In Gedanken bin ich bei dir: Sophienlust 413 – Familienroman
Von Marietta Brem
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Über dieses E-Book
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Traurig starrte Marion Sollner aus dem Fenster. In der Ferne konnte sie das graublaue Wasser des Chiemsees schimmern sehen, in dem sich die Herbstsonne spiegelte. Marion war eine bildhübsche, jugendlich wirkende Frau, der man ihr Alter, sie war gerade fünfunddreißig geworden, nicht ansah. Sie verstand sich zu pflegen und chic zu kleiden, obwohl sie in den letzten Monaten auch dazu keine rechte Lust mehr gehabt hatte. Ihre Ehe mit dem Grundstücksmakler Harald Sollner war gescheitert. Soviel sie auch überlegte und nachdachte, sie konnte die Schuld daran nicht bei sich finden. »Mutti! Wo bist du denn?« Die laute Stimme ihres Töchterchens Katharina riß die junge Frau aus ihren Gedanken. »Im Schlafzimmer, Kathi«, antwortete Marion und wandte sich seufzend vom Fenster ab. »Bist du etwa schon fertig mit Einpacken?« »Nein, noch nicht ganz. Ich wollte dir nur schnell einen Kuß geben.« Das fünfjährige Mädchen, das wie die Mutter weizenblondes Haar hatte, stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte seiner Mami einen schmatzenden Kuß auf die Wange. »Oh, mein Häschen, was würde ich nur anfangen ohne dich?« Marion preßte das Kind einen Augenblick an sich. Kathi zappelte und strampelte ungeduldig. »Laß mich los, Mutti, ich habe noch ganz viel Arbeit!« Marion stellte ihre Tochter wieder auf den Boden.
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In Gedanken bin ich bei dir - Marietta Brem
Sophienlust
– 413 –
In Gedanken bin ich bei dir
Marietta Brem
Traurig starrte Marion Sollner aus dem Fenster. In der Ferne konnte sie das graublaue Wasser des Chiemsees schimmern sehen, in dem sich die Herbstsonne spiegelte. Marion war eine bildhübsche, jugendlich wirkende Frau, der man ihr Alter, sie war gerade fünfunddreißig geworden, nicht ansah.
Sie verstand sich zu pflegen und chic zu kleiden, obwohl sie in den letzten Monaten auch dazu keine rechte Lust mehr gehabt hatte.
Ihre Ehe mit dem Grundstücksmakler Harald Sollner war gescheitert. Soviel sie auch überlegte und nachdachte, sie konnte die Schuld daran nicht bei sich finden.
»Mutti! Wo bist du denn?« Die laute Stimme ihres Töchterchens Katharina riß die junge Frau aus ihren Gedanken.
»Im Schlafzimmer, Kathi«, antwortete Marion und wandte sich seufzend vom Fenster ab. »Bist du etwa schon fertig mit Einpacken?«
»Nein, noch nicht ganz. Ich wollte dir nur schnell einen Kuß geben.« Das fünfjährige Mädchen, das wie die Mutter weizenblondes Haar hatte, stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte seiner Mami einen schmatzenden Kuß auf die Wange.
»Oh, mein Häschen, was würde ich nur anfangen ohne dich?« Marion preßte das Kind einen Augenblick an sich.
Kathi zappelte und strampelte ungeduldig. »Laß mich los, Mutti, ich habe noch ganz viel Arbeit!«
Marion stellte ihre Tochter wieder auf den Boden. Wehmütig schaute sie dem Kind nach, das mit seinen langen, etwas zu dünnen Beinchen eilig davonlief. Sie wußte, daß sich Kathi auf den Umzug freute. Das Kind hatte Harald Sollner, den Stiefvater, nie gemocht, und auch Harald hatte nie einen Hehl aus seiner Abneigung Kindern gegenüber gemacht. Dabei hatte alles so schön begonnen. Damals, vor fast fünf Jahren, hatten sie sich kennen- und liebengelernt. Kathi war erst wenige Wochen alt gewesen. Kurze Zeit später hatte Marion ihren Mann Michael und ihren elfjährigen Sohn Andreas verlassen.
»Ach, Andy, wie mag es dir wohl gehen?« flüsterte Marion und hatte Mühe, die aufsteigenden Tränen zurückzuhalten. Sie mußte jetzt einen klaren Kopf bewahren!
Hastig begann sie die Kleider aus ihrem Schrank zu räumen. Dann holte sie einen Koffer vom Dachboden und packte alles sorgfältig ein.
»Mutti, warum ziehen wir eigentlich von hier weg?« fragte Kathi.
