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Para - Das Schicksal liegt in euren Händen...
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eBook275 Seiten3 Stunden

Para - Das Schicksal liegt in euren Händen...

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Über dieses E-Book

Jetzt, da die Geschwister Nex und Liah das Geheimnis gelüftet und Para gefunden haben, stehen sie vor neuen Problemen, um die sie sich unbedingt kümmern müssen. Um Gelbauge und seinem Komplizen keine Vorteile zu gewähren, reisen die Kinder nach Para, wo sie nicht nur nach einer Lösung suchen, sondern auch allerhand schräge Bekanntschaften machen. Während sie ein weiteres Abenteuer jenseits aller Vorstellungskraft erleben, muss Handix in der Villa die Stellung halten. Das ist gar nicht so leicht, denn Moona stellt Fragen, Gelbauges Männer suchen etwas und Handix muss sich seiner Vergangenheit stellen, um Mandis Spuren folgen zu können.
Werden die Millers eine Lösung finden?
Was sind das für Spuren, denen Handix folgen muss?
Was werden Nex und Liah alles erfahren?
Aber vor allem: Werden sie ihrer Aufgabe als Wechsler auch gerecht?
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum25. Aug. 2020
ISBN9783347063846
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    Buchvorschau

    Para - Das Schicksal liegt in euren Händen... - Zeraphina Cloud

    Ein Versprechen

    Obwohl es draußen schon stockfinster war, ging Handix in die Küche und machte sich einen Kaffee. Die Küche war ein kleiner, aber gemütlicher Raum, wo jeder der vier Stühle mit weichen Kissen belegt worden war und der Küchentresen im Sonnenlicht (wenn vorhanden) rot und himmelblau schimmerte. Mandi liebte Farben. Er selbst legte nicht so großen Wert darauf, aber er sah es gern, wenn seine Frau glücklich war. Sie hatte ein umwerfendes Lachen und allein ihre Gegenwart reichte aus, um die schlechte Laune der Leute zu vertreiben. Nur bei ihm half es nicht sofort, und das war wohl auch der Grund, warum sie sich in ihn verliebt hatte. Handix konnte unmöglich sagen, womit er eine Frau wie sie verdient hatte.

    Das Knarzen der Dielen hinter ihm sagte ihm, dass sie gerade die Küche betreten hatte. Er drehte sich um und sah sie, seine Frau, in Bademantel und Schlappen, die dunklen Haare in alle möglichen Richtungen abstehend und in den Augen noch diesen dünnen Film der Müdigkeit. Er lächelte sie an und Mandi lächelte zurück, dann schlang er seine Arme um sie. In letzter Zeit hatte sie nicht so viel gelacht wie sonst. Es lag an Tohm und seinen Anhängern, die sie unaufhörlich belagerten und nach irgendwelchen Gegenständen ausfragten, von denen Handix nie etwas gehört hätte, wäre er nicht in die Geheimnisse seiner Frau eingeweiht worden. Zu allem Überfluss hatten diese Männer auch noch herausgefunden, dass Mandi die Tante zweier Kinder war und man die Gabe des Wechselns durchaus in der Familie weitergeben konnte. Mandi hatte ihm gestern erst gesagt, dass sie Nex und Liah für Wechsler hielt. Erst hatte Handix es abstreiten wollen, aber dann wurde ihm irgendwie klar, dass sie recht hatte. Sie hatte immer recht.

    Handix setzte sich auf einen der Stühle und zog Mandi auf seinen Schoß. Sie lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter und seufzte. Er hasste es, wenn sie solche Laute von sich gab, denn dann hatte er immer das Gefühl, ihr irgendetwas nicht geben zu können.

    „Liebling, versprich mir etwas", sagte sie plötzlich und sah zu ihm auf. Ihre kastanienbraunen Augen schenkten ihm einen ungewohnt ernsten Blick. Er fragte sich, was wohl in ihr vorging und ob es irgendetwas gab, das er tun konnte, um ihr diese Last abzunehmen, aber weil ihm gerade nichts einfiel, nickte er bloß.

    „Natürlich."

    Sie nagelte seinen Blick weiterhin fest.

    „Handix, ihre Stimme war fest, „versprich mir, dass du gut auf Nex und Liah achtest. Ich glaube, dass sich diese Kerle irgendwann dazu entschließen werden, sie zu suchen und… Nun, ich denke, du weißt, was ich meine.

