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Wegen Todesfalls geöffnet: Denkwürdige Geschichten aus der Pathologie
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eBook189 Seiten1 Stunde

Wegen Todesfalls geöffnet: Denkwürdige Geschichten aus der Pathologie

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Über dieses E-Book

"Die Ärzte werden bekanntlich in drei Gruppen eingeteilt", meinte Hans Bankl einmal: "Der Chirurg kann alles, aber er weiß nichts. Der Internist weiß alles, aber er kann nichts. Der Pathologe kann alles und weiß alles. aber zu spät!" Der Pathologe und Bestsellerautor war zeitlebens Sammler von Obduktionsbefunden und Todesursachen historischer Persönlichkeiten. Im Zuge seiner Arbeit stieß er mitunter auf menschliche Abgründe und sehr oft auf kuriose Zufälle und Schicksalswenden, die er fein säuberlich aufzeichnete. Dieser Band bringt eine Auswahl fesselnder Geschichten, zum Großteil aus dem Nachlass gesammelt und herausgegeben von seiner Witwe. Bankl zeigt sich hier neuerlich als Meister seines Genres, der die Aristotelische Regel, dass Schrecken und Entsetzen den Menschen von seinen Erregungszuständen reinigen, souverän ins Werk setzt.
SpracheDeutsch
HerausgeberSeifert Verlag
Erscheinungsdatum23. März 2020
ISBN9783904123242
Wegen Todesfalls geöffnet: Denkwürdige Geschichten aus der Pathologie

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    Buchvorschau

    Wegen Todesfalls geöffnet - Hans Bankl

    bleiben.

    1

    Wozu braucht man die Pathologie überhaupt?

    Die pathologische Anatomie leidet unter ihrem Namen. Der Name stammt von griechisch anatemnein, was soviel wie aufschneiden, zergliedern heißt. Diese Bezeichnung erinnert deutlich an die ursprünglich wichtigste Tätigkeit des Pathologen, die Leichenöffnung, was viele Leute stört. Man hat das Fach daher sogar von „Pathologische Anatomie in „Klinische Pathologie umgetauft.

    Lassen Sie mich hier gleich einer verbreiteten Fehlmeinung entgegentreten – die Pathologie braucht man ganz überwiegend für die Lebenden, der Pathologe ist kein „ Arzt der Toten"! Unsere Tätigkeit besteht zu 70 Prozent aus Laboruntersuchungen für im Krankenhaus liegende Patienten oder an Materialien, das uns von Ärzten zugesandt wird. Weitere 25 Prozent betreffen Untersuchungen an Gesunden, und nur fünf Prozent macht die Vornahme von Leichenöffnungen aus.

    Wieso ein so hoher Prozentsatz von Untersuchungen an Gesunden?

    Weil wir viele von den in der Schwangeren-Vorsorge vorgeschriebenen Untersuchungen durchführen – und Schwangerschaft ist ja keine Krankheit.

    Weil die Zyto-Diagnostik im Rahmen der Krebsvorsorge ja doch ganz überwiegend negative Resultate bringt, das heißt die Gesundheit bescheinigt.

    PAP I = normale Zellen = unverdächtig (negativ)

    PAP II = geringe Zellveränderungen, kein Hinweis auf einen Tumor = unver- dächtig (negativ)

    PAP III = zweifelhaft: weder eindeu- tig gutartig noch bösartig = kurzfristige Kontrolle erforderlich

    PAP IV = begründeter Verdacht auf Bös- artigkeit = histologische Untersuchung zur endgültigen Klärung nötig

