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Lebensbiopsien
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eBook257 Seiten2 Stunden

Lebensbiopsien

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Über dieses E-Book

In "Lebensbiopsien" hat Prof. Nellessen seine seit 2009 in der Tageszeitung "Stendaler Volksstimme" erschienenen Kolumnen zusammengefasst. Er kam damit dem Wunsch vieler seiner Leser nach. Die Texte befassen sich mit Fragen der Medizin und des Lebens, auch des Sterbens, mit Gedanken zum Menschsein und zu gesellschaftlichen Entwicklungen. Die Thesen des Autors sind klug, pointiert, keinesfalls dozierend oder medizinisch-theoretisch. Sie sind in klarer Sprache politisch, manchmal auch philosophisch, vor allem aber voller Menschlichkeit und Empathie.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum4. Nov. 2019
ISBN9783750453852
Lebensbiopsien
Autor

Ulrich Nellessen

Prof. Ulrich Nellessen nahm nach dem Abitur das Studiurn der Medizin an der Christian—Albrechts-Universität in Kiel auf. Nach Ausbildung an den Universitäten Hamburg/Eppenclorf und Medizinische Hochschule Hannover sowie nach wissenschaftlicher Tätigkeit an der Stanford University/ Kalifornien/ USA wechselte er 1988 als Oberarzt an die kardiologische Abteilung der Universität Kiel. 1990 erfolgte die Habilitation für das Fach Innere Medizin. 1992 erhielt er einen Ruf an die Universität Würzburg als Leiter des Funktionsbereichs Kardiologie, seit 1995 war er Chefarzt am Johanniter-Krankenhaus Genthin-Stendal und seit 1996 auch Ärztlicher Direktor. Letztere Funktion füllt er seit 2016 dort hauptamtlich aus. Sein Wissenschaftliches Werk umfasst zahlreiche Arbeiten in nationalen und internationalen Zeitschriften.

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    Buchvorschau

    Lebensbiopsien - Ulrich Nellessen

    Nellessen

    Biopsie 1

    Der Körper ist ein unnachgiebiger Gläubiger

    Vorsicht Wohlstand!

    Herzinfarkt und Schlaganfall stehen an erster Stelle in der Todesstatistik der Bundesrepublik Deutschland. Ursache ist eine durch eine Engstelle oder einen Verschluss bedingte gedrosselte Blutzufuhr der das Gehirn bzw. das Herz versorgenden Adern. Schon der Ausdruck »Schlaganfall« sagt aus, dass es den Betreffenden ohne Vorboten wie ein Schlag aus heiterem Himmel trifft, ähnliches, so meinen wir, gelte auch für den Herzinfarkt. Die Plötzlichkeit des Geschehens lässt uns glauben, es handele sich um akute Erkrankungen, doch diese Annahme ist weit gefehlt. Würden wir beide Erkrankungen von ihrer frühesten Wurzel an spüren, so würden sie gewiss zu den chronischen Krankheiten gezählt, denn der Grundstein zu ihrem späteren Ausbruch wird schon im jugendlichen Alter gelegt. Ursächlich sind Rauchen und fettreiche Ernährung als entscheidende, allerdings von uns selbst zu beeinflussende Faktoren zu nennen.

    Japan hat auf der Welt eine der niedrigsten Infarktraten, die USA eine der höchsten. Japaner, die in jungen Jahren in die USA auswandern, weisen später eine ähnliche Infarktrate auf wie die amerikanische Durchschnittsbevölkerung. Die Zwillingsforschung hat bei eineiigen Zwillingen (identische Erbanlage) ergeben, dass sich bei Auswanderung eines Zwillings sein Infarktrisiko der der jeweiligen Landesbevölkerung angleicht. Diese Tatsachen unterstreichen die Bedeutung der Ernährung für unsere Gesundheit.

    Herzinfarkt und Schlaganfall sind klassische Wohlstandserkrankungen. So hat zwischen 1952 und 1978 die Infarktrate in Deutschland um das 6-fache zugenommen, ähnlich sieht es für den Schlaganfall aus. Etwas zynisch darf man schlussfolgern: Not bekommt dem Menschen besser als Überfluss.

    Uneingeschränkter Genuss in Form von Süßspeisen (Kuchen, Bonbons, Pudding etc.) und Fett (Fleisch) bei eingeschränkter körperlicher Aktivität erscheint leider auch so manchem Jugendlichen unbedenklich, Verzicht und Askese sind für viele Menschen Fremdwörter. So kommt es am Essenstisch schleichend zum Selbstmord mit Messer und Gabel, vor dem Computer und Fernseher geht es dann weiter mit Burgern, Kartoffelchips und Süßigkeiten, von Alkohol und Zigaretten ganz zu schweigen. Würden wir uns gesundheitsbewusst ernähren, die Tabakwaren links liegen lassen, den Alkoholkonsum einschränken und für ausreichend Bewegung sorgen, so wären insbesondere Gefäßchirurgen und Kardiologen auf Arbeitssuche und unser Gesundheitswesen saniert.

    »So kommt es am

    Essenstisch schleichend

    zum Selbstmord mit

    Messer und Gabel …«

    Ist es nicht so, dass die geistige Freiheit des Menschen erst durch die willentliche Entscheidung zum Verzicht zur Geltung gelangt? Die Gier, alles haben zu wollen, kann auch hinsichtlich unserer Ernährungsgewohnheiten zur tödlichen Falle werden, denn unser Körper ist ein unnachgiebiger Gläubiger.

    Der Alkohol, der Suff und der Tod

    Die Geschichte, über die berichtet werden soll, ist die Geschichte eines Trinkers. Sie wiederholt sich ständig, denn notorische Trinker kommen immer wieder ins Krankenhaus, weil der Alkohol ihnen über die Jahre Leber, Herz und Gehirn zerfrisst bis dann Schluss ist und sie, mittlerweile häufig verblödet, oft verblutend ihr trauriges Leben aushauchen.

    Stellvertretend für viele sei die Geschichte von K. erzählt, der schon früh als Jugendlicher mit dem Trinken anfing. Sein Elternhaus war zerrüttet, der Stiefvater brutal, jähzornig und oft betrunken. In der Schule und später in der Lehre klappte es nicht, K. zog früh von Zuhause aus, hatte kaum Kontakt zu seinen Eltern und geriet in falsche Gesellschaft. Im Krankenhaus kannte man ihn gut, mal lag er hilflos irgendwo rum, meist sturzbetrunken, und der alarmierte Notarzt nahm ihn mit, dann trat ein durch Alkohol induzierter schwerer Krampfanfall auf, mal fiel er im Suff hin und zog sich eine große Kopfplatzwunde zu. Stets wollte er mit dem Trinken aufhören, doch brach er zwei Entziehungskuren ab, und es kam ein Rückfall nach dem anderen. Jahre später stellte sich Atemnot ein. Sein Herz war durch den ständigen Alkohol fast so groß geworden wie ein Fußball und zog sich kaum noch zusammen. Die Leber fing an zu rebellieren, die Leberzellen waren über die Zeit abgestorben, eine Zirrhose hatte sich entwickelt und versperrte dem Blut den Weg. Doch das suchte sich neue Bahnen, umging große Teile der Leber und bildete – wie eine Magenspiegelung zeigte – dicke Adern, fast so wie Krampfadern an den Beinen, um die Speiseröhre herum. K. sah es locker und entspannt, die ihm vom Arzt mitgeteilte Blutungsgefahr ignorierte er, er wusste nicht, wie grausam der Gott der Leberzirrhose herrschen würde. Wenig später platzte eine dieser Adern. K. spuckte unaufhörlich Blut, fast 1½ Liter und wurde halb ausgeblutet wieder eingeliefert. Die Krampfadern an der Speiseröhre wurden zugeschweißt, das verlorene Blut ersetzt und Stoffe für eine bessere Blutgerinnung künstlich zugeführt. Das Krankenhaus stellte an die Krankenkasse eine Rechnung von fast 10.000,-- €, die anstandslos bezahlt wurden. K. erholte sich, trank aber weiter. Durch den zunehmenden Leberausfall zirkulierten immer mehr Gifte im Blut, die K. benebelten. Er wirkte apathisch, teilweise auch dement, mitunter wurde er aber auch aggressiv und unverschämt gegenüber seinen Mitmenschen. Nach einer Geburtstagsfeier kam K. als Notfall erneut ins Krankenhaus. Er lag in seinem Blut, hatte furchtbare Erstickungsanfälle, denn ein Teil des Blutes war in die Lunge gelaufen, der Bauch war aufgedunsen und voller Wasser, die Beine und Arme durch den Muskelschwund kerzendünn, Augen und Haut braungelb verfärbt, der Körper übersät mit Blutpunkten, immer wieder floss Blut aus seinem Mund.

    Das zum Kulturgut

    erhobene alkoholische

    Getränk ist das wahre

    Rauschgift unserer Zeit

    Die Mutter war an sein Totenbett gekommen, weinte bitterlich und konnte es nicht fassen, dass K. in einem solchen Zustand schon mit 45 Jahren sterben musste.

    In Deutschland sterben jährlich ca. 75.000 Menschen den Alkhol aber nur ca. 1.300 den Drogentod. Das zum Kulturgut erhobene, alkoholische Getränk ist das wahre Rauschgift unserer Zeit. Die Gesellschaft zeigt hier ein Verhalten ähnlich dem des einzelnen Menschen: was er bei sich selbst schuldhaft empfindet, verdrängt er nur allzu gern und verfolgt es umso härter in anderen. So billigen und fördern wir den Alkoholkonsum, bekämpfen aber – berechtigterweise – die Drogenszene, eine fatale Scheinheiligkeit!

    Der Mann im Rollstuhl

    Alkohol und Nikotin sind die »Genussgifte« unserer Zeit. Sie sind die wahren Kostentreiber im Gesundheitswesen. Stellvertretend für die Hundertausende diesen zu Kulturgütern erhobenen Drogen Verfallenen sei ein Beispiel erzählt: Sein Vater war schon früh an einem Herzinfarkt verstorben, aber er – der sich für unwiderstehlich hielt – rauchte schon von Jugend an mindestens 30 Zigaretten pro Tag, der Alkoholkonsum war erheblich, Cholesterin und Blutdruck waren viel zu hoch, Übergewicht und Zucker stellten sich ein, aber er blendete aus, dass die Natur ein unnachgiebiger Gläubiger ist und jahrelanges Siechtum dem Tod bei einer solchen Lebensweise meist vorausgeht. Mit Mitte 40 wurde der erste Zeh schwarz, nicht mehr richtig durchblutet, dann der Fuß und später der eine, dann der andere Unterschenkel. Es bildeten sich offene Geschwüre, Gefäßerweiterungen der Beinadern brachten vorübergehend Linderung. Doch dann ging es zur Sache: in Mortadellatechnik wurde scheibchenweise amputiert, um der gefürchteten Blutvergiftung zu begegnen, erst die Zehen, dann die Füße, zuletzt beide Unterschenkel. Er rauchte immer weiter, die Nierengefäße verstopften, also Dialyse 3 x pro Woche ca. 4 Stunden. Dann stotterte das Herz, also erst ein paar Stents, dann Bypass-Op. Er war nicht mehr gehfähig, saß im Rollstuhl. Um beide Rollstuhlarme waren Konservendosen angebunden: Sie taten wertvolle Dienste als Aschenbecher, denn er qualmte weiter bis zu seinem frühen Tod mit Anfang 50. Die Krankenkasse zahlte stets ohne Zögern, in der Summe mehrere Hunderttausend Euro. Wer ist hier verhaltensgestört? Die Ärzte, die dem unerbittlichen Fortschreiten der Gefäßkrankheit mit einer kostspieligen Reparatur nach der anderen begegneten? Der Patient, der seine Gesundheit zum Schaden der Solidargemeinschaft der Versicherten mit Füßen tritt? Die Krankenkassen, die Riesensummen anstandslos bezahlen, aber keine Gelegenheit auslassen, bei »schuldlos« Kranken die Notwendigkeit medizinischer Maßnahmen in Frage zu stellen? Die Politik, die nicht den Mut hat, das Prinzip Eigenverantwortung zumindest in die öffentliche Diskussion zu bringen, oder wir alle, die wir wütend werden, wenn der Preis unserer Genussgifte um einen Gesundheitsbeitrag steigen würde? Soziales Handeln fängt beim Umgang mit sich selbst an. Es kann zutiefst asozial sein, wenn als Konsequenz einer fragwürdigen Mittelverteilung schuldlos, bitterste Not Leidende allein gelassen werden. Soziales Handeln kann – so widersprüchlich es klingt –Ausdruck einer moralischen Dekadenz sein. Zumindest ansatzweise ist eine solche Tendenz in unserem, das Prinzip der Eigenverantwortung ignorierenden Gesundheitswesen zu beobachten, eindeutig jedoch bei vielen Bürgern, die an sich selbst keine Forderungen stellen, aber gnadenlos den Sozialstaat in Anspruch nehmen.

