Willkommen in Sophienlust: Sophienlust - Die nächste Generation 25 – Familienroman
Von Ursula Hellwig
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Über dieses E-Book
Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt.
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Vorsichtig legte Simon die beiden Bügel des Nussknackers um die Paranuss und drückte mit seinen Fingern behutsam zu. Die Nuss sollte nicht geöffnet werden, sondern nur einen kleinen Riss bekommen. Wie oft der zehn Jahre alte Junge das schon gemacht hatte, konnte er nicht sagen. Meistens war es ihm gelungen, genau den gewünschten kleinen Riss zu erzeugen. Manchmal war die Nuss aber auch in mehrere Teile zersprungen, worüber er dann immer recht enttäuscht war. Aber heute hatte es wieder funktioniert. Deshalb nahm der Junge die Nuss und trug sie zu dem Kletterbaum, auf dem der Papagei Hugo saß. Die Blaustirnamazone gehörte Simons Oma, war jetzt ungefähr sechs Jahre alt und hatte sich vom ersten Tag an als regelrechtes Sprachtalent gezeigt. Hugo plapperte alles nach, was er einmal gehört hatte, und konnte inzwischen auch so manche Redewendung den jeweils geeigneten Situationen zuordnen. »Danke! Leckeres Nüsschen. Lecker, lecker für Hugo«, sagte der Vogel klar und deutlich, bevor er Simon die Nuss vorsichtig mit seinem Hakenschnabel aus der Hand nahm. Der winzige Riss in der Schale reichte dem Papagei, um dort anzusetzen und die Schale innerhalb weniger Sekunden vollständig aufzubrechen. »Irgendwann knacke ich dir die Schale nicht mehr an«, erklärte Simon. »Du kommst ja ohne Probleme ganz allein mit den härtesten Nüssen zurecht. Dein Schnabel ist wirklich super.« »Schnabel super. Hugo super.
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Buchvorschau
Willkommen in Sophienlust - Ursula Hellwig
Sophienlust - Die nächste Generation
– 25 –
Willkommen in Sophienlust
Großes Glück im Unglück für Simon!
Ursula Hellwig
Vorsichtig legte Simon die beiden Bügel des Nussknackers um die Paranuss und drückte mit seinen Fingern behutsam zu. Die Nuss sollte nicht geöffnet werden, sondern nur einen kleinen Riss bekommen. Wie oft der zehn Jahre alte Junge das schon gemacht hatte, konnte er nicht sagen. Meistens war es ihm gelungen, genau den gewünschten kleinen Riss zu erzeugen. Manchmal war die Nuss aber auch in mehrere Teile zersprungen, worüber er dann immer recht enttäuscht war. Aber heute hatte es wieder funktioniert. Deshalb nahm der Junge die Nuss und trug sie zu dem Kletterbaum, auf dem der Papagei Hugo saß. Die Blaustirnamazone gehörte Simons Oma, war jetzt ungefähr sechs Jahre alt und hatte sich vom ersten Tag an als regelrechtes Sprachtalent gezeigt. Hugo plapperte alles nach, was er einmal gehört hatte, und konnte inzwischen auch so manche Redewendung den jeweils geeigneten Situationen zuordnen.
»Danke! Leckeres Nüsschen. Lecker, lecker für Hugo«, sagte der Vogel klar und deutlich, bevor er Simon die Nuss vorsichtig mit seinem Hakenschnabel aus der Hand nahm. Der winzige Riss in der Schale reichte dem Papagei, um dort anzusetzen und die Schale innerhalb weniger Sekunden vollständig aufzubrechen.
»Irgendwann knacke ich dir die Schale nicht mehr an«, erklärte Simon. »Du kommst ja ohne Probleme ganz allein mit den härtesten Nüssen zurecht. Dein Schnabel ist wirklich super.«
»Schnabel super. Hugo super. Nüsschen super. Oma super«, murmelte Hugo vor sich hin, während er die letzten Schalenreste von der Nuss abknabberte, die er manierlich in der linken Kralle hielt.
