Herzklopfen in Sophienlust: Sophienlust - Die nächste Generation 23 – Familienroman
Von Simone Aigner
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Über dieses E-Book
Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt.
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Rico Toccaceli warf lustlos Pullover, T-Shirts, Hosen und Socken in den Koffer, der aufgeklappt auf seinem Bett lag. In zwei Stunden musste er fertig sein. Dann wollten seine Eltern ihn und seine kleine Schwester Rebecca in das Kinderheim Sophienlust in der Ortschaft Wildmoos bringen. Er sah kaum, nach welchen Kleidungsstücken er griff. Der Tag war trüb und der Himmel grau, wie seine Stimmung. Rico warf zwei Jeans in Richtung Bett, die eine landete im Koffer, die andere auf dem Boden. So. Das musste reichen. Er und Rebecca sollten schließlich nur einige Wochen in Sophienlust bleiben und nicht den Rest ihres Lebens. Ehe er die Tür seines Kleiderschrankes wieder schloss, blieb sein Blick an einem Foto hängen, das an der Innenseite klebte. Es zeigte ihn zusammen mit Viola, seiner Ex-Freundin. Das blonde Mädchen, das ihm bis knapp zu den Schultern ging, schmiegte sich in seine Arme und lächelte selbstbewusst in die Kamera. Rico spürte einen Stich von der Kehle bis in den Magen. Vor drei Wochen hatte Viola sich von ihm getrennt. Seitdem war sie mit Cornelius zusammen. Cornelius war schon 23 Jahre und besaß einen roten Porsche in Cabrio-Version. Außerdem finanzierten ihm seine Eltern eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit Dachterrasse im Zentrum von Hainbühl und dennoch mit Blick ins Grüne, und knapp bei Kasse war der Sohn des Bankmanagers Schrambach nie. Rico wusste, dass Cornelius seinen Freundinnen gegenüber immer sehr großzügig war. Das gefiel Viola, davon war er überzeugt. Er dagegen bekam ein kleines Taschengeld von seinen Eltern, und wenn er Gelegenheit hatte, verdiente er sich ein paar Euro mit Nachhilfe-Unterricht.
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Buchvorschau
Herzklopfen in Sophienlust - Simone Aigner
Sophienlust - Die nächste Generation
– 23 –
Herzklopfen in Sophienlust
Irmela erlebt ihre erste Liebe...
Simone Aigner
Rico Toccaceli warf lustlos Pullover, T-Shirts, Hosen und Socken in den Koffer, der aufgeklappt auf seinem Bett lag. In zwei Stunden musste er fertig sein. Dann wollten seine Eltern ihn und seine kleine Schwester Rebecca in das Kinderheim Sophienlust in der Ortschaft Wildmoos bringen.
Er sah kaum, nach welchen Kleidungsstücken er griff. Der Tag war trüb und der Himmel grau, wie seine Stimmung.
Rico warf zwei Jeans in Richtung Bett, die eine landete im Koffer, die andere auf dem Boden. So. Das musste reichen. Er und Rebecca sollten schließlich nur einige Wochen in Sophienlust bleiben und nicht den Rest ihres Lebens.
Ehe er die Tür seines Kleiderschrankes wieder schloss, blieb sein Blick an einem Foto hängen, das an der Innenseite klebte. Es zeigte ihn zusammen mit Viola, seiner Ex-Freundin. Das blonde Mädchen, das ihm bis knapp zu den Schultern ging, schmiegte sich in seine Arme und lächelte selbstbewusst in die Kamera. Rico spürte einen Stich von der Kehle bis in den Magen. Vor drei Wochen hatte Viola sich von ihm getrennt. Seitdem war sie mit Cornelius zusammen. Cornelius war schon 23 Jahre und besaß einen roten Porsche in Cabrio-Version. Außerdem finanzierten ihm seine Eltern eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit Dachterrasse im Zentrum von Hainbühl und dennoch mit Blick ins Grüne, und knapp bei Kasse war der Sohn des Bankmanagers Schrambach nie. Rico wusste, dass Cornelius seinen Freundinnen gegenüber immer sehr großzügig war. Das gefiel Viola, davon war er überzeugt.
Er dagegen bekam ein kleines Taschengeld von seinen Eltern, und wenn er Gelegenheit hatte, verdiente er sich ein paar Euro mit Nachhilfe-Unterricht. Nur jetzt, einige Monate vor dem Abitur, hatte er dafür keine Zeit mehr. Seine Möglichkeiten, Viola ins Kino einzuladen oder mit ihr Eis essen zu gehen, waren von daher recht eingeschränkt gewesen.
Rico löste vorsichtig das Foto von der Schranktür. In dem Moment klopfte es, und ehe er etwas sagen konnte, betrat seine Mutter das Zimmer. Hastig steckte er das Bild zwischen einige T-Shirts, die noch im Schrank lagen.