    Soziales Handeln

    fängt beim Umgang

    mit sich selber an.

    Herzinfarkt – Schuld oder Schicksal?

    Nie geraucht, immer Sport getrieben, kein Übergewicht, normaler Blutdruck und doch mit gerade mal 50 Jahren einen Herzinfarkt durchgemacht. Zwanzig Zigaretten am Tag gequalmt, kaum Bewegung, 30 kg zuviel, Blutdruck und Cholesterin zu hoch und allen Erwartungen zum Trotz bis ins hohe Alter gesund gewesen. Wie oft hat man in seinem Freundes- und Bekanntenkreis eine solche Geschichte erzählt bekommen! Und in der Tat so etwas kommt vor, ist zwar selten aber lehrt uns, dass nicht nur die klassischen Risikofaktoren allein bestimmend sind, sondern noch andere Größen mit im Spiel sein müssen.

    Dem Herzinfarkt liegt eine über Jahre für den Betreffenden unbemerkt verlaufende, stetig zunehmende Einengung der das Herz mit Blut versorgenden Adern zu Grunde. Sehen wir das Herz als Motor an, so sind diese Adern die Benzinleitungen, die den Kraftstoff zum Motor führen. Wenn über Jahrzehnte Wasser durch ein Rohr fließt, so bilden sich zwangsläufig Ablagerungen. So wie sich Bestandteile des Wasser an den Wänden des Rohres niederschlagen, so lagern sich Blutbestandteile, allen voran Fette, an den Innenflächen der Adern ab und führen zu Arterienverkalkung. Logischerweise ist dieser Prozess altersabhängig. Autoptische Untersuchungen von Unfallopfern haben eine glasklare Beziehung zwischen dem Grad der Arterienverkalkung und dem Alter des Verunfallten gezeigt. Das Altern selber ist also schon ein wesentlicher, nicht beinflussbarer »Risikofaktor«. Anders scheint es bei der Ernährung zu sein. Wird eine Gruppe von Versuchstieren sehr fettreich ernährt, so finden sich an den Adern dieser Tiere im Gegensatz zur fettarm ernährten Gruppe schon nach wenigen Monaten gelblich-weiße Belege, sogenannte Fettstreifen. Diese Fettstreifen gelten als Vorstufe der Verkalkung und verschwinden fast immer bei Umstellung von einer fettreichen auf eine fettarme Ernährung. Ein hoher Blutfett- bzw. Cholesterinspiegel beim Menschen ist häufig auf eine zu fettreiche Ernährung bei mangelnder Bewegung zurückzuführen, kann aber –wenn auch selten – bei gesunder Ernährung mit wenig fettem Fleisch vorkommen. Die Aufnahme von Fett aus dem Magen-Darmtrakt, die weitere Verarbeitung des Fettes in der Leber, kurzum der Fettstoffwechsel, ist bei jedem Menschen, genauso wie bespielsweise die Augenfarbe, genetisch festgelegt. Ähnlich verhält es sich mit der Regulation des Blutdrucks, der analog dem Cholesterinspiegel ebenfalls durch starkes Übergewicht und fehlende Bewegung weiter in die Höhe getrieben wird, aber auch im wahrsten Sinne des Wortes von den Eltern mitbestimmt wurde.

    Was das Leben

    mit unserem Herzen

    vorhat, liegt –

    allerdings nur zu

    einem gewissen Teil –

    in unserer Hand

    und ist somit auch

    schicksalhaft.

