Hauptkommissar Ronny Mittler: Klassenfahrt mit einer Toten
Von Axel Schade
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Aufgrund der Beschreibung sexueller Handlungen empfiehlt der Autor dieses Buch Lesern ab 16 Jahren.
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Buchvorschau
Hauptkommissar Ronny Mittler - Axel Schade
Hauptkommissar Ronny Mittler - Klassenfahrt mit einer Toten
Prolog:
Montag. Vier Tage vor dem Leichenfund.
Montag auf Dienstagnacht. Drei Tage vor dem Leichenfund.
Teilnehmer der Klassenfahrt:
Dienstagvormittag. Drei Tage vor dem Leichenfund.
Zwei Tage vor dem Leichenfund.
Der Tag vor dem Leichenfund.
Freitag. Der Leichenfund.
Ermittlungen in einem Todesfall.
Kriminalhauptkommissar Ronny Mittler.
Befragung von Wolfram Hölzer und Inka Müller durch Kriminalhauptkommissar Ronny Mittler.
Zeugenvernehmung Uta Biberach durch Kommissar Ronny Mittler.
Zeugenvernehmung Ulla Gosejahn durch Kommissarin Lena Schösteen.
Zeugenvernehmung Erik Bachmann durch Kommissar Keno Lindemann.
Zeugenvernehmung Reiner Frosch durch Kommissarin Merle Jörgisdottir.
Facharzt für Gerichtsmedizin Dr. Albert Meyer spricht mit Hauptkommissar Ronny Mittler.
Zeugenvernehmung Sabine Pfitzner durch Kommissarin Lena Schösteen.
Was in der Nacht von Donnerstag auf Freitag geschah.
Samstag. Ein Tag nach dem Leichenfund.
Vernehmung Inka Müller durch Kriminalhauptkommissar Ronny Mittler.
Drei Wochen nach Karinas Tod.
Zeugenvernehmung Kristina „Krissi" Wunderlich durch Hauptkommissar Ronny Mittler.
Impressum neobooks
Hauptkommissar Ronny Mittler - Klassenfahrt mit einer Toten
Prolog:
Freitag.
Angst- und Schreckensschreie hallten frühmorgens durch die Jugendherberge. Biba und Ulla hetzten kreischend aus dem Mädchenwaschraum auf den Flur und stürzten einer entgegenkommenden Gruppe Jungs in die Arme. Kaum zu verständlicher Auskunft imstande, stammelte Biba: „In ... d ... der ... Dusche!" Erik vermutete einen Perversen im Waschraum und begab sich mit seinem Freund Frosch auf die Jagd nach ihm. Doch anstatt eines Sexualtäters entdeckten sie die Leiche einer Klassenkameradin, die wie eine selig Ruhende nackt auf den Bodenfliesen der Duschkabine lag. Ihr üppiges blondes Haar bedeckte ihr Haupt und verwehrte den Blick in ihr Gesicht. Der Kopf war auf dem ausgestreckten linken Arm gebettet. Blut rann durch ein verchromtes Abflusssieb in die Kanalisation. Den Anblick ihrer toten Klassenkameradin bekämen Erik und Frosch im Leben nicht mehr aus den Köpfen!
Realschuldirektor Hölzer wählte den Notruf. 20 Minuten später erschienen zwei Polizeibeamte. Er führte die Beamten zum Duschraum der Mädchen. Sie sondierten den Fundort und sorgten dafür, dass ihn kein Unbefugter betrat. Ein Beamter erstattete der Dienststelle Bericht per Funk und forderte Unterstützung an. Sein Kollege sperrte das Außengelände mit Flatterband ab.
Vor der Jugendherberge versammelten sich erste Schaulustige. Sie reckten die Hälse, um nichts zu verpassen, zückten Kameras und Smartphones, filmten oder fotografierten. Der Großteil der Neugierigen bestand aus Touristen, die in dem Geschehen eine Bereicherung ihres Urlaubs sahen. Gerüchte kursierten. Niemand wusste Genaues.
Bald fuhren Einsatzfahrzeuge der Kriminalpolizei, Spurensicherung und Gerichtsmedizin vor. Kommissare sprachen mit den Polizisten vor Ort und verschafften sich einen Überblick. Es folgte eine kurze Lagebesprechung. Der leitende Ermittler, Hauptkommissar Ronny Mittler, wies Aufgaben zu und begab sich mit Gerichtsmediziner Dr. Meyer zum Leichenfundort. Bevor sie die Räume betraten, zogen sie weiße Overalls und Überschuhe an. In dieser Bekleidung ähnelten sie Astronauten, die sich auf einen Raumflug begaben.