    PAP V = Nachweis bösartiger Zellen = bösartiger Tumor ist bewiesen


    Als „Vater der Zytologie" gilt der gebürtige Grieche George Papanicolaou (1883–1962), der später als Pathologe in New York tätig war. Er hat eine Bewertungsskala der Zellveränderungen erstellt, die für die Tumordiagnostik eine graduelle Befundabstufung in fünf Gruppen vorsieht. Dieses Bewertungssystem ist (noch) weitgehend in Gebrauch. Die am häufigsten durchgeführte zytologische Untersuchung ist der Abstrich vom Gebärmutterhals anlässlich einer gynäkologischen Untersuchung. Die Treffsicherheit bei der gynäkologischen Zytologie beträgt 95 Prozent. Allerdings sei hier Folgendes angemerkt: Wird einer Frau durch ihren Gynäkologen ein verdächtiger oder positiver Befund mitgeteilt, so sucht sie oft einen anderen Frauenarzt auf, um eine zweite Meinung einzuholen. Durch den Erstabstrich ist aber die krankhaft veränderte Schleimhaut abgewischt worden, daher ist es kein Wunder, wenn die Zweituntersuchung ein negatives, für die Frau also günstiges Ergebnis bringt. Wenn sich die Patientin nun freut, der zweiten Untersuchung mehr glaubt als der ersten, so begeht sie einen fatalen Fehler. Sie meint gesund zu sein, ist es natürlich nicht, und es verstreicht wertvolle Zeit für eine Behandlung. Histologische und zytologische Präparate und Befunden müssen dreißig Jahre lang aufbewahrt werden.

    Wie die Partei seines Vertrauens wählt man auch die Pathologie seines Vertrauens. Warum soll ich verschweigen, dass auch ich Vorzugsstimmen bekommen habe, haben doch manche Einsender das Material eben gerade deshalb an mich geschickt, damit ich persönlich es befunde.

    Auch für das Zeitalter der Elektronik gilt: Hirn kann durch nichts ersetzt werden.

    Auch die modernsten Apparaturen müssen von ausgezeichnetem Personal bedient werden. Was nützt ein Großflächenrotationsmikrothom, wenn nicht eine medizinisch-technische Assistentin mit goldenen Händen und ruhiger Seele Schnitte mit einer Dicke von 5/1000 mm herauszaubert?

    Zudem werden die Pathologen streng kontrolliert – einerseits durch die klinischen Ärzte, die ja nach ziemlich kurzer Zeit draufkommen, ob unsere histologischen, zytologischen, bakteriologischen oder serologischen Diagnosen richtig waren, andererseits durch die Einbeziehung in einen ständigen Qualitätssicherungs- und Qualitätsprüfungsprozess. Mein langjähriger strenger ärztlicher Direktor pflegte häufig zu zitieren: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser."

    Die Krankheitslehre ist erst, seitdem seziert wird, eine exakte Wissenschaft. Der Pathologe als letzte Kontrollinstanz ist notwendig, damit die Medizin nicht zu einer rein technisch-apparativen Disziplin wird.

    Die diagnostische Fehlerrate eines durch- schnittlichen Pathologen beträgt bei histo- logischen und zytologischen Untersuchungen etwa 0,1 Prozent!

    Exkurs in die Geschichte

    Weil Gegenwart und Zukunft nur derjenige wirklich verstehen kann, der auch die geschichtliche Entwicklung kennt, gestatte ich mir hier einen kurzen Rückblick.

    Die Geschichte der Pathologie ist so alt wie die Heilkunde selbst. Die frühesten Vorstellungen über das Wesen der Krankheiten waren magisch-religiöser Art. Krankheitserscheinungen, die man durch die natürlichen Erkenntniskräfte der Sinne nicht erklären konnte, etwa Krankheiten aus inneren Ursachen, erschienen unheimlich. Sie lösten Angst aus. Der geängstigte Mensch verknüpfte diese Phänomene mit Göttern, Dämonen, Zauberern, Ahnen. Dagegen wurden Heilrituale entwickelt, und die Ausübung der Medizin lag in den Händen von „Priesterärzten".

    Obwohl beispielsweise bei den Ägyptern die Leichen, bedingt durch den Brauch des Einbalsamierens, nach bestimmten Vorschriften geöffnet wurden, wurden dabei keine anatomischen Erkenntnisse gewonnen. Im alten Ägypten galt das Herz, von dem sämtliche Gefäße ausgingen, als Mittelpunkt des Körpers. Durch diese Gefäße würden Luft, Blut, Wasser sowie Nahrungs- und Ausscheidungsprodukte transportiert. Aber auch Krankheitsstoffe sollten auf diesem Weg zu den einzelnen Organen gelangen und sich dort ansiedeln.

