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Ein Esel namens Hamlet: Sophienlust - Die nächste Generation 94 – Familienroman
Ein Esel namens Hamlet: Sophienlust - Die nächste Generation 94 – Familienroman
Ein Esel namens Hamlet: Sophienlust - Die nächste Generation 94 – Familienroman
eBook110 Seiten1 Stunde

Ein Esel namens Hamlet: Sophienlust - Die nächste Generation 94 – Familienroman

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Über dieses E-Book

In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie wird die von allen bewunderte Denise Schoenecker als Leiterin des Kinderheims noch weiter in den Mittelpunkt gerückt.
Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt.
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.

Unentwegt starrte Christian aus dem Fenster des Flugzeugs, schweigsam und wie geistesabwesend. Dabei schien der Junge das, was unten zu sehen war, überhaupt nicht wahrzunehmen. Weder die Fluten des Mittelmeeres, die sich schier endlos dahinwälzten, noch den Küstenstreifen Südfrankreichs, der später auftauchte. Immer wieder wischte sich Christian mit der Hand über das Gesicht. Dabei schniefte er dann so laut, dass sich der rothaarige Passagier, der direkt vor ihm saß, erbost umdrehte. Jedes Mal warf der Rothaarige auch Christians Begleiterin einen bösen Blick zu. So als wollte er fragen, was denn nur mit dem Jungen los sei und ob der nicht endlich Ruhe geben könne. Frau Marquardt hatte natürlich sehr viel Verständnis für den Jungen. Obwohl sie ihn nur von Berufs wegen begleitete, tat er ihr unendlich leid. Dennoch durfte sie sich nicht zu sehr auf ihr Mitgefühl einlassen. Als Mitarbeiterin des Maibacher Jugendamtes hatte sie ständig mit Kindern zu tun, denen das Schicksal übel mitgespielt hatte. Sie musste immer eine gewisse Distanz bewahren, sonst hätte es ihr das Herz zerrissen. Nichtsdestotrotz bemühte sich Frau Marquardt immer wieder, Christian aufzumuntern. Doch wenn sie ihn ansprach, antwortete er nur mit »Ja« oder »Nein«. Manchmal zuckte er auch nur mit den Schultern. Vielleicht sollte ich ihn ganz einfach in Ruhe lassen, dachte sie schließlich und lehnte sich in das Polster zurück. Frau Marquardt schloss ihre Augen und ließ die letzten zwei Tage Revue passieren. In aller Eile hatte man ihr ein Flugticket gekauft und sie nach Korsika geschickt. Dort war sie auf dem Flughafen von Bastia gelandet und dann mit einem Mietwagen vom höchsten Norden bis in den tiefsten Süden der Insel gefahren.
SpracheDeutsch
HerausgeberKelter Media
Erscheinungsdatum29. Aug. 2023
ISBN9783989362444
Ein Esel namens Hamlet: Sophienlust - Die nächste Generation 94 – Familienroman

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    Buchvorschau

    Ein Esel namens Hamlet - Carina Lind

    Sophienlust - Die nächste Generation

    – 94 –

    Ein Esel namens Hamlet

    Unveröffentlichter Roman

    Carina Lind

    Unentwegt starrte Christian aus dem Fenster des Flugzeugs, schweigsam und wie geistesabwesend. Dabei schien der Junge das, was unten zu sehen war, überhaupt nicht wahrzunehmen. Weder die Fluten des Mittelmeeres, die sich schier endlos dahinwälzten, noch den Küstenstreifen Südfrankreichs, der später auftauchte. Immer wieder wischte sich Christian mit der Hand über das Gesicht. Dabei schniefte er dann so laut, dass sich der rothaarige Passagier, der direkt vor ihm saß, erbost umdrehte. Jedes Mal warf der Rothaarige auch Christians Begleiterin einen bösen Blick zu. So als wollte er fragen, was denn nur mit dem Jungen los sei und ob der nicht endlich Ruhe geben könne.

    Frau Marquardt hatte natürlich sehr viel Verständnis für den Jungen. Obwohl sie ihn nur von Berufs wegen begleitete, tat er ihr unendlich leid. Dennoch durfte sie sich nicht zu sehr auf ihr Mitgefühl einlassen. Als Mitarbeiterin des Maibacher Jugendamtes hatte sie ständig mit Kindern zu tun, denen das Schicksal übel mitgespielt hatte. Sie musste immer eine gewisse Distanz bewahren, sonst hätte es ihr das Herz zerrissen.

