Die Tochter des Wilderers: Der Bergpfarrer 431 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Über dieses E-Book
Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
Ungeduldig schaute Xaver Anreuther den breiten Waldweg hinunter, dann warf er wieder einen Blick auf die Uhr. Beinahe Mittag. Wo er nur blieb? Der Förster schüttelte den Kopf. Er wird sich doch wohl net verfahren haben, dachte er. Aber das konnte eigentlich nicht sein. Schließlich hatte er eine genaue Wegbeschreibung durch den Ainringer Wald an die Adresse in Passau geschickt. Brutus, der neben ihm lag, hob plötzlich den Kopf und stellte seine Ohren auf. Im selben Moment hörte Xaver Motorengeräusch, das langsam näher kam. Der alte Förster stand auf und ging zur Einfahrt. Er hatte gerade das Tor geöffnet, als ein dunkelgrüner Geländewagen den Weg heraufgefahren kam. Xaver bedeutete dem Fahrer durch Handzeichen, wo er den Wagen abstellen sollte. Dann folgte er ihm und wartete, bis das Fahrzeug stand und die Tür geöffnet wurde. »Grüß' Gott, Herr Kollege«, nickte der junge Mann in der grünen Uniform. »Ein herrliches Wetter haben S' hier.« »Herzlich willkommen, Herr Ruland«, sagte Xaver und schüttelte die dargebotene Hand. »Sagen S' Christian, wenn S' mögen«, bot der neue Förster vom Ainringer Wald an.
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Buchvorschau
Die Tochter des Wilderers - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 431 –
Die Tochter des Wilderers
Toni Waidacher
Ungeduldig schaute Xaver Anreuther den breiten Waldweg hinunter, dann warf er wieder einen Blick auf die Uhr. Beinahe Mittag. Wo er nur blieb?
Der Förster schüttelte den Kopf. Er wird sich doch wohl net verfahren haben, dachte er. Aber das konnte eigentlich nicht sein. Schließlich hatte er eine genaue Wegbeschreibung durch den Ainringer Wald an die Adresse in Passau geschickt.
Brutus, der neben ihm lag, hob plötzlich den Kopf und stellte seine Ohren auf. Im selben Moment hörte Xaver Motorengeräusch, das langsam näher kam. Der alte Förster stand auf und ging zur Einfahrt. Er hatte gerade das Tor geöffnet, als ein dunkelgrüner Geländewagen den Weg heraufgefahren kam. Xaver bedeutete dem Fahrer durch Handzeichen, wo er den Wagen abstellen sollte. Dann folgte er ihm und wartete, bis das Fahrzeug stand und die Tür geöffnet wurde.
»Grüß’ Gott, Herr Kollege«, nickte der junge Mann in der grünen Uniform. »Ein herrliches Wetter haben S’ hier.«
»Herzlich willkommen, Herr Ruland«, sagte Xaver und schüttelte die dargebotene Hand.
»Sagen S’ Christian, wenn S’ mögen«, bot der neue Förster vom Ainringer Wald an.
»Gern«, nickte Xaver. »Natürlich nennen S’ mich dann aber auch beim Vornamen. Kommen S’ aber erstmal herein. Ich hab’ ein kleines Mittagessen vorbereitet. Dabei können wir uns über alles unterhalten. Und wenn S’ dann noch Lust haben, machen wir einen Gang durch’s Revier.«
»Ich freu’ mich schon drauf«, entgegnete Christian Ruland.
Er stieß einen leisen Pfiff aus, und aus der offenen Autotür kam ein dunkelbrauner Hund gesprungen. Er stürzte gleich auf den immer noch am Boden liegenden Brutus und begrüßte ihn mit lautem Gebell.
»Schäm’ dich, Nero«, tadelte Christian. »Willst den alten Herrn net artig begrüßen? Noch ist das hier sein Revier.«
Als habe er die Worte seines Herrn ganz genau verstanden, warf Nero sich Brutus zu Füßen und winselte.
Schmunzelnd beobachteten die beiden Männer, wie die Hunde sich beschnüffelten.
»Kommen S’, Christian. Die beiden werden sich schon vertragen.«
Der neue Förster staunte nicht schlecht, als er das »kleine« Mittagessen sah. Einen wahren Festtagsbraten hatte Xaver Anreuther vorbereitet, mit Knödeln und Kraut.
»Sagen S’, haben Sie eine Haushälterin?« erkundigte sich Christian. »Das schmeckt ja großartig!«
Der alte Förster schüttelte den Kopf.
»Das hab’ ich mir in all den Jahren selbst beigebracht«, erklärte er. »Wenn man öfter mal für viele Leute kochen muß, dann bekommt man mit der Zeit Übung darin.«
»Oje«, meinte Christian, »da werden die Lehrgangsteilnehmer keine Freude an meiner Kochkunst haben.«
Im Forsthaus wurden des öfteren Lehrgänge für angehende Forstbeamte abgehalten, die dann auch hier wohnten und verköstigt wurden.
