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Die Wahrheit der anderen: Roman
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eBook204 Seiten2 Stunden

Die Wahrheit der anderen: Roman

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Über dieses E-Book

Eine Gruppe pakistanischer Flüchtlinge protestiert gegen das Asylgesetz und besetzt eine Kirche. Uwe Tinnermanns, Journalist einer Boulevardzeitung, wittert seine Chance für beruflichen Aufstieg und startet eine Kolumne, um über das Protestlager zu berichten. Allerdings ist die Realität recht unspektakulär, weshalb er die Ereignisse ausschmückt, nach eigenem Gutdünken dramatisiert und die Pakistanerin Veena Shahida als Symbolfigur des Protests in Szene setzt. Damit erlangt die Protestbewegung zwar öffentliche Aufmerksamkeit, die Chancen auf Asyl verschlechtern sich aber vor allem für Veena Shahida, deren Geschichte zunehmend unglaubwürdig erscheint. Ihre Anwältin Birgit Toth versucht den Fall mit allen Mitteln durchzubringen und stellt sich gegen den Protest. Wer sagt die Wahrheit und welche Wahrheit hat vor Gericht und vor der Öffentlichkeit Bestand?
Daniel Zipfel widmet sich auch in seinem neuen Roman den Grauzonen der Asylpolitik. Auf gleichermaßen spannende wie eindringliche Weise zeigt er, wie es um das Schicksal von Menschen steht, wenn persönliche Interessen im Spiel sind und dass die Wahrheit weitaus komplexer als ihre. 
"Fakten", sagte er. "Nüchterne Fakten. Das brauchen die Antragsteller, das braucht die
Bevölkerung. Keine Mitleidsgeschichten, nein, das braucht wirklich niemand."
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum4. März 2020
ISBN9783218012157
Die Wahrheit der anderen: Roman

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    Buchvorschau

    Die Wahrheit der anderen - Daniel Zipfel

    18

    1

    Die Piñata hing an einem goldenen Band. Rotes und gelbes Papier, darüber die Äste des Nussbaums im Garten meiner Eltern. Die runden Gesichter meiner Brüder, meiner Schwester, mein eigenes Gesicht. Die Frisuren sauber gescheitelt stehen wir in einer Reihe, der Größe nach geordnet, ich zuletzt. Lange Stöcke halten wir in unseren Händen. Meine Brüder grinsen. Meine Schwester und ich mit unbewegter Miene.

    Unwillkürlich zog ich das Mobiltelefon an mich. Polizisten liefen quer über den Minoritenplatz, in die Richtung, wo die Böller krachten. Sie trugen weiße Helme und Schutzschilde aus Plexiglas. Seit einer Viertelstunde hatten sie die Situation nicht mehr unter Kontrolle. Sprechchöre hallten von den Seitengassen herüber, Megafone dröhnten die klassizistischen Wiener Gebäude hinauf, zu den hohen Fenstern mit den kunstvollen Verzierungen, den gleißend hellen Fassaden in der Mittagssonne. Ich saß auf einer Bank im Schatten der Minoritenkirche, an einer niedrigen Steinmauer unter dem Glockenturm, und wischte zum nächsten Foto, das meine Schwester mir geschickt hatte.

    Meine Geschwister und ich beim Abendessen. Der Inhalt der Piñata vor uns, in einer weißen Porzellanschüssel. Schokoladentaler aus Lübeck, verpackt in goldenes Zellophan. Die Porzellanschüssel unerreichbar, das Kindermädchen überwacht unsere Hände. Der Vater hinter uns, mit Lesebrille und dunkelgrauer Strickweste. Ernst blickt er in die Kamera, ungeduldig.