Nachdem der Vogel die Oma erwähnt hatte, verließ der Zehnjährige den Raum und wanderte hinüber zu der großen, windgeschützten Terrasse, die Simons Großmutter, Ria van Beek, von einem Gärtner in südspanischem Stil hatte einrichten lassen. Große Amphoren aus Ton begrenzten die Terrasse und waren mediterran bepflanzt. Mehrere Oleander verliehen der Anlage ein ganz besonderes Flair und passten ausgezeichnet zu den Rattanmöbeln. Simon nahm in einem der gemütlichen Sessel Platz und blickte auf den Kakaobecher, der auf dem Tisch stand.
»Ist der Kakao für mich?«, erkundigte sich der Junge, griff aber nicht sofort nach dem Becher, sondern schaute seine Oma, die in ihrem Lieblingssessel saß, fragend an.
»Ja, der Kakao ist für dich«, bestätigte Ria. »Ich habe Rebecca vorhin gebeten, Kakao für dich vorzubereiten und zu mir auf die Terrasse zu bringen. Mir war klar, dass du zu mir herauskommen würdest, sobald du Hugo mit Nüssen versorgt hast. Ich hoffe, unser gefiederter Freund hat sich dankbar gezeigt.«
Simon nickte. »Das hat er. Er hat sich sogar ganz brav und gut erzogen bei mir bedankt. Das mache ich jetzt auch für den Kakao. Danke!«
Ria schaute ihren Enkel lächelnd an. Der Junge bereitete ihr viel Freude, und sie war froh, dass sie damals keine Sekunde lang gezögert hatte, sondern sofort damit einverstanden gewesen war, ihr Enkelkind bei sich aufzunehmen und ihm die Eltern zu ersetzen. Simon war seinerzeit nicht einmal zwei Jahre alt gewesen, als seine Eltern, Rias Sohn Michael und ihre Schwiegertochter Susanne, in einem Preisausschreiben eine einwöchige Reise nach Südspanien gewonnen hatten. Das hatten sich die beiden, die schon seit fast drei Jahren keinen Urlaub mehr gemacht hatten, nicht entgehen lassen wollen. Simon sollte diese eine Woche bei seiner Oma bleiben. Es hatte Ria nichts ausgemacht, sich um ihren Enkelsohn zu kümmern. Das tat sie sogar gern. Erst wenige Monate zuvor hatte sie ihren Mann verloren. Er war an einem Herzinfarkt gestorben. Der kleine Junge, den sie nun den ganzen Tag über um sich hatte, ließ sie die Einsamkeit vergessen. Was sie nicht ahnte: Sohn und Schwiegertochter sollten nicht aus Spanien zurückkehren. Sie hatten an einer Tagestour ins Gebirge teilgenommen. Dabei war ihr Bus von der schmalen Bergstraße abgekommen und in eine Schlucht gestürzt. Wie sich das genau ereignet hatte, war nie ganz geklärt worden. Jedenfalls hatten von den zweiundvierzig Insassen nur zehn überlebt, und Simons Eltern waren leider nicht darunter gewesen.
Der damals noch sehr kleine Junge hatte überhaupt nicht verstanden, was sich ereignet hatte, und den Verlust seiner Eltern relativ schnell verarbeitet. Bei seiner Oma war er glücklich geworden und hatte bei ihr eine unbeschwerte Kindheit erlebt.