    Oh ja, das tat er, aber warum bat sie ihn, auf die beiden zu achten? Das würde er auch so tun, immerhin waren sie die Kinder seines Bruders.

    „Ja, werde ich, aber warum…"

    „Bitte frag nicht weiter nach. Es ist bloß so ein Gefühl, das ich habe. Versprichst du es?"

    Ihre Augen sahen ihn flehend an und er seufzte.

    „Ja, ich verspreche es."

    Mandi nickte und lehnte sich wieder gegen ihn, die Augen geschlossen.

    „Wenn sie Fragen haben, dann beantworte diese bitte", murmelte sie noch, dann war sie fest eingeschlafen.

    Handix wartete noch eine halbe Stunde lang, ob sie wieder aufwachen würde, dann trug er sie hoch ins Schlafzimmer. Es war halb vier in der Nacht und morgen musste er wieder zur Arbeit gehen, aber er konnte nicht schlafen, also nahm er sich ein Buch und setzte sich ins Wohnzimmer. Der Kaffee in der Küche war wahrscheinlich schon kalt, also beschloss er, ihn am Morgen wegzuschütten. Handix las für sein Leben gern und irgendwie genoss er es, wenn er Nex vorlesen durfte, weil sich der Junge für ähnliche Geschichten interessierte wie er selbst auch.

    Bei dem Gedanken an seinen Neffen spürte er einen Kloß im Hals. Was für Träume waren das, die er hatte? Handix ahnte es bereits, aber er weigerte sich, diese Möglichkeit auch nur in Erwägung zu ziehen. Andererseits musste er dann immer an Mandis Worte denken.

    „Ich glaube, du weißt irgendwie immer, was ein Wechsler in der anderen Welt kann", hatte sie ihm vor zwei Wochen gesagt und vermutlich hatte sie auch damit recht. Ja, irgendwie wusste er, wozu seine Frau und die beiden Kinder in der Lage waren, aber er wollte es sich einfach nicht eingestehen. Denn wenn er bei Nex richtig lag, dann würde Mandi nicht mehr viel Zeit bleiben…

    In dieser Nacht las er nicht mehr weiter; eine ungeahnte Angst hatte von ihm Besitz ergriffen.

    Trotz allem, was er wusste oder ahnte, war er nicht auf das Gefühl vorbereitet gewesen, als man ihm die Nachricht von ihrem Tod brachte. Zuerst stand er unter Schock, dann versuchte er sich einzureden, dass das alles nur ein Irrtum war, und als kein Zweifel mehr bestand, spürte er abwechseln unendlichen Schmerz und Leere. Er konnte nicht mehr in dieser farbigen gemütlichen Wohnung leben, konnte nicht mehr zusehen, wie sich die Familie seines Bruders gegenseitig tröstete, aber vor allem konnte er sich einfach nicht dazu überwinden, sein Versprechen einzulösen. Also zog er weg, so weit fort wie nur irgend möglich, um den Erinnerungen zu entkommen. Sieben Jahre lang war ihm das gelungen, aber dann tauchte das Jugendamt auf, um ihn an seine Pflichten als Onkel zu erinnern. Er hätte nie gedacht, dass sein Bruder vor ihm sterben würde, immerhin war er doch der ältere von ihnen gewesen. Und das alles nur wegen eines lächerlichen Autounfalls.

    Auch jetzt, in dieser Villa, war es mitten in der Nacht und Handix konnte nicht schlafen. Er hatte in so vielerlei Hinsicht versagt. Er hatte Tohm ungewollt verraten, wo die goldene Taschenuhr versteckt war, und er hatte Nex und Liah nicht so beschützt, wie er es hätte tun sollen. Seinetwegen hatte sein Neffe ziemlich viele Schläge einstecken müssen und Liah war zu Tode geängstigt. Diese Moona war dann auch noch hineingeplatzt und hatte viele Fragen gestellt. Dabei ging sie die andere Welt nichts an. Sie war nur die Putzfrau, außerdem sollte sie nicht in diese Angelegenheit hineingezogen werden. Schlimm genug, dass die restlichen Millers mittendrin steckten.

