Die Hoffnung hält uns zusammen: Professor Hartwig 1 – Arztroman
Von Peik Volmer
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Über dieses E-Book
Hinsichtlich der Corona-Krise gibt es unterschiedliche Glaubensbekenntnisse. Diese reichen von wahnwitzig wirkenden Verschwörungstheorien bis hin zu Ängsten um die Wirtschaft und um die Demokratie. Ich möchte mich daran nicht beteiligen. Ich habe 40 Jahre im deutschen Gesundheitswesen gearbeitet und glaube nicht, dass angesichts von einer halben Million Toten meine Berufskollegen weltweit sich vor irgendeinen Karren spannen lassen. Genau wie alle anderen bin auch ich besorgt. Ich bin besorgt und verärgert, weil Wissenschaftler vor langer Zeit bereits gewarnt haben. Unser hemmungsloser Umgang mit der Umwelt, den Ressourcen und dem dekadenten Konsum haben erheblich zu dieser Krise beigetragen, ebenso wie Massentourismus, Globalisierung, Massentierhaltung. Trotzdem muss das Leben weitergehen. Wir müssen nach Wegen suchen, eine neue Qualität zu finden. Wir müssen zu unserem jahrelang eingeübten Handeln Alternativen finden, die das Ansteckungsrisiko möglichst gering halten. Ich selber habe den sogenannten Fortschritt nie wirklich als solchen erlebt. Wir sind immer schneller, wohlhabender, mobiler geworden. Bestimmte Produkte, zum Beispiel Fleisch, Unterhaltungselektronik, Fernreisen sind für jeden erschwinglich. Wir können Erdbeeren im Dezember kaufen, und Tomaten halten ewig. Hat uns das menschlich weitergebracht? Wir haben gelernt, alles abzustreifen, was uns bremst. Kinder sind ein Karriere-Hindernis. Alte Menschen ein Kostenfaktor. Die Welt gehört nur noch der produktiven Generation. Ich will hier nicht die gute alte Zeit heraufbeschwören.
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Professor Hartwig
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Die Hoffnung hält uns zusammen - Peik Volmer
Professor Hartwig
– 1 –
Die Hoffnung hält uns zusammen
Peik Volmer
Erklärung des Autors
Hinsichtlich der Corona-Krise gibt es unterschiedliche Glaubensbekenntnisse. Diese reichen von wahnwitzig wirkenden Verschwörungstheorien bis hin zu Ängsten um die Wirtschaft und um die Demokratie.
Ich möchte mich daran nicht beteiligen. Ich habe 40 Jahre im deutschen Gesundheitswesen gearbeitet und glaube nicht, dass angesichts von einer halben Million Toten meine Berufskollegen weltweit sich vor irgendeinen Karren spannen lassen.
Genau wie alle anderen bin auch ich besorgt. Ich bin besorgt und verärgert, weil Wissenschaftler vor langer Zeit bereits gewarnt haben. Unser hemmungsloser Umgang mit der Umwelt, den Ressourcen und dem dekadenten Konsum haben erheblich zu dieser Krise beigetragen, ebenso wie Massentourismus, Globalisierung, Massentierhaltung.
Trotzdem muss das Leben weitergehen.
Wir müssen nach Wegen suchen, eine neue Qualität zu finden. Wir müssen zu unserem jahrelang eingeübten Handeln Alternativen finden, die das Ansteckungsrisiko möglichst gering halten.
Ich selber habe den sogenannten Fortschritt nie wirklich als solchen erlebt. Wir sind immer schneller, wohlhabender, mobiler geworden. Bestimmte Produkte, zum Beispiel Fleisch, Unterhaltungselektronik, Fernreisen sind für jeden erschwinglich. Wir können Erdbeeren im Dezember kaufen, und Tomaten halten ewig.
Hat uns das menschlich weitergebracht? Wir haben gelernt, alles abzustreifen, was uns bremst. Kinder sind ein Karriere-Hindernis. Alte Menschen ein Kostenfaktor. Die Welt gehört nur noch der produktiven Generation.
