst, um die präzise Todesursache zu erfahren.

    Wie vermutet, hatte eine verstopfte Koronararterie zu einem Myokardinfarkt geführt. Die Frau hatte einen Herzstillstand erlitten und war mausetot umgefallen. Eigentlich war das ein schöner Tod, aber nur ein schwacher Trost für die Hinterbliebenen.

    Conal schob die Handschuhe von den Händen. An der Eckablage machte er die letzten Notizen. Ich beseitigte das Arbeitsbesteck. Der Brustkorb der alten Dame war zugenäht. Wir hatten eine Schweinerei hinterlassen. Auch an diesen Anblick konnte man sich gewöhnen.

    Eine Autopsie glich einer riesigen Operation. Zwei Rechtsmediziner mussten anwesend sein. Da wir mehrere Obduktionstische hatten, war das kein Problem. Meistens gesellte sich der Assistent Dr. Klein zu uns. Er protokollierte die Messdaten der Organe, bestätigte unsere Untersuchungen, sprach ins Diktiergerät, was wir herausgefunden hatten und segnete später den Papierkram ab.

    Anschließend wanderte die Frau auf den untersten Platz von Regal 2. Daran erkannte jeder, dass die Obduktion abgeschlossen war. Für uns stand die Mittagspause an.

    Das benachbarte Team war mit der Arbeit noch nicht fertig. Auf ihrem Tisch lag der Mann aus Regal 1. Der war vergiftet worden. Jedenfalls sprach seine gerötete Hautfarbe dafür. In seinem Gesicht waren mehrere Äderchen geplatzt. Wahrscheinlich würde die Blutuntersuchung der Vermutung rechtgeben; der Leichnam wurde von Kopf bis Fuß untersucht.

    Conal hatte den Fall der alten Dame abgeschlossen. Er griff sich das Klemmbrett, das seit heute Morgen auf der Ablage lag. Seine Wangen blähten sich geräuschlos auf, umso geräuschvoller ließ er die Luft entweichen. „Puh, ein Brandopfer. Hatten wir lange nicht."

    Er überflog den Text, legte das Klemmbrett zurück. „Wir sollten uns vorher stärken."

    Zum Mittag essen gingen wir in die Kantine des Zentralkrankenhauses, zu dem die Pathologie mit der integrierten Rechtsmedizin gehörte. Dr. Byrne und Dr. Klein trafen sich dort mit Kollegen. Ich wählte einen anderen Tisch. In das Team war ich integriert, aber bei den Fachgesprächen der Ärzte fühlte ich mich fehl am Platz.

    „Mann, o Mann, stöhnte Kevin, der mir in der Pause Gesellschaft leistete. Er schob sein Tablett genervt auf den Tisch. Darauf befanden sich Salat mit Hühnchen, ein Dessert und eine Tasse Kaffee. „Das American Dressing war alle. Musste French nehmen. Ich hasse French!

    Er sprach laut. Einige Leute sahen sich nach uns um. Das war peinlich. „Ist doch nicht so schlimm, beruhigte ich ihn in einem leiseren Ton. „Ich finde, das French Dressing schmeckt hier gut. Kevin zog ein Gesicht. Er war blass. Ich fragte mich, warum er immer den Salat wählte. Mit seiner schlaksigen Figur sollte er mehr Steak essen.

    „Wie war dein Tag bis jetzt?"

    Er zuckte mit den Schultern und präsentierte seinen verbundenen Zeigefinger. „Wie immer. – Habe mich an einer Petrischale geschnitten. Er verdrehte die Augen. Ich sagte nichts. Es war typisch, dass ihm das passiert war. Es verging kaum eine Woche, in dem er keinen Arbeitsunfall zu melden hatte. „Das Team von Dr. Rittmann hat eine Menge Proben geschickt.

    „Ja. Ich stimmte zu. „Die haben einen Vergiftungsfall auf dem Tisch – zumindest sieht es danach aus.

    „Könnte eine Clupeiden-Vergiftung sein. Gewollt oder ungewollt."

    „Oder eine Parathion-Intoxikation. Die geschwollenen Schleimhäute sprechen dafür."