    Die Uhr im Wohnzimmer tickte laut. Handix seufzte. Er hatte sich so viel Mühe gegeben, unnahbar und griesgrämig zu sein, damit er sich sämtliche Menschen vom Hals halten konnte, mit Erfolg. Aber mit einem hatte er dabei wirklich nicht gerechnet: Die Art und Weise, wie Nex ihn angesehen hatte, als sie sich vor acht Tagen auf der Terrasse begegnet waren. Es war, als hätte der Junge ganz genau gewusst, dass er sie beide im Stich gelassen hatte… Und dann hatte Nex ihm auch noch das Leben gerettet.

    Handix schüttelte den Kopf und beschloss, dass er besser wieder ins Bett gehen sollte, wobei er im zweiten Stock einen möglichst weiten Bogen um Nex´ Zimmertür machte. Er wollte gar nicht wissen, was das für Träume waren, von denen sein Neffe heimgesucht wurde, aber er bewunderte die Entschlossenheit des Jungen. Allein die Tatsache, dass die Kinder den Schaden, der heute Nachmittag entstanden war, wiedergutmachen wollten, beeindruckte ihn. Er selbst hätte nicht die Kraft dazu, aber er wusste, dass er dieses Mal nicht kneifen durfte. Er würde ihnen helfen.

    Handix wollte es sich nicht eingestehen, aber er tat es nicht aufgrund des Versprechens, das er Mandi gegeben hatte. Er tat es, weil er die Kinder irgendwie doch gernhatte. Sieben Jahre waren nicht genug gewesen, um die Liebe vollständig aus seinem Herzen zu verbannen.

    Recherche

    Der Morgen begann grau und windig. Obwohl Nex wieder so schlecht geschlafen hatte wie die anderen Tage auch, musste er feststellen, dass er dieses Mal keine Kopfschmerzen hatte. Dafür taten ihm andere Körperteile weh. Er hatte die Prügelei deutlich unterschätzt, aber woher sollte er denn wissen, wie stark Glatzkopf zuschlagen konnte? Er schleppte sich in den dritten Stock, wo die einzigen Duschen waren, und ließ kaltes Wasser über sich laufen. Aus irgendeinem Grund musste er an seine Eltern denken. Ein mulmiges Gefühl machte sich in ihm breit, als er daran dachte, dass die beiden Menschen, die ihm so viel Liebe entgegengebracht hatten, einfach gestorben waren.

    Mit dreizehn Jahren war er Vollwaise. Liah war erst zehn. Er dachte an diese Frau aus dem Jugendamt, eine gewisse Tanja Simons, die ihnen erklärt hatte, dass sie eine Villa von Tante Mandi geerbt hatten und dort sechs Wochen lang mit Onkel Handix wohnen würden. Mit seinem Onkel!

    Nex war alles andere als begeistert gewesen, immerhin hatte dieser Typ sie sieben Jahre lang ignoriert und war noch nicht einmal zur Beerdigung seines eigenen Bruders gekommen. Was für ein Familienzusammenhalt. Und dann hatten Liah und Nex feststellen müssen, dass in dieser Villa merkwürdige Dinge passierten, etwas, das so unlogisch war, dass der Junge unbedingt hatte herausfinden müssen, was los war. Aber er hätte nie gedacht, dass es sich bei all dem um eine weitere Welt handelte, Para, die seine Schwester und er, im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen, betreten konnten, weil sie Wechsler waren. Und dann war da noch Glina, die sie in Para getroffen hatten, und die ganzen Gesetzmäßigkeiten, die die beiden Welten betrafen und… Nex schüttelte den Kopf. Es war einfach unglaublich viel, was er verstehen musste, und er konnte das jetzt unmöglich alles in Gedanken durchgehen.

    Außerdem musste er heute wieder in die Schule gehen, weil das Jugendamt beschlossen hatte, Liah und ihn für die paar Wochen, die sie hier sein würden, zum Unterricht zu schicken. Seiner Meinung nach war das überflüssig. Dachten die wirklich, dass das zwischen ihnen und Onkel Handix funktionieren würde? Okay, gut, Handix hatte sich in den letzten Tagen als gar nicht so schlecht erwiesen, aber ob sie wirklich jahrelang zusammenwohnen konnten? Nex bezweifelte es.