Spezialisten der Spurensicherung entluden aus einem Transporter ihre Ausrüstung und rollten Aluminiumkoffer ins Gebäude. Im Gang vor dem Waschraum legten sie Schutzkleidung an. Sie warteten darauf, dass Hauptkommissar Mittler und Gerichtsmediziner Meyer ihre Inaugenscheinnahme beendeten und den Duschraum zur Untersuchung frei gaben. Routiniert begannen sie dann ihre Arbeit. Aufblendendes Licht verriet, das jemand fotografierte. Die Maschinerie des Polizeiapparats nahm Fahrt auf. Die Jugendherberge des Küstenbadeorts Norden-Norddeich verwandelte sich zum Zentrum polizeilicher Ermittlungen.
Ein Krankenwagen traf ein und brachte einen Notarzt mit, der sich um SchülerInnen mit Kreislaufproblemen kümmerte. Der Schreck des Ereignisses sorgte bei einigen für Unwohlsein. Eintreffende Notfallseelsorger suchten das Gespräch.
45 Minuten nach Entdeckung der Toten rollte ein Leichenwagen im Schritttempo auf den Vorplatz. Da Gaffer keine Gasse bildeten, um ihn durchzulassen, schritten Polizisten ein um für einen geregelten Ablauf zu sorgen. Umständlich rangierte der Fahrzeugführer den Wagen, bis er mit dem Heck zur Eingangstüre der Jugendherberge stand. Dem Auto entstiegen zwei Herren in schwarzen Anzügen. Einer öffnete die Heckklappe und hantierte im Inneren. Der Zweite trat hinzu. Gemeinsam entluden sie einen Zinksarg, dessen eigenwillige Form an eine Badewanne mit Deckel erinnerte. Im Gleichschritt verschwanden die Sargträger ohne Eile im Haus. Ihr Handeln vollzog sich in moderatem Tempo.
Minuten verstrichen bis die schwarzen Herren zurückkehrten. Sichtlich trugen sie schwerer an ihrer Last. Dessen ungeachtet schritten sie gemessen einen Fuß vor den anderen setzend, feierlich zu ihrem Fahrzeug. Mit professioneller Akribie platzierten sie den Zinksarg beinah lautlos im Fahrzeug. Jeder Handgriff saß. Alles geschah würdevoll. Sanft schloss sich die Heckklappe. Wortlos stiegen die Herren ein. Der Motor startete. Schwerfällig setzte sich der Wagen in Bewegung. Seelenruhig chauffierte der Fahrer durch das sich bildende Spalier der Gaffer, das sich sogleich nach der Durchfahrt wieder schloss.
Vor dem Eingang des Speisesaals standen zwei Polizisten. Niemand durfte den Raum verlassen. In einer Nische unterhielt sich ein Notfallseelsorger feinfühlig mit zwei Mädchen. Sie weinten herzzerreißend und ihr Schluchzen tönte durch den Raum. Der Tod ihrer Mitschülerin riss sie aufs schrecklichste aus der bis jetzt harmonischen Klassenfahrt.
Die beiden begleitenden Lehrer standen flüsternd etwas abseits. An Mimik und Gestik war ihre Ratlosigkeit ablesbar. Sie fanden keine Lösung, die ihnen im Augenblick weiterhalf, und einigten sich, abzuwarten, was die Polizei anordnete.
Schweigend saßen die SchülerInnen im Raum, schauten unter sich, hingen düsteren Gedanken nach oder stierten ausdruckslos geradeaus. Bei einigen flossen Tränen. Der Blick in eine abgrundtiefe bodenlos scheinende schwarze Leere vereinte die Gruppe. Nie zuvor beherrschte die 8b solch eine bekümmerte Gemütsverfassung. Experten bezeichnen diesen Zustand mit dem Fachausdruck Schockstarre! Im Geiste stellten sich alle die gleiche Frage: Was war geschehen?
Montag. Vier Tage vor dem Leichenfund.