    „Auch möglich. Er aß seinen Salat. Wir schwiegen. Ich checkte mit dem Handy meine Mails, mein Facebook-Konto und die Nachrichten. Irgendwann war die Pause vorbei und mein Sandwich vertilgt. „Sehen wir uns nachher noch?, fragte ich beiläufig.

    „Heute geht …" Er schmatzte beim Kauen. Das störte mich nicht. Ich musste ihn ja nicht heiraten.

    Dr. Byrne und Dr. Klein hatten die Mittagspause vor mir beendet. Als ich unseren Seziersaal betrat, lehnte Byrne an der Eckablage. Dort stand uns ein Laptop zur Verfügung. Wortlos zog ich mir Kittel und Haube an, den Mundschutz klemmte ich mir erst einmal unten das Kinn, die Handschuhe zog ich zögernd an.

    „Machen wir weiter mit der Sechs?", fragte ich. Er nickte. Ich dehnte die Schutzhandschuhe am Ende, so dass der Latex jeden meiner Finger straff umspannte. Daniel, ein anderer Assistent unserer Abteilung, half mir, den Toten aus der obersten Ablage des Regals 6 zu ziehen. Im Gegensatz zu anderen Kühlräumen, standen uns keine Kühlkammern sondern ein offenes, dreistöckiges Lagerungssystem zur Verfügung, das nebeneinander in zehn Abschnitte unterteil war.

    Neue Fälle kamen im Regal nach oben, abgearbeitete Leichen nach unten.

    Bei größerem Andrang konnten wir auf einen Kühlraum im Keller ausweichen. Bei Katastrophen, die viele Opfer mit sich brachten, durften wir das Krematorium der Stadt nutzen.

    Ich sah mir das Etikett von Regal 3 an. Es baumelte am Fuß eines jungen Mannes. Er war einer Messerstecherei zum Opfer gefallen. Noch hatte ihn kein Bestattungsunternehmen abgeholt.

    „Was ist mit Regal vier?", fragte ich.

    Daniel schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung. Die Leiche kam von einer Station … Vermutlich eine normale Sektion bei unklarer Todesursache."

    „Aha. Ich betrachtete die Plätze des Regals fünf. Sie waren nicht beschildert und leer. „Warum haben die Fahrer Regal sechs benutzt, wenn fünf noch frei ist?

    Niemand gab mir eine Antwort. Mit Banalitäten mussten wir uns oft herumschlagen. Doch ging das Gerücht um, dass in Regalreihe sechs nur die schlimmsten Fälle kamen. Ein paarmal hatte sich das bestätigt. Ich dachte an die Frau mit dem abgetrennten Kopf, dem Selbstmörder, der sich vor die Bahn geworfen hatte und nur noch in Einzelteilen angeliefert wurde oder an die Wasserleichen. Die fanden ihren Platz auch in Reihe sechs.

    Ich schob den Plastiksack zur Seite, riskierte einen Blick und hielt die Luft an.

    „Meine Güte …" Reflexartig atmete ich nur noch durch den Mund. Ein unerträglicher Gestank strömte in meine Nase. Verbranntes Menschenfleisch roch nicht wie ein Burger von McDonalds. Mit Hilfe eines Hubwagens bugsierten wir den Toten aus dem Regal auf die Bahre. Ich bedankte mich bei Daniel und schob die Leiche an unseren Arbeitsplatz. Der Verbrannte war groß.

    Die ersten Messungen im Annahmeraum für Leichen hatten ergeben, dass er 1,86 Meter und fünfundsiebzig Kilo schwer war. Geschätztes Alter: fünfundzwanzig bis fünfunddreißig Jahre.

    Als er auf dem Seziertisch lag, konnte ich ihn vollständig betrachten. Sein Gesicht war von Ruß geschwärzt und mit schlimmen Brandwunden gezeichnet. Die typischen „Krähenfüße" um die Augenpartie fehlten, was einen Hinwies darauf gab, dass er mit offenen Augen durch den Rauch gelaufen sein musste. Jetzt waren seine Lider geschlossen. Reste seiner dunklen, langen Haare hingen in Strähnen von seiner geröteten Kopfhaut. Seine Augenbrauen waren verbrannt. Seine Lippen waren blutig. Der Kragen seines Oberteils war zerfetzt. Die Brandverletzungen an seinem Halsansatz stufte ich zweiten Grades ein. An Händen und Füßen – er trug weder Socken noch Schuhe – machte ich Brandblasen aus.