Ria van Beeks Mann, der in den Niederlanden geboren, aber nach seiner Heirat in Deutschland ansässig geworden war, hatte seiner Frau ein beachtliches Vermögen hinterlassen. Allein schon die beiden Fabriken, in denen Büroeinrichtungen produziert wurden, ermöglichten Ria ein sorgenfreies Leben. Dadurch hatte auch Simon sich nie Gedanken machen müssen, dass seine Wünsche aus finanziellen Gründen vielleicht nicht erfüllt werden konnten. Sie wurden allenfalls hin und wieder aus erzieherischen Gründen abgelehnt oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Trotzdem hatte der Junge nie das Gefühl gehabt, dass seine Oma zu streng mit ihm umging. Sie hatte sich immer liebevoll gezeigt und Simon jeden Tag spüren lassen, dass er geliebt wurde. Dabei hatte Ria aber auch darauf geachtet, dass ihr Enkelsohn sich seine Natürlichkeit bewahrte und nicht auf andere Menschen herabblickte, die weniger begütert waren als er. Simon war klar, dass man niemanden nach seinem Reichtum beurteilen durfte. Er selbst lebte mit seiner Oma in einem ausgesprochen großzügigen Landhaus, zu dem ein parkartiger Garten gehörte, der von zwei Gärtnern gepflegt wurde. Im Haus sorgte eine Haushälterin für Ordnung, und dann war da noch Rebecca, die ihr Reich in der Küche hatte und für das leibliche Wohl sorgte. Es gab sogar einen Chauffeur, der in einem kleinen Anbau wohnte und für geplante Fahrten immer zur Verfügung stand. Seit einem Schlaganfall vor knapp zwei Jahren, der zum Glück nur geringfügig gewesen war, verzichtete Ria vorsorglich darauf, sich selbst ans Steuer zu setzen. In den letzten Schulferien war sie mit Simon nach Rügen gereist. Der Chauffeur hatte sie gut und sicher ans Ziel gebracht. Ria und ihr Enkelsohn hatten in einem Nobelhotel zusammen in einer geräumigen Suite gewohnt, während der Chauffeur ein gemütlich eingerichtetes Einzelzimmer bezogen und die meiste Zeit des Tages für sich gehabt hatte. Das hatte wunderbar funktioniert, und alle drei waren sich anschließend darüber einig gewesen, dass sie auch die nächsten Ferien auf diese Weise verbringen wollten.
Es war Simon durchaus klar, dass er in wohlhabenden Verhältnissen lebte, von denen seine Klassenkameraden und Freunde nur träumen konnten. Doch darauf bildete er sich nichts ein und erwähnte diese Tatsache nie. Nach seiner Ansicht war es schließlich nicht sein Verdienst, dass er der Enkelsohn einer reichen Großmutter war. Er hatte einfach nur Glück gehabt. Dafür hatte er keine Eltern mehr, was für die meisten Kinder die normalste Sache der Welt war. Simon hatte schon oft erkannt, dass es irgendwie immer einen gerechten Ausgleich gab. Deshalb gab es für ihn keinen Grund, sich für etwas Besseres zu halten. Darüber war Ria sehr froh. Es zeigte ihr, dass ihre Erziehung auf fruchtbaren Boden gefallen war und dass sie einen Enkelsohn hatte, auf den sie uneingeschränkt stolz sein konnte. Simon hatte in diesem Jahr die Schule gewechselt, besuchte jetzt die fünfte Klasse im Gymnasium und zählte zu den Schülern, die in fast allen Fächern gute Noten erzielten, ohne sich besonders anstrengen zu müssen. Lediglich Geschichte war für Simon ein ungeliebtes Fach, in dem er wohl immer nur Leistungen erbringen würde, die gerade noch akzeptiert werden konnten. Aber darüber redete Ria van Beek mit ihrem Enkel gar nicht erst. Nach ihrer Ansicht durfte jeder Schüler einen wunden Punkt haben, und Geschichte gehörte ohnehin nicht zu den Hauptfächern, die eine Versetzung möglicherweise gefährden konnten.
Simon selbst sah seine Defizite ebenfalls sehr gelassen. Er wusste schließlich heute schon, welchen Beruf er später einmal ergreifen wollte, und dazu brauchte er keine gute Note in Geschichte: Als