    Nichtsdestotrotz bemühte sich Frau Marquardt immer wieder, Christian aufzumuntern. Doch wenn sie ihn ansprach, antwortete er nur mit »Ja« oder »Nein«. Manchmal zuckte er auch nur mit den Schultern. Vielleicht sollte ich ihn ganz einfach in Ruhe lassen, dachte sie schließlich und lehnte sich in das Polster zurück. Frau Marquardt schloss ihre Augen und ließ die letzten zwei Tage Revue passieren. In aller Eile hatte man ihr ein Flugticket gekauft und sie nach Korsika geschickt. Dort war sie auf dem Flughafen von Bastia gelandet und dann mit einem Mietwagen vom höchsten Norden bis in den tiefsten Süden der Insel gefahren. Nach Bonifacio, um Christian aus dem Krankenhauszentrum abzuholen. Dorthin hatte man ihn gebracht, nachdem man ihn nach einem tragischen Badeunfall aus dem Wasser gefischt hatte. Zum Glück war Christian nur leicht verletzt, aber seine Eltern ...

    Frau Marquardt seufzte tief, als sie an Christians Eltern dachte. Für sie war jede Hilfe zu spät gekommen, man hatte sie nur noch tot bergen können. - Was für ein Schock für einen Zwölfjährigen! Beide Eltern zu verlieren, und das auch noch in einem fremden Land! Christians ganze Welt war von einer Sekunde auf die andere zusammengebrochen! In diesem Elend kamen noch etliche Tage dazu, die er im Krankenhauszentrum verbringen musste. Einsam und allein. Denn mit den paar Brocken Französisch, die er in der Schule gelernt hatte, konnte er sich natürlich kaum verständigen. - Wer hatte sich in dieser Zeit um die verwundete Seele dieses Kindes gekümmert? Wer hatte Christian Zuspruch und Trost gespendet? Wahrscheinlich niemand.

    Frau Marquardt öffnete ihre Augen wieder und blickte kurz auf ihre Uhr. In einer Stunde sollte der Flieger in Stuttgart landen. Dort würde ein Mitarbeiter des Jugendamtes sie und Christian abholen und mit dem Auto nach Maibach bringen. In Maibach sollte Christian noch einige Tage auf einer Pflegestelle bleiben, ganz in der Nähe des Jugendamtes. Es gab ja noch so viel zu erledigen, bevor man Christian dorthin brachte, wo er in Zukunft leben sollte, nämlich in Sophienlust. Frau Marquardt graute schon jetzt bei dem Gedanken an die vielen Formulare, die sich auf ihrem Schreibtisch türmten. All‘ die Papiere, die ausgefüllt, eingereicht und abgeschickt werden mussten. Natürlich musste auch die Wohnung von Christians Eltern in Staighofen aufgelöst werden. Da die Großeltern nicht mehr lebten, und es sonst keine Verwandten gab, hatte man einen Nachlasspfleger bestellt. Deshalb hatte Frau Marquardt mit der Wohnungsauflösung eigentlich nichts zu tun, trotzdem musste sie noch einmal mit Christian nach Staighofen fahren, um seine Sachen zu holen. Die Rückkehr in das vertraute Heim konnte für das Kind regelrecht traumatisch werden, das wusste Frau Marquardt aus früheren Erfahrungen nur allzu gut. Doch über diesen grausamen und dennoch unvermeidlichen Moment mochte Frau Marquardt jetzt nicht weiter nachdenken. Stattdessen erlaubte sie ihren Gedanken, nach Sophienlust zu schweifen.

    Sophienlust!, dachte Frau Marquardt, was für ein Glück, dass es diese wundervolle Einrichtung in der Nähe von Maibach gab! In Sophienlust würde sich Christian mit Sicherheit sehr wohlfühlen. Zumindest mit der Zeit, wenn er die Trauer und den Schmerz einigermaßen überwunden und sich eingelebt hatte. Wahrscheinlich gab es keine bessere Einrichtung auf dieser Welt als Sophienlust. - Und dennoch, Sophienlust war ein Waisenhaus! Und Christian ein wohlbehütetes Kind, das nun urplötzlich allein auf der Welt stand! Was hatte die Vorsehung dem Jungen doch für ein grausames Schicksal zugeteilt!

    Frau Marquardt wandte sich Christian zu, um ihm über die Schulter zu streicheln. Der Junge drehte sich kurz zu ihr um und blickte sie aus großen, tränenfeuchten Augen an. Dann starrte er wieder aus dem Fenster.

