Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

HAUPTKOMMISSAR RONNY MITTLER: Unter einem Schleier
HAUPTKOMMISSAR RONNY MITTLER: Unter einem Schleier
HAUPTKOMMISSAR RONNY MITTLER: Unter einem Schleier
eBook296 Seiten4 Stunden

HAUPTKOMMISSAR RONNY MITTLER: Unter einem Schleier

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Im September 2020 findet ein Pilzsammler ein Skelett im Wald. Die Gerichtsmedizin stellt fest, der Mann verstarb an den Folgen einer Schussverletzung. Der Rentner Tido Feld meldet sich als Zeuge. Er konfrontiert Hauptkommissar Ronny Mittler mit einem 58 Jahre zurückliegenden Verbrechen, von dem die Öffentlichkeit nie erfuhr.
Zu Beginn der 1960er-Jahre erscheint in Waldgrund ein Prediger, der das Vertrauen der Einwohner gewinnt. Bald verändern sich die Menschen und wirken fremdgesteuert. Schreckliche Ereignisse häufen sich. Feuersbrünste brechen aus. Ein Pastor stirbt im Flammenmeer. Personen verschwinden. Die Arbeitskollegen Tido Feld und Hubert Becker sind nicht von Veränderungen betroffen. Sie fühlen sich wie unter Fremden. Bei Recherchen stoßen sie auf immer mehr Fragen. Wer sind die "Beobachter"? Was geschieht im "Refugium der Wahren Gläubigen"? Wozu dient eine mit okkulten Objekten dekorierte Geheimkammer? Welche merkwürdigen Vorgänge geschehen in der historischen Wassermühle? Was hat ein außergewöhnlich dünner Mann dort zu schaffen? Gibt es eine Verbindung zwischen ihm und dem Prediger? Sind die Vorkommnisse einer "Höheren Macht" zuzuschreiben? Steckt ein von Menschen erdachtes Geheimnis dahinter? Tido und Hubert entlarven eine Verschwörung, deren Dimension kühnste Spekulationen übertrifft.

Zitat Tido Feld: "Wollte ich sprechen, weinen, schluchzen, um Hilfe flehen, wimmern wie ein Säugling, es gelänge nicht. Die Steuerung ist fremdbestimmt durch eine unsichtbare Macht! Ich fühle mich wie mit Stricken gebunden! Zum Zuhören und Sehen gezwungen. Zielgerichtet auf den Redner und das, was er von sich gibt. Das Entsetzen, welches ich empfinde, entfacht der schaudervolle Klang seiner Sprachfärbung."
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum25. Nov. 2020
ISBN9783752923353
HAUPTKOMMISSAR RONNY MITTLER: Unter einem Schleier

Mehr von Axel Schade lesen

Ähnlich wie HAUPTKOMMISSAR RONNY MITTLER

Titel in dieser Serie (2)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Polizeiverfahren für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für HAUPTKOMMISSAR RONNY MITTLER

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    HAUPTKOMMISSAR RONNY MITTLER - Axel Schade

    Der Artikel.

    Am Montag 28. September 2020 berichtet der Waldgrunder Bote:

    Rätselhaftes Skelett im Bärenwald!

    Ein Pilzsammler entdeckte vergangenen Sonnabend ein Skelett in einem Dickicht im Bärenwald. Es handelt sich um einen 50 bis 70-jährigen Mann mit einer Körpergröße zwischen 160 und 170 cm. Trotz der Liegezeit von 50 bis 60 Jahren konnte die Todesursache bestimmt werden. Aufgrund des Auffindens einer Pistolenkugel steht fest, der Mann starb an den Folgen einer Schussverletzung. Diese Annahme untermauert ein Einschussloch in seinem Rucksack, den die Polizei unter den persönlichen Gegenständen des Toten fand. Außerdem sicherte man einen Anhänger an einer silbernen Kette. Dargestellt ist die Gestalt des „Cernunnios, eine Wiedergabe des keltischen Gehörnten Gottes. Das Amulett steht für Stärke, Männlichkeit und Fruchtbarkeit. Im Übrigen entdeckte man Überbleibsel eines Buches mit dem Titel „Magische Sprüche. Die Identität des Verstorbenen ist ungeklärt. Um Mithilfe der Bevölkerung wird gebeten.