    Die Medizin prahlt gerne mit ihrem Wissen. In Bezug auf die Entstehung des Herzinfarktes weiß sie viel weniger als sie vorgibt. Für seine ihm von seinen Eltern mitgegebene Erbinformation kann der Mensch nichts. Immer mehr Gene werden identifiziert, die Arterienverkalkung fördern oder hemmen können. Was das Leben mit uns und unserem Herzen vor hat, liegt –allerdings nur zu einem gewissen Teil – nicht in unserer Hand und ist somit schicksalhaft. Umso mehr sind wir aufgerufen, unseren Beitrag zum Erhalt unserer Gesundheit zu leisten. Der drohende Kollaps unseres Gesundheitswesens geht auch auf die insbesondere bei jüngeren Menschen zu verzeichnende große Anzahl an Herz-Kreislauferkrankungen zurück. Es ist eine gesicherte Erkenntnis, dass allein Rauchverzicht, gesunde Ernährung und ausreichende körperliche Bewegung das Auftreten eines Infarktes auch bei genetisch ungünstig ausgestatteten Menschen mit zahlreichen Ereignissen bei Eltern und Großeltern zumindest um viele Jahre, vielleicht auch Jahrzehnte, hinauszögern können. Sich gesundheitlich verantwortungsvoll zu verhalten, sollte uns deshalb zur Pflicht werden, dann da sind wir nicht nur unseres eigenen Glückes Schmied, sondern können einen Beitrag zur Entlastung des Gesundheitswesens leisten, der vielleicht noch effektiver und wichtiger ist, als unser monatlicher Obulus an die Krankenkasse.

    Die Macht der Gewohnheit

    Unbestritten ist, dass bei vielen Patienten die Krankheit schicksalhaft von ihnen Besitz ergreift. Unbestritten ist aber auch, dass eigenes Risikoverhalten, Ignoranz und Dickköpfigkeit zum Ausdruck einer Erkrankung, zu dessen Verschlimmerung bis hin zum Tod führen können. Schon bei den angebotenen Vorsorgeuntersuchungen fängt es an: Gilt nicht auch hier, was so oft im Leben anzutreffen ist: Das Nicht-Wissen um die Dinge ist oft besser zu ertragen als das Wissen, zumindest solange es uns gut geht. Es ist eine Tatsache, dass sich viele Menschen nicht an die ihrer Gesundheit förderlichen Ratschläge halten. So verpufft so manche medizinische Maßnahme im Nichts. Nehmen wir einmal die Rehabilitationskuren unter die Lupe. Nach einem Herzinfarkt stehen sie nahezu jedem Patienten zu und werden meist anstandslos von den Krankenkassen bezahlt. Sie verfolgen das Ziel, dem Patienten die Wiedereingliederung in sein berufliches und privates Umfeld zu erleichtern. Meist mit Erfolg, legt man die objektiven Werte für die Belastbarkeit, den Blutdruck und Cholesterinspiegel, das Körpergewicht etc. vor Entlassung zu Grunde. Doch wie Untersuchungen gezeigt haben, weist die Mehrheit der Patienten ein Jahr später ähnlich schlechte Werte auf wie bei der Krankenhauseinweisung; also alles für die Katz? Dazu passt die schwer zu ertragende Wahrheit, dass in Ländern, in denen keine Kur nach Infarkt bewilligt wird, der Langzeitverlauf nicht wesentlich unterschiedlich ist.

    Was der Patient

    aufgeben muss,

    ist oft das, was er

    als Lebensqualität

    empfindet …

    Wie schwer es ist, liebgewonnene Gewohnheiten langfristig zu ändern, wissen wir alle von uns selber. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit die Medizin den Menschen schlichtweg überfordert? Berücksichtigt sie ausreichend Lebensumstände, Zwänge und menschliche Verhaltensweisen? So mancher Arzt würde sich selber nie das zumuten, was er geneigt ist, seinen Patienten abzufordern. Was der Patient aufgeben muss, ist oft das, was er als Lebensqualität empfindet, doch das macht sich so mancher Mediziner nicht klar. Wer aber –vielleicht wie sonst auch in seinem Leben – alle Ratschläge und medizinische Auflagen in den Wind schlägt, wer nach Wiederherstellung seiner Gesundheit nicht bereit ist, medizinisch dringend notwendige Konsequenzen zu ziehen und weiter Raubbau an Körper und Seele betreibt, der bleibt sich dummerweise selber treu und stirbt an seinem Charakter.

    Total ignorantes Verhalten ist – mit Ausnahme von Suchtpatienten – glücklicherweise selten anzutreffen, doch in bezug auf die Herz-Kreislaufmedizin müssen Ärzte und Ärztinnen und wohl auch die Patienten leider zur Kenntnis nehmen: Die Macht der Gewohnheit ist so manches Mal stärker als die Macht von Vernunft und Medizin.

    Gehirn – Erfahrung – Sozialverhalten

    Unsere Sinnesorgane sind ein Abbild der Wirklichkeit dieser Welt. So hat sich z.B. das Auge über Jahrmillionen hinweg unter dem Einfluss des Lichtes, der Sonne entwickelt,

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