    Beim Abendessen wird er meine Brüder fragen, wer die Piñata zerschlagen hat. Der Sieger wird die Schokolade verteilen dürfen. Meine Brüder werden mir zuflüstern, ich bekäme so viele Taler, wie ich blaue Flecken von ihren Stöcken hätte. So werde ich es dem Kindermädchen erzählen, auch wenn es nicht stimmt, auch wenn meine Brüder das nie gesagt haben, aber ihnen wird niemand glauben, und das Kindermädchen wird sie früh ins Bett schicken, sodass meine Schwester und ich die ganze Porzellanschüssel für uns allein haben werden.

    Ich löschte das Foto, reagierte nicht auf die Stimme des Polizisten, der mich anschrie, ich solle hier sofort verschwinden. Stattdessen scrollte ich durch die Nachrichten, die auf meinem Mobiltelefon aufschienen. 2013 würde ein Jahrhundertsommer werden, das wusste man schon jetzt, Anfang Juli. Messrekord im Tullnerfeld. Ernteausfälle in ganz Europa. Die Folgen des Klimawandels. Edward Snowden in Moskau. Der neue Papst in Lampedusa. Am Flughafen Schwechat wurde die bolivianische Präsidentenmaschine durchsucht. Edward Snowden noch immer in Moskau. Ich wischte die Nachrichten weg. Mit meiner freien Hand hob ich den Presseausweis in die Höhe. Der Polizist zögerte kurz, eilte schließlich seinen Kollegen nach.

    Die Sperrzone rund um die Kirche, vor den Eingängen der Ministerien, war längst keine mehr. Platzsperre, Demonstrationsverbot, das war gegessen. Von der Herrengasse drangen Trillerpfeifen herüber, vom Ballhausplatz Trommeln. Mit hektischen Bewegungen formierten sich die Polizisten vor den Eingängen der Ministerien, die Schutzschilde am Boden, Visiere vor den Gesichtern. Der Lärm schwoll immer mehr an.

    Der Vater trägt eine Kapitänsmütze. Meine Brüder mit ihm Arm in Arm, die gleichen Mützen auf dem Kopf. Im Hintergrund der Steg an der Elbe, das Segelboot.

    Wenn man das Bild mit zwei Fingern vergrößerte, verschwammen die Konturen. Ich hatte damals die gleiche Fleecejacke wie sie getragen, die gleichen Handschuhe, die gleiche Mütze, war aber nirgends zu sehen, mir hatten sie nur die Kamera in die Hand gedrückt. Besser, sie hätten mich gar nicht erst mitgenommen, wie meine Schwester. Windig und kalt war es gewesen, und der Fluss hatte nach Phenol gestunken.

    Die Polizisten schrien sich etwas von einer Sperrkette zu, unverständliche Kommandos. Ich ließ das Mobiltelefon sinken. Der Lärm der Trommeln wogte heran, vibrierte in meiner Magengrube, in meiner Brust. Betont lässig legte ich einen Arm auf die Rückenlehne der Bank, drehte mich um. Die Demonstranten strömten über den Platz, liefen dicht an mir vorüber. Beine, Hüften, Rucksäcke drängten sich gegen mich, raubten mir die Sicht. Ein Megafon plärrte, Hunderte Stimmen antworteten rhythmisch, hallten in meinen Ohren. Demonstranten kletterten auf meine Bank, junge Männer in kurzen Hosen. Einer hielt sich beim Hinaufsteigen an meiner Schulter fest. Ich spürte ihre Knie an meinem Kopf, ihre Beine an meinen Oberarmen, roch ihren Schweiß, ihren Atem, hörte ihr Brüllen gleich neben mir. Schließlich rappelte ich mich auf, stellte mich zu ihnen und senkte den Blick wieder auf mein Telefon. Ich wischte die Fotos meiner Schwester weiter, ließ eines nach dem anderen im Papierkorb verschwinden, hielt plötzlich inne.

    Brandt. Brandt und ich. Wir sitzen auf den Stufen der Henri-Nannen-Schule in Hamburg, tragen das gleiche Sakko. Die Krägen unserer Hemden sind geöffnet, seine Hand auf meinem Knie. Wir winken in die Kamera, meiner Schwester zu, kneifen die Augen zusammen, wohl wegen der Sonne.

