Doc Holliday 20 – Western: Der Kartenhai
Von Frank Laramy
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"H i l f e !" Gellend hallte der Schrei durch den Morgen. Aber es gab keine Hilfe mehr für den Sheriff von Lindon. Sein Schrei verhallte unter dem strahlendblauen Himmel Colorados. Langsam glitt er aus dem Sattel und fiel in das kniehohe Yumagras. Rasender Schmerz tobte in seiner Brust. Er konnte noch atmen, noch sehen, aber er wußte, daß es mit ihm zu Ende ging. Ralph Monoghan war noch jung, viel zu jung, um schon zu sterben. Seit einem halben Jahr war er der Sheriff von Lindon, einer kleinen Stadt im westlichen Colorado. Und nun sollte alles vorbei sein! Aber a l l e s war noch nicht vorbei. Zuerst vernahm er das Klirren von Sporen, dann sah er einen milchweißen Stetson, und als er das Gesicht erblickte, mußte er für Sekunden die Augen schließen. Er kannte dieses Gesicht, die zynischen Furchen neben den Mundwinkeln, die gegerbte Haut, das harte, weit nach vorn springende Kinn, die schiefergrauen Augen, das gelbe Gebiß, die flache Nase. Es war das Gesicht eines Mörders!
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Doc Holliday 20 – Western - Frank Laramy
Doc Holliday -20-
Der Kartenhai
Western von Frank Laramy
»H i l f e !« Gellend hallte der Schrei durch den Morgen.
Aber es gab keine Hilfe mehr für den Sheriff von Lindon. Sein Schrei verhallte unter dem strahlendblauen Himmel Colorados.
Langsam glitt er aus dem Sattel und fiel in das kniehohe Yumagras. Rasender Schmerz tobte in seiner Brust. Er konnte noch atmen, noch sehen, aber er wußte, daß es mit ihm zu Ende ging.
Ralph Monoghan war noch jung, viel zu jung, um schon zu sterben. Seit einem halben Jahr war er der Sheriff von Lindon, einer kleinen Stadt im westlichen Colorado.
Und nun sollte alles vorbei sein!
Aber a l l e s war noch nicht vorbei.
Zuerst vernahm er das Klirren von Sporen, dann sah er einen milchweißen Stetson, und als er das Gesicht erblickte, mußte er für Sekunden die Augen schließen. Er kannte dieses Gesicht, die zynischen Furchen neben den Mundwinkeln, die gegerbte Haut, das harte, weit nach vorn springende Kinn, die schiefergrauen Augen, das gelbe Gebiß, die flache Nase.
Es war das Gesicht eines Mörders!
Murphy McLoed hieß der Mann, der ihm die Kugel geschickt hatte. Ein Texaner, eine Bestie in Menschengestalt.
Jetzt, als er den Sheriff von Lindon hilflos vor sich liegen sah, stieß er ein höhnisches Lachen aus.
»Wie ist es nun mit dem Galgen? Ich glaube, der Baum wird verdorren, an dem Sie mich hängen wollten.«
Monoghan öffnete die Augen und blickte in das zynische Gesicht.
»Dieser Baum wird nicht verdorren, McLoed, verlassen Sie sich darauf«, entgegnete der Verwundete leise. »Irgendwo in unserem Land steht der Baum, an dem Sie eines Tages hängen werden.«
McLoed drehte sich gelassen eine Zigarette. Er hatte eine merkwürdig schmale Hand, die Finger waren lang und feingliedrig.
Es waren Spielerhände!
Als er die Zigarette angezündet hatte, ließ er sich neben dem Sterbenden nieder und rauchte seelenruhig.
»Hat es sich nun gelohnt, daß Sie hinter mir hergeritten sind, Sheriff?« fragte er dann nach einer Weile. »Der Bursche, den ich aus den Stiefeln geschossen habe, war schon reif für den Boot Hill.«
»Er war ein anständiger Mann, ein Bürger unserer Stadt – und Sie sind ein verdammter Kartenhai, ein hinterhältiger Mörder«, erwiderte Monoghan. In der Erregung war seine Stimme lauter geworden.
Der andere grinste nur und meinte: »Ich werde Sie in Frieden sterben lassen, Sheriff. Sie hätten sich den kleinen Zwischenfall ersparen können, wenn Sie in Ihrem Bau geblieben wären.«
Das nannte nun Murphy McLoed einen kleinen Zwischenfall!
In Lindon hatte er einen alten Viehagenten am Kartentisch niedergeschossen, und es war ihm gelungen, zu entkommen. Aber der Sheriff hatte sich auf seine Fährte gesetzt – und würde nun nie mehr in seine Stadt zurückkehren.
Monoghan hatte die Augen wieder geschlossen, um diesen Schurken nicht länger sehen zu müssen. Bitter dachte er daran, wie schnell doch seine Laufