Mami 1805 – Familienroman: Alles für Dario
Von Isabell Rohde
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Die junge Friseuse Resi ließ die Hände sinken und trat einen Schritt zurück. Sie betrachtete ihr Werk im Spiegel und lächelte zufrieden. Ohne Frage, die Frisur von Carina Bertram war ihr perfekt gelungen. Dabei war sie nur als Aushilfe vom Salon "Lörrer" in die Villa des Unternehmers Bertram geschickt worden. Aber nachdem sie ihre Scheu vor dieser luxuriösen Umgebung und der verwöhnten Kundin überwunden hatte, war ihr eine prima Leistung geglückt. Carina Bertram wandte ihren Kopf mit einer leichten Bewegung von links nach rechts, um ihr Spiegelbild zu überprüfen. "Hm, na ja. Ich will mein Haar heute hochgesteckt tragen. Es sollte etwas lockiger sein, Fräulein…?
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Mami 1805 – Familienroman - Isabell Rohde
Mami –1805–
Blümchen für die beste Mami der Welt
Roman von Isabell Rohde
Die junge Friseuse Resi ließ die Hände sinken und trat einen Schritt zurück. Sie betrachtete ihr Werk im Spiegel und lächelte zufrieden.
Ohne Frage, die Frisur von Carina Bertram war ihr perfekt gelungen. Dabei war sie nur als Aushilfe vom Salon »Lörrer« in die Villa des Unternehmers Bertram geschickt worden. Aber nachdem sie ihre Scheu vor dieser luxuriösen Umgebung und der verwöhnten Kundin überwunden hatte, war ihr eine prima Leistung geglückt.
Carina Bertram wandte ihren Kopf mit einer leichten Bewegung von links nach rechts, um ihr Spiegelbild zu überprüfen. »Hm, na ja. Ich will mein Haar heute hochgesteckt tragen. Es sollte etwas lockiger sein, Fräulein…?«
»Einfach nur Resi, gnädige Frau. Ja, gewiß kann ich das.«
Die junge, so ungewöhnlich schöne Frau des Unternehmers Olaf Bert-ram lächelte abwesend. »Ich hoffe, nächstes Mal ist Ihre Kollegin Dagmar wieder gesund. Nichts gegen Ihre Arbeit, Resi, aber Dagmar…«
»Is’ schon gut. Ich versteh’s. Dagmar weiß, was Sie wünschen.«
Carina lächelte huldvoll. Nach einer Weile legte Resi die Lockenschere beiseite und hob die aschblonde Haarpracht ihrer Kundin behutsam im Nacken an, damit die sich vorstellen konnte, wie sie mit hochgesteckten Locken wirkte.
»Soll ich es gleich hochstecken, gnädige Frau?«
»Aber natürlich. Ich bin geduscht und parfümiert. Warum, meinen Sie, sitze ich hier im Seiden-Kimono?« Etwas ungehalten sah Frau Bertram auf die Uhr. »In einer halben Stunde kommt mein Mann. In einer Stunde beginnt der Empfang.« Dann horchte sie ins Haus. Von irgendwoher drang ein nettes Baby-Juchzen in den Ankleidesalon neben dem Schlafzimmer. Sie lächelte flüchtig. »Das ist Dario, mein Söhnchen. Er spielt mit dem Kindermädchen unten im Musikzimmer.«
»Ich weiß, gnädige Frau. Ich bin mit Sigrid zusammen zur Schule gegangen. Sie arbeitet gern für Sie. Und den kleinen Dario vergöttert sie.«
»Ja, Sigrid ist mir eine große Hilfe.«
Diesmal beobachtete Carina die junge Friseuse aufmerksamer. Es gefiel ihr nicht, daß die sich als Bekannte von Sigrid Nickel bezeichnete. Zu leicht kam es unter dem Personal zu Vertrautheiten und damit zu Tratschereien. Und dafür gab es Grund genug. Sie unterdrückte ein Seufzen, weil ihr wieder einfiel, wie schlecht es um ihre Ehe stand, weil Olaf für alle ihre Mühen, ihm eine perfekte Ehefrau zu sein, kein rechtes Verständnis aufbrachte.