    Auf dem Foto erkannte man nicht, dass ich geheult hatte. Was man wisse, sei komplett egal, hatte Brandt zu mir gesagt. Es komme darauf an, was man glaube. Als meine Schwester nähergekommen war, war er verstummt. Sie hatte gefragt, wie es gelaufen sei, und ich hatte gelogen. Brandt hatte uns sein Zigarettenetui hingehalten und gemeint, er würde etwas anderes für mich finden. Journalistenschulen seien ohnehin überbewertet.

    Vor der Reihe Polizisten waren die Demonstranten zum Stehen gekommen. Sie hielten Transparente hoch, skandierten den Namen des toten Pakistaners. Aus einem Polizeimegafon ertönte ein schriller Ton. Zwischen knackenden Geräuschen wies eine Stimme auf die Sperrzone hin, wurde von zwei, drei anderen Megafonen unterbrochen, von Trommeln, Tröten und Trillerpfeifen, von der Menge, die den Namen des Pakistaners den Polizisten entgegenbrüllte, die Fenster des Innenministeriums hinauf. Asif Khan. Asif Khan. Überall Asif Khan. Sein Gesicht auf den Schildern, die in die Höhe gingen, auf den Flyern, die alle in ihren Händen hielten, auf dem schwarzen Kartonsarg, den sie durch die Reihen hindurch nach vorne schoben. Ich blickte über die Köpfe der Menschen hinweg, die inzwischen den ganzen Platz füllten, über die Pappkartons und roten Fahnen. Studenten, Pakistaner. Immer mehr Menschen drängten sich rund um die Kirche zusammen. Dann änderten sie die Parole. Zuerst riefen es nur Einzelne, dann immer mehr, und schließlich griffen die Megafone das Wort auf, und Asif Khans Name verebbte.

    »Mörder!«

    Die Menge schleuderte es den Polizisten entgegen, im kehligen Takt, gegen die Wände, die Fenster, immer lauter, über geballte Fäuste hinweg, übertönte es selbst die Megafone und Trommeln.

    »Mörder!«

    Die Sonne brannte mir inzwischen in den Nacken. Jemand stieß gegen meine Knie. Ich zuckte vor einem Schild zurück, bekam es fast ins Gesicht. Das Mobiltelefon in meiner Hand vibrierte, zeigte noch ein Foto an.

    Der Hamburger Hafen. Der Uhrturm. Schiffe. Sonnenaufgang.

    Das Foto musste meine Schwester aus dem Internet haben. Darunter stand, es sei höchste Zeit, dass ich nach Hause zurückkäme. Alle würden sich auf mich freuen. Sie log. Konnte mich längst nicht mehr leiden. War sich nicht einmal zu blöd dafür, mir die alten Bilder zu schicken. Noch eindeutiger konnte man es nicht zeigen. Ich würde trotzdem zurückkommen. Was sollte ich noch in Wien, hier bei Brandt.