    Dr. Byrne stand neben mir. Gemeinsam blickten wir auf den leblosen Körper.

    „Man fand ihn am Stadt-Ufer des Flusses, komplett durchnässt", las er mir vor, während er auf die Unterlagen in seiner Hand spähte. In der Tat war die Kleidung des Toten noch feucht. Kleine Wasserspuren hatten sich auf dem Tisch gesammelt.

    „Ich glaube nicht, dass er sich angezündet hat." Conal sah mich an, als kannte ich den Hintergrund seiner Aussage. Ich hatte eine Vermutung.

    „Zündet man sich an, möchte man ein Exempel statuieren, man möchte brennen und ein Zeichen setzen …"

    „Genau! Er war meiner Meinung. „Dieser Kerl hier wollte nicht brennen. Er hat versucht, sich zu löschen und ist ins Wasser gelaufen, anschließend ertrunken oder am Ufer elendig krepiert. Näheres werden uns die Lungen verraten. Mit einer Pinzette erfasste er den dunklen Stoff, der am Oberkörper klebte. „Die Kleidung hat sich durch die Hitze zersetzt. Seine Haut konnte nicht mehr atmen."

    „Hypovolämischer Schock?"

    „Vermutlich."

    Conal wendete sich dem Laptop zu. Das tägliche Prozedere begann.

    „Sie können anfangen." Er schob die Brille auf der Nase zurecht, setzte sich und durchblätterte die Aufzeichnungen.

    Ich schnappte mir eine Kleiderschere und durchtrennte die Kleidung des Toten. Für die Obduktion musste er nackt sein. Mein Chef hatte recht. Der Leichnam war nicht vollständig verbrannt. Die zerstörten Hautareale endeten unterhalb der Brust. Seine Kleidung hatte ihn bedingt geschützt. Ich überschlug die Daten in meinem Kopf. Schätzungsweise waren dreißig Prozent des Körpers verbrannt. Bereits ab zehn Prozent stark verbrannter Haut konnte der Zustand ohne intensivmedizinische Maßnahmen für einen Menschen lebensbedrohlich werden.

    Vorsichtig trennte ich den Stoff vom Leib. Eine mühselige Arbeit. Die krustige Haut blieb an den Stofffetzen kleben. Obwohl sein Körper Kontakt mit Wasser gehabt hatte, war er stark verrußt, was nicht ungewöhnlich war, denn Ruß konnte unter bestimmten Bedingungen wasserabweisende Eigenschaften entwickeln. Ich ging langsam vor, um keine Beweise zu zerstören.

    „Also stilbewusst war unser Toter nicht, gab ich bekannt. Mit unterdrücktem Ekel betrachtete ich die faserigen Kleidungsteile, die an das Kostüm einer Vogelscheuche erinnerten. Die Faschingszeit war vorbei. Auch konnte ich mir nicht vorstellen, dass der Verbrannte wie ein Rollenspieler in seiner mittelalterlichen Verkleidung durch die Gegend gerannt war. „Sollte man untersuchen.

    Ich legte die Klamotten in eine separate Ablage. Damit konnten sich die Leute der Forensik auseinandersetzen.

    Nach einer halben Stunde hatte ich die Kleidung entfernt. Der Tote lag entblößt vor mir. Der untere Torso, Oberarme und Oberschenkel zeigten keine schweren Verletzungen, sondern leichte Rötungen. Die restlichen Verbrennungen schienen mit dem Leben nicht mehr vereinbar. Es war kein Wunder, dass er das Zeitliche gesegnet hatte.

    Ich stieß einen Seufzer aus. Der Tote war gut gebaut. Muskelstränge zierten seine Oberarme und seine Schenkel. Er besaß ein schmales Becken, einen trainierten Bauch. Zwischen den Beinen war er gut bestückt. So gut, dass ich länger hinsah. Mich ergriff Neugier, Faszination, ein Hauch der Erregung und das kam selten vor. Die nackten Körper, die sich uns sonst präsentierten, waren alt und oft schlimm zugerichtet. Der Kerl auf dem Tisch war, bis auf seine verbrannte Haut, schön anzusehen.