    In der Vorstellung der alten Ägypter führte ein feiner Nerv vom Herzen direkt zum vierten Finger der linken Hand (nicht aber der rechten!). Dieser Finger hieß daher noch bei den Anatomen des Mittelalters digitus cordis. Da das Heiraten eine Herzensangelegenheit ist oder sein soll, schmückt man diesen Finger. Der Finger der rechten Hand hieß digitus medicus, da mit diesem die Heilkundigen ihre Arzneikompositionen zu mischen pflegten.

    Der Glaube, dass die Seelen der Verstorbenen so lange vor den Toren der Unterwelt herumirren müssten, bis ihre Leiber beerdigt wären, machte es den Griechen unmöglich, anatomische Forschung zu betreiben. Auch bei den Juden war die Sektion von Leichen als Schändung der Verstorbenen strengstens untersagt. Dafür dürften nicht nur religiöse, sondern bereits auch hygienische Gründe maßgebend gewesen sein.

    Der entscheidende Schritt für die abendländische Kultur war das Nachdenken über die Fragen der griechischen Naturphilosophie (circa 600–450 v. Chr.). Die medizinische Terminologie basiert daher nicht zufällig weitgehend auf dem Griechischen.

    Hippokrates von Kos (460–377 v. Chr.) hat, soweit wir wissen, keine Erkenntnisse aus Obduktionen gewonnen. Seine und seiner Schule Verdienste liegen in einem genauen, vergleichenden Beobachten der Krankheitszeichen und des Krankheitsverlaufs sowie in dem Versuch einer allgemeinen Krankheitslehre, die auf einer rein natürlichen Begründung der Medizin unter Ablehnung aller übersinnlichen Krankheitsursachen beruht.

    Das Wesen der Krankheiten wurde als Störung der normalerweise harmonischen Säftemischung im Körper erklärt. Und weil die Körperflüssigkeiten Blut (warm und feucht, aus dem Herzen), Schleim (kalt und feucht, aus dem Gehirn), gelbe Galle (warm und trocken, aus der Leber) und schwarze Galle (kalt und trocken, aus der Milz) – die sogenannten Humores – eine bedeutende Rolle spielten, nennt man diese Krankheitslehre „Humoralpathologie".

    Mit der beginnenden Weltherrschaft der Römer wurde der Schwerpunkt der medizinischen Wissenschaften nach Rom verlegt.

    Im 2. Jahrhundert n. Chr. tauchte in Rom ein griechischer Arzt auf, der für die Medizin der nächsten tausend Jahre richtungsweisend sein sollte: Galeanos von Pergamon (130–201 n. Chr.), kurz Galen genannt. Am Höhepunkt seiner Karriere wurde er Leibarzt von Kaiser Marc Aurel (121–180 n. Chr.), der in Vindobona, also in Wien, gestorben ist. fasste die medizinischen Erfahrungen und Erkenntnisse zu einem einheitlichen System zusammen und wurde zur bedeutendsten ärztlichen Persönlichkeit der Antike nach Hippokrates. Er räumte dem Blut eine absolute Vormachtstellung ein.

    Durch das Überwiegen je eines der Säfte sollten auch die vier Temperamente bedingt sein:

    Sanguiniker: Ableitung von sanguis (lat.) = Blut; Typ des „blutvollen", lebhaften Menschen

    Choleriker: Ableitung von chole (griech.) = Galle; Typ des reizbaren, jähzornigen Menschen

    Melancholiker: Ableitung von melancholla (griech.) = Schwarzgalligkeit; Typ des schwermütigen Menschen

    Phlegmatiker: Ableitung von phlegma (griech.) = zäher Schleim; Typ des ruhigen, schwerfälligen Menschen