Ich will hier nicht die gute alte Zeit heraufbeschwören. Die war auch nicht nur gut, sondern sehr entbehrungsvoll, körperlich anstrengend, engstirnig und unbequem. Allerdings gab es Gewohnheiten und Tugenden, die man vergessen hat bei unserem Schneller, Höher, Weiter. Wir waren schon mal geduldiger. Bescheidener. Rücksichtsvoller. Wir konnten verzichten. Wir haben nachhaltiger gelebt. Wir haben die Großeltern nicht in Institutionen entsorgt, nur weil sie das Bett nass machten. Wir haben uns für unsere Kinder interessiert. Wir haben uns mehr Zeit genommen, für Freunde und Familie. Wir haben den Sinn unseres Lebens nicht im »Shopping« gefunden, sondern darüber nachgedacht, wie man seinem Leben einen Sinn geben könnte.
In der vorliegenden Serie »Professor Hartwig« greife ich diese Themen auf. Ich erzähle in Form des Arztromans eine bzw. mehrere Geschichten vor dem aktuellen Hintergrund der Corona-Krise. Ich versuche, nicht die Augen zu verschließen vor den existenziellen Problemen, deren Bewältigung die vielleicht größte Herausforderung darstellt. Aber ich möchte Mut machen und gelegentlich einen Hinweis darauf geben, dass wir durch Rückbesinnung auf bestimmte Qualitäten, die unser Leben schon einmal geprägt haben, die Anforderungen der neuen Realität meistern können. Nicht mit erhobenem Zeigefinger. Mit Geschichten von Menschen, wie wir es alle sind, mit unseren Stärken und Qualitäten. Wir sind wie nie zuvor auf der Suche nach Hoffnung. Ich denke, wir dürfen hoffen.
Ihr Dr. Peik Volmer
*
Kurzes Vorwort
Sehr verehrte Leserin, sehr geehrter Leser, hätten Sie gedacht, als Sie am 31.12. mit Ihrem Sektglas im Wohnzimmer standen und sich zuprosteten, dass das Neue Jahr so, sagen wir mal, überraschend verlaufen würde? Dass eine wirkliche Katastrophe über uns hereinbrechen würde, die Sie genauso wie mich betrifft und vor der wir nicht weglaufen können? Die es in dieser Form überhaupt noch nie gegeben hat?
Es ist alles deutlich schwieriger geworden, sogar so normale Dinge wie einkaufen zu gehen, der Friseurbesuch oder die Frage, begebe ich mich in Gefahr, wenn ich wegen meiner Knieschmerzen den Arzt aufsuche.
Man meint, die Zeit würde plötzlich viel langsamer vergehen – empfinden Sie das auch so? Ununterbrochen erreichen uns Nachrichten, die wir als deprimierend und erschreckend erleben. Die Fachleute, denen wir Kompetenz zutrauen, scheinen sich zu widersprechen. Das ist zwar völlig normal, weil das zum Prozess des wissenschaftlichen Arbeitens gehört. Trotzdem verunsichert es einen, oder? Ich habe neulich einfach den Fernseher ausgeschaltet, weil ich einfach nicht wissen wollte, was die Virus-Erkrankung noch für Folgen – außer den bereits bekannten – haben kann.
Wir halten uns an die Regeln und haben damit Erfolg. Die Lage ist für viele schlimm, das wollen wir nicht verschweigen. Aber so schlimm sie auch ist – das Leben geht weiter. Und oft genug kann man den Situationen positive Seiten abgewinnen. Oft genug kann man aus den Zitronen, mit denen uns das Schicksal gerade bewirft, Limonade machen. Und in absehbarer Zukunft werden wir es überstanden haben. Das kann ich Ihnen als Arzt zuverlässig sagen. Überall auf der Welt sind Forscher damit beschäftigt, eine Antwort zu finden. Und das wird gelingen. Wetten, dass?
*
Personenliste
Prof. Konstantin Hartwig (44): Als Chef der Kardiologie im Nordsee-Klinikum ein begnadeter, grandioser Arzt, der über den Tellerrand hinausschaut. Einer der größten Gegner des Corona-Virus. Und ein liebevoller Ehemann und Vater
Dr. med. Lena Hartwig (unter 40): Die versierte Narkoseärztin liebt ihren Konstantin, hat es allerdings satt, immer in seinem Schatten zu stehen. Also wird sie selbst Chefärztin – in einer anderen Klinik!