Resi befestigte eine letzte Nadel im Haar. Es sah toll aus! Und weil sie der Stolz über ihre perfekte Leistung leichtsinnig machte, wagte sie es plötzlich, einige Strähnchen aus der Frisur in die Stirn der gnädigen Frau zu zupfen.
»Sehen Sie doch!« freute sie sich. »Das macht Sie jung wie ein Teenie. Wie eine Siebzehnjährige.«
»Nein, ändern Sie das sofort!«
»Entschuldigen Sie, Frau Bertram, aber«, Resi nahm sofort wieder den Kamm zur Hand. »Aber mit Ponyfransen sehen Sie immer noch genauso aus wie damals, als Sie die Cathy in der Serie ›Überall, nur nicht hier‹ spielten. Deshalb…«
»Das haben Sie gesehen?« Ein Leuchten ging über Carinas Gesicht. »Sie haben mich im Fernsehen gesehen und nicht vergessen?«
»Niemals! Wie kann man Sie vergessen.«
Als Frau Bertram noch Carina Wasen hieß, war sie mehrmals, wenn auch nur in kleinen Rollen, auf der Mattscheibe erschienen. Resi, vor vier Jahren noch in der Ausbildung, hatte sich nach Feierabend immer beeilt, um keine dieser Folgen zu versäumen.
Carina lächelte geschmeichelt. »Damals war mein Gesicht noch voller.«
»Ist ja klar, Frau Bertram, daß Sie schlanker geworden sind. Sie waren dann doch Fotomodell.«
Carina schwieg. Sie dachte nicht gern an die Zeit zurück. Denn sie hatte sich für die Fotos im Nachthemd auf allerlei bunter Bettwäsche rekeln müssen. Das fand sie entehrend, weil sie noch bis vor zwei Jahren hoffte, wieder vor die Kamera oder wenigstens auf die Bretter, die die Welt bedeuten, zurückzukönnen. Aber es war nun mal anders und gewiß nicht schlimmer gekommen. Als Fotomodell für die Bertram-Bettwäsche hatte sie ihren Olaf kennengelernt und war bald darauf seine Frau geworden. Damit hatte sich eben ein anderer Traum erfüllt. Sie war nun mit einem reichen Unternehmer verheiratet, lebte in einer Luxus-Villa und kannte keine Sorgen mehr. Nein, sie wollte nicht mehr von ei-ner Karriere als Schauspielerin träumen. Zuviele bittere Enttäuschungen hatte ihr das eingebracht. Jetzt hatte sie ja ihren kleinen Dario, und
der war am wichtigsten in ihrem Leben.
»Ich bin nur noch Mutter und Ehefrau. Das ist sinnvoller.« Sie setzte ein strahlendes Lächeln auf.
Resi nickte bestätigend. »Sie haben ein entzückendes Söhnchen, einen wundervollen Ehemann und wohnen in dieser riesigen Villa. Super!«
Die Frisur entsprach nun wirklich Carinas Wünschen. Sie ließ sich den Frisiermantel abnehmen und erhob sich, um an ein Schränkchen zu gehen. Mit einem großen Schein kam sie zurück. »Nächstes Mal ist Dagmar hoffentlich wieder hier.«
Resi knickste. »Danke schön. Ja, das hoffe ich auch«, schwindelte sie, weil sie nicht wagte, Hoffnung auf einen zweiten Besuch zu äußern. Carina Bertram war eine einflußreiche Dame der Gesellschaft und eine perfekte Schönheit, eine beispielhafte Ehefrau und liebevolle Mutter. Dabei konnte sie kaum älter als sechsundzwanzig sein. Solchen Kun-dinnen durfte man nicht auf die Nerven gehen.
Minuten später verließ sie das Ankleidezimmer, schritt auf leisen Sohlen über den schwellenden Teppich im Schlafzimmer des Ehepaars und eilte die Treppe hinunter. Weil sie unbedingt noch Sigrid begrüßen wollte, ging sie auf die erste Tür links zu. Alma, das Hausmädchen, trat ihr entgegen.