Um kurz vor 8 Uhr trafen die letzten SchülerInnen der Klasse 8b am Treffpunkt vor der Realschule ein. Sie freuten sich auf ihre Projektfahrt an die Nordsee. Die vor ihnen liegende Woche stand unter dem Thema „Abhängigkeit von sozialen Medien - 7 Tage ohne Internet. Die Grundlage bildete ein Artikel der „Süddeutschen Zeitung
, den sie im Fach Politik behandelten. Titel: „100.000 Teenager sind süchtig nach sozialen Medien". Ihre Reise war ein Selbstversuch, ohne Smartphone und Internetzugang auszukommen. Surfen, Chatten, Navigieren, Musik hören, entfielen. Einzig Fotoapparate gestatteten sie sich. Die SchülerInnen stellten sich der Frage, wie schwer der Verzicht fällt. Was würden sie vermissen? Welche alternativen Informationsquellen standen zur Verfügung? Die Ergebnisse der Selbststudie arbeiteten sie in der Nachbetrachtung auf. Ein weiteres Ziel ihrer Reise galt der Erforschung des Wattenmeers im Rahmen des Biologieunterrichts zum Thema Umwelt und Klimawandel.
Vor der Schule stand ein Reisebus. Autos fuhren vor und hielten. Eltern und Kinder stiegen aus. Kofferräume öffneten sich. Taschen und Koffer wurden entladen. Ein Mann mit schwarzem Schnauzbart riss dem erstbesten eine Reisetasche aus der Hand und schmiss sie mit Kawumm in den Bauch des Reisebusses. „Gäbbe se mirr där Gebäck! Ich backe in där Bus!", rief er Ankommenden entgegen.
„Hört euch den an!, kicherte Habbo, „Hat ´ne Bäckerei im Bus. Witzig! Wer ist denn der eifrige Knabe?
, erkundigte er sich bei Ali. „Der Gepäckträger mit Akzent? „Jup!
„Das wird unser Kutscher sein."
„Verehrte Eltern und Schüler, äh ja, ... darf ich vorstellen?, rief ein Mittvierziger im grauen Anzug und gestikulierte in der Luft herum. Dabei zeigte er auf den Schnauzbärtigen. „Das ist unser Busfahrer Herr ..., äh ja?
„Ich cheiße Iwan!", brüllte der Angesprochene akzentreich aus dem Busbauch.
„Da hörst du´s! Scheiße-Iwan nennt er sich. Fährt er wie er heißt, wird´s ein Horrortrip direkt nach Sibirien!", orakelte Ali. Ganz unrecht hatte er damit nicht.
„Alter, was geht denn jetzt ab? Pattex guck dir an, was dort Schrilles auf uns zu walzt!" Grinsend stieß Matthes seinen besten Freund mit dem Ellbogen in die Seite, um dessen Aufmerksamkeit auf eine sich nähernde Menschengruppe zu lenken. Pattex drehte sich um, erstarrte kurz, dann brach er in schallendes Gelächter aus.
Klassenkameradin Sabine bot Anlass zur Heiterkeit. Sie führte den sie begleitenden Familienclan an. Ihr Hofstaat bestand aus Verwandtschaft, um die „Kleine" tränenreich zu verabschieden. Sabine zog durch ihr extravagantes Outfit alle Blicke auf sich.
Beschriebe man Sabine als füllig, wäre dies rücksichtsvoll ausgedrückt. 90 Kilogramm überschritt die Waage und Sport war nicht ihr Ding. Sie besaß einen aus dem Rahmen fallenden Modegeschmack! Ihr spektakulärer Kleidungsstil war einer von vielen Gründen, dass man über sie lachte. Am prägnantesten beschreibt man ihren Style mit Begriffen wie schrullig, schrill, unübersehbar. Bisweilen bizarr, gelegentlich mondän, manchmal pfiffig, meist allerdings unfreiwillig komisch. Ihre Aufzüge erwarb sie bei TAKKO, KIK und NKD. Dazu äußerte sie sich wie folgt: „Das sind Modehäuser von Welt! Oder warum gibt´s die sonst wohl an jeder Ecke, frage ich euch?"
Für die Klassenfahrt putzte sich Sabine eigens schick heraus und wählte leichte Reisekleidung. Silberne Turnschuhe, rosa Kniestrümpfe mit blauen Fransen, ein kurzer gelber Faltenrock und ein knappes rosa-weißes Ringel-T-Shirt mit glitzernder Aufschrift „Ahoi". Als modisches Accessoire zierte ein goldfarbener Rucksack das Ensemble. Er enthielt Proviant. Ihr derzeit hellgrünes Haar zu Zöpfen geflochten reflektierte den Sonnenschein und glänzte.
Bedauerlicherweise zählte das Mädel nicht zu den hellsten Kerzen auf der Torte. Häufig verstand sie Zusammenhänge falsch, verwechselte Vorkommnisse und gab Sachverhalte fehlerhaft oder mit fantasievollen Interpretationen wieder. Einmal