Rauer Weg nach Water City: Wyatt Earp 248 – Western
Von William Mark
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Es war schon am frühen Nachmittag dunkel vor Regen. Schon seit Tagen hatte der Himmel seine Schleusen geöffnet, die über schier unendliche Vorräte zu verfügen schienen. Es goss wie aus Kübeln. Die Silhouetten der Berge waren von der Overlandstreet aus nicht mehr zu erkennen. Wie eine graue Wand lagen die Regenschleier rechts und links, vor und hinter der alten klapprigen Kutsche, die knarrend und holpernd über den schlechten Weg nordwärts rollte. Auf dem Kutschbock saß ein Mann, der die Fünfzig sicher überschritten hatte. Er trug einen breitrandigen Hut, von dem das Wasser nur so heruntertriefte. Der Regenumhang vermochte die Nässe kaum noch zurückzuhalten. Es rann dem Driver durch den Kragen bis über den Rücken und vorn über die Brust hinunter. Sein Schnauzbart hing traurig herunter wie ein Seehundschnurrbart, und seine buschigen Brauen klebten ihm bis über die Augen. John Morgan fuhr die Strecke von Alamosa über Saguache nach Salida nun schon seit mehr als sechzehn Jahren. Er gehörte zum eisernen Bestand der Extrapost, die besondere Transporte durchzuführen hatte. Dies waren nun keineswegs Eilposten, die für private Zwecke bestimmt waren, sondern leider meist nur Gefangenentransporte. Leute also, die aus dem Süden und aus dem Südosten des Staates Colorado hinauf in den Norden gebracht werden mussten, wo sich tief versteckt in den Bergen das gefürchtete Straflager Sascattewa befand. Morgan war also halb und halb ein Sheriffshelfer, wenn man es so will, und man kann nicht behaupten, dass er sich je bei dem Job wohl gefühlt hätte. Vor allem, wenn er, wie heute, oder genauer gesagt, schon seit zwei Tagen die Overland durch ein solches Wetter kutschieren musste. Es kam noch etwas hinzu, das für Morgan den Transport wenig angenehm machte: Das bezog sich nicht auf den jungen Sheriffshelfer Jim Fareland, der hinten in der Kutsche gegenüber seinem gleichaltrigen Kameraden Jonny Tubson saß, sondern auf die Männer, derentwegen der Transport hier durchgeführt wurde. Morgan war es gewohnt, Banditen zu transportieren. Aber es kam nicht alle Tage vor, dass es so prominente Gangster waren, die er da durch das Land befördern musste. Es waren die Talbot-Brothers, die nach der Verurteilung ihrer Schandtaten in Silver Cliff (siehe Band 261, Das Geheimnis der Talbots) hinauf nach Sescattewa gebracht werden sollten.
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Rauer Weg nach Water City - William Mark
Wyatt Earp
– 248 –
Rauer Weg nach Water City
William Mark
Es war schon am frühen Nachmittag dunkel vor Regen. Schon seit Tagen hatte der Himmel seine Schleusen geöffnet, die über schier unendliche Vorräte zu verfügen schienen. Es goss wie aus Kübeln. Die Silhouetten der Berge waren von der Overlandstreet aus nicht mehr zu erkennen. Wie eine graue Wand lagen die Regenschleier rechts und links, vor und hinter der alten klapprigen Kutsche, die knarrend und holpernd über den schlechten Weg nordwärts rollte.
Auf dem Kutschbock saß ein Mann, der die Fünfzig sicher überschritten hatte. Er trug einen breitrandigen Hut, von dem das Wasser nur so heruntertriefte. Der Regenumhang vermochte die Nässe kaum noch zurückzuhalten. Es rann dem Driver durch den Kragen bis über den Rücken und vorn über die Brust hinunter. Sein Schnauzbart hing traurig herunter wie ein Seehundschnurrbart, und seine buschigen Brauen klebten ihm bis über die Augen.
John Morgan fuhr die Strecke von Alamosa über Saguache nach Salida nun schon seit mehr als sechzehn Jahren. Er gehörte zum eisernen Bestand der Extrapost, die besondere Transporte durchzuführen hatte. Dies waren nun keineswegs Eilposten, die für private Zwecke bestimmt waren, sondern leider meist nur Gefangenentransporte. Leute also, die aus dem Süden und aus dem Südosten des Staates Colorado hinauf in den Norden gebracht werden mussten, wo sich tief versteckt in den Bergen das gefürchtete Straflager Sascattewa befand. Morgan war also halb und halb ein Sheriffshelfer, wenn man es so will, und man kann nicht behaupten, dass er sich je bei dem Job wohl gefühlt hätte. Vor allem, wenn er, wie heute, oder genauer gesagt, schon seit zwei Tagen die Overland durch ein solches Wetter kutschieren musste.