»Hier können Sie nicht herein. Das sind die Räume des Seniors. Kommen Sie nicht vom Salon ›Lörrer‹?«
Resi entschuldigte sich, äußerte den Wunsch, Sigrid Nickel zu begrüßen und wurde zur Tür, die in den anderen Flügel der Villa führte, gewiesen. Sie durchquerte zwei Salons, die an kleinere Säle eines Schlosses erinnerten, brauchte jetzt aber nur dem fröhlichen Stimmchen des kleinen Dario zu folgen.
»Gli, gli, lalla, Mamma, Mamma!«
Kurz darauf stand sie in einem in hellem Grün gehaltenen Raum, von dem eine breite Tür auf die Terrasse führte. Aber Sigrid hatte die Tür geschlossen. Es war Mai, aber es konnte abends noch recht kühl werden. Und nichts war schlimmer, als wenn Dario sich erkältete. Dann hagelte es Vorwürfe von Frau Bertram.
»Diese Villa ist ja riesig!« staunte Resi.
»Hast du dich verlaufen?« amüsierte Sigrid sich. »Bist du vielleicht nach rechts? Da wohnt der Senior Bertram, Darios Großvater.«
»Das hätte mir noch gefehlt.«
»Der alte Herr Bertram ist gar nicht da. Er liegt gerade im Krankenhaus, Resi.«
»Schlimm?«
Sigrid schüttelte den Kopf. »Neues Hüftgelenk. Der ist ja schon fast achtzig.«
»Was? Und wie alt ist der junge Herr Bertram?«
»Pscht!« machte Darios Kindermädchen. »Doch schon dreiundfünfzig.«
»Au weia! Da bist du ja in einem Altersheim gelandet!« lachte Resi.
Sigrid schüttelte den Kopf. »Überhaupt nicht. Der alte Bertram ist wahnsinnig nett.«
»Und der junge, das betagte Väterchen von Dario?« Resi mußte lachen. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, mit einem Dreiundfünf-zigjährigen verheiratet zu sein.
Dario, der mit seinen acht Monaten alles anfassen mußte, packte gerade die Nase der jungen Friseuse. Sie ließ es geschehen. Daß Sigrid plötzlich ernst wurde, bemerkte sie nicht gleich.
»Olaf Bertram tut mir etwas leid. Er ist so ein toller Mann. Aber mit Carina Wasen hat er sich schön was eingebrockt. Ich glaube, der ging es nur darum, mit ihm verheiratet zu sein und ein Baby zu haben. Ob sie ihn liebt?«
Dario ließ Resis Nase los. Sigrid hob ihn auf den Arm.
»Hat sie einen anderen?« wollte die neugierige Resi nun gleich wissen.
»Bist du verrückt!« schalt Sigrid. »Nein, Carina ist dazu viel zu kühl. Sie genießt es, Mittelpunkt auf gesellschaftlichem Parkett zu sein. Ein Flirt oder mehr kommt bei ihr nicht in Frage. Aber ihr Mann…«
»Der macht Seitensprünge?«
»Wo denkst du hin? Nein, der ist ihr treu ergeben und kommt doch zu kurz. Wir merken es alle. Alma sagt, so richtig glücklich waren die nie.«
»Bei so viel Geld auf’m Konto? Selber schuld!« kicherte Resi unbekümmert. »Na, Hauptsache, dieser kleine Schatz kommt zu seinem Recht.«
Sigrid nickte. »Dazu kommt er! Ich bringe ihn jetzt zu seiner Mami. Egal, was sie abends vorhat, Frau Bertram spielt immer noch eine Viertelstunde mit ihm.«
Resi mußte gehen. Sie umarmte Sigrid flüchtig. »Sehen wir uns am Wochenende?«
»Ich weiß noch nicht, ob ich freihabe. Kommt darauf an, was die
Bertrams vorhaben. Aber ich sag’ dir Bescheid.«
Und Resi trat ihren Rückweg durch die wundervollen Räume der riesigen Villa an.
*
Darios Vater, Olaf Bertram, war trotz seines Alters eine glänzende Erscheinung. Vielleicht hatte er einige Pfunde zuviel auf den Rippen, und einige Haare zuwenig auf dem Kopf. Aber seine