    Meine Gedanken waren morbide, das wusste ich. Doch da ich in der Rechtsmedizin arbeitete, musste ich zwangsläufig ein gutes Verhältnis zum Tod hegen, ansonsten hielt man in diesem Job nicht lange durch.

    „Irgendwas Auffälliges?" Dr. Klein gesellte sich zu uns. Er sah mich über seine Brille hinweg an. Hatte ich zu sehr gestarrt?

    „Bin mir nicht sicher. Abermals ließ ich meinen Blick über den Toten gleiten. Er besaß keinen Schmuck. Die Taschen seiner Hose waren leer gewesen. Kein Portemonnaie, kein Handy, keine Papiere. Die Lederhose, die er getragen hatte, war mit einem Stoff-Gürtel um seine Taille befestigt gewesen. Eine silberne Gürtelschnalle war das einzige „Schmuckstück an ihm. Auf ihr war ein mir unbekanntes Symbol eingraviert. Mein Chef meinte, es sähe wie eine Rune aus, umringt von Zacken, die an Zähne erinnerten. Eine kurze Suche im Internet ergab, dass es sich bei dem Zeichen um ein altes, nordisches Buchstabensymbol handelte, das wie ein Strich mit Dach aussah.

    An seinem Hals erkannte ich Narben, die unter dem Ruß hervorquollen. Mit einem feinen Pinsel verschaffte ich mir eine bessere Sicht. „Das sollten Sie sich ansehen."

    Conal stand auf, stellte sich neben mich. Zu dritt betrachteten wir die Halspartie unseres „Kunden".

    „Hm. Dr. Byrne grübelte laut. Das tat er nur, wenn er planlos war. „Die Hautdefekte sind verjährt und schlängeln sich um den gesamten Hals herum. Irgendetwas war um seine Kehle befestigt.

    „Ein Seil?", fragte ich.

    Conal schüttelte den Kopf. „Etwas Breiteres, Festeres. Wahrscheinlich eine starre Schlinge, eine Art Halsband." Mit Pinzette und Skalpell entnahm er ein Hautstückchen vom Hals und beförderte es in ein Untersuchungsröhrchen.

    „Für ein kurzfristiges SM-Spiel sind die Narben zu gravierend. Dr. Klein machte Notizen. Ich schluckte betroffen. „Meinen Sie, er wurde festgehalten?

    „Festgekettet wohl eher, wie ein Tier …"

    „Oh …" Unsere Vermutung erklärte die Armseligkeit des Verstorbenen. Offensichtlich war er eine lange Zeit gefangen gehalten worden. Er besaß nichts, als die schäbigen Kleider am Leib. Zustände, die mich erneut ans Mittelalter erinnerten.

    „Aber er konnte sich befreien, mutmaßte ich. „Vielleicht ist er geflohen und zur Strafe hat man ihn angezündet.

    Conal rieb sich das Kinn. „Die Polizei hat uns nur wenige Details liefern können. Wir müssen die Todesursache definieren und einen möglichen Tatvorgang rekonstruieren." Er wollte die verklebten Lider des Toten öffnen, was nicht gelang. Als ich das bemerkte, griff ich zu Kochsalz und Tupfern. Ich löste die Rußpartikel von den Lidern, schob ein Lid vorsichtig nach oben. Der Tote besaß eine ungewöhnliche Augenfarbe. Sie war hellbraun, fast dunkelgelb.

    „Es wird schwierig werden, seine Identität festzustellen. Er hat weder Papiere bei sich, noch werden die Fingerkuppen ein brauchbares Muster liefern", fuhr mein Chef fort.

    Das bedeutete, dass wir auf einen DNA-Abgleich mit der Datenbank hoffen mussten. Angehörige konnte die Polizei wegen fehlender Hinweise nicht ermitteln. Bevor wir anfingen, den Toten zu zerschneiden, nahm der Doc Blut- und weitere Gewebeproben. Danach musste ein Zahnstatus erstellt werden. Der beinhaltete Fotos und Abformungen des Gebisses.