Es kam noch etwas hinzu, das für Morgan den Transport wenig angenehm machte: Das bezog sich nicht auf den jungen Sheriffshelfer Jim Fareland, der hinten in der Kutsche gegenüber seinem gleichaltrigen Kameraden Jonny Tubson saß, sondern auf die Männer, derentwegen der Transport hier durchgeführt wurde. Morgan war es gewohnt, Banditen zu transportieren. Aber es kam nicht alle Tage vor, dass es so prominente Gangster waren, die er da durch das Land befördern musste. Es waren die Talbot-Brothers, die nach der Verurteilung ihrer Schandtaten in Silver Cliff (siehe Band 261, Das Geheimnis der Talbots) hinauf nach Sescattewa gebracht werden sollten. Allen voran das riesige Oberhaupt der Familie, Roger Talbot, ein Mann in den Dreißigern, rücksichtslos, brigantenhaft und mehr als selbstbewusst. Ein Desperado, wie er im Buche stand. Er hockte in der linken vorderen Ecke der Kutsche und starrte mit finsterem Gesicht hinaus in den Regen. Neben ihm, mit ihm durch eine schwere Handfessel verbunden, saß sein Bruder Harry, nur wenige Jahre jünger und kaum weniger gefürchtet als Roger Talbot selbst. Neben Harry saß Mike, der dritte der Talbot-Brothers, der etwas farblos wirkte, und in der Ecke das vierte Mitglied der Familie, der Jüngste, Gib Talbot, der wohl nächst Roger der Gefährlichste der Familie war.
Aber die vier Talbots waren nicht allein mit den beiden Transportbegleitern Fareland und Tubson in der Overland. Denn der Richter hatte auch die wichtigsten Mitglieder ihrer Gang auf den gleichen Weg geschickt. Da wäre zunächst der riesige Joe Solothurn zu nennen. Ferner Slim Mehringer und der aalglatte Rob Liggett.
Er lässt sich denken, dass es sich in der Kutsche nicht mehr allzu bequem mit den vielen Personen saß. Vor allem, da die Talbots sich hartnäckig geweigert hatten, noch einen Passagier auf ihre Seite zu lassen. So saßen denn im Fond des Wagens links der blonde Jim Fareland, neben ihm Joe Solothurn, der stank wie ein Wiedehopf, und neben ihm Rob Liggett, der unablässig an seinen Nägeln kaute. Neben Liggett hockte in sich zusammengesunken Slim Mehringer, der nur an seinen Bruder dachte, dem es gelungen war, dem Zugriff des Gesetzes im allerletzten Augenblick zu entkommen. Rechts in der Ecke hockte eingequetscht von den drei Gangstern der hartgesichtige Polizeihelfer Jonny Tubson.
Schon seit dem Aufbruch am frühen Morgen arbeitete es in Roger Talbots Schädel. Der Gangsterboss, der seit einer ganzen Reihe von Jahren in Silver Cliff ein raues Regiment geführt hatte, war vor wenigen Tagen in seiner Stadt von dem großen Sheriff Wyatt Earp gestellt worden. Der berühmte Gesetzesmann aus Dodge City hatte ihn in einer Waldung nahe bei Silver Cliff zusammen mit seinen Brüdern gestellt. Es war dem Marshal und seinem Begleiter Doc Holliday gelungen, den Zugriff noch auf die drei anderen Tramps in der Stadt selbst zu erweitern.
Solothurn hatte zwar verzweifelt versucht, sich zu wehren, aber es hatte ihm gar nichts genützt. Der gerissene Liggett, der ein gefährlicher Messerwerfer und ein gefürchteter Schütze war, hatte das Pech, sich mit seinem Angriff ausgerechnet gegen den großen Gunfighter Doc Holliday zu stellen. Der Georgier hatte ihn in einem kaltblütigen Duell von den Beinen gerissen. Liggett war jedoch nur von einem Streifschuss an der Stirn verletzt worden, und als er zu sich kam, war er bereits an den Händen gefesselt. Der Richter machte kurze Sache mit den Bravos und schickte sie alle für fünf Jahre nach Sescattewa zur Zwangsarbeit. Ausgenommen den Boss der Bande, Roger Talbot selbst, der hatte sieben Jahre bekommen.
Man kann nicht sagen, dass die Strafe hart war, denn die Talbots hatten sich nicht nur Raubüberfälle, sondern auch Entführungen zuschulden kommen lassen.