    Er stieg aus der Dusche und zog sich an, dabei warf er sich im Spiegel einen Blick zu. Er hatte die goldbraunen Haare und waldgrünen Augen seines Vaters geerbt. Seine Nase war immer noch blutverschmiert, dabei hatte er sie gestern abgewaschen. Dazu der Bluterguss auf der linken Seite seines Gesichts. Die anderen Ergüsse und Prellungen, die er hatte, zählte er besser nicht mit. Er spritzte sich nochmal Wasser ins Gesicht und atmete tief durch. Sein zweiter Schultag hier und er sah wirklich furchtbar aus. Egal. Er ging nach unten in die Küche, die, wie die meisten Zimmer in der Villa, wirklich altmodisch aussah und dazu noch ziemlich trostlos wirkte. Überrascht musste Nex feststellen, dass sein Onkel Brötchen gekauft hatte. Wahrscheinlich war das seine Art, sich zu entschuldigen oder zu bedanken, je nachdem. Nex konnte immer noch nicht fassen, dass er sich beinahe hätte erschießen lassen, um seinem Onkel aus der Klemme zu helfen. Andererseits hatten sie jetzt einen Waffenstillstand vereinbart, also war das schon okay.

    Als Nex sich setzte, protestierte sein ganzer Körper, aber er biss die Zähne zusammen und sagte nichts. Liah sah ihn von der Seite aus an. Sie hatte die gleiche Haarfarbe wie er, aber gelbbraune Augen und war erschreckend dünn, obwohl sie durchaus gut essen konnte. Handix saß den Kindern gegenüber, seine staubgrauen Augen strahlten dauerhaft schlechte Laune aus. Sein Haar war braunschwarz und er musste sich dringend wieder rasieren. Sie aßen schweigend, wie eigentlich immer. Normalerweise war Liah nicht besonders still, aber für die Mahlzeiten machte sie mittlerweile eine Ausnahme, was wohl daran lag, dass sie beim ersten Mal so viele Fragen gestellt hatte, dass Onkel Handix kurz vorm Kollabieren gewesen war. Außerdem schien sie zu merken, dass niemand reden wollte.

    Nach dem Essen standen die Kinder auf und wollten schon nach oben gehen, um ihre Sachen zu holen, als Handix sie unterbrach.

    „Wartet", sagte er mit seiner mürrischen Stimme und die beiden drehten sich um. Nex hob eine Braue. Sein Onkel musterte ihn schnell.

    „Vielleicht wär´s besser, wenn du heute hierbleibst", bemerkte er, aber der Junge schüttelte den Kopf.

    „Ich lasse Liah doch nicht allein", widersprach er und wusste genau, warum er das sagte.

    Gestern hatten ihnen diese Männer vor der Schule aufgelauert. Sie hatten nach Para wechseln und von dort aus nach Hause gehen müssen. Nach Hause. Wieso dachte er so? In ein paar Wochen waren sie doch ohnehin wieder weg! Handix stieß die Luft aus, sein Gesicht war unmöglich zu deuten.

    „Gut. Musst du wissen", antwortete er schließlich und wandte sich dem Geschirr zu.

    Apropos Geschirr. Was wohl Moona von ihnen dachte? Schließlich hatte sie gestern den ganzen Lärm gehört und das ein oder andere zerstörte Möbelstück gesehen. Und einen demolierten Nex. Seit ihren verzweifelten und möglicherweise unglaubwürdigen Erklärungen hatte Nex die Putzfrau nicht mehr gesehen.

    Die Kinder holten ihre Rucksäcke (Nex hatte den seinen vor ein paar Jahren von seinem Vater bekommen) und Handix fuhr sie wieder zur Schule, die sich zwei Städte weiter befand und eine Autofahrt von zwanzig Minuten bedeutete.

    Der Junge wusste immer noch nicht, wo sein Onkel das Auto bei der Villa abgestellt hatte, denn in all den Tagen, die er hier verbracht hatte, hatte er es nie zu Gesicht bekommen.

    Dieses Mal waren die Männer nirgends zu sehen. Nex wusste nicht genau, wer sie waren, aber sie wussten von Para und jetzt hatten zumindest zwei von ihnen einen Weg gefunden, dorthin zu gelangen, obwohl sie keine Wechsler waren. So ein Chaos wegen einer goldenen Taschenuhr.