»Wie weit bist du Rico?«, fragte Maria Toccaceli und sah zum Bett, auf dem heillose Unordnung herrschte.
»Fast fertig«, antwortete er kurz angebunden. Seine Mutter schüttelte den Kopf und zeigte auf seinen Koffer. »Das nennst du ›fast fertig‹? Ich sehe hier das reinste Chaos. Was ist mit deinen Schulbüchern? Hast du an dein Zahnputzzeug gedacht? An Shampoo, Duschgel und so weiter? Schuhe sehe ich auch keine. Rico! Ich weiß, dass du nicht in das Kinderheim willst. Das hast du oft genug betont. Trotzdem verhältst du dich wie ein trotziges Kind und nicht, als würdest du im kommenden Frühling dein Abitur schreiben.«
Rico knallte die Schranktür zu. »Von mir aus. Ich bin wirklich alt genug, um mit Becki alleine hierzubleiben, während ihr in Umbrien seid. Ein Kinderheim! In ein paar Monaten werde ich 18!« Er fühlte sich schrecklich gedemütigt.
Maria Toccaceli trat tiefer in den Raum und schloss die Zimmertür hinter sich. »Becki freut sich sehr auf die Wochen in Sophienlust. Das Heim ist wunderschön. Ich bin sicher, es wird auch dir dort gefallen. Außerdem hast du jede Menge Zeit zum Lernen. Das Gymnasium in Maibach hat einen erstklassigen Ruf. Vermutlich findest du auch neue Freunde …«
»Mama!«, unterbrach Rico seine Mutter genervt. Er wusste genau, dass sie gleich wieder davon anfangen würde, dass Viola ohnehin nicht die richtige Freundin für ihn gewesen sei. Seine Eltern hatten die 17-jährige Nachbarstochter schon immer abgelehnt. Die kurzen Röcke, die sie gerne trug und die er so ansprechend fand, störten sie ebenso wie Violas Freude am Schminken und hohen Schuhen und dass sie gerne enge Oberteile mit tiefem Ausschnitt trug. Sie sah einfach klasse aus, und so mancher Junge hatte ihn um sie beneidet. Ja gut, ein bisschen weniger Farbe im Gesicht wäre völlig in Ordnung gewesen, und manchmal fand auch er ihre figurbetonte Kleidung gar nicht notwendig. Aber das ging seine Eltern nichts an.
»Mama!«, tönte die Stimme seiner kleinen Schwester durch den Flur. »Kommst du mal?« Nach einer kurzen Pause ergänzte Rebecca Toccaceli: »Bitte.«
Maria seufzte. »Ich muss deiner Schwester beim Packen helfen. Du schaffst das alleine. Oder soll ich mich auch um deinen Koffer kümmern?«, fragte sie.
»Bloß nicht«, wehrte Rico empört ab.
»Gut. Bis später.«
Rico wartete, bis seine Mutter das Zimmer verlassen hatte. Am liebsten hätte er gegen den Kleiderschrank getreten. Stattdessen öffnete er die Tür und zog das Foto von Viola wieder heraus. Er steckte es in eine Seitentasche seines Koffers und trat ans Fenster. Violas grünes Fahrrad lehnte an der Wand unter dem Dach des Carports, neben einem Stapel Feuerholz und einem Kugelgrill. Ob sie zu Hause war? Oder hatte der Bankierssohn sie wieder mit dem Porsche abgeholt? Rico lehnte die heiße Stirn gegen die kühle Scheibe. Zu Violas 17. Geburtstag vor genau einem Monat hatte er noch mit ihr in ihrem Zimmer Musik gehört. Zusammen hatten sie auf ihrem rosa Sofa gelegen, dicht aneinandergeschmiegt. Noch immer glaubte er den Duft ihres seidigen Haars zu schnuppern und die Wärme ihres Körpers zu spüren. Doch das war vorbei. Wenige Tage später hatte sie ihm gesagt, dass sie nicht mehr mit ihm zusammen sein wolle.
Rico trat vom Fenster zurück. Er musste Viola unbedingt wieder für sich gewinnen. Vielleicht konnte Renate ihm helfen. Renate war 68 Jahre alt, hatte vor ihrer Pensionierung die Leitung des Kindergartens ›Sankt Martin‹ in Hainbühl gehabt und passte häufig auf Luca auf, den kleinen Bruder von Viola. Sie war für den Jungen eine Art Ersatz-Oma, und er hatte sich immer sehr gut mit ihr verstanden.