    Ich schloss die Nachrichten meiner Schwester, wechselte auf die Fotofunktion. Mit ausgestrecktem Arm bemühte ich mich, möglichst viele von den Demonstranten und den Polizisten ins Bild zu bekommen, von den Transparenten und den Schildern mit Asif Khan darauf. Ich suchte das richtige Licht, kniff die Augen zusammen. Drückte ab. Auf einmal rempelte jemand gegen meine Schienbeine. Das Telefon rutschte mir aus der Hand. Ich fluchte, erwischte es gerade noch im Fallen, fiel dabei selbst fast von der Bank, stieß jemandem gegen den Hinterkopf. Im selben Moment rammte mich eine Schulter. Die Menge unter mir war in Bewegung geraten. Ich hielt das Telefon wieder hoch. Eine Gruppe Polizisten hatte sich von der Absperrung gelöst. Ihre weißen Helme glänzten in der Sonne. Dicht aneinandergedrängt schoben sie einen Keil durch die Menge, versuchten, die Demonstranten zu teilen. Der Rhythmus der Parolen geriet durcheinander, verstummte, ging in aufgeregte Rufe über, in gellende Pfiffe. Rund um den Trupp lichtete sich die Menge, geriet ins Schieben, ins Stoßen. Ein paar Demonstranten gingen zu Boden. Der Vorstoß kam ins Stocken. Polizisten stolperten über die Gestürzten, zerrten sie zur Seite. Ich zoomte heran. Die Demonstranten wehrten sich, strampelten, hielten sich gegenseitig fest. Dann sah ich die Frau auf dem Display. Wenige Meter von mir entfernt wankte sie in dem Gemenge herum, eine Hand an den Kopf gelegt, den Blick nach unten gerichtet, als würde sie etwas suchen. Ein blauer Seidenschal hing ihr am Rücken herab. Auf einmal rempelte sie jemand von hinten, sie fiel nach vorne, auf die Pflastersteine. Ein Polizist tauchte neben ihr auf, hielt ihr die Hand hin. Sie sah zur Seite, schüttelte den Kopf. An ihrer Schläfe klebte Blut. Der Polizist machte einen halben Schritt zurück, legte die Hände an den Gürtel, offenbar unschlüssig, was er tun sollte.

    Ich drückte ab.

    Der Polizist mit weißem Helm und schwarzem Nackenschutz, das Visier vor dem Gesicht. Eine drohende, massige Gestalt, die Hände am Gürtel, die Arme angewinkelt. Neben seinen schweren Stiefeln am Boden die junge Frau mit blauem Seidenschal. Sie sieht zu ihm auf, Blut an der Schläfe, das Blut rinnt in einem dünnen Faden an ihrer Wange hinunter.

    Noch einmal drückte ich ab, noch einmal, hielt den Finger noch immer auf das Display gepresst, als die beiden schon längst auseinandergegangen waren. Ich wusste, das war etwas Großes. Dann ließ ich das Mobiltelefon sinken, ließ meinen Kopf in den Nacken fallen, hörte die Trommeln nicht mehr und die Rufe, die Megafone und die Trillerpfeifen. Stattdessen blickte ich in die Sonne und schloss die Augen, während Schokoladentaler auf mein Gesicht prasselten, auf meine Schultern, nein, gefüllte Pralinen waren es, nein, Halloren-Kugeln und Katzenzungen, und rund um mich herum segelte Papier, die zerfetzten Reste der Piñata.

    2

    Ich hatte mich darauf gefreut, aus Wien wegzukommen. Meine Wohnung war bereits leer geräumt, die Hälfte der Umzugskisten schon auf dem Weg nach Hamburg zu meiner Schwester. Dort würde es nicht so heiß sein, in Hamburg würde ich nichts über die Hitzewelle schreiben müssen, nichts über den Jahrhundertsommer, den sechstwärmsten in der Messgeschichte. In Hamburg würde ich nicht darüber schreiben müssen, warum man Kinder nicht im Auto lassen soll oder wie man einen Hitzeschlag bei seinem Hund erkennt. In Hamburg wäre ich weit weg vom Sommer und von allem anderen.

    Aber ich war noch immer in Wien, am unteren Ende der Kärntner Straße, nahe der Oper, und hielt das Mobiltelefon hoch, in mehrere Richtungen. Ich ging ein paar Schritte, hielt es wieder hoch, aber hier, in dem unterirdischen Gang, gab es keinen Empfang. Der Steinboden unter meinen nackten Füßen war kalt, glatt, es roch nach nassem Holz, nach Schweiß. Die verschnörkelten Fliesen glänzten feucht vom Wasserdampf aus den Kabinen, und ich konzentrierte mich darauf, nicht auszurutschen. Meine Haare hatte ich mit einem Gummiband zusammengebunden, hielt das Handtuch um meine Hüften fest. Mit der anderen Hand legte ich mein sinnlos gewordenes Mobiltelefon in eine Marmorschale. Am Ende des Gangs würde der alte Affe warten. Es war schon spät. Wir würden allein sein.