    In der Klasse, sie war nicht besonders groß, starrten ihn alle an, weil er einen ordentlichen Bluterguss im Gesicht hatte, aber Nex ignorierte sie und setzte sich neben Sebastian, dem einzigen hier, der sich ihm namentlich vorgestellt hatte. Er erinnerte Nex ein wenig an seinen besten Freund Paul, weil er auch so direkt und gut gelaunt war. Paul. Was er wohl gerade tat? Ob er ihn vermisste? Ob er sich bereits damit abgefunden hatte, dass sie sich vielleicht nie wiedersehen würden? Denn selbst wenn Liah und er nicht bei Onkel Handix bleiben würden, hieß das nicht, dass sie wieder in ihre Heimatstadt zurückkehrten. Bei wem sollten sie auch wohnen? Bei Beatrice? Sie war die beste Freundin ihrer Mutter, aber furchtbar unorganisiert und kam auch nicht so gut mit Kindern zurecht.

    Nex riss sich wieder zusammen und versuchte sich auf den Unterricht zu konzentrieren. Trotzdem wanderten seine Gedanken immer wieder zu Glina, seiner Freundin, die in Para lebte und sich jetzt mit Gelbauge und Glatzkopf herumschlagen musste. Und ja, Glina war ein Glühwürmchen und mit einem Insekt befreundet zu sein war verrückt, aber so war Para nun mal.

    Irgendwie überlebte Nex bis zur ersten großen Pause. Vor dem Sekretariat traf er sich mit Liah, so wie gestern auch, und zusammen überlegten sie, was sie tun wollten. In diesem Moment kam Sebastian vorbei. Er hatte straßenköterblonde Haare und blaue Augen. Die Nase sah aus, als ob er sie sich schon einmal gebrochen hätte, und Nex wurde klar, dass er während des Kampfes gestern ziemliches Glück gehabt haben musste.

    „Hey", sagte Sebastian und grinste Nex an.

    „Hi. Ist was?"

    Sein Klassenkamerad sah zu Liah.

    „Ist das deine Schwester?", fragte er und überging Nex´ Frage. Er beschloss, ihm deshalb nicht böse zu sein, und nickte.

    „Ja. Das ist Liah. Liah, das ist Sebastian, mein Sitznachbar."

    „Nennt mich einfach Basti, ich mag lange Namen nicht."

    Liah nickte und lächelte. Ihr Bruder ergriff wieder das Wort.

    „Was machst du eigentlich hier?", wollte er wissen und verschränkte unbewusst die Arme vor der Brust. Basti zuckte mit den Schultern.

    „Ich dachte, wir könnten zusammen abhängen, sagte er und sah dabei in alle möglichen Richtungen, „weil du ja noch niemanden richtig kennst und nicht als Opfer enden sollst. Bei den Worten musste Nex grinsen.

    „Was denn, so denkst du von mir?", erwiderte er mit gespieltem Entrüsten und Basti sah ebenfalls grinsend auf.

    „Ich weiß ja, dass du deine Schwester hast, aber männliche Unterstützung kann nicht schaden."

    Okay, er hatte sich offensichtlich schon zum x-ten Mal seit seinem Umzug in die Villa geirrt. Basti war gar nicht so schlecht und er würde sich unmöglich an seine Ichbin-eh-nur-noch-ein-paar-Wochen-da-also-können-mirandere-egal-sein- Regel halten können.

    „Okay, antwortete er deshalb, „aber nur, wenn ich mein liebes Schwesterchen mitnehmen darf.

    „Klar."

    Dank Basti war der Tag doch aushaltbar und zwischendurch gelang es Nex tatsächlich, nicht an Para und die damit verbundenen Probleme denken zu müssen. Zumindest solange, bis es nach der letzten Stunde klingelte und er einen Blick nach draußen warf, ehe Liah und er zum Parkplatz gingen.

    Dieses Mal war Onkel Handix schon da und wartete auf sie. Nex hatte ihn noch gar nicht gefragt, warum er gestern nicht da gewesen war und wie Gelbauge und Glatzkopf in die Villa eindringen konnten. Er begriff es immer noch nicht.

    Handix sah die Kinder wie immer mürrisch an und nickte Richtung hintere Autotür.

