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Kriminalhauptkommissar Ronny Mittler: Der Nachtwolf
Kriminalhauptkommissar Ronny Mittler: Der Nachtwolf
Kriminalhauptkommissar Ronny Mittler: Der Nachtwolf
eBook269 Seiten3 Stunden

Kriminalhauptkommissar Ronny Mittler: Der Nachtwolf

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Über dieses E-Book

Krankenschwester Friederike findet den Patienten Thilo van der Leuwen erhängt im Treppenhaus der Zentralklinik! KHK Ronny Mittler glaubt nicht an einen Suizid des jungen Segelsportlers. Er setzt die MordermittlerInnen Lena Schösteen und Merle Jörgisdottir auf den Fall an. Durch die Befragung der Wirtin "Lola" Andersen im Vereinslokal BOOTSHAUS fällt der Verdacht auf das Liebespaar Dennis & Carola. Die KommissarInnen glauben nicht an ihre Schuld. Die Zufallsbekanntschaft mit Rentnerin Hilde Bogena führt zu neuen Erkenntnissen. Kurz darauf wird die alte Dame bestialisch ermordet. Indizien sprechen für einen psychisch schwer gestörten Mörder. KHK Mittler bezweifelt, dass ein Einzeltäter verantwortlich ist. Bei der Tätersuche entdecken die Kriminalisten unaufgeklärte Vermisstenfälle, die bis ins Jahr 1947 zurückreichen. Alle Spuren führen zu einem einsam gelegenen Haus. Je näher die Ermittler der Wahrheit kommen, desto mehr schweben sie selbst in höchster Todesgefahr! Der Nachtwolf ist der dritte Fall von KHK Ronny Mittler, der im Ruf steht, spektakuläre Verbrechen wie ein Magnet anzuziehen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum17. Juli 2021
ISBN9783753192734
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    Buchvorschau

    Kriminalhauptkommissar Ronny Mittler - Axel Schade

    Blinddarmdurchbruch.

    „Er kommt zu sich., flüstert Lena Schösteen ihrer Kollegin zu. Merle Jörgisdottir sitzt auf der Fensterbank des Krankenzimmers 611 im 6. Stock der Zentralklinik. Sie schaut auf den künstlich angelegten See vor dem Gebäudekomplex in Georgsheil. „Wie bitte? Was sagtest du? „Der Chef wacht auf! Lena tritt näher an das Bett des Patienten. Zuckende Bewegungen der Augenlider deuten an, Ronny Mittler erwacht aus der Narkose. Merle gesellt sich zu ihrer Kollegin. „Blass ist er., findet sie. „Was hast du erwartet nach der OP? „Stimmt auch wieder.

    Schleichend kehrt Mittlers Körperwahrnehmung zurück. Er hat ein taubes Gefühl im Unterleib. Gemächlich tastet er sich ab. In der Leistengegend berührt die Rechte einen Fremdkörper. Ein fingerdicker Schlauch verschwindet in seinem Bauch. Mit Klebeband und Verbandsmaterial ist er fixiert. Mittlers Kopf dröhnt, wie nach einem Glas Mariacron zuviel am Abend zuvor. Behäbig bewegt er ihn hin und her, öffnet und schließt den Mund. Es löst schmatzende Geräusche aus. Eine Frauenstimme findet den Weg in sein Unterbewusstsein. Sie klingt, wie aus einer fernen Welt.

    „Ob er Durst hat? Mittler dreht sein Gesicht in die Richtung, aus der ihre Worte ihn erreichen. Schemenhaft nimmt er Konturen wahr. Lena holt einen Schnabelbecher vom Nachttischschrank. Sie führt das Gefäß an die Lippen des Patienten. „Hier Ronny. Trink einen Schluck Wasser. Er trinkt mit saugenden Zügen.

    „Darf er überhaupt schon was zu sich nehmen, so kurz nach der OP?, fragt Merle besorgt. „Sicher. Sonst hätte die Krankenschwester es ihm bestimmt nicht hingestellt. „Danke,", krächzt der Kriminalhauptkommissar (KHK) heiser. Lena stellt den Becher zurück.

