Dr. Laurin 62 – Arztroman: Es gibt auch noch ein anderes Ziel
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Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist.
Es war selten der Fall, dass bei Dr. Laurin am Sonntagnachmittag der Fernsehapparat eingeschaltet wurde, aber wenn es in Kübeln vom Himmel schüttete, konnte eine Ausnahme gemacht werden. Vor allem deshalb, weil in Norddeutschland herrliches Wetter war und ein Reitturnier übertragen wurde, bei dem ein Pferd aus Clemens Bennets Gestüt am Start war. Man kannte im Hause Laurin ›Lady Happy‹, die schöne Fuchsstute, und man hatte auch ihre neue Besitzerin, Gwendolyn Stenbrück, kennengelernt, die Clemens Bennet lange beschwatzen musste, ihr dieses Pferd zu überlassen. Ihr Charme, und auch der stolze Preis, den sie bereit war zu zahlen, hatten schließlich den Handel perfekt gemacht, denn noch mehr als seine Pferde liebte Clemens Bennet Kinder. Gerade zu dem Zeitpunkt, als Gwendolyn Stenbrück ›Lady Happy‹ erwerben wollte, hatten in München sechs Kinder ihre Eltern durch eine Explosion verloren, die sich in ihrer Tankstelle ereignet hatte. Die Ursache war noch immer nicht geklärt. Die Kinder blieben mittellos zurück. Clemens Bennet, der Schwiegervater von Dr. Lars Petersen, der ein Freund und der engste Mitarbeiter von Dr. Leon Laurin geworden war, entschied, dass der Preis für ›Lady Happy‹ diesen sechs Kindern aus der Not helfen sollte. Nun wünschten alle, die dieses schöne Pferd kannten, dass es auch unter seiner neuen Besitzerin das Turnier gewinnen sollte. Es war auch ein Grund, dass sich Leon und Antonia Laurin zu ihren Kindern vor den Fernsehapparat setzten. In der Villa von Clemens Bennet starrte man genauso fasziniert auf den Bildschirm wie bei den Laurins. »Sie muss gewinnen«, sagte Clemens Bennet. Im Hause Laurin, wie auch im Hause Bennet, herrschte dann große Freude, als Gwendolyn als Siegerin verkündet wurde. Es kam noch ein Interview mit ihr, doch da saß sie nicht mehr zu Pferde, sondern lehnte an der Schulter eines hochgewachsenen blonden Mannes. »Ich bin gewöhnt zu siegen«, sagte Gwendolyn mit einem strahlenden Lächeln auf die Frage des Reporters, doch dabei sah sie den Mann an, der neben ihr stand.
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Buchvorschau
Dr. Laurin 62 – Arztroman - Patricia Vandenberg
Dr. Laurin
– 62 –
Es gibt auch noch ein anderes Ziel
Patricia Vandenberg
Es war selten der Fall, dass bei Dr. Laurin am Sonntagnachmittag der Fernsehapparat eingeschaltet wurde, aber wenn es in Kübeln vom Himmel schüttete, konnte eine Ausnahme gemacht werden. Vor allem deshalb, weil in Norddeutschland herrliches Wetter war und ein Reitturnier übertragen wurde, bei dem ein Pferd aus Clemens Bennets Gestüt am Start war.
Man kannte im Hause Laurin ›Lady Happy‹, die schöne Fuchsstute, und man hatte auch ihre neue Besitzerin, Gwendolyn Stenbrück, kennengelernt, die Clemens Bennet lange beschwatzen musste, ihr dieses Pferd zu überlassen.
Ihr Charme, und auch der stolze Preis, den sie bereit war zu zahlen, hatten schließlich den Handel perfekt gemacht, denn noch mehr als seine Pferde liebte Clemens Bennet Kinder.
