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Der Mitläufer: Roman
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eBook206 Seiten2 Stunden

Der Mitläufer: Roman

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Über dieses E-Book

Frank steht vor seinem nächsten Karriereschritt, als er erfährt, dass Alexander, ein Freund aus alten WG-Zeiten, im Sterben liegt. Die alte Clique kommt zusammen und kümmert sich um ihn. Bis Alexander droht, Franks Vergangenheit im Dunstkreis der Roten Armee Fraktion öffentlich zu machen, wenn er nicht einen fast vergessenen Pakt einlöst.

"Der Mitläufer" erzählt in mitreißendem Tempo und immer wieder überraschenden Wendungen von einer Generation, die noch nicht mit der eigenen Vergangenheit abgeschlossen hat und von den Fehlern ihres Vorlebens eingeholt wird.
SpracheDeutsch
HerausgeberDittrich Verlag
Erscheinungsdatum16. Okt. 2019
ISBN9783947373482
Der Mitläufer: Roman

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    Buchvorschau

    Der Mitläufer - Wolfgang Mock

    ein.

    Achtundsechziger und so

    Das unnatürlich schwüle Hoch hing seit Tagen wie eine Glocke über der Republik, und ein Ende der Hitze war, glaubte man den Wetterpropheten, nicht abzusehen. Mal milchiger Himmel, mal ein, zwei Wolken, morgens vor allem Kondensstreifen. Am Tag über dreißig Grad, nachts kaum kühler.

    Mit geschlossenen Augen blieb Meta im Bett liegen, der Vorhang hielt die Mittagssonne aus dem Zimmer. Nur am Rand fiel etwas Licht in das Halbdunkel. Benommen schob sie den Arm des Jungen von ihrem Bauch.

    Die Menschen waren nicht zu halten bei diesem Wetter, holten alles aus den Tagen und Nächten raus. Sie sah ihnen dabei zu, es waren gute Nächte für sie, es wurde viel getrunken. Wer keinen Platz an einem Tisch fand, saß auf dem Bordstein oder einer Bierkiste. Wen der Alkohol lauter werden ließ, der wurde von den Gästen flüsternd zurechtgewiesen, um die Nachbarn, die hinter weit geöffneten Fenstern Schlaf suchten, nicht zu stören.

    Abend für Abend besuchte Meta mit dem Fahrrad ihre drei Lokale. Sie liebte es, wenn die Hitze des Tages aus dem Asphalt aufstieg; ihr war dann, als könne sie fliegen. Vielleicht nicht bis zu den Sternen, aber doch bis zu den Warnleuchten oben auf den Pfeilern der Rheinbrücken.

    Sie beobachtete ihre Kellnerinnen, die sich wie nachtaktive Echsen durch die Menschen schlängelten. Nur selten machte sie eine Bemerkung; es lief von selbst, nicht ohne Grund hatte sie in diesem Geschäft so lange überlebt. Und das besser als die meisten. Sie trank keinen Alkohol mehr, nur ab und zu rauchte sie mit Freunden ein wenig Gras. Espresso war die einzige Droge, die ihr geblieben war. Dafür machte sie jetzt regelmäßig Urlaub in der eigenen Sechs-Zimmer-Finca am Hang bei Selva. Vor Jahrzehnten hatte sie schon einmal am Fuß dieses Hangs gestanden und sich gedacht, es müsse schön sein, dort oben zu wohnen. Das war das Einzige, woran sie sich nach Wochen Alkohol und Sex auf Mallorca noch erinnern konnte. Daran und an Alexander, mit dem sie zusammen auf die Insel geflogen war und mit dem sie sich dauernd gestritten hatte.

    Sie hörte das leise Atmen des Jungen neben sich. Bisweilen verlangte die Hitze der Nacht ihren Tribut. Daran hatte das Alter nichts geändert. Jetzt kam noch dazu, dass sie die vergangenen Tage vergessen wollte, die Stunden an Alexanders Totenbett, die Angst auf Franks Gesicht.

    Sie hatte ihrem neuen DJ einen Gin Tonic hingestellt, dann noch einen und sich selbst Eiswürfel und Zitronenscheiben in ihren Sprudel getan, damit er aussah wie Gin Tonic. Aber er war nicht mehr so grün, wie sie vermutet hatte. In letzter Zeit vertat sie sich häufiger mal.

    »Willst du mich betrunken manchen?«, fragte er.

    »Nicht völlig.«

    »Kannst du auch preiswerter haben.«

    »Kostet mich ohnehin nichts hier.«

    Er verstand, die Verhältnisse waren klar.

    Er klappte seinen Laptop zu, im Osten wurde der Himmel bereits heller, sie schlossen ihre Fahrräder auf. Mitten auf der Brücke, über dem dunklen Fluss, hielt sie an und starrte nach unten. »Seltsam, nicht wahr?« Ein pulsierender Schimmer schien vom Fluss aufzusteigen.

    Es war wirklich seltsam. Alexander hatte sie oft nachts abgeholt, wenn sie in einer der Kneipen auf der anderen Rheinseite gearbeitet hatte. Und immer verlangsamten sich ihre Schritte zur Mitte der Brücke hin. »Das ist der Fluss unserer Erinnerungen«, hatte Alexander gesagt, und seitdem musste sie an diesen Satz denken, wenn sie über die Brücke kam.

    »Irgendwelche Spielregeln?«, wollte er wissen, als sie in ihrer Wohnung waren und er sich das durchgeschwitzte T-Shirt auszog.

    »Warum fragst du?«

    »Ich bin Grieche.«

    Sie lachte. »Und ich über sechzig.«

    »Unglaublich«, sagte er, als sie unter der Dusche standen.

    Noch vor wenigen Jahren hatte sie die jungen Männer vor Anbruch des Morgens fortgeschickt, jetzt war es ihr egal, wenn sie ihren Körper und ihr Gesicht im Morgenlicht sahen. Sie brauchte ihre Gesellschaft.

    Meta sah auf die Uhr: kurz nach zehn, es wurde Zeit. Mit Schwung zog sie die Vorhänge zur Seite. Geblendet von der Sonne, richtete sich der Junge auf und hielt sich die Hände vor die Augen.

    »Ich muss los«, sagte Meta.

    »So früh?«

    »Eine Beerdigung.« Sie ging ins Bad.

    Als sie zurückkam, war er so gut wie angezogen, lächelte sie an.

    »Sehr schlimm?«

    »Mein Mann«, sagte sie gedankenverloren. »Ist ewig her.«

    Fast vierzig Jahre. Sie hatte sich von Alexander scheiden lassen, kurz nachdem sie aus der Wohngemeinschaft ausgezogen war und die Stadt verlassen hatte. Sie spürte noch heute, wie Doris und Frank sie zum Abschied umarmten. Gelitten hatte sie, gelitten wie ein Hund. Dabei war sie nur sechs Jahre mit Alexander verheiratet gewesen.

    In den vergangenen Wochen war das alles wieder nah gewesen, diese gemeinsame Zeit mit Alexander und die Jahre in der Wohngemeinschaft. Sie hatten sich in seinen letzten Monaten um ihn gekümmert, weniger aus Sentimentalität, eher aus einer Selbstverständlichkeit heraus. Sie hatten alle mit ihm zusammengelebt.

    »Tut mir leid, dass ich gefragt habe«, sagte der Junge, »ich verschwinde besser.«

    »Für einen Saft ist Zeit.« Was sie nicht gesagt hätte, wenn sie nicht einen Stich, eine plötzliche Angst vor der Einsamkeit gespürt hätte. Die sie aber schnell unterdrückte. Sie öffnete ihren Kleiderschrank und stellte sich vor die verspiegelte Tür. Die Sonne fiel auf ihren Körper, kein einziges Körperhaar, sie hatte diese dicken, dunklen Haare immer gehasst, ausgezupft und weggewachst, sobald eins auftauchte. Zweimal hatte sie sich ihre Brüste machen lassen, die Haut schien dort etwas glänzender und straffer als am Körper, aber das war auch alles, keine Narben.

    Super, sagte sie sich, sah die kleine weiße Ecke hinter dem Spiegel hervorlugen und zog mit den Fingernägeln ein altes Bild hervor, mehr als postkartengroß. Jahre mussten vergangen sein, seit sie dies Bild zum letzten Mal in der Hand gehalten hatte. Es war eine Nachstellung des Frühstücks im Grünen von Manet. Frank und Alexander angezogen im Vordergrund, vor ihnen, im Zentrum und völlig nackt, Chrissie, die Augen fest auf den Betrachter gerichtet; im Hintergrund, in einem kleinen See, ebenfalls so gut wie nackt, sie selbst und Doris. Es stammte aus den ersten Monaten ihrer Zeit in der Wohngemeinschaft.

    Vor Jahren noch hatte sie sich das Bild häufiger angesehen, eine eigenartige Kraft ging von ihm aus. Es zeigte einen Aufbruch und ein Ende zugleich. Frühling vielleicht. Doch wie sie jetzt so dastand in der Morgensonne und ihren gebräunten Körper im Spiegel betrachtete, überfiel sie das peinigende Gefühl von Herbst, von Vergänglichkeit. Aus und vorbei. Herbst eben. Sie wusste es nicht anders zu beschreiben. Alexander war tot. Der Erste von ihnen.

    Als sie in die Küche kam, presste der Junge gerade den zweiten Saft. Sie sah sofort, dass er sich Alexanders Todesanzeige angesehen hatte, die auf dem Küchentisch lag. Sie setzte sich in ihrem Kostüm an den Tisch, spielte nachdenklich mit der schwarz geränderten Karte.

    »Wir waren Studenten«, sagte sie und ärgerte sich, dass sie dem Jungen das erzählte.

    »Achtundsechziger und so?«

    »Ein bisschen später.«

    »1977? Deutscher Herbst?«

    Das hat er sich angelesen, dachte Meta und nickte zögernd.

    Neugierig blickte er sie an. »Muss spannend gewesen sein, die Zeit damals. Was man so hört.«

    »Wo hört man das denn?«

    »Grundkurs Zeitgeschichte an der Uni. Ich will nicht als DJ enden.«

    So begegnet man seiner eigenen Vergangenheit. Ihre Hand mit der Karte zitterte leicht. Plötzlich wollte sie ihn loswerden.

    Bevor sie in ihren Mini stieg, klappte sie das Verdeck hoch. Ihre Haare würden völlig ruiniert sein, wenn sie am Friedhof ankam, dachte sie, aber sie brauchte Luft, ihr war eng um die Brust geworden. Wer wohl da sein würde, auf der Beerdigung? Alle, die zählten. Da war sie sich sicher. Eine plötzliche Aufregung ließ sie im warmen Fahrtwind frösteln.

    Nach all den Jahren

    Auch Chrissie fröstelte trotz brütender Hitze. Sie stand am Fenster und suchte nach dem Wort für die Farbe des Himmels. Es lag ihr auf der Zunge, nein, eigentlich lag ihr überhaupt nichts auf der Zunge. Ihr Kopf war völlig leer und sie bekam es mit der Angst zu tun. Dann die Erlösung. Schweflig. Schweflig, das hatte sie gesucht. Sie waren ihr aufgefallen in letzter Zeit, diese Wortfindungsprobleme. Bei Stress vor allem. Aber sie verdrängte das schnell. Der Himmel sah wirklich schwefelig aus. Trotz Willy Brandts Diktum »Der Himmel über dem Ruhrgebiet muss wieder blau werden«. Der Spruch hatte lange über ihrem Schreibtisch gehangen. Und es wurde auch besser, jetzt hatten die Schatten wieder scharfe Konturen. Ein bisschen auch wegen Brandt war sie ins Ruhrgebiet gegangen. Sie wollte beim Strukturwandel dabei sein, Unternehmen beraten, den Himmel etwas blauer machen. Es lief nicht so gut wie geplant, zumal in den letzten Jahren, aber sie hatte sich eingerichtet, ein paar große Namen waren unter ihren Klienten wie Ford, RWE und Opel, doch von ihren einst sechs Angestellten blieben nur einer und zwei Halbtags-Assistentinnen übrig.

    Wahrscheinlich, sagte sich Chrissie, war es auch nur ihre Unruhe, die den Himmel heute so schwefelig aussehen ließ.

    Die Todesanzeige lag auf dem Schreibtisch unter einem faustgroßen Glasdiamanten. Sie ließ die Jalousien herunter, zu grell war das Sonnenlicht. Aber es half nichts, sie konnte sich nicht konzentrieren, zwei Projekte, jede Menge Arbeit lagen vor ihr, doch es ging nicht.

    Chrissie zog die Karte unter dem Glasdiamanten hervor. Sie war der Schlussstrich unter den letzten Monaten, als sie sich um Alexander gekümmert hatten und sich zeitweise so nah waren wie vor fast vier Jahrzehnten.

    »Das Leben ist eine ewige Gegenwart.« Das hatte Meta gern gesagt. Für ein paar Jahre schien ihr das richtig, damals, als sie so gut wie unsterblich waren, da hätte sie diesen Satz unterschrieben. Auch danach noch, als sie die Wohngemeinschaft verließ. Bis sie Nicki, ihr zweites Kind, verlor, kurz nach der Geburt. Danach war Schluss mit Unsterblichkeit.

    Chrissie räumte die Seminarkonzepte und Tabellen zur Seite, blickte auf die Uhr, etwas Zeit war noch.

    Die Beerdigung würde der endgültige Abschied von Alexander sein. Fast ein halbes Jahr hatte sich dieser Abschied hingezogen. Ihr war dabei eine unerwartete Rolle zugefallen und sie war sich überrumpelt vorgekommen.

    Sie sah die junge Frau noch vor sich, wie sie in ihrem Büro aufgetaucht und unangekündigt in ein Meeting geplatzt war. Sie hatte sie bitten müssen zu warten, spürte aber, dass sie nicht mehr bei der Sache war, und beendete das Meeting schnell.

    »Chloe«, sagte die Frau, als Chrissie aus dem Besprechungszimmer kam, und, als Chrissie nicht reagierte: »Chloe. Alexanders Tochter«. Blond, schlank, modisch gekleidet, die Beine übereinandergeschlagen, etwas Unberechenbares lag in ihren Augen, unterdrückte Aggressivität ging von ihr aus. Alexander, erzählte sie, gehe es sehr schlecht, ein rapide zunehmendes Lungenversagen, er könne das Bett kaum noch verlassen, wolle aber um keinen Preis ins Krankenhaus. Ob sie, Chrissie, und die anderen Alexander denn mal besuchen würden? Er würde sich freuen, auch wenn er es nicht zeigte.

    Nach all den Jahren. Einfach so. »Hast du schon mit den anderen gesprochen?«, erkundigte sie sich nach einer Weile, während der sie einander betrachtet hatten, Chloe mit einer Kälte, die schon unhöflich wirkte. Sie will nicht als Bittstellerin kommen, vermutete Chrissie.

    »Nein. Wie ich meinen Vater verstanden habe, bist du damals als Erste aus der Wohngemeinschaft ausgezogen. Ich dachte mir, wenn du zusagst, können Meta und die anderen nicht ablehnen.« Mit Meta war Alexander immerhin verheiratet gewesen.

    So hatte sie zugestimmt, obwohl noch der Moment kam, als sie fast ihre Zusage zurückgenommen hätte. Ein paar Worte hatten sie gewechselt. Sie war neugierig geworden angesichts der Phillip-Lim-Handtasche, die unter Chloes Stuhl stand. Doch Fragen, womit sie ihr Geld verdiene, war Chloe ausgewichen. Selbst bei der Frage, ob Alexander denn von ihrem Vorhaben wisse, blieb sie vage, nahm unvermittelt fünf Paar Schlüssel aus der Handtasche und reichte sie Chrissie. »Mein Vater kann das Bett nicht mehr verlassen. Außerdem geht er nicht mehr ans Telefon. Der Schlüssel mit dem runden Kopf ist für die Wohnungstür, der eckige für den Hauseingang.« Die Adresse stand auf einem kleinen Schlüsselanhänger.

    Von ihrer Assistentin hatte sie sich die Telefonnummern heraussuchen lassen, dann Meta, Doris und Thomas angerufen. Bei Frank hatte sie gezögert, und es hatte gedauert, bis sie ihn in seiner Redaktion erreichte. Als er abhob, war seine Stimme kühl, ablehnend, man spürte die Routine, die er im Abwimmeln von Menschen besaß.

    Aber dann.

    »Chrissie, bist du das?« Fast ein Jubelschrei.

    Über eine Stunde telefonierten sie, kramten in Erinnerungen. Kein einziges Wort darüber, dass sie ihn damals verlassen hatte, Hals über Kopf aus der Wohngemeinschaft ausgezogen war.

    »Schön, dass du angerufen hast. Hat mich wirklich sehr gefreut. Sehr«, hatte Frank gesagt, bevor sie auflegten.

    Wie die anderen, so war auch Frank einverstanden gewesen. Seitdem hatten sie Alexander in regelmäßigen Abständen besucht, an seinem Bett gesessen, ihm Geschichten erzählt und seinem rasselnden Atem und dem Schnaufen der Beatmungsgeräte zugehört.

    Bis zu seinem Tod. Der zwar abzusehen war, sie dann aber doch überraschte. Er hatte etwas Unvermitteltes gehabt. Am nächsten Tag hätte Alexander ins Krankenhaus kommen sollen.

    Chrissie schloss die Bürotür hinter sich, lief die Treppe zu ihrer darüber liegenden Wohnung hinauf und zog sich um. Obwohl die Hitze durch die offenen Fenster der kleinen Villa drückte, war ihre Haut völlig trocken. Sie liebte die Hitze, so wie sie Schnee und Kälte mied. Ihre Haare waren dicht und gelockt wie vor vierzig Jahren, nur fast weiß. Sie nahm einige schwarze Kleider aus dem Schrank, hielt sie vor den Körper, entschied sich schnell für eins mit weiten, halblangen Ärmeln, damit die Arme nicht so nackt waren auf dem Friedhof. Dabei fiel ihr Blick in das Dunkel des Schranks. Einen Augenblick zögerte sie, dann kniete sie sich hin, drückte die Jacken und Kostüme auseinander, verschwand mit dem Oberkörper zwischen ihnen und tauchte schließlich wieder auf, in der Hand ein Paar schwarze, hochhackige Schuhe mit enormen Plateausohlen. Klein wie sie war, hatten ihr die Schuhe ein Gefühl der Größe vermittelt, von Unbesiegbarkeit. Jahrzehnte schon hatte sie sie nicht mehr getragen, sie waren tückisch. Selbst nachdem sie so schwer damit umgeknickt war, dass sie zwei Monate einen Gips um ihren Knöchel tragen musste, hatte sie sich nicht überwinden können, die Schuhe wegzuwerfen. Noch heute schmerzte der Knöchel gelegentlich. Sie zog die Schuhe an, sie passten. Sie würde vorsichtig sein.

    Das Kleid über dem Arm, die Schuhe an den Füßen, ging sie ins Nebenzimmer, fuhr ihren Laptop hoch, schloss für einen Moment die Augen, atmete durch und begann, eine lange Mail an ihre beiden Söhne zu schreiben, eine Mail für beide, lieber Felix, lieber Marcus.

    Mit den Gedanken war sie nicht bei der Sache. Hin und wieder, was sie selbst überraschte, hatte sie sich nach dem Telefonat mit Frank und auch später noch, als sie

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