    *

    Nahezu wortlos und ohne zu murren ließ Christian alles über sich ergehen, was die nächsten Tage für ihn bereithielten. Zuerst wurde er bei Adelheid und Günther Müller einquartiert, die beide sehr freundlich waren und sich sehr einfühlsam verhielten. Das Jugendamt meldete Christian am Maibacher Gymnasium an, doch er musste noch nicht zur Schule, man hatte ihn vorübergehend freigestellt. Eigentlich wäre Christian gerne zur Schule gegangen, das hätte ihn vielleicht ein wenig von seiner Trauer abgelenkt. Andererseits hatte er auch Angst davor, mitten im Unterricht plötzlich vom Schmerz übermannt zu werden. Hätte er angefangen zu weinen, hätte man wahrscheinlich über ihn gelacht, das wollte er natürlich nicht. Deshalb war es gut so, wie es war. Auch die Fahrt zur elterlichen Wohnung in Staighofen brachte Christian standhaft hinter sich. Eigentlich wollte er gar nichts aus der Wohnung mitnehmen. Als Frau Marquardt die Tür aufschloss, war ihm plötzlich alles egal. Jedes Mal, wenn Frau Marquardt ihn fragte, ob er dieses oder jenes behalten wollte, zuckte er nur mit den Schultern. Also packte Frau Marquardt alles ein, was sie für wichtig hielt, Kleidung, Schuhe, Christians Schulsachen. Ein wenig Spielzeug, ein paar Bücher. Das Einzige, was Christian wirklich mitnehmen wollte, war das Hochzeitsfoto seiner Eltern, das im Wohnzimmer hing. Nachdem er den kleinen Bilderrahmen von der Wand genommen hatte, presste er ihn vor seine Brust und hielt ihn dort fest, bis Frau Marquardt den letzten Karton und die letzte Tasche gepackt hatte.

    Auch auf dem Rückweg zur Pflegestelle hielt Christian den kleinen Rahmen noch immer im Arm, selbst später noch beim Abendessen. Auch wenn er keinen Hunger hatte, so aß er doch ein paar Happen. Hauptsächlich, um seine Pflegeeltern nicht zu enttäuschen. Dann ging er, so schnell er konnte, zu Bett. Er stellte das Bild auf seinen Nachttisch und blickte es eine ganze Stunde lang an. Schließlich drückte er sein Gesicht in das Kopfkissen und weinte, weinte und weinte, bis er keine Tränen mehr hatte.

    Am nächsten Morgen wurde Christian schon früh von seiner Pflegemutter geweckt. Sie trat an sein Bett und strich ihm über den blonden Schopf. »Wach’ auf, Junge«, sagte Adelheid liebevoll. »Du musst aufstehen und dich anziehen. Wir wollen gleich frühstücken. Nachher kommt Frau Marquardt, um dich nach Sophienlust zu bringen.«

    »Sophienlust«, murmelte Christian und rieb sich die Augen. »Warum muss ich schon wieder woanders hin? Kann ich nicht einfach hier bei euch bleiben? Bei dir und bei Günther?«

    »Das ist leider nicht möglich«, sagte Adelheid und setzte sich auf die Bettkante. »Mein Mann und ich sind nur Pflegeeltern auf Zeit. Für den Notfall sozusagen. Aber das haben wir dir ja schon alles erklärt. Dein zukünftiges Zuhause wird Sophienlust sein.«

    »Sophienlust! Ein Haus für Waisenkinder!«, sagte Christian und setzte sich auf.

    Ja, auch du bist jetzt ein Waisenkind, hatte Adelheid sagen wollen, doch sie schluckte die Worte herunter. Stattdessen schilderte sie ihrem Schützling, wie schön es in Sophienlust sein musste. »Es ist ein wunderschönes Herrenhaus«, erklärte sie. »Sehr groß, fast wie ein Schloss. Es steht in einem weitläufigen Park mit Spielplätzen und ...«

    »Und wahrscheinlich leben tausend Kinder dort«, meinte Christian voller Bitterkeit. »Nachts sind alle in einem riesigen Schlafsaal eingepfercht. Frühmorgens müssen die Kinder zum Appell antreten und die Nationalhymne singen. Zum Frühstück gibt es nur einen Klacks Haferschleim, und wenn jemand Hunger hat und mehr haben will, wird er tagelang in den Kohlenkeller gesperrt.«

    Unwillkürlich musste Adelheid schmunzeln. »Was sind

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