    1.500 Jahre später entwickelte der deutsche Arzt Samuel Hahnemann eine Therapie nach dem Prinzip: similia similibus curentur, d. h. Ähnliches solle durch Ähnliches geheilt werden. Ein Mittel könne in größerer Dosis eingenommen eine Krankheit erzeugen, in kleinerer Dosis jedoch gerade diese Krankheit heilen. Dies wurde zum Grundprinzip der sehr umstrittenen Lehre der Homöopathie. Sie behandelt bekanntlich nicht mit Heilmitteln, die gegen die Symptome des Patienten gerichtet sind, sondern setzt Substanzen ein, die in hoher Dosierung den Krankheitserscheinungen ähnliche Symptome verursachen würden. Der Wirkungsmechanismus ist ungeklärt und umstritten.

    Nachdem Kaiser Konstantin (313 n. Chr.) das Christentum zur Staatsreligion erhoben hatte, wurden Krankheiten als Fügung Gottes verstanden. Da das Christentum den ideologischen Schwerpunkt vom irdischen Leben ins Jenseits verlegte, konnten alle irdischen Verhältnisse nur noch von nebensächlichem Interesse sein.

    Wir verdanken es der „arabischen" Medizin, dass die Tradition der hippokratisch-galenischen Lehre überliefert wurde, sonst wäre alles verloren gegangen.

    An der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert trat schließlich jener Mann auf, der den Stillstand des Mittelalters heftig bekämpfte: Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus (1494–1541). Er forderte von den Ärzten, einen naturwissenschaftlichen Standpunkt einzunehmen, und erkannte den chemischen Charakter des Stoffwechsels. Diese Erkenntnis trat fortan an die Stelle der Säftelehre.

    Die Medizin als rationale und objektive Naturwissenschaft begann mit den Forscherleistungen von drei Männern.

    Andreas Vesal (1514–1564), Professor in Padua. Er begründete die moderne Anatomie und arbeitete ausschließlich mit eigenen Beobachtungen an Leichen, da er grundsätzlich seine Obduktionen selbst ausführte.

    William Harvey (1578–1657), Professor der Anatomie und Chirurgie in London. Er war der Begründer der modernen Physiologie und führte messende, wägende und experimentelle Methoden in die Forschung ein. Ihm gelang die Entdeckung des Blutkreislaufes.

    Marcello Malphigi (1628–1694), Professor in Bologna. Als Begründer der mikroskopischen Anatomie benützte er als Erster das Mikroskop zur Erforschung organischer Strukturen.

    Im Jahre 1761, über 200 Jahre nach Vesal, erschien schließlich das epochemachende Werk „De sedibus et causis morborum per anatomen indagatis" („Über Sitz und Ursache der Krankheiten, aufgefunden mit Hilfe der Anatomie"). Giovanni Battista Morgagni (1682–1771), Professor in Padua, war 80 Jahre alt, als dieses sein letztes Buch erschien. Es enthielt systematisch geordnete Krankheitsfälle. Morgagni – er starb im 90. Lebensjahr – stellte darin klar, dass den einzelnen Krankheitsbildern bestimmte Organveränderungen zugrunde liegen, und verlegte den Sitz der Krankheiten in die Organe. Er ist der Begründer einer der klinischen Medizin zugewandten Pathologischen Anatomie.

    Aber kehren wir zurück zu den Leichen!

    Pathologen sind – auch – Ärzte am Tatort

    Pathologen und Gerichtsmediziner sind die „Detektive mit dem Skalpell, die „kriminalistischen Praktiker, die an den Knoten einer Schlinge den Serienmörder erkennen.

    Und wo ist der Tatort?

    im Fernsehen: Man bedenke die zahllosen Krimiserien, die sich ungebrochener Beliebtheit erfreuen;

    in der Realität: Österreich weist 83.000 Todesfälle pro Jahr auf, d. h.225 Leichen pro Tag, bei einer Gesamtbevölkerungszahl von 8,6 Millionen.

    In Österreich gibt es etwa 100–250

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