    Der Zeuge.

    Ein Rentner meldet sich auf den Zeitungsartikel telefonisch bei der Polizei. „Herr Mittler, das ist was für sie! Reden sie mit dem Alten., weist Revierleiter Edwin Kern den Hauptkommissar an. „Der alte Knacker wollte nicht sagen, worum es geht. Bestimmt ein Wichtigtuer! Kern verspürt nicht die geringste Lust auf einen Besuch des Seniorenheims. Babys und alte Leute mag er nicht. Soll „die Aushilfe" mit dem Tattergreis reden. Vermutlich hört der olle Sack schwer, sabbert beim Sprechen und ist senil. Kennt man ja sowas. Revierleiter Edwin Kern hat keinen Kontakt zu älteren Mitbürgern, wohl aber eine voreingenommene Meinung.

    Der Kriminalhauptkommissar.

    Bei der Mordkommission hält sich das Gerücht, in Ronny Mittlers Besitz befände sich ein Magnet, der außergewöhnliche Kriminalfälle anzieht! Schaut man seine Fälle an, finden sich aus dem Rahmen fallende! Zuletzt klärte er den Tod einer Schülerin auf, die man tot in der Dusche einer Jugendherberge fand. Die zum Tod führenden Umstände waren bizarr, wie eine Fülle zutage tretender Hintergründe. Bedingungslose Liebe des Mädchens zu einer Person führte zu ihrem Ableben. Todesfälle bei denen Ronny Mittler ermittelt, sind nicht alltäglich. Oft stellen sie sich makaber dar. Indes zieht er ungewöhnliche Verbrechen nicht mit einem Magneten an! In der Tat finden sonderbare Fälle den Hauptkommissar! Der Folgende ist dafür beispielhaft. Im Rahmen der Amtshilfe verschlägt es Ronny Mittler von Ostfriesland in seine alte Heimat Waldgrund. Sein Einsatz konfrontiert ihn mit einem Verbrechen, das vor 58 Jahren geschah. Der Fall ist in vielerlei Hinsicht speziell und eng mit seiner Familiengeschichte verknüpft. Mittlers Recherche beschränkt sich darauf, den Ausführungen eines Zeugen zuzuhören!

    Im Seniorenheim.

    Ronny Mittler betritt die Seniorenresidenz „Sommer. Eine liebenswürdige Empfangsdame begrüßt ihn. „Guten Morgen. Mein Name ist Angelika Melker. Was kann ich für sie tun? „Moin. Hauptkommissar Mittler. Ich möchte Herrn Tido Feld sprechen. „Ja, einen kleinen Moment. Da schaue ich kurz nach ...., verkündet die Rezeptionistin und checkt den PC. „Ich sehe, sie sind angemeldet! Dann darf ich sie bitten, hier die Hände zu desinfizieren. Sie zeigt auf einen Flüssigkeitsspender. Mittler folgt ihrem Wunsch. Mit der Rechten betätigt er den Hebel der Pumpe. Bläulich schimmerndes Desinfektionsmittel fließt in seine Linke, die er darunter hält. Sorgfältig verreibt er das Mittel. Angelika Melker beobachtet den Vorgang mit Argusaugen. Im Anschluss erläutert sie „die durch Corona bedingten Schutzmaßnahmen in unserer Seniorenresidenz. Nach der Belehrung entlässt sie ihn mit den Worten: „Sie treffen Herrn Feld im blauen Besucherzimmer. Bitte behalten sie ihren Mund-Nase-Schutz auf. Hier entlang, bitteschön. Sie drückt einen Knopf. Es summt. Klacken verrät, die gläserne Zugangstür zum Wohnheim ist entsperrt. Im Knast ist es ähnlich, denkt Mittler. Frau Melker zeigt mit dem Finger voraus: „Gehen sie den Gang bis zum Ende. Es ist der letzte Raum auf der rechten Seite.