»Ich habe es dir doch schon erklärt, Kind. Onkel Harald und ich mögen uns nicht mehr, deshalb ist es besser, wenn wir auseinandergehen.«
»Da hast du recht, Mutti«, piepste das kleine Mädchen und zog die Nase kraus. »Weißt du, ich habe ihn nie gemocht. Außerdem hat er von mir immer verlangt, daß ich Papi zu ihm sage. Dabei ist er gar nicht mein richtiger Papi.«
Marion preßte verbittert die Lippen zusammen. Das Kind hatte recht. Auf der einen Seite hatte er Kathi immer abgewiesen, wenn sie zärtlich sein wollte, auf der anderen Seite sollte sie ihn als Vater anerkennen.
Als er sich eines Tages wieder über das abweisende Verhalten seiner Stieftochter geärgert hatte, hatte er ihr einfach ins Gesicht geschleudert, daß sie ohnehin nicht seine Tochter sei. Und obwohl Kathi noch klein war, hatte sie begriffen, daß es einen anderen Mann geben mußte, der ihr weitaus näherstand als Onkel Harald. Seitdem hatte sie keine Ruhe mehr gegeben. Sie wollte unbedingt ihren richtigen Papi kennenlernen.
Nachdenklich stand Marion am Fenster und starrte in die herbstliche Landschaft. Noch immer war es sommerlich warm, trotzdem fröstelte sie. Sie fürchtete die bevorstehende Veränderung, aber sie wußte auch, daß sie unbedingt nötig war. Ein Zusammenleben mit Harald war nicht mehr möglich.
Warum nur mußte sie immer wieder an Michael, ihren ersten Mann, denken. Damals hatte sie doch geglaubt, bei Harald Sollner den Himmel auf Erden gefunden zu haben. Dabei hatte sie ihn bei Michael gehabt, ohne es zu wissen.
Sie seufzte. Für Reue war es zu spät. Wohin sollte sie gehen? Zurück nach Maibach?
Eigentlich wäre das die beste Lösung, dachte Marion und strich sich eine Strähne aus der Stirn. Maibach war ihr nicht fremd, sie kannte Leute, die ihr vielleicht eine Arbeit geben konnten. Bei der heutigen Marktlage war das ein nicht zu unterschätzender Vorteil.
Michael hatte wieder geheiratet, wie sie von einer früheren Freundin wußte. Sicher hatte er das Haus verkauft, in dem sie ihre glücklichen Jahre miteinander verbracht hatten.
Leise Wehmut beschlich Marion. Wenigstens konnte sie sich in Maibach frei bewegen, ohne Gefahr zu laufen, ihrem geschiedenen Mann zu begegnen.
Ein Blick auf ihre Armbanduhr sagte ihr, daß es Zeit für sie und ihr Töchterchen wurde. Jetzt mußten sie sich beeilen, wenn sie Harald nicht begegnen wollten.
»Kathi, bist du endlich fertig?« rief sie und ließ die Kofferschlösser zuschnappen. Dann schaute sie sich suchend in dem Schlafzimmer um, in dem sie sich nie richtig wohl gefühlt hatte.
»Ich kann die Tasche nicht tragen, Mutti. Sie ist so schwer und dick.«
»Natürlich nicht, Herzchen. Dazu bist du noch ein bißchen zu klein. Ich werde sie tragen. Aber nun muß ich ein Taxi rufen, das uns zum Bahnhof bringt.«
Vergnügt klatschte das blonde Mädchen in die Hände. »Au ja, Mutti, das ist fein. Mit einem Auto bin ich schon lange nicht mehr gefahren. Aber Onkel Harald geht nicht mit!« Die rehbraunen Augen des bildhübschen Mädchens schauten bittend zur Mutter.
»Natürlich nicht, Kathi! Dann könnten wir ja gleich hierbleiben.«
Marion Sollner warf noch einen letzten Blick in jedes Zimmer, aber der erwartete Abschiedsschmerz wollte sich einfach nicht einstellen. Sie fühlte sich innerlich zwar wie ausgebrannt, aber sie hatte sich zu dem Entschluß durchgerungen, den ungeliebten Ehemann zu verlassen. Die Scheidung war nur noch eine Formsache.
In Maibach gab es gute Anwälte, das wußte Marion noch von der ersten Scheidung. Die Erinnerung daran trieb ihr die Schamröte ins Gesicht. Wie gemein hatte sie sich Michael gegenüber verhalten!
»Das Taxi! Das Taxi!« Jubelnd hüpfte Kathi von einem Bein auf das andere, als es an der Tür klingelte. Jetzt gab es kein Zurück mehr für Marion Sollner und ihr Töchterchen Katharina Gerstner.
Ja, Kathi trug den Namen ihres leiblichen Vaters, Michael hatte einer Adoption nicht zugestimmt. Damals war Marion bitterböse auf ihren Exmann gewesen, aber jetzt war sie ihm von Herzen dankbar, weil ihr seine damalige Ablehnung den heutigen Schritt wesentlich erleichterte.
Beladen mit ihren Stofftieren und Puppen marschierte das Kind die knarrende Holztreppe hinunter.
Erleichtert sank Marion in die weichen Polster des Taxis. »Zum Bahnhof, bitte«, sagte sie.
Kathi