Gerade zu dem Zeitpunkt, als Gwendolyn Stenbrück ›Lady Happy‹ erwerben wollte, hatten in München sechs Kinder ihre Eltern durch eine Explosion verloren, die sich in ihrer Tankstelle ereignet hatte. Die Ursache war noch immer nicht geklärt. Die Kinder blieben mittellos zurück. Clemens Bennet, der Schwiegervater von Dr. Lars Petersen, der ein Freund und der engste Mitarbeiter von Dr. Leon Laurin geworden war, entschied, dass der Preis für ›Lady Happy‹ diesen sechs Kindern aus der Not helfen sollte.
Nun wünschten alle, die dieses schöne Pferd kannten, dass es auch unter seiner neuen Besitzerin das Turnier gewinnen sollte. Es war auch ein Grund, dass sich Leon und Antonia Laurin zu ihren Kindern vor den Fernsehapparat setzten.
In der Villa von Clemens Bennet starrte man genauso fasziniert auf den Bildschirm wie bei den Laurins.
»Sie muss gewinnen«, sagte Clemens Bennet.
Im Hause Laurin, wie auch im Hause Bennet, herrschte dann große Freude, als Gwendolyn als Siegerin verkündet wurde. Es kam noch ein Interview mit ihr, doch da saß sie nicht mehr zu Pferde, sondern lehnte an der Schulter eines hochgewachsenen blonden Mannes.
»Ich bin gewöhnt zu siegen«, sagte Gwendolyn mit einem strahlenden Lächeln auf die Frage des Reporters, doch dabei sah sie den Mann an, der neben ihr stand.
»Dieser Sieg ist der Abschied von den Turnieren. Ich werde heiraten.«
»Übermorgen«, fügte der blonde Mann hinzu.
»Was sagt man nun?«, murmelte Clemens Bennet im gleichen Augenblick.
»Sie ist nicht nur Reiterin, sondern auch Weib«, lachte Dagmar.
»Immerhin ist sie fast dreißig Jahre ohne Mann ausgekommen«, meinte ihr Vater dazu, »aber wie sich beweist, ist die Liebe zum Mann doch stärker als die zu den Pferden.«
»Und bei dir ist es die Liebe zu Kindern«, sagte Lars Petersen.
»Trinken wir also auf ihr Glück und auf Lady Happys Sieg«, sagte Clemens Bennet.
*
Dieser Tag lag achtzehn Monate zurück, als Dr. Leon Laurin Gwendolyn Stenbrück sagen konnte, dass sie Mutter werden würde.
Nach achtmonatiger Ehe mit Felix Campe war sie niedergeschlagen zu ihm gekommen.
Man hatte ihr vorher gesagt, dass der harte Leistungssport mit täglichem Training diesem Wunsch entgegenstünde. Sie hatte zuerst abgewinkt, dann aber doch nachgedacht, und sie hatte sich Dr. Laurins erinnert, der als Chef der Prof.-Kayser-Klinik einen Ruf erworben hatte, der weit über die Grenzen Bayerns hinausging.
Sie sagte niemandem, dass sie Dr. Laurin aufsuchen wolle, auch ihrem Mann nicht. Sie wollte nicht zugeben, wie verzweifelt sie war, dass die ärztlichen Diagnosen eintreffen könnten.
Für sie hatte sich das Leben ja völlig verändert, als sie Felix kennenlernte. Er war anders als all die anderen Männer, die ihr den Hof gemacht hatten. Er hatte sie nicht als die prominente Reiterin erkannt, als sie sich auf der Insel Lanzarote, auf der beide Urlaub machten, kennenlernten. Sie wollte auch anonym bleiben, einmal Ferien vom Ich machen.
Sie hatte es genossen, von Felix nur als Frau betrachtet zu werden, um dann allerdings mit Bestürzung festzustellen, dass ihr Hobby ihm gar nicht gefiel, da er es für zu gefährlich hielt.
Sie hatten von Heirat gesprochen, aber Felix forderte energisch, dass sie dann den Turniersport aufgeben solle.
Früher wäre ihr das undenkbar gewesen.