    Konrad Brandt kam jeden Abend. Nur hier hatten sie so lange geöffnet, für Leute wie Brandt, die um diese Uhrzeit noch müde an der Oper vorbeizogen, durch die schmalen Gassen mit den leuchtenden Schaufenstern, um schließlich hinter der Eingangstür zu verschwinden, die sie hinab in die Sauna führte, wo es keinen Handyempfang mehr gab. Eine Stunde würde Brandt hierbleiben, nachdem er an den Spätredakteur übergeben hatte. Dann würde er die Stufen wieder hinaufsteigen, die Ringstraße queren, in seine Wohnung schlurfen, einen Lachstoast mit Cognac hinunterspülen. Um Mitternacht die Nachrichten im Deutschlandfunk hören. Seine Stimme dort vermissen. Im Ohrensessel einschlafen.

    Schemenhaft erkannte ich seine Umrisse im Dampf hinter der Glastür. Als ich die Tür öffnete, umhüllte mich die Hitze, knallte mir gegen die Stirn, drang in alle Körperöffnungen. Brandt hob den Kopf, als ich eintrat. Wangen und Hautfalten hingen an ihm herab, sein Schwanz zwischen die Schenkel geklemmt. Immer mehr sah er aus wie ein alter Silberrücken mit einer riesigen Wampe.

    »Heiko?« Er kniff die Augen zusammen, brauchte offenbar eine Weile, bis er mich erkannte.

    »Ach, du bist es, Kleiner«, sagte er schließlich. Seine Stimme klang trocken, überrascht. »Ich dachte, du seist Heiko. Kommt manchmal auch hierher.«

    »Gorilla«, erwiderte ich. »Jetzt siehst du auch aus wie einer. Wie ein hässlicher alter Affe.«

    Das sagte ich nicht. Ich wünschte ihm einen Guten Abend. Der Schweiß schoss mir aus den Poren. Ich nahm auf der oberen Sitzbank Platz, höher als er. Mein Handtuch ließ ich umgebunden.

    »Du bist noch in Wien.« Er strich sich mit dicken Fingern die Haare zurück. »Das ist gut, Kleiner, das ist klug. Klug. Hast ja auch ein gutes Foto gemacht, da musst du dranbleiben.« Er gähnte, riss dabei den Kiefer auf, fletschte die Zähne. »Ich habe deine Kündigung sowieso nicht weitergeleitet. Dachte mir schon, dass du nicht zurückwillst nach Hamburg. Was machst du dort auch, ohne mich?«

    Ich zupfte das Handtuch unter meinem Hintern zurecht, zog es in die Länge, sodass zumindest meine Fersen das heiße Holz nicht berühren mussten.

    »Hast einen guten Riecher gehabt«, meinte er anerkennend. »Wer hätte gedacht, dass sich bei der Sache tatsächlich etwas herausholen lässt? Die Demo, diese Flüchtlinge, das interessiert ja niemanden.« Er wedelte mit seiner Hand in der Luft. »Das Video war die Story. Wie die Polizisten diesen Typen am offenen Fenster fixieren, diesen Khan. Wie er fällt. Wie er schreit, wie er aufschlägt. Wie man das Hirn sieht. Schade, dass wir das Video nicht zuerst bekommen haben. Khan, so hieß der doch? Pakistaner, oder? Aber egal, übermorgen ist alles vergessen. Nur ein paar Studenten regen sich auf, eine Demo, ein paar Einträge auf Twitter.«

    Ich antwortete nicht. Brandt schob langsam seine Beine auseinander. Er holte tief Luft, legte den Kopf in den Nacken. »Twitter, Kleiner, ist ein Mistplatz für Halbgedachtes.«

    »Sie sind noch immer dort«, sagte ich, »und am Minoritenplatz steht jetzt ein Zelt. Das

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