Roger Talbot war ein Mann, der nichts so sehr liebte wie seine Freiheit. Dass er jetzt durch Wyatt Earp für eine ganze Reihe von Jahren festgesetzt werden sollte und hinter Gefängnismauern schmachten musste, setzte ihm mehr zu, als er zeigen wollte. Und nicht nur das, er würde jetzt auch gezwungen sein, schwere, ja, schwerste Arbeit in den gefürchteten Steinbrüchen von Sescattewa zu leisten. Was die Gefangenen dieses berüchtigten Straflagers der USA überhaupt zu erwarten hatte, war weithin bekannt. Vielleicht hatten die Gerüchte es noch etwas erweitert, aber das, was bekannt war, genügte dem Gangster vollauf. Seit der Minute der Abfahrt in Silver Cliff hatte er beschlossen, zu fliehen.
Ob dies mit seinen Brüdern, ohne sie oder mit den anderen geschehen würde, war ihm einerlei. Für ihn stand jedenfalls fest, dass der schnauzbärtige Morgan ihn nicht nach Sescattewa bringen würde.
Da die Talbots bis heute aber immer zusammengearbeitet hatten, schloss Rogers Plan die anderen zunächst mit ein.
Wenn die erste Pferdewechselstation kommt, müssen wir versuchen, die beiden niederzuwalzen.
Aber es war der blonde Jim Fareland, der ihm diesen Plan zunichte machte, indem er nämlich gleich hinter der Stadt einen Revolver aus dem Halfter nahm und ihn genau auf ihn, Roger Talbot, richtete.
Offensichtlich hatte Fareland sich mit Tubson besprochen, denn auch der zweite Transportbegleiter nahm seinen Revolver aus dem Halfter und ließ ihn schussbereit in der rechten Hand. Liggett, der neben ihm saß, spürte, dass die Waffe auf ihn gerichtet war.
Sie hatten es sich gar nicht einmal so schlecht ausgedacht, die beiden Transportbegleiter, denn Roger Talbot und Liggett waren zweifellos die gefährlichsten Gestalten dieses Gefangenentransportes. Sie wurden jedenfalls jetzt unter Kontrolle gehalten.
Roger Talbot hatte den ersten Plan also verwerfen müssen. Aber sein Banditengehirn arbeitete ununterbrochen. Er rechnete jetzt mit der ersten Pferdewechselstation. Da musste ja irgend etwas geschehen.
Aber es geschah nichts, was ihm hätte Nutzen bringen können. Denn als die Kutsche nach stundenlanger Fahrt endlich auf dem vom Regen völlig aufgeweichten Platz vor der eingeschossigen alten Station hielt, blieb Jim Fareland vor der offenen Tür mit dem Revolver stehen, und Jonny Tubson hielt es genauso auf der anderen Seite. Morgan nahm allein mit dem Stationsmaster den Pferdewechsel vor. Schon nach einer Viertelstunde ging es weiter.
Das nahm ja einen üblen Verlauf!, überlegte der Bandenchief. Da musste Abhilfe geschaffen werden.
Nach drei Meilen knurrte er plötzlich:
»Sehen Sie nicht, Sie verdammter Henker, dass mein Bruder Harry mal dringend an die Luft muss?«
Fareland blieb völlig ruhig.
Nachdem Minuten verstrichen waren, knurrte Roger Talbot:
»Verflucht, Fareland, mein Bruder muss mal aus der Hose, oder sollte Ihnen das fremd sein?«
Fareland blickte gelassen in das blasse Gesicht des zweitältesten Talbot-Brothers.
»Wenn Ihr Bruder mal austreten muss, dann wird er sich wohl melden können.«
»Was ich hiermit getan haben möchte«, knurrte Harry mit seiner heiseren Stimme.
Roger zog an der Klingelschnur, die neben ihm hing, und vorn auf dem Bock ertönte die kleine Glocke, die den Kutscher veranlasste, sofort anzuhalten.
Jim Morgan machte das auf seine Weise. Er hielt den Wagen an, sprang aber sofort ab und riss sein Schrotgewehr unterm Stiefelbrett hervor, wo er es unter einer Plane bereitliegen hatte.
Er war auf alles gefasst, da er eigentlich schon alles im Laufe seiner vielen Jahre als Gefangenentransport-Driver erlebt hatte.
»Los, aussteigen!«, befahl Fareland.
Roger blickte gelangweilt hinaus in den Regen und tat, als hätte er nicht gehört.
Harry wollte sich aufrichten und zog natürlich Mike und Roger mit hoch.
»He, ich will nicht hinaus«, schnarrte Roger, »was soll ich in diesem verdammten Sauwetter draußen?«
»Mit diesem Trick kommen Sie mir ja nicht«, krächzte Fareland. »Sie werden sich nicht einbilden, dass ich Ihren Bruder losschließe, denn dann hätte ich