    Ein auf die Tür geklebter blauer Punkt ist der einzige Hinweis, auf das „blaue Besucherzimmer". Darin findet sich rein Garnichts dieser Farbe. Mittler nimmt am Tisch Platz. Er ist allein. Vor ihm stehen Tassen, Milchkännchen, Zuckerdose. Auf einer Thermoskanne in der Tischmitte klebt ein Pflaster. Darauf steht mit schwarzem Filzstift geschrieben Kaffee. Mit Schwung öffnet die Tür. Ein alter Mann wird im Rollstuhl ins Besucherzimmer geschoben. „Guten Morgen!, grüßt seine Altenpflegerin säuselnd. „Hier haben wir den Herrn Feld! Der Senior schweigt. „Moin., antwortet Mittler ostfriesisch knapp und steht auf. „Bitte sitzenbleiben! Co-ho-rona!, tiriliert die Frau im weißen Kittel. Sie schiebt den Rollstuhl an den Tisch. Der Alte sitzt dem Hauptkommissar gegenüber, verzieht keine Mine. „Dann lasse ich sie mal alleine. Bitte dran denken! Abstand halten! Maske tragen! Lieber ein Stück Stoff vor dem Mund als einen Zettel am Zeh, sage ich immer, hahaha!, trillert die Pflegekraft bester Laune beim Verlassen des Raums. „Nehmen sie den Lappen ab. Ich will sehen, mit wem ich es zu tun habe., fordert Tido Feld, kaum das sie aus der Tür hinaus ist. „Ich weiß nicht, ... ob das eine gute Idee ist?, zögert Ronny Mittler. „Ach was. Mumpitz! Runter damit! Der betagte Herr spricht mit fester Stimme. Der Hauptkommissar erweist ihm den Gefallen. Tido Feld betrachtet ihn. „Wegen mir können sie den Fetzen ablassen. Ich lege keinen Wert drauf. Oder sind sie ansteckend? „Nein. „Na bitte! Ich auch nicht. Damit ist die Bekleidungsfrage geklärt. Fangen wir an. „Gut. Kommen wir zur Sache., erwidert Mittler vergnügt. Der alte Herr ist amüsant. Er legt dem Senior seinen Dienstausweis vor. „Mein Name ist Ronny Mittler. Ich bin Kriminalhauptkommissar. Daneben platziert er eine Kopie. „Sie meldeten sich aufgrund dieses Zeitungsartikels als Zeuge. Was haben sie dazu zu sagen? Feld ignoriert Kopie sowie Frage. Stattdessen greift er zum Dienstausweis. „Mittler. ... Ronald. ... Sagten sie nicht Ronny? „Das ist mein Rufname. „Aha! Geboren 1979., murmelt der Greis. „Ist ihr Vater Richard Mittler? Der Hauptkommissar stutzt. „Nein. Mein Vater heißt Rainer. Richard Mittler war mein Großvater. Woher kennen ...? Feld unterbricht ihn. „Ja! Ich kannte ihren Opa. Feiner Kerl. Hat eine Menge hiermit zu tun ...! Der Alte tippt mit dem Zeigefinger auf die Kopie des Zeitungsartikels. „Wie? Ich verstehe nicht? „Werden sie, junger Mann. Nur Geduld. Mit wachen Augen forscht der Pensionär in Mittlers Gesicht. „Haben sie Zeit, Kommissar? Denn was ich zu berichten habe, braucht eine Weile. „Ja, die habe ich. Sie machen mich neugierig. Fangen wir mit dem Zeitungsartikel an. Was gibt es dazu zu sagen? „Jede Menge, das können sie mir glauben!, verspricht er. „Ich nehme unser Gespräch auf. Einverstanden? „Von mir aus gerne! Ich habe nichts zu verbergen. Mittler startet ein MP3 Aufnahmegerät. „Hauptkommissar Ronny Mittler im Gespräch mit Herrn Tido Feld. Es ist Donnerstag, der 01. Oktober 2020, 10 Uhr 02. Bitte Herr Feld. Sie haben das Wort.