    Merle drängt sie zur Seite, um zu Mittler zu gelangen. „Da ist er wieder!, freut sie sich und schmatzt dem Patienten einen Kuss auf die Stirn. Im Anschluss gibt sie den Platz für ihre Kollegin frei. „Du kannst einem Schrecken einjagen! Mach das nicht nochmal mit uns!, schimpft Lena. Sie umarmt und drückt ihren Vorgesetzten behutsam.

    „Schluss mit der Gefühlsduselei! Erklärt mir lieber, wie ich hierherkomme! Was ist passiert? „Weißt du das nicht mehr? „Nein. Keine Ahnung. „Du bist im Büro umgekippt. Blinddarmdurchbruch., berichtet Lena. „Kannst von Glück reden, das du nicht alleine warst. Das hätte tödlich enden können! „Blinddarmdurchbruch? Damit erklären sich meine anhaltenden Bauchschmerzen. Nebst anderen Problemchen. Hatte ich seit ein paar Tagen.

    Merle boxt den Hauptkommissar mit geballter Faust gegen den Oberarm. „Problemchen? Du Honk! Wenn ich das schon höre! Typisch Mann! Bloß nicht zum Arzt gehen. Wird schon nichts Großes sein. Hängt sicher nur ein Furz quer! Was von selbst kommt, geht auch wieder, bla, bla, bla! Das sind Machosprüche. Dabei bist du vom Macho so weit entfernt, wie die Sonne von der Erde. Ich verstehe nicht, warum du nichts sagst., schimpft sie. „Was denn? „Na, dass es dir nicht gut geht, zum Beispiel? „Ich dachte, es sind Blähungen. Das ist ein Thema, das ich ungern mit jungen Damen bespreche, Kommissarin Jörgisdottir. „Sicher. Alles klar! Wenn der Papst pupst, steigt weißer Rauch auf! „Jetzt lass den Chef in Ruhe, Merle. Er ist zu geschwächt, um mit dir über Flatulenzen zu diskutieren. „Hahaha!", lacht Mittler und hält sich den Bauch. Die Frauen stimmen in sein Gelächter ein.

    „Wir waren in deiner Wohnung, Ronny. „Oje! Klingt nach Hausdurchsuchung, wenn du das sagst!, scherzt er. Kriminaloberkommissarin Lena Schösteen ignoriert seine Bemerkung. „Wir packten das Notwendigste ein. Sie zählt auf: „Wasch- und Rasierzeug. Zahnbürste. Zahncreme. Waschlappen. Handtücher. Duschgel und so weiter. Merle öffnet eine Schranktür neben dem Bett. „Hier sind deine Klamotten., zeigt sie. „Unterwäsche. Schlafanzug. Jogginganzug. Jeans. T-Shirts. Pullover. Uns ist aufgefallen, du hast ein paar echt schicke Outfits zuhause im Schrank! Die hattest du in der Dienststelle noch nie an. Lena nickt. „Ja wirklich, Ronny, du könntest viel mehr aus dir machen! „Klamottentechnische Typberatung bekommst du von uns gratis. Nutz das doch!, ergänzt Merle. „Kommen bei euch Muttergefühle auf, oder was? Ich mach mich doch nicht zu eurer Anziehpuppe! Mittler lacht aus vollem Hals bei der Vorstellung. „Ach du oller Blödian., kichert Merle und schließt die Schranktür. „Muttergefühle! Also wirklich! Bilde dir mal nichts ein! Lena fügt einen Seufzer ausstoßend an: „Ich bin enttäuscht. Den Hang zu dämlichen Kommentaren entfernte man dir bei der OP nicht. Dabei hatte ich extra darum gebeten!