    „Wissen Sie, was ich komisch finde?, fragte ich. Nebenbei rührte ich Gips zusammen. „Warum ist die berühmte Fechterstellung nicht vorhanden?

    Mit dem Kopf deutete ich auf den Verbrannten. Er lag entspannt auf dem Tisch. Normalerweise waren bei Brandleichen die Muskeln durch die Hitze geschrumpft. Daraus resultierte die typische Stellung, die Arme und Beine wie angewinkelt aussehen ließ.

    Conal richtete den Zeigefinger auf mich. „Gut erkannt, Jannik, sehr gut."

    Das Lob ehrte mich, trotzdem fand Conal eine Erklärung.

    „Die hohe Temperatureinwirkung war wohl nur von kurzer Dauer. Er ist nicht vollständig verbrannt und das kalte Wasser hat den Körper entspannt."

    Der Doc nahm eine Spreizzange zur Hand, mit der er die Lippen des Toten beiseiteschob. Wir sahen auf eine außergewöhnliche Zahnreihe, die weniger einem menschlichen Gebiss glich; eher dem eines Raubtiers. Dr. Klein machte Fotos.

    Ich betrachtete die spitzen Eckzähne, die an Reißzähne erinnerten.

    „Sind die echt?"

    „Das werden wir gleich sehen." Conal setzte eine weitere Zange an. Er rüttelte an dem Gebiss. Nichts tat sich. Die Zähne saßen fest. Dr. Klein hörte nicht auf, Fotos zu schießen und unsere Erkenntnisse ins Diktiergerät zu sprechen.

    „Ich habe darüber gelesen, berichtete ich. „Es gibt Menschen, die lassen sich die Zähne extra beim Zahnarzt anspitzen, um wie Vampire auszusehen.

    Dr. Byrne sah mich an, als würde ich spinnen. Er enthielt sich eines Kommentars, betrachtete die Zähne und runzelte die Stirn. „Die Abnutzung des Gebisses sieht natürlich aus." Er schnipste mit einem Finger in meine Richtung. Ich reichte ihm die Gips-Masse samt Abformlöffel entgegen und er fertigte den Abdruck an. Zur Begutachtung musste der Abdruck in die forensische Odontologie. Ich war dabei, die zugehörige Verpackung zu beschriften, als Conals Äußerung mich erschreckte.

    „Himmel!, stieß er hervor. „Das ist ja widerlich!

    „Was? Sofort stand ich neben ihm. Mit einer Zange hielt er die Zunge des Toten. Sie war nicht vollständig. „Ihm fehlt die halbe Lingua.

    „Von Natur aus?"

    „Nein, sie wurde durchtrennt."

    Er ließ das verstümmelte Sprechorgan los, legte die Zange beiseite. „Sowas ist mir noch nie unters Messer gekommen." Er hörte nicht auf, den Kopf zu schütteln. Ich musste ihm beipflichten. Was auf unserem Seziertisch lag, war unglaublich, wenn nicht sogar schauerlich. Und bis ich das behaupten konnte, musste einiges passieren. Dr. Kleins Stimme wurde lauter, als er Details diktierte.

    „Meine Güte, schon so spät! Conal sah aus dem Fenster. Es dämmerte. Nachdenklich fixierte er den Toten. Wir waren mit der Arbeit noch lange nicht fertig. „Wir machen Montag weiter, beschloss er. „Der Fall ist aufwändiger, als ich dachte. Er schob die Bahre heran. Ich half ihm, den Toten vom Tisch zu ziehen. „Meine Frau hat heute Geburtstag, erklärte er. „Und ich habe noch keine Blumen besorgt."

    Da wir mit der Obduktion des Verkohlten noch nicht fertig waren, landete er im mittleren Fach von Regal 6 und wir machten Feierabend.

    Es war Freitagabend. Ich besorgte das Nötigste, um am Wochenende über die Runden zu kommen: Cola, Bier, Fertigpizza, zwei Packungen Nudeln und Kekse. Die S-Bahn war überfüllt, aber ruhig. Jeder Zweite sah in sein Smartphone oder hatte Stöpsel im Ohr.