    „Ich bin Tido Feld, 89 Jahre alt. Dies ist meine Geschichte! Es ist die wahrheitsgemäße Erzählung der Ereignisse, die 1962 in der Ortschaft Waldgrund geschahen. Als Tatzeuge berichte ich über Gewaltverbrechen, von denen die Öffentlichkeit nie erfuhr! Im Winter des Lebens stehend, ist es für mich an der Zeit, nicht länger jene entsetzlichen Vorkommnisse zu verschweigen. Mögen die Erlebnisse der Nachwelt zur Warnung dienen, um daraus Lehren zu ziehen! Ich breche mein Schweigen, da die Person, deren todbringende Rache ich fürchtete, ums Leben kam. Über seinen Tod las ich in einem Zeitungsartikel des Waldgrunder Boten, worauf ich mich als Zeuge bei der Polizei meldete. Der alte Herr unterbricht, um Kaffee einzuschenken. Mittler ist beeindruckt, wie geistig rege sein Gegenüber sich präsentiert. Der Senior spricht deutlich, unaufgeregt, ohne zu stocken. Geradeso als habe er die Worte einstudiert. „Darf ich fragen, ob sie das gerade Gesagte auswendig gelernt haben? „Hat man gemerkt, ja? Haben sie richtig beobachtet Kommissar. Ich bin kein begabter Schauspieler. Er trinkt Kaffee und schweigt. Ronny Mittler stellt eine Tasche auf seinen Schoss, die er öffnet. „Ich möchte ihnen Gegenstände zeigen, die wir bei der Leiche fanden, Herr Feld. „Klar. Immer her damit! Der Hauptkommissar legt das erste Fundstück vor. „Ein Amulett mit silberner Kette. Es ist in eine durchsichtige Plastiktüte verpackt. „Die Fragmente eines Buchs. Er platziert sie daneben. „Zum guten Schluss Überreste eines Rucksacks. Schauen sie bitte die Objekte in Ruhe an. Feld beäugt sie mit wachen Augen. „Die sind mir unbekannt. Er tippt mit dem Zeigefinger auf die ersten beiden Tüten. „Den Rucksack erkenne ich. Sah ich zuletzt im November 1962. Er gehört Waldemar von Thalheim. Das Einschussloch der Pistolenkugel stammt von mir! Ronny Mittler ist perplex, was selten vorkommt. Ein Geständnis erwartete er nicht! Die Rekonstruktion des Gerichtsmediziners führte zum Schluss, die Kugel durchschlug den Rucksack, drang in den Körper des Trägers, tötete den Getroffenen jedoch nicht sofort. Mutmaßlich starb er erst Tage danach an der Schussverletzung. 58 Jahre später gesteht Tido Feld, er sei der Schütze!

    „Herr Feld, was hat mein verstorbener Großvater mit alledem zu schaffen? „Das sollen sie erfahren! Ich erzähle ihnen die ganze Geschichte. Augenblick bitte. Der alte Mann zieht einen Aktenordner aus einer Seitentasche des Rollstuhls. „Das hier ist für sie! Er schiebt den Ordner zu Mittler. „Bereits vor langer Zeit habe ich aufgeschrieben, was passierte. Ich plante, es als Buch zu veröffentlichen. Doch weil ich nicht sicher war, ob Thalheim überlebte, ließ ich es bleiben. Er klopft mit den Fingerknöcheln auf den Deckel des Ordners. „Hier drin steht, was sie wissen müssen. Auch das von ihrem Großvater. Damit haben sie alle Beweise, die sie brauchen, Herr Kommissar. Trotzdem will ich ihnen die ganze unselige Geschichte mit eigenen Worten erzählen. Läuft ihr Dingsbums? Der Alte zeigt auf das MP3 Gerät. „Ja, es ist eingeschaltet. „Wie lang nimmt es auf? „Mehrere Stunden, warum? „Weil wir die brauchen, junger Mann. „Seien sie unbesorgt, der Apparat meldet sich, falls es eng wird., beruhigt Mittler den Senior. „Nun gut. Dann beginne ich meine Erzählung mit einem Satz, der ihnen im Verlauf der Geschichte immer wieder begegnet. Was sie von mir hören, klingt vollkommen verrückt!"

    Nichts als die Wahrheit!

    Hiermit lege ich, Tido Feld, Zeugnis darüber ab, zu welchen gewagten Unternehmungen ich in ferner Vergangenheit gezwungen war. Mir ist bewusst: „Was ich berichte, klingt vollkommen verrückt!"

    Ich versichere, die Handlung ist unverfälscht. Sie entspricht der albtraumhaften Realität! Alle Tatsachen fallen aus dem Rahmen. Sie verstören und beängstigen. Missverstehen sie meine Worte nicht als Heldenepos, Selbstdarstellung liegt mir fern. Verinnerlichen sie den Inhalt als ernst zu nehmende Warnung. Jederzeit besteht Gefahr der Wiederholung!

    Zum besseren Verständnis beginne ich mit einer Einführung in die Gegebenheiten der Ortschaft Waldgrund samt seiner Bewohner. Die Historie der Siedlung zu kennen, hilft zu verstehen, warum es gelang ihre Einwohner zu täuschen.

    Im 17. Jahrhundert gründeten fromme Menschen eine autonome religiöse Gemeinde. Sie nannten sie „Frommherzige Gemeinschaft. Die Gläubigen brachen auf, um Land zu besiedeln. In einem Mittelgebirge fanden sie ein Tal, welches ihren Vorstellungen entsprach. Die Erschließung war hart, das Leben entbehrungsreich. Die Kolonisten beackerten den Boden, bauten Häuser. Sie gaben der Siedlung den Namen Waldgrund. Im Zentrum stand ein Versammlungshaus. Es diente als Gericht, dort heiratete und feierte man, hielt Gottesdienste ab. Heimsuchungen prägten die ersten Jahre. Epidemien traten auf, die Influenza wütete. Die Maul und Klauenseuche raffte Vieh dahin. Unwetter verwüsteten Äcker und Felder. Starkregen, Frost, Sturm, Hagel führten zu Ernteausfällen. Es gab Hungersnöte. Alle Bedrängnisse überstand die „Frommherzige Gemeinschaft, es schweißte sie zusammen.

    Menschen auf der Suche nach persönlicher und religiöser Freiheit hieß man willkommen. Kontinuierlich wuchsen Gemeinde und Ortschaft. Die nächstgelegene Stadt ist 110 Kilometer entfernt. Verbindung zur Außenwelt ermöglichen eine Bahnlinie und eine im Winter schlecht befahrbare Landstraße. Waldgrund liegt isoliert inmitten einer zerklüfteten Mittelgebirgslandschaft. Tannen-, Laub und Mischwälder umschließen den Ort. Schwer zugängliche Wälder bergen zahllose Gefahren. Menschen mit unzulänglichem Orientierungssinn bringen sich beim Betreten in Lebensgefahr. Vor dem Verlassen der Wanderwege wird gewarnt!

    Höhenlage und Topografie bestimmen das raue Klima. Wind treibt Wolken an die Berghänge, was für ergiebigen Niederschlag sorgt. Den feuchtkalten Herbst löst ein langer schneereicher Winter ab. Der Frühling ist kurz. Im Sommer herrscht im engen Talkessel flirrende Hitze. Oft ist es unerträglich schwül. Früh verschwindet die Sonne hinter den Bergen. Fortgesetzt hüllt Nebel den Ort ein. Konstant liegt der Flecken unter einem Schleier. Diese Tatsache, heißt es, sei ein Grund, warum die Ortschaft im 2. Weltkrieg nicht bombardiert wurde. Andererseits war jene Region strategisch uninteressant. Kasernen oder kriegswichtige Produktionsstätten gab es nicht.

    Besucher beschreiben Waldgrund als trist. Das liegt zum Teil an den mit grauschwarzem Schiefer verkleideten Häusern. Dieser Anblick spricht nicht jeden an. Addiert man die versteckte Lage inmitten tiefer Wälder zu nasskalter nebliger Witterung, muss man zugeben, der Ort besitzt bedrückende Ausstrahlung. Die genügsamen Einwohner sind nicht für Ausgelassenheit bekannt. Sie reden nur das Nötigste und bleiben am liebsten unter sich. Neuem gegenüber sind sie skeptisch. Sie üben sich in Zurückhaltung, sind abwartend. Bisweilen erlebt man sie unzugänglich bis ablehnend. Religiosität ist für sie ein hohes Gut.

    Bis 1984 stach man im nahen Hochmoor Torf. Diese beschwerliche, gefährliche Arbeit gab man auf, da sie nicht ertragreich war. Bis ins 19. Jahrhundert existierte bescheidener Bergbau (Erz, Silber). In Waldgrund gibt es eine ausgeprägte Holzwirtschaft. Vom Fällen der Bäume über Verarbeitung im Sägewerk bis zum Möbelbau liefern Unternehmen alles rund um den Rohstoff Holz. In der Landwirtschaft finden sich Schweine- und Rinderzucht, Hühner- und Gemüsehöfe. Ein Beton- und Kalkwerk mit Steinbruch ist der größte Arbeitgeber. Im Ort gibt es Gewerbebetriebe wie Kiosk, Metzgerei, Frisör, Gemischtwarenmarkt, Autowerkstatt mit Tankstelle und das Warenhaus Schmitt. Gehobene Gastronomie bietet „Das Waldhorn. Die Speisegaststätte mit Hotelbetrieb, Festsaal und Kegelbahn ist das feinste Haus am Platz. Für bescheidene Unterhaltung stehen die Tanzlokale „Swing und „Café Kessler sowie eine Anzahl Schankwirtschaften. Das Filmtheater „Pluto rundet das Angebot ab. Erwähnenswert ist die Nachtbar „Maria Magdalena"! Der Barbetrieb stellt in Waldgrund einen Sonderfall dar. Auf einer kleinen Bühne treten Schönheitstänzerinnen auf. Die Bar liegt an der Landstraße vor dem Ortsausgang. Die Inhaberinnen Maria & Magdalena benötigten langen Atem, um ihr Gewerbe profitabel durchzusetzen. Zur Kundschaft zählen hauptsächlich Saisonarbeiter, die in Land- und Waldwirtschaft beschäftigt sind. Die Eröffnung sorgte für erhebliche Aufregung unter den frommen Bürgern. Die Namensgebung löste Proteste aus. Der an die Begleiterin Jesu und Zeugin der Auferstehung erinnernde Name, kochte die Volksseele hoch. Das die Benennung aus den Vornamen der Inhaberinnen entstand, spielte keine Rolle. Maria Rominski und Magdalena Franziska Harvest arbeiten unter den Künstlernamen Maria & Magdalena. Sie zogen aus privaten Gründen in die Provinz.

    Dies ist das Zeugnis eines Verbrechens, von dem die Öffentlichkeit nie erfuhr. Erzählt in eigenen Worten von Tido Feld.

    Erwachen.

    November 1962. Ich öffne die Jalousie im Wohnzimmer. Klappernd rollen die Holzlamellen hinauf. Der Blick aus dem Fenster lässt mich schaudern. Regen. Trüber Dunst. Mein Heimatort Waldgrund eingehüllt von einem nasskalten Grauschleier. Antriebslos starte ich in diesen Montag. Stereotyp erledige ich tausendfach geübte Tätigkeiten. Handgriffe, die ich im Schlaf beherrsche. Toastbrot. Kaffee. Butter. Milch. Marmelade. Ein Messer. Frühstück im Halbdunkel. Mein vom Vorabend alkoholgeschwängertes Gehirn verweigert seinen vollen Dienst. Auf Halbgas laufend erteilt es dem Kiefer den Befehl zu Kaubewegungen. Die Zähne zermahlen den Toast. Es schmeckt wie Vogelsand. Ich spüle nach. Der Schluck Kaffee leistet doppelte Arbeit. Er weicht das trockene Brot auf, hilft wach zu werden. Gedanken klaren auf, formen Bilder, Erinnerung kehrt zurück. Ich bin Tido Feld. Geboren am 22. Oktober 1931 in Waldgrund. 31 Jahre. Witwer.

    7 Uhr. Habe ich alles? Tasche, Schirm, Mantel? Krücke, Gebiss, Gesangbuch? Kann wieder Witze machen. Es geht aufwärts! Raus aus dem Haus. Hinein in die trübe, nasskalte Novemberwelt. Zu Fuß zur Arbeit. Von Wänden wiederhallende Schritte. Klack-Klack auf nassem Asphalt. Ein ungutes Gefühl im Nacken behauptet beharrlich, mir folgt jemand. Ich schaue zurück. Niemand da. Wahnvorstellungen. Dafür bin ich faktisch zu jung. Kommt alles vom Saufen! Nieselregen küsst mir ins Gesicht. Tausende Küsse fallen zur Erde. Feuchtkalte Küsse. Wie ich die hasse. Lea küsste feuchtwarm. Das war schön. Meine Frau ist tot. Zwei Jahre schon. Seitdem küsst mich der Regen. Ich öffne den Schirm. Sollen sie ihn küssen.

    Ich fasse mir an die dröhnende Stirn. Kopfschmerzen. Die Körperwahrnehmung funktioniert nach dem gestrigen Alkoholexzess unkontrolliert. In meinem Schädel läuft alles durcheinander. Das Gehirn gleicht einer Gymnastikhalle. Im Hirnkasten trainieren Gedanken rhythmische Sportgymnastik. Wie Gummibälle springen sie umher. Jede Eingebung ist ein bunter Ball. Rot, grün, blau, gelb, orange, schwarz, weiß. Rot steht für Sex. Ist der Trieb nicht mehr zu bremsen, gehe ich in die Bar „Maria Magdalena" und kaufe mir eine Stunde Körperwärme. In diesem Haus der Freuden erhält man(n) für genügend Bares das volle Programm! Ausgenommen warme feuchte Küsse. Die haben sie um keinen Preis im Angebot. Selbst dort nicht, wo es nahezu alles gibt. Da kommt der schwarze Ball geflogen. Trauer. Vor zwei Jahren verunglückte meine Ehefrau Lea tödlich mit unserem Auto. Seitdem ertränke ich Seelenschmerz in Alkohol. Grüner Ball von links. Gefährten, Freunde, Kollegen. Am gesellschaftlichen Leben nehme ich nicht teil. Gehe nicht aus. Lade niemanden ein. Freundschaften pflege ich kaum. Mit meinem alten Schulfreund Michael redete ich in den vergangenen 24 Monaten wenig. Inzwischen beschränkt sich unser Kontakt aufs Abholen zum Kegelabend. Sein Weg zum Gasthof Waldhorn führt bei mir vorbei. Kegeln gehe ich nach wie vor. Das letzte Relikt aus der Zeit vor Leas Tod, an dem ich festhalte. Bin ich ehrlich, saufe ich bei der Gelegenheit mittlerweile mehr, statt eine gepflegte Kugel zu schieben. Arbeitskollege Daniel ist besorgt, dass ich vereinsame. Er liegt mir bisweilen in den Ohren: „Geh tanzen! Ins „Swing. Zu „Café Kessler. Dort lernst du Frauen kennen." Ich kann nicht tanzen. Wollte ich nie. Mangels Talent. Wegen fehlender Begeisterung. War vielleicht ein Fehler. Egal. Mein Interesse am weiblichen Geschlecht fiel der Vergangenheit zum Opfer. Das sage ich Daniel nicht. Stattdessen antworte ich ausweichend. Das ich mir den Rat zu Herzen nehme. Über seinen Vorschlag nachdenke. Es ausprobiere. Das ich Zeit brauche. Etwas in der Richtung. Damit er still ist.

    Die Straße ist menschenleer. Autos stehen am Straßenrand. Auf den Karosserien kleben Blätter. Herbstlaub verschönert sie. Laubbedeckte Tötungsmaschinen! Abermals klatscht der schwarze Ball an meinen Frontallappen. Ich hasse Trauer wie negative Gedanken. Ach, könnte ich sie abstellen! Lea starb bei einem Autounfall. Erschreckend, wie die Zeit vergeht! Das Unglück passierte vor über zwei Jahren. Mir kommt es wie gestern vor. Seit ihrem Tod erscheint nächtens der Traumgott Morpheus. Er foltert mich mit einem wiederkehrenden Alptraum. In dessen Verlauf muss ich Leas Schreie hören, zusehen, wie sie durch die Windschutzscheibe fliegt. In Zeitlupe spult der unbarmherzige Morpheus das Geschehen vor meinem inneren Auge ab. Es ist ein Auge ohne Lid. Eines, das sich nicht schließen lässt. Es zwingt zum Zuschauen. Von panischem Schrecken ergriffen, nähert sich Lea mit zum Schrei geöffneten Mund der Windschutzscheibe. Wo ihre Stirn mit der Scheibe kollidiert, entstehen Fäden, die sternförmig durchs Glas verlaufen. Leas Haut platzt wie ein Luftballon. Die Stelle des Aufpralls färbt sich rot. Durch die Wucht drückt ihr Schädel die Frontscheibe aus der Karosserie. Splitter wirbeln in alle Richtungen. Die Fliehkraft katapultiert sie durch die entstandene Öffnung aus dem Fahrzeug. Der weiße Mitleidsball fliegt vorbei. Meine Frau befand sich auf der Rückfahrt von einem Besuch bei ihrer Zwillingsschwester Dina, die eine bemerkenswerte Person ist. Beeindruckend. Ausgefallen. Vielschichtig. Hochintelligent. Nicht einfach, sie mit wenigen Worten treffend zu beschreiben. Dina unterscheidet sich in nahezu allen zum Leben gehörenden Disziplinen von ihren Mitmenschen. Sie fällt aus dem Rahmen, wie man sagt. Optisch ähneln sich Lea und Dina wie das berühmte Ei dem anderen, als Einzelpersönlichkeit sind sie kaum vergleichbar. Im Kleinkindalter erkennen die Eltern bei Dina eine Beeinträchtigung, die über das geläufige „Fremdeln" hinausgeht. Das Kind erträgt menschliche Nähe nicht! Sie zeigt panische Angst bei anderen Personen wie Mutter, Vater, Schwester. Schreiend versucht sie, sich Unbekannten zu entwinden. Die Eltern stellen ihr Kleinkind Ärzten vor. Erfolglos erproben Doktoren diverser Disziplinen Medikamente und Therapien. In keinerlei Hinsicht verbessern die Bemühungen Dinas phobische Störung. Ihr Leid wächst hingegen mit jedem Tag. Die Klugheit von Vater und Mutter bewahrt Dina davor, zum medizinischen Versuchsobjekt zu werden. Rechtzeitig bringen sie den Mut auf, die von Eitelkeit gekränkten Proteste der Halbgötter in Weiss zu ignorieren. Das Elternpaar entzieht ihnen das Mädchen und akzeptieren Dina, wie sie ist. Diese Haltung war in jener konservativen Zeit nicht selbstverständlich. Im Gegenteil! Dina blieb Leid erspart, weil sie in einem Elternhaus aufwuchs, wo man Verständnis für ihre Besonderheit aufbrachte! Bildung wie auch gehobener Wohlstand der Familie ermöglichten Alternativen. Sie erhielt Einzelunterricht, besuchte nie eine klassische Schule. Zu ihrem Wohlbefinden sucht Dina Einsamkeit. Seit frühester Jugend unternimmt das Mädchen tagelange Wanderungen in den Wäldern um Waldgrund. In der ersten Zeit treiben diese Entdeckungsreisen Sorgenfalten auf die Stirn der Eltern, denn in den Waldungen lauernde Gefahren sind vielfältig. Jedes Mal kehrt das Mädchen unversehrt in bester körperlicher wie geistiger Verfassung heim. Die Exkursionen tragen zu ihrer Gesundheit bei. Darum lässt man sie gewähren. Niemand kennt die Wälder genauer wie Dina. Ihre phobische Störung verlor mit dem Erwachsenwerden an Kraft. Da kommt der orange Ball geflogen. Er steht für behagliche Gedanken. Ich finde Dina wunderbar. Ich liebe sie von ganzem Herzen! Sie ist der stille introvertierte Zwilling. Ihre Schwester Lea hingegen sprühte vor Lebensfreude. Sie sang und lachte von früh bis spät. Zu jedermann war sie freundlich, immer für ein Gespräch zu haben. Dieses gewinnende Wesen findet man gleichfalls bei Dina. Aber sie zeigt es nur, wenn sie einer Person absolut

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1