Julian Hartwig (18): Der gemeinsame Sohn ist gerade erst volljährig geworden. Bis über beide Ohren in seine neue Freundin verliebt. Will beruflich nicht in die großen Fußstapfen seiner Eltern treten
Dr. Georg Hindermann (53): Der Oberarzt ist ein brillanter Mediziner, der als streng, zynisch und bösartig gilt. Ist er das wirklich?
Dr. med. Gabriel Bernstein (34): Als Stationsarzt ohne Fehl und Tadel, dabei humorvoll und kollegial. Sein Laster: Er ist zugleich ein notorischer Wichtigtuer
Dr. med. Katharina Lehr (32): Eine stets freundliche, zugewandte Assistenzärztin. Medizinisch kompetent. Ihre Schwäche: Sie zweifelt an ihren Fähigkeiten
Jonas Wagner (19): Den jungen Krankenpflegeschüler, von vielen mitleidig belächelt, sollte niemand unterschätzen. An seine Zukunft glauben vor allem Professor Hartwig und die Stationsschwester Heide Hohmann
Prof. Thomas Vonend (48): Der Oberarzt der Uniklinik ist Konstantins bester Freund aus Studienzeiten. Ein selbstloser Mediziner, der keiner Gefahr aus dem Wege geht
*
Kongress in China
Der Schock saß ihm immer noch in den Knochen. Daran änderte auch der Erfolg nichts, den er bei dem Kongress in Wuhan gefeiert hatte. Immerhin kam es nicht alle Tage vor, dass ein Chefarzt aus einem so unbedeutenden kleinen Krankenhaus auf internationaler Ebene reüssieren konnte. Dabei hatte er alles dem Zufall zu verdanken. Ein alter Studienkollege hatte ihn angerufen, aus seiner bedeutenden Universitätsklinik. Er hätte eine Einladung erhalten, aus China, zum Internationalen Infektiologen-Kongress, Schwerpunkt Problemkeime, Antibiotika-Resistenzen und Hospitalismus-Infektionen. Eine Multicenter-Studie, zu der er, Professor Konstantin Hartwig, als Leiter der Internistischen Abteilung des als akademischen Lehrkrankenhauses ausgewiesenen Nordsee-Klinikums in nicht unerheblichem Maße beigetragen hatte.
»Du musst für mich fahren, Konstantin!«
»Thomas, wie stellst du dir das vor? Ich habe hier drei Abteilungen unter mir! Inklusive der Intensivstation!«
»Du hast doch tüchtige Oberärzte! Stell’ dich nicht so an! Dieckmann, Hindermann und Fiedler sind doch wohl in der Lage, sich eine knappe Woche um deinen Laden zu kümmern, oder?«
»Und warum machst du das nicht selbst?«
»Politik, mein Lieber. Man wartet hier nur auf meine Abwesenheit, um eine miese kleine Palastrevolution anzuzetteln. Man will allen Ernstes die Transplantationsstation uns Internisten wegnehmen und unter urologische Kontrolle stellen! Komisch, oder? Als ob die was von Dialyse verstünden, also wirklich! Handwerker, ich bitte dich!«
»Na, dann lass sie doch! Es geht doch um die Patienten, nicht darum, wer möglichst viele Betten unter sich hat!«
»So kann auch nur jemand aus einer Kleinstadt-Klitsche reden. Es geht hier um den Posten des ärztlichen Direktors, Budgets und Bewilligung von Arztstellen und Betten! – Also, was ist jetzt? Fliegst du für mich? Du bist der Einzige, dem ich über den Weg traue! Und vergiss nicht: Es ist an der Zeit, deinen Namen mal auf die internationale Ebene zu bringen!«
Konstantin Hartwig hatte nachgegeben.
»Wunderbar. Dank Dir recht schön, Konstantin. Ich habe die Flugtickets und die Hotelreservierung schon auf dich umschreiben lassen, und in den Programmheften steht bereits dein Name statt meinem!«
»So sicher warst du dir, dass du mich ’rumkriegen würdest?«
»Ziemlich sicher. Du warst schon zu Studienzeiten eine rückgratlose Molluske!«
»Noch ein Wort, und ich fliege nicht!«
Höhnisches