Dann bekam Felix eine glänzende Position in der Nähe von München angeboten. Er zögerte, sie anzunehmen, weil er meinte, dass Gwendolyn sich nicht so weit von ihrer Familie entfernen wolle, der sie sich eng verbunden fühlte, nicht von ihren Pferden, die sie liebte, wenn sie auch selbst überhaupt nicht mehr ritt, wie Felix erstaunt bemerken musste.
Und dann hatte sie zu seiner Überraschung selbst das entscheidende Wort gesprochen.
»Du liebäugelst doch mit diesem Posten, Felix«, hatte sie an jenem Nachmittag gesagt, an dem sie von einem vermeintlichen Stadtbummel so strahlend ins Hotel zurückgekehrt war, dass sie ihm schöner denn je erschien. »Nimm ihn an!«
»Du würdest hierher übersiedeln?«, hatte er verwundert gefragt.
»Das hat einen guten Grund«, erwiderte sie und gestand ihm nun, dass sie bei Dr. Laurin in Behandlung war. Und die hatte Erfolg gehabt.
»Wir werden ein Baby haben«, flüsterte sie ganz andächtig. »Für unser Kind gebe ich alles auf.«
Bei aller Liebe zu ihren Eltern und ihrer engeren Heimat war Gwendolyn stark geblieben und mit Felix in die Umgebung von München gezogen. Das Gestüt hatte sie ganz ihrem Bruder Hinrich überlassen. Sie hatte sich mit ihrem Mann ein gemütliches Haus eingerichtet.
Ihre Ehe war ein Gleichklang der Seelen, ihr Zusammenleben harmonisch, die Schwangerschaft ließ Gwendolyns herbe Schönheit aufblühen.
Clemens Bennet, den sie öfter besuchten, konnte sich nur wundern über die Verwandlung, die mit Gwendolyn, der Sieggewohnten, vor sich gegangen war, denn jetzt war sie nur noch eine liebende Frau, die sich ernsthaft auf ihre Mutterschaft vorbereitete und nichts tat, was das Leben des Kindes hätte gefährden können.
Gwendolyn fühlte sich so wohl, dass sie nicht einen einzigen Gedanken daran verschwendete, dass es bei der Geburt irgendwelche Komplikationen geben könne.
Dr. Lars Petersen, Clemens Bennets Schwiegersohn, wusste es besser. Sah Dr. Leon Laurin Gwendolyn nur alle vier Wochen, wenn sie zur Kontrolluntersuchung kam, so trafen die Campes Lars Petersen und seine Frau Dagmar häufig privat.
Das konnte Dr. Laurin nur recht sein, denn so bekam er von Lars Informationen, wie Gwendolyns Befinden im Tagesablauf war.
»Sie ist in blendender Form«, konnte Dr. Petersen berichten. »Alle Befürchtungen scheinen grundlos zu sein, Leon.«
Dr. Laurin runzelte die Stirn.
»Die schweren Monate beginnen erst, Lars. Wir wissen, dass bei so durchtrainierten Frauen die Muskeln, Sehnen und Bänder weitaus kräftiger sind als normalerweise. Vor allem die Beckenmuskeln. Jetzt macht es sich noch nicht so bemerkbar, aber warten wir ab, wenn sie mehr Gewicht zu tragen hat. Ich werde nicht verhindern können, dass das Kind ziemlich groß werden wird. Ihr Mann ist ein Hüne, und sie ist auch ziemlich groß.«
Das konnte Lars nicht wegreden, aber er sah immer nur eine strahlende, beschwingte Gwendolyn.
Leon Laurin wollte Gwendolyn keine Angst einjagen, machte nur vage Andeutungen, dass es möglicherweise doch zu einer operativen Entbindung kommen würde, aber sie winkte lachend ab.
»Keine Unkenrufe, Dr. Laurin. Meine Eltern möchten ja am liebsten, dass unser Kind daheim in Norddeutschland zur Welt kommt, wie es sich nach ihrer Meinung für einen Abkömmling der Stenbrücks gehört.«
Ja, die Stenbrücks hatten schon ihre Marotten. Dr. Laurin sollte darüber noch mehr erfahren, was seine Besorgnis noch vergrößerte.
*