    Mittler will kontern, da klopft es an die Zimmertür und unterbricht ihre Alberei. Ein Herr in Arztkittel tritt ein. Mit leicht vorgebeugtem Oberkörper und auf dem Rücken verschränkten Armen bewegt sich der Mann mit Trippelschritten zum Krankenbett. Eine pummelige Krankenschwester begleitet ihn. „Moin zusammen., grüßt der Arzt. „Freudiges Gelächter dringt in meine Ohren. Schön. Sehr schön. Lachen ist immer noch die beste Medizin, nicht wahr? Ich diagnostiziere, damit befinden sie sich auf dem Weg der Besserung! Schön. Sehr schön.

    „Moin., antwortet Mittler. „Wenn sie das sagen, Herr Doktor, dann muss es wohl stimmen. Der Kriminalist betrachtet den Mann. Tastet ihn von Kopf bis Fuß mit den Augen ab. Auf 60 Jahre taxiert er ihn. Auf der Nasenspitze jongliert er eine Nickelbrille. Das Modell wirkt aus der Zeit gefallen. Es erinnert an Ex-Beatle John Lennon, der eine Ebensolche trug. Das antike Nasenfahrrad des Professors ist zweifelsfrei vierzig Jahre alt. Annehmbar, dass er die Brille bereits als Student besaß. Der Arzt schaut aus braunen Augen in die Welt. Darüber wuchern dichte buschige Brauen. Von seinem eckigen Schädel stehen in sämtliche Richtungen graue Haare ab. Sie schreien nach Kamm, Bürste und professioneller Behandlung. Die eigenwillige Frisur erinnert Ronny Mittler an einen geplatzten Kanarienvogel. Und an den britischen Premierminister Boris Johnson, was kaum einen Unterschied ausmacht. Am Hals des Doktors baumelt ein Stethoskop. Sein Arztkittel reicht ihm bis zu den Füßen, was unter Umständen daran liegt, dass der gute Mann kaum größer wie 1,65 m ist. In der Brusttasche stecken 4 Kugelschreiber! Darüber prangt ein silberfarbenes Namensschild.

    ZENTRALKLINIK GEORGSHEIL

    Prof. Dr. med. H. Harr

    „Ich darf mich vorstellen., leitet er seine Präsentation ein. „Harr, lautet der werte Hintername. Vorne heißt es Hermann. Macht zusammen Hermann Harr. Professor Doktor med.. Elegant deutet er eine Verbeugung an. „Ich leite diese Station. Hilfreich zur Seite steht mir meine Perle Oberschwester Ulrike Kill. Wo steckt sie?"

    Die pummelige Frau hält sich bis zur Namensnennung hinter ihm auf. Nun tritt sie aus seinem Schatten. Zu der Zeit wo Harr das Hohelied über Perle sang, verzog die Gelobte nicht ansatzweise ihre Mine. Als ginge sie sein Geschwätz nicht das mindeste an ignorierte sie es. Keine Gefühlsregung war in ihrem Mondgesicht abzulesen.

    „Moin" grüßt sie mit rauer Stimme. Mehr trägt sie nicht zum Gespräch bei. Unaufgefordert macht sie sich nützlich. Überprüft medizinische Gerätschaften. Schaut hier. Kontrolliert dort. Gibt sich geschäftig.

    „Oberschwester Ulrike ..., gute Seele der Station!, nuschelt Professor Harr grübelnd. „Ich wüsste nicht, wie der Laden ohne sie funktionieren sollte! Er lacht zweimal kurz hintereinander, was dem Kläffen eines Hundewelpen ähnelt. Mittler erkennt keinen Witz und wundert sich. „Ulrike., näselt der Doktor wiederholt. „Gute Seele. Wie gesagt. Schön, schön.

    Dr. Harr zieht Mittlers Patientenblatt aus einem Kästchen, das am Bett angebracht ist und murmelt: „Die jungen Damen verlassen jetzt bitte das Zimmer. Patientenschutz, Datenschutz und dergleichen. Sie verstehen? Wie gesagt. Schön, schön. Auf Wiedersehen. Die angesprochenen Kommissarinnen schauen sich vielsagend an. Lena winkt ihrem Chef lächelnd zu. „Bye-bye. Wir gehen dann mal. Morgen besuchen wir dich wieder Ronny. Mach es gut. „Mach es besser!, schließt sich Merle an. „Tschüss ihr zwei. Danke für alles. Bei der Zimmertür dreht sich Merle um. „Mir fällt gerade ein, sollen wir irgendetwas mitbringen? „Ja gerne! Wenn möglich, das neue Lustige Taschenbuch. „Okay, geht klar." Die Frauen verlassen das Zimmer.

    „Sie schmökern Comics?, erkundigt sich Professor Harr. „Ja. Ein Überbleibsel aus der Kindheit. Hinübergerettet in die Erwachsenenwelt. „Aha! Schön. Sehr schön. ... Nett. ... Ein Rudiment der Vergangenheit und dergleichen. ... Ein Hobby ... wie Modelleisenbahn. ... Nur zum Lesen. Schön. Schön. Wie gesagt." Weiter äußert sich Professor Doktor Harr nicht zu Comics, Kindheit und Reliquien. In Gedanken versunken studiert er das Patientenblatt.

    Obwohl Modellbau zu Mittlers Hobbys zählt, greift er das Thema nicht auf. Es drängt ihn zwar, profunde Sachkenntnis kundzutun, aber der Mediziner macht nicht den Eindruck, des passenden Gesprächspartners. Doktor Hermann Harr führt ein Arztgespräch. „Face-to-Face-Kommunikation., tituliert er die Konsultation. „Darauf hat ein Privatpatient Anspruch. Wie gesagt! Ein Fachgespräch und dergleichen. Von Arzt zu Patient. Wie es sich gehört! Schön. Schön. ... Nun denn. Ein Blinddarmdurchbruch ist die Eskalation einer Blinddarmentzündung. Der Wurmfortsatz platzt. Der Darminhalt gelangt in die Bauchhöhle. Das kann zum Exitus führen!

    Bildhaft doziert Professor Harr über die fachgerechte Entfernung des Blinddarms. Mittler, der es gar nicht so detailliert wissen möchte, denkt zur Ablenkung ganz fest an Donald Duck, Modelleisenbahnzüge und Einhörner, die mit Delfinen schwimmen.

    Der Erhängte.

    „Hallo? Herr Mittler? Krankenschwester Friederike steht am Bett des Kommissars und stupst ihn an der Schulter. „Bitte wachen sie auf.

    Friederike stellte sich ihm vor, wo sie ihren Nachtdienst antrat. Eine zierliche Person mit schwarzem Zopf. 1,65 m groß. 25 Jahre alt. Eine Weile unterhielten sie sich. Später servierte sie Abendbrot. Erklärte, wie das TV-Gerät bedient wird. Koppelte sein Smartphone mit dem Ladegerät. Friederike ist freundlich, hilfsbereit, höflich, eifrig, andernteils schüchtern und kindisch.

    „Was ist denn?, murmelt der aus dem Tiefschlaf gerissene. „Können sie ganz schnell mitkommen? „Was? Jetzt? „Bitte. Herr Mittler! „Wie spät ist es? „3 Uhr 10. „Oh je. Ich hoffe, es gibt plausible Gründe mich zu wecken! „Da ist ein Toter.

    Der Kriminalhauptkommissar glaubt, nicht richtig zu hören. Augenblicklich ist er hellwach. „Was?"

    „Ein Mann. Ein Patient. Er hat sich erhängt! „Wo? „Im Treppenhaus! Kommen sie. Ich zeige es ihnen., drängt Friederike. Fahrig zieht sie ohne Vorwarnung die Bettdecke weg. „Ich helfe ihnen beim Aufstehen. Vor dem Bett steht ein Rollstuhl. „Sie haben an alles gedacht!, wundert sich Mittler und richtet sich mit ihrer Hilfe auf. „Ich weiß doch, dass sie nicht gut gehen können, so kurz nach der OP.

    Schwester Friederike steuert den Rollstuhl auf den Flur und schlägt den Weg zum Treppenhaus ein. Vor der Glastür zum Hausflur stehen drei Verkaufsautomaten. Süßwaren. Limonade. Heißgetränke. Es ist dermaßen still im Haus, das man ihre Aggregate summen hört. Im Moment, wo sie daran vorbei kommen, erfasst sie ein Bewegungsmelder. Automatisch schwingt die Glastür auf. Friederike schiebt den Rollstuhl im Treppenhaus an die Brüstung.

    „Sehen sie?" Die Krankenschwester zeigt auf ein Seil. Es ist am Handlauf des Treppengeländers verknotet. Ein Kletterseil, schießt es Mittler durch den Kopf, wo er das blau-schwarz gefärbte Kunststoffseil erblickt. Der Strick ist mehrmals um das Geländer gewickelt und mit Knoten befestigt. Das übrig gebliebene Seilende bildet auf dem Boden einen kleinen Haufen.

    Mittler erhebt sich mit Friederikes Hilfe aus dem Rollstuhl, um ins Treppenhaus hinabzuschauen. 5 bis 6 Meter entfernt hängt ein Mann am Ende des Seils. „Das ist Thilo van der Leuwen., wispert Schwester Friederike dem Ermittler ins Ohr. „Sie kennen ihn? „Ja. Er ist Privatpatient von Doktor Harr. Zimmer 609."

    Der Körper des Erhängten schwingt sanft. Dreht sich in mäßigem Tempo um die eigene Achse. Verantwortlich ist ein Luftzug, der durch das sechs Stockwerke tiefe Treppenhaus zieht. Der Kopf des Toten ist auf die Brust gesackt. Nach Mittlers Erfahrung spricht dies für einen Genickbruch. Der Verstorbene hat schwarze Haare. Bekleidet ist er mit einem blauweiß gestreiften Schlafanzug. Der rechte Arm ist in Höhe des Handgelenks eingegipst. Am linken Fuß trägt er einen Hausschuh mit Schachbrettmuster. Der andere Fuß ist nackt. Den fehlenden Pantoffel sieht Mittler nirgends. Mehr gewahrt der Hauptkommissar nicht. Das Alter des Toten ist aus dieser Warte nicht einzuschätzen, weshalb er Friederike fragt. „Ich glaube, er ist 20.", antwortet sie flüsternd.

    Dem Kriminalhauptkommissar werden die Knie weich. Ihm schwindelt. Er zittert vor Anstrengung. Vor seinen Pupillen tanzen silberne Sternchen. Die aufrechte Position ist strapaziös, obwohl er sich auf dem Geländer abstützt. Friederike hilft ihm in den Rollstuhl. Mittler ist froh, wo er wieder sitzt.

    „Was machen wir nun?, fragt die Krankenschwester. „Die Polizei holen. Was sonst? Schildern sie den Vorfall. Melden sie ihren Vorgesetzten, was passiert ist. Und sorgen sie bitte dafür, dass keiner auf die Idee kommt, den Toten abzuhängen. Das bewerkstelligen meine Kollegen. „Und was machen sie? „Ich? Ich lege mich wieder ins Bett. Wo ich hingehöre.

    Suizid?

    „Herein!, ruft Mittler. Doktor Albert Meyer tritt ein. Er stellt seinen Tatortkoffer, den er beständig bei sich trägt neben den Nachtischschrank und reicht dem Patienten die Hand. „Na, du alte Runkelrübe, was machen Sachen?, grüßt der Gerichtsmediziner seinen besten Freund. „Ich hole Kinderkrankheiten nach! Das machen Sachen! „Aha. So lautet deine Ausrede! Du drückst dich doch vor der Arbeit. Gib´s zu., lacht der Pathologe. Er zieht einen Stuhl ans Bett, lässt sich darauf fallen. „War in der Gegend. Dachte, schau mal bei Ronny rein. Wie geht´s, alter Kumpel? „Ist gerade noch zu ertragen. Danke der Nachfrage!

    Meyer und Mittler sind seit der Kindheit Freunde. Sie begegneten sich erstmals in der 5. Klasse des Gymnasiums von Waldgrund, ihrer Heimatstadt. Nachdem es Ronny beruflich an die Nordseeküste verschlug, besuchte Albert ihn dort. In diesem Urlaub lernte er eine Frau aus Mittlers Bekanntenkreis kennen und lieben. Es dauerte sechs Monate, da verlagerte Meyer seinen Lebensmittelpunkt ebenfalls nach Ostfriesland.

    „Du kannst von Glück reden, das Merle und Lena bei dir waren! Wenn der Blinddarmdurchbruch zuhause passiert wäre, ... ich will lieber nicht darüber nachdenken. „Ja, ich verdanke den Mädels viel. Zeige mich erkenntlich, sobald ich aus dem Krankenhaus komme. Ich lade sie zu einem todschicken Essen ein. „Das klingt nett. Darüber freuen sie sich. Ein paar Tage bleibst du aber noch unter Beobachtung. Schone dich. Werde gesund."

    „Du bist beruflich in der Klinik, richtig? Wegen des Erhängten im Treppenhaus. Der Gerichtsmediziner ist sichtlich überrascht. „Du weißt davon? Wie das? „Ich sah den Toten vergangene Nacht. Die Stationsschwester weckte mich deswegen. Sie fand ihn. „Alter Schwede! Langsam wirst du mir unheimlich! Am Ende stimmt der Flurfunk noch ...? Hast du doch einen Magneten in der Tasche, der Todesfälle anzieht? „Sicher hab ich einen! Was denkst du denn? Der Schlingel zeigt sogar die Richtung an. Genau an dieser Stelle sitzt er!" Mittler tippt mit dem Zeigefinger auf die Bettdecke in Höhe seines Geschlechtsteils. Sie lachen.

    „Jetzt im Ernst, Albi. Was ist los? Haben wir einen Fall? „Ich weiß es nicht. Muss die Leiche auf dem Tisch haben, bevor .... „Ja, ist klar, ich kenne den Spruch., unterbricht Mittler. „Was kannst du inoffiziell sagen? Dein erster Eindruck? „Na hör mal! Du gehst ja ran. Stehst schon wieder auf dem Gaspedal. Du bist krank, Mann. Sollst dich nicht damit beschäftigen, sondern gesund werden! Ich verweigere die Aussage!"

    Es klopft. Lena und Merle betreten das Zimmer. „Moin Ronny!, zwitschern sie aus einem Mund. „Wie geht es dir heute?, erkundigt sich Lena. „Danke der Nachfrage, ganz gut. „So blass wie gestern bist du nicht mehr., bemerkt Merle. Sie reicht Mittler eine Papiertüte. „Hier. Deine Bestellung."

    „Ich wette 500 Euro, es ist ein Walt Disney Lustiges Taschenbuch! Stimmts? Hab ich recht?, meldet sich Meyer. „Bitteschön. Sieh selber nach. Mittler reicht ihm die Tüte. „Aber die Kohle bekomme ich, wenn du falsch liegst! „Klar. Wettschulden sind Ehrenschulden!, versichert sein Freund und zieht den Inhalt heraus. „Wusst ich´s doch!, triumphiert er, das Comicbuch in der Luft schwenkend. „Wann wirst du eigentlich erwachsen, Ronny? „Bevor ich so eine Spaßbremse, wie du werde? Dann nie!, lacht der Hauptkommissar. „Spaßbremse! Das ist mein Stichwort! Ich muss los. Sachen machen! Meyer steht auf. Reicht Mittler die Hand. „Mach´s besser, alter Freund. Ich halte dich auf dem Laufenden. Smartphone hast du? Ich erreiche dich, wie gewohnt? „Ja. Alles an Bord. Danke für den Besuch. Lass dich bloß nicht nochmal bei mir blicken und frohes Sachen machen! „Tschüss die Damen und tschö mit Ö alter Sack.", verabschiedet sich Meyer und rauscht aus dem Krankenzimmer.

    „Wer euch zuhört, denkt, er hätte zwei Minderbemittelte vor sich., grinst Lena und führt die Scheibenwischergeste aus. „Man merkt, das ihr alte Freunde seid. Kein normaler Mensch versteht euer Sachenmachen Gelaber.

    Merle gähnt. „Spät ins Bett gekommen?, erkundigt sich Mittler. „Nein. Zu früh raus. „Warum? „Wegen des Toten im Treppenhaus! Von dem du selbstredend längst weißt, wie wir von Schwester Friederike erfuhren. Du hast den Leichnam als erster besichtigt. „Erwischt! Zwar aus einiger Distanz, aber ja. Was wisst ihr über den Verblichenen? Irgendwelche Erkenntnisse?"

    Lena kramt ihr Notizbuch aus der Tasche. Ein für sie wichtiges Arbeitsutensil. Merle macht darüber Witze. Nennt es uncool oder Oldschool. „Warum benutzt du nicht dein Smartphone?, fragte sie kopfschüttelnd und erklärte: „Das hat eine Memofunktion und einen Rekorder. Du kannst schreiben oder diktieren. Keine Ahnung, aus welchem Grund du dir die Mühe mit der Kladde machst. Lena antwortete: „Ich traue Handys nicht. Dauernd hört man von Datenklau. Das Notizbuch habe ich lieber."

    Lena schaut Mittler an. „Eigentlich wollten wir dir nichts sagen. Weil du krank bist und Ruhe benötigst. Andererseits konnten wir uns an fünf Fingern abzählen, dass du fragst. Erst recht, da du Wind von der Sache bekommen hast. Sie öffnet die Kladde und liest: „Bei dem Verstorbenen handelt es sich um Thilo van der Leuwen. 20 Jahre alt. BWL Student. Einzelkind. Sohn des Volkmar van der Leuwen und Gattin Griselda, geborene Baroness von Siegtal. Schwerreiche Familie. Inhaber diverser Firmen der Baubranche. Das sind die sogenannten Bau-Leuwen, Ronny. Ihnen gehören Handwerkermärkte. Darunter ein Baustoffhandel, ein Betrieb für Hoch- und Tiefbau sowie die Firma AruH - Alles rund ums Haus. Darin beinhaltet sind Dachdeckerbetrieb, Schreinerei, Fensterbau und Glaserei.

    „Kenne ich! Habe im Frühjahr fünf neue Fenster von AruH einbauen lassen. Das Dach meiner Garage erneuerten sie ebenfalls. Solides Unternehmen. Verlässlich. Gut organisiert. Preiswert und akkurat!"

    „Thilo lag hier auf der Privatstation., sagt Lena. „Zwei Türen weiter. Zimmer 609. „Weshalb war er im Krankenhaus?, erkundigt sich Mittler. „Ich sah einen Gips an seinem rechten Arm.

    „Nichts Schwerwiegendes. Fraktur des Handgelenks. Interessant ist allerdings der Grund, der zum Bruch führte. „Ah ja? Der da wäre? „Schlägerei im BOOTSHAUS. Das Vereinslokal des Yacht & Segelsportvereins in Norddeich am Hafen. Thilo ist 1. Vorsitzender der Jugendabteilung. Er ist Segler. Mehrfacher Landesmeister seiner Bootsklasse. Seit zwei Jahren gehört er zum Olympiakader. Der hatte was drauf. „Lass mich raten, Lena. Gehe ich recht in der Annahme, der Zoff drehte sich nicht um den Segelsport? „Volltreffer. Der Kandidat hat hundert Punkte! Wir haben den Klassiker des Knatsches unter Männern. Bei dem Streit ging es um eine Frau! Genaueres wissen wir noch nicht. „Wurde Anzeige erstattet? Kontrolliert bitte, ob es eine Akte gibt. Lena trägt es ein, dann klappt sie ihr Notizbuch zu. „Das war´s vorerst. Was sagst du zu der Sache, Ronny?"

    „An Suizid glaube ich nicht. Ich gehe von Mord aus! „Echt? Wie kommst du zu diesem Schluss?, wundert sich Merle. „Mehrere Anzeichen machen mich stutzig. Zum Beispiel das Seil, an dem der junge Mann hing. Woher hatte er es? Kein normal tickender Mensch nimmt ein solch spezielles Seil mit

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