Das Ende einer heilen Welt: Sophienlust Bestseller 61 – Familienroman
Von Marietta Brem
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Das Kinderheim Sophienlust erfreut sich einer großen Beliebtheit und weist in den verschiedenen Ausgaben der Serie auf einen langen Erfolgsweg zurück. Denise von Schoenecker verwaltet das Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, mit Erreichen seiner Volljährigkeit, das Kinderheim Sophienlust gehören wird.
Nachdenklich stand Michael Binder am Fenster seines großen Wohnzimmers und starrte in den winterlichen Garten hinaus. Gerade begann es wieder zu schneien. Tief vergrub er seine Hände in die Hosentaschen. Obwohl der mächtige Kachelofen behagliche Wärme ausstrahlte, fröstelte Michael. Wie gebannt hing sein Blick an den Schneeflocken, die langsam zu Boden fielen. Was war es nur, das ihn so melancholisch stimmte? Er hatte alles erreicht, was er sich erträumt hatte. Seine kleine Tonwarenfabrik florierte, die Auftragslage war gut, und Heike war eine bezaubernde und zärtliche Ehefrau. Vor fünf Jahren war ihm dann auch noch ein Kind geboren worden. Nadine war ein hübsches, gesundes Mädchen, sein ganzer Stolz. Und doch war da noch etwas, das ihn nicht befriedigte. Seit etwa zwei Monaten lag ein Schatten über seiner Ehe, den er nicht leugnen konnte. Wie ein scheues Reh ging Heike ihm aus dem Weg, und wenn er mit ihr sprechen wollte, dann hatte sie meistens etwas Wichtigeres zu tun. Er ahnte, daß es da ein Geheimnis zwischen ihnen gab, das er nicht wissen durfte. Und jetzt schien dieses Geheimnis ihre Beziehung zu belasten. Seufzend wandte er sich vom Fenster ab. Wie gern würde er Heike helfen, wenn sie es nur zuließe… Aber sie war verschwiegen wie ein Grab, obwohl sie sich offensichtlich quälte. Heute abend war Heike zu Besuch bei einer Freundin – eine gute Gelegenheit für Michael, nachzudenken, ob er vielleicht etwas falsch gemacht hatte. Zugegeben, in der Fabrik gab es immer eine Menge Arbeit, ebenso im Büro, denn er mußte sich um alles kümmern. So eine kleine Firma lohnte sich nur, wenn man soviel wie nur irgend möglich selbst machen konnte.
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Buchvorschau
Das Ende einer heilen Welt - Marietta Brem
Sophienlust Bestseller
– 61 –
Das Ende einer heilen Welt
Hoffnung auf eine zweite Chance
Marietta Brem
Nachdenklich stand Michael Binder am Fenster seines großen Wohnzimmers und starrte in den winterlichen Garten hinaus. Gerade begann es wieder zu schneien.
Tief vergrub er seine Hände in die Hosentaschen. Obwohl der mächtige Kachelofen behagliche Wärme ausstrahlte, fröstelte Michael. Wie gebannt hing sein Blick an den Schneeflocken, die langsam zu Boden fielen.
Was war es nur, das ihn so melancholisch stimmte? Er hatte alles erreicht, was er sich erträumt hatte. Seine kleine Tonwarenfabrik florierte, die Auftragslage war gut, und Heike war eine bezaubernde und zärtliche Ehefrau. Vor fünf Jahren war ihm dann auch noch ein Kind geboren worden. Nadine war ein hübsches, gesundes Mädchen, sein ganzer Stolz.
Und doch war da noch etwas, das ihn nicht befriedigte. Seit etwa zwei Monaten lag ein Schatten über seiner Ehe, den er nicht leugnen konnte. Wie ein scheues Reh ging Heike ihm aus dem Weg, und wenn er mit ihr sprechen wollte, dann hatte sie meistens etwas Wichtigeres zu tun.
Er ahnte, daß es da ein Geheimnis zwischen ihnen gab, das er nicht wissen durfte. Und jetzt schien dieses Geheimnis ihre Beziehung zu belasten.
Seufzend wandte er sich vom Fenster ab. Wie gern würde er Heike helfen, wenn sie es nur zuließe… Aber sie war verschwiegen wie ein Grab, obwohl sie sich offensichtlich quälte.
Heute abend war Heike zu Besuch bei einer Freundin – eine gute Gelegenheit für Michael, nachzudenken, ob er vielleicht etwas falsch gemacht hatte.
Zugegeben, in der Fabrik gab es immer eine Menge Arbeit, ebenso im Büro, denn er mußte sich um alles kümmern. So eine kleine Firma lohnte sich nur, wenn man soviel wie nur irgend möglich selbst machen konnte.
Lag es vielleicht daran? Hatte er zuwenig Zeit für Heike und Nadine?
Plötzlich überfiel Michael Binder bleierne Müdigkeit. Er konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten, geschweige denn nachdenken. Nein, er mußte ins Bett, denn morgen lag wieder ein schwerer Tag vor ihm.
Wie leer das Zimmer war ohne Heike! An solchen einsamen Abenden merkte er erst, wie nötig er seine Frau brauchte.
Es war eine Liebesheirat gewesen zwischen dem Erben der Tonwarenfabrik und der Bankangestellten. Heike hätte bei der Maibacher Bank eine ganz steile Karriere machen können, auf die sie aber dann seinetwegen verzichtet hatte.