    Mein Arbeitsplatz war fünf Haltestellen von meiner Wohnung entfernt. Bei gutem Wetter nahm ich das Rad. Ich bewohnte eine Dreizimmerwohnung im Erdgeschoss.

    Zuhause angekommen, fütterte ich die Katze. Sie war ein Überbleibsel der Mieterin, die vor mir in der Wohnung gelebt hatte. Aus Mitleid hatte ich das lebende Inventar übernommen, ebenso wie einige Möbelstücke. „Miez, Miez!", rief ich den dunklen Stubentiger. Als ich mit der Futterpackung raschelte, sprang er aus dem Schlafzimmer. Ich füllte den Napf, schmiss den Ofen an. Kevin hatte sich für 19 Uhr angemeldet. Vorsichtshalber legte ich zwei Pizzen auf das Backblech.

    Er war pünktlich, klingelte. Ich hätte ihm einen Zweitschlüssel geben können, so oft kam er vorbei. Aber wie gesagt: heiraten wollten wir nicht.

    Mit seinem Eintreffen brachte er eine Wolke Aftershave in die Bude. Er war ein Typ, dessen Hose eher in den Kniekehlen saß, als über seinem Hintern. Wie er mir mal berichtet hatte, testete er öfter die neuen Düfte bei Douglas, bevor er mich besuchte. Dachte er, mir würde das gefallen? Dezent öffnete ich das Fenster.

    „Und?"

    „Läuft!" Er ließ sich auf das Sofa fallen, schaltete den Fernseher an und reckte den Hals.

    „Pizza ist gleich fertig." Ich holte Bier und Cola aus der Küche. Einem geruhsamen Abend stand nichts mehr im Wege.

    Wir sahen uns „Krieg der Welten" im TV an, aßen Pizza und tranken Bier. Später tischte ich Knabbereien auf. Als der Film zu Ende war, legte Kevin eine Hand auf meinen Oberschenkel. Das war ein Zeichen, auf das ich mich einließ.

    Er öffnete den Reißverschluss meiner Hose und ich seinen. Unsere Hände gingen auf Wanderschaft. Gegenseitig holten wir uns einen runter. Knutschen taten wir nicht. Wir waren Single, ungebunden. Diese Abende, die wir miteinander verbrachten, lenkten uns von der Einsamkeit ab. Kurz nacheinander erlebten wir unseren Höhenflug. Dicht aneinander gepresst stöhnten wir uns in die Ohren. Danach kehrten wir sofort zum Alltäglichen zurück. Der Spätfilm hatte angefangen. Kevin schloss seine Hose, wischte sich die Hand an einer Serviette ab, knüllte sie zusammen und beförderte sie anschließend auf den leeren Teller. Er räusperte sich und fasste in die Schale mit Erdnüssen.

    Ich hatte mich eingesaut, zog dessen ungeachtet den Reißverschluss hoch mit dem Gedanken, am Samstag Wäsche zu waschen. Ich stand auf, räumte die Teller zusammen.

    „Noch ein Bier?"

    Kevin grinste. Seine Wangen leuchteten. „Kann nicht schaden."

    Am Wochenende stellte ich mir keinen Wecker. Ausschlafen war angesagt. Trotzdem wurde ich vorzeitig wach. Irgendjemand im Haus meinte, an einem freien Tag renovieren zu müssen. Abwechselnd hörte ich ein Hämmern, ein Kratzen und Schaben. Es dauerte Stunden bis Mittag war und die ersehnte Stille einsetzte.

    An Schlaf war nicht mehr zu denken. Ich stand auf, machte Kaffee. Die Katze umkreiste meine Beine und bettelte nach Futter. Sie benahm sich unruhig. Wahrscheinlich hatten sie die ungewöhnlichen Geräusche verunsichert. Flüchtig sah ich mich um. Kevin war weg. Er blieb nur selten über Nacht und ich war froh darüber. Mein Singledasein ließ ich mir nicht nehmen. Ich gestaltete meine freie Zeit unspektakulär, räumte auf, machte die Wäsche, saß vor dem PC und hörte Musik. Gegen Abend setzten die

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1