Ein winziger Funken Hoffnung glomm in Rico auf. Er würde Renate bitten, ihm Bescheid zu sagen, falls Cornelius Viola den Laufpass gegeben hatte. Dann würde er dafür sorgen, dass er sie zeitnah zufällig irgendwo traf. Auf einer Party oder in einem Club. Wie er das von Sophienlust aus bewerkstelligen sollte, war ihm noch unklar. Doch im schlimmsten Fall würde er sich für eine Nacht davonstehlen. Von seinem Heimatort Hainbühl nach Wildmoos waren es etwa neunzig Kilometer. Das musste doch irgendwie zu schaffen sein.
*
Rebecca sprang aufgeregt um den Wagen ihrer Eltern herum. Sie trug einen hellblauen Rucksack, bedruckt mit gelben Blumen, auf dem Rücken. »Wann fahren wir, Papa?«, erkundigte sie sich.
Lorenzo Toccaceli schmunzelte. »Du kannst es kaum noch erwarten, nicht wahr, meine Kleine?«
Rebecca hüpfte von einem Fuß auf den anderen. »Ich freue mich so auf die Hunde und die Pferde und die anderen Kinder«, krähte sie.
Ihr Vater öffnete die Kofferraumklappe des dunklen Fords. »Es dauert nicht mehr lange«, versicherte er.
»Stell du deinen Koffer als erstes rein«, forderte Lorenzo seinen Sohn Rico auf, der abwartend neben ihm stand. Er hatte das größte Gepäckstück von allen, da er noch reichlich Unterlagen für die Schule mitnehmen musste.
»Becki«, wandte sich Lorenzo an seine Tochter. »Du wirst deinen Rucksack mit auf die Rückbank nehmen müssen. Hier hinten ist kein Platz mehr.«
»Das wollte ich sowieso«, versicherte Rebecca, ließ die Riemen des Rucksacks von den Schultern rutschen und umklammerte ihre Habseligkeiten nun mit beiden Armen.
»Was hast du denn da alles drin?«, erkundigte sich ihr Vater.
»Meine Glasperlen, die neuen Buntstifte, was zum Umziehen für Lilly… Lilly! Papa, ich habe meine Puppe vergessen. Sie liegt noch auf meinem Bett!« Erschrocken sah die Kleine zu ihrem Vater auf.
Lorenzo zog die Klappe des Kofferraums nach unten. Beim zweiten Versuch rastete das Schloss ein. »Dann lauf schnell ins Haus und hol sie dir«, forderte er seine Tochter auf. »Und sag Mama Bescheid, dass wir fertig sind. Ich nehme solange deinen Rucksack.«
Eilig rannte das Mädchen zurück ins Haus.
»Rico«, wandte sich Lorenzo Toccaceli an seinen Sohn, als die Kleine außer Hörweite war. »Mach nicht so ein Gesicht. Du verdirbst Becki noch die Freude. Sobald die Erbschaftsangelegenheit geregelt ist, kommen wir wieder und holen euch ab.«
Rico hängte die Daumen in die Gürtelschlaufen seiner Jeans, sah an seinem Vater vorbei und gab keine Antwort. Vor ein paar Wochen war die Nachricht aus Italien gekommen, dass eine entfernte Verwandte seines Vaters verstorben war und ihm als einzigen Angehörigem ihr Haus vererbt hätte.
Nun mussten seine Eltern nach Umbrien fahren, wo das Anwesen in der Nähe des Lago Trasimeno lag, um die Formalitäten zu klären.
Die Tür des Nachbarhauses öffnete sich und Viola Kaspari kam heraus. Ihr blondes Haar fiel lang über ihre Schultern, und sie trug ein hautenges grünes Kleid. Sie würdigte weder Rico noch seinen Vater eines Blickes, sondern stöckelte in ihren hohen Schuhen zur Gartentür. In dem Moment erklang das Motorengeräusch eines Wagens, und der rote Porsche ihres neuen Freundes kam um die Kurve, näherte sich dem Grundstück der Kasparis.
Das teure Auto hielt direkt vor der Gartentür. Viola glitt mit selbstbewusstem Lächeln auf den Beifahrersitz und beugte sich zu Cornelius, um ihn zu küssen.
Rico spürte scharfe Nadelstiche im Magen und merkte, wie ihm die Hitze in die Wangen schoss. Nun wandte er sich doch seinem Vater zu. »Was soll ich in Sophienlust?«, fuhr er ihn an. »Ich bin echt alt genug, um die paar Wochen allein zu Hause zu bleiben.«
»Daran zweifelt niemand. Trotzdem haben Mama und ich entschieden, dass es besser so ist. Du brauchst Zeit und Ruhe zum Lernen, und eine neue Umgebung wird dir für eine Weile ganz guttun.«
Rico sah aus den Augenwinkeln den auffälligen Wagen von Cornelius am Grundstück seiner Eltern vorbeiziehen. Er wusste ganz genau, warum ihm ›die neue