Dafür war Michael ihr heute noch dankbar, auch wenn er es ihr nicht mehr sagte. Immerhin war das ja schon acht Jahre her, da mußte es nicht dauernd wiederholt werden.
Fest umfaßte seine Hand das kühle Metall des Türgriffs. Dann entschloß er sich anders. Zuerst wollte er noch nach Nadine sehen. Sie träumte manchmal schlecht.
Aber dieses Mal schlief Nadine tief und ruhig. Endlich konnte Michael Binder auch zu Bett gehen.
Langsam zog er sich aus, immer noch in der Hoffnung, Heike würde früher als erwartet zurückkommen.
Da fiel Michaels Blick auf Heikes Nachttisch. Die Schublade war nicht ganz zugezogen, und die Ecke eines Briefes oder eines Blatt Papiers stand heraus.
Michael lächelte zärtlich. Ja, so war Heike, ein wenig nachlässig und nicht gerade ordnungsliebend. Aber gerade das machte sie für ihn so liebenswert. Sie war keine vollkommene Hausfrau, wie es seine Mutter gewesen war.
Er ging zum Nachttisch und wollte die Schublade zumachen. Aber der Brief hinderte ihn daran. Da zog er ihn heraus und legte ihn oben auf den Nachttisch. Dann schob er die Lade zu.
»Doktor Lothar Havland«, las Michael halblaut vor sich hin. Sein Herz machte ein paar rasche Schläge. Was hatte Heike mit einem Arzt zu tun? War sie etwa krank?
Vielleicht lag hier der Schlüssel zu dem veränderten Verhalten seiner Frau.
Mit einem Schlag war Michael hellwach. Er griff nach dem Brief und setzte sich auf die Bettkante. Sollte er ihn lesen? Eigentlich durfte er es nicht, denn dann verletzte er das Briefgeheimnis. Sicher hätte Heike ihm den Brief gegeben, wenn sie wollte, daß er sich über den Inhalt informierte.
Trotzdem, er mußte wissen, was darin stand. Nur dann konnte er vielleicht seine Ruhe wiederfinden, oder zumindest würde er dann verstehen, aus welchem Grunde Heike so abweisend zu ihm war.
Dann hielt er den Brief zur Nachttischlampe, um ihn etwas besser lesen zu können. Das weiße Papier war mit einer steilen, aber schönen Handschrift bedeckt.
»Liebe Heike«, las Michael halblaut. Dabei horchte er immer mit einem Ohr nach draußen. Wäre das Auto seiner Frau vorgefahren, hätte er den Brief natürlich sofort wieder in die Schublade zurückgelegt.
Aber es waren keine Geräusche zu hören und er konnte ungestört weiterlesen. Doch es war ganz und gar nicht das, was er erwartete. Vor ihm tat sich ein Abgrund auf, und er hatte das Gefühl, zu fallen und zu fallen, rettungslos in einer schwarzen Tiefe zu versinken.
*
»Dieses Jahr kommt der Winter ziemlich früh. Immerhin haben wir erst Anfang November.« Denise von Schoenecker zog die Gardine zurecht, dann wandte sie sich vom Fenster ab.
»Wenn es zu Weihnachten keinen Schnee gibt, dann bist du auch nicht zufrieden«, konterte Alexander von Schoenecker, ihr Mann, und legte seine Zeitung zur Seite.
Nun lachte Denise und schlenderte gemächlich zu dem Sofa, auf dem er es sich gemütlich gemacht hatte. Dann setzte sie sich neben ihn und legte ihren Arm um seinen Hals.
»Woran denkst du?« Ihr Blick suchte den seinen.
Alexander von Schoenecker zuckte mit den Schultern. »Eigentlich an überhaupt nichts. Es ist nur…«
»Siehst du, da haben wir es schon. Wenn du mit den Worten anfängst: ›Es ist nur…‹, dann hat das etwas zu bedeuten. Irgend etwas hat dich beeindruckt oder durcheinandergebracht, oder wie du es sonst nennen möchtest. Den ganzen Abend bist du schon so schweigsam und vergräbst dich in deiner Zeitung.«
»Ach laß, Denise. Es ist wirklich nichts, nur eine Begegnung, die mir nicht so recht aus dem Kopf will.«
»Eine Begegnung? Und ich darf nichts davon erfahren. Du – wenn es eine Begegnung mit einer Frau war, dann…« Spielerisch drohte Denise mit dem Finger.
»Ach wo. Was sollte ich denn mit einer Frau? Ich habe doch dich, Liebes. Nein, es ist etwas ganz anderes.«
»Also ein Mann«, stellte Denise lakonisch fest.
»Na ja, groß war ja die Auswahl nicht mehr. Du hast recht, ein Mann. Ich habe ihn schon seit mindestens vier Jahren nicht mehr gesehen. Eigentlich hat er sich auch nicht sonderlich verändert, auf den ersten Blick wenigstens nicht.«
»Willst du es mir nicht sagen? Er hat sich also doch verändert. Von wem redest du denn eigentlich?«
»Von Lothar Havland, das heißt, von Doktor Lothar Havland. Ich kenne ihn von dem Fachkursus für Tropenkrankheiten. Diesen Lehrgang habe ich damals aus reinem Interesse mitgemacht. Und dabei habe ich dann Lothar kennengelernt. Das ist jetzt auch schon – ich weiß gar nicht mehr, wie viele Jahre her. Lothar ging dann