»Da holen S’ sich wohl besser Hilfe aus dem Dorf«, lachte Xaver. »Sonst laufen Ihnen die Prüflinge nach einer Woche davon.«
»Wie ist es denn, dieses Sankt Johann?« wollte Christian wissen. »Ich bin schon ganz gespannt.«
»Na, oft werden S’ net hinkommen«, prophezeite Xaver. »Hier im Forst ist mehr zu tun, als man glauben möchte. Aber, um auf Ihre Frage zurückzukommen – von allen Dörfern, die ich kenne, gefällt Sankt Johann mir am besten. Es ist einfach schön dort, doch oft werden S’ net hinkönnen, im Revier haben S’ alle Hände voll zu tun.«
»Wie sieht’s denn mit Wilddieben und solchem Gesindel aus?«
Der alte Förster wiegte den Kopf.
»Es hält sich in Grenzen«, antwortete er. »Einer, er war der Schlimmste, sitzt noch. Den hab’ ich für lange Zeit hinter Gitter gebracht. Ansonsten kommt’s schon einmal vor, daß jemand Fallen stellt, oder noch schlimmer, Schlingen legt. Da müssen S’ ein Auge drauf haben. Vor ein paar Wochen haben wir erst zwei solcher Lumpelkerle, Vater und Sohn, geschnappt. Aber, wie gesagt, es hält sich in Grenzen.«
»Sie sagten ›wir‹ – wer war denn noch dabei?«
»Sie werden’s net glauben – der Geistliche von Sankt Johann, Pfarrer Trenker und sein Bruder Max. Er ist der Dorfpolizist.«
»Wirklich? Ein Pfarrer?«
Christian mochte es gar nicht glauben.
»Net ein Pfarrer«, schüttelte Xaver Anreuther den Kopf. »Pfarrer Trenker ist schon ’was Besonderes. Sie werden ihn ja kennenlernen. Wenn S’ einmal net weiter wissen, einen Rat oder Hilfe brauchen, dann wenden S’ sich an ihn. Hochwürden hat für jeden und alles ein offenes Ohr.«
*
Nach dem Essen machten sich die beiden Forstbeamten auf, das Revier zu besichtigen. Brutus und Nero liefen vorneweg. Sie hatten sich offenbar schon angefreundet. Allerdings blieben sie immer in Sichtweite ihrer Herren und kamen sofort zurück, wenn sie das Kommando dazu hörten. Es waren eben ausgebildete Jagdhunde.
Förster Anreuther führte seinen Nachfolger zu den markantesten Punkten des Ainringer Waldes, zeigte ihm, worauf er besonderes Augenmerk haben mußte, und verriet ihm sogar die besten Pilzstellen.
»Dort drüben«, deutete er auf eine Kiefernschonung, »dort ist die Stelle, an der die Schlingen ausgelegt waren.«
»Das ist schon eine niederträchtige Gemeinheit«, sagte Christian.
Xaver wußte, was der junge Kollege meinte. Schonungen wie diese wurden von den Tieren bevorzugt, um dort ihre Jungen abzulegen. Geriet nun zum Beispiel eine Rehmutter in eine Schlinge, verendete sie nicht nur jämmerlich, auch ihr Junges kam unweigerlich ums Leben, weil sich niemand mehr darum kümmerte.
Von allen Arten zu wildern, war dies wirklich die brutalste und gemeinste!
»Da lob’ ich mir einen rechten Wildschütz«, meinte Xaver Anreuther. »Irgendwann hab’ ich noch jeden zur Strecke gebracht. Und wenn sie mir auch oft bittere Rache geschworen haben – ihre Drohungen haben’s nie wahr gemacht.«
Auf dem Rückweg zum Forsthaus liefen die Hunde brav neben den beiden Männern her. Christian spürte, wie sein Herz vor Freude hüpfte. Mit dem heutigen Tag war sein Lebenstraum in Erfüllung gegangen. Der Dreißigjährige würde von nun an sein eigenes Revier haben. Eine verantwortungsvolle Aufgabe, die zu erfüllen er gewillt war. Daß er das Zeug dazu hatte, davon war nicht nur der Leiter seiner vorgesetzten Dienststelle überzeugt. Auch Förster Lehwanger, sein Ausbilder und väterlicher Freund in Passau, hatte ihn für diesen Posten empfohlen. Obgleich er ihn nicht gerne gehen ließ, wie er immer wieder betont hatte. Am liebsten hätte er Christian als seinen Nachfolger gesehen.
Doch der junge Förster hatte sich anders entschieden. Zum einen gab seine Liebe zu den Bergen den Ausschlag dafür – Christian hatte seit Jahren jeden Urlaub in den Alpen verbracht – zum anderen war da eine unschöne Geschichte, in der ein Madel eine bestimmte Rolle spielte, die ihm die Entscheidung aus Passau fortzugehen, leicht gemacht hatte.
Sehr oft hatte er sich gefragt, warum die Menschen es manchmal erst nach Jahren merkten, daß sie nicht zusammenpaßten – ihm war es jedenfalls erst nach langer, langer Zeit bewußt geworden, daß Maike die falsche Frau war. Aber da hatte sie sich schon längst von ihm abgewendet.
Während Christian noch darüber nachdachte, krachte plötzlich ein Schuß. Mit einem pfeifenden Geräusch surrte das Geschoß an den beiden Männern vorbei und traf den herabhängenden Ast einer alten Kiefer.
Während die Hunde stocksteif stehenblieben, sahen sich die Männer fassungslos an. Christian war der erste, der