    „Dann mal rein mit euch", brummte er, aber er sah seinen Neffen nicht direkt an. Okay, vielleicht schämte er sich tatsächlich, dabei hätte Nex schwören können, dass Scham nicht im Wortschatz seines Onkels existierte. Liah stieg zuerst ein und ihr Bruder wollte ihr gerade folgen, als er einen Ruf hörte. Er drehte sich um.

    „Nex, warte!", rief Basti, der gerade angerannt kam und vor ihm stehenblieb. Nex sah ihn schweigend an.

    „Ich… ich wollte nur schnell Tschau sagen. Wir sehen uns dann morgen!" Ein Grinsen.

    „Ja, bis morgen."

    Die Millers fuhren zur Villa zurück, aber irgendetwas fühlte sich merkwürdig an. Beinahe so, als ob irgendwo etwas kaputtgehen würde…

    Nach dem Mittagessen (wieder Fertigsuppe; konnte Onkel Handix denn wirklich nicht kochen?) gingen die Geschwister wieder auf den Dachboden, der mittlerweile einer ihrer Lieblingsorte war. Wieder schlugen sie das Notizbuch auf, das sie in einer Kiste auf dem einzigen Tisch hier oben gefunden hatten. Er stand zusammen mit einer alten Couch, einem Sessel und einer Stehlampe herum und die beiden hatten hier schon ein wenig Zeit verbracht, um in diesem Büchlein zu stöbern.

    Normalerweise hatten sie es von vorne bis hinten durchlesen wollen, aber heute suchten sie nach Hinweisen. Vielleicht stand dort etwas über die goldene Taschenuhr und über diese Männer, die ihnen aufgelauert hatten. Aber auf dem ersten Blick ließ sich nichts erkennen, was Nex ziemlich ärgerte. Er musste so viel wie möglich in kürzester Zeit herausfinden, damit sie den Männern voraus waren.

    Obwohl, wahrscheinlich waren sie das schon, immerhin hatten sie Para viel früher entdeckt. Aber warum waren sie noch nicht zurückgekommen? Und was wollten sie eigentlich erreichen, wenn sie in Para waren? Da gab es kaum einen Menschen, abgesehen von anderen Wechslern und Einheimischen, die sie unterdrücken konnten, oder so. Und wirklich viele Tiere hatte Nex dort auch nicht gesehen…

    Was auch immer diese Typen vorhatten, sie würden es verhindern müssen, immerhin hing jetzt eine ganze Welt von ihnen ab. Wow, eigentlich hatte der Junge gedacht, dass es schon viel Verantwortung wäre, sich um eine kleine Schwester zu kümmern, aber das…!

    Liah stöhnte auf.

    „So wird das doch nie was!", nörgelte sie und warf ihrem Bruder einen vielsagenden Blick zu.

    „Vielleicht sollten wir es wieder einteilen, du weißt schon. Einer nimmt sich das Buch vor und der andere guckt sich im restlichen Haus um."

    Nex zuckte mit den Schultern.

    „Okay, meinetwegen."

    Er wusste auch nicht, warum er zustimmte. Vielleicht, weil er gerade selbst keine Ahnung hatte, wie sie das anpacken sollten.

    Plötzlich, er konnte nicht sagen, warum, musste er an die Bibliothek denken, die sich im dritten Stock befand. Was war, wenn Tante Mandi dort einen weiteren Hinweis versteckt hatte? Es gab nur einen Weg, das herauszufinden.

    „Wir treffen uns dann im Zimmer wieder", entschied Nex und ging, ehe er erklären konnte, welches Zimmer er meinte, aber im Grunde genommen war das klar, denn bisher waren sie immer nur in seinem gewesen.

    Ein Glück, dass Liah noch nicht die Skizze über seine Träume gesehen hatte. Die würde er nur ungern erklären wollen, vor allem, weil er sie selbst nicht richtig verstand. Kurz gesagt ging es bloß darum, dass er vor einem Haufen Männer weglief und am Ende immer starb, egal, welchen Weg er einschlug oder was er anders machte. Er konnte aus seinen Fehlern lernen, aber am Ende machte er wieder neue. Und dann war da noch die Tatsache, dass Gelbauge, der Mann, der gestern Onkel Handix angegriffen hatte, am häufigsten vorkam. Wie war es möglich, dass er von jemandem träumte, den er erst Tage danach kennenlernte? Das ergab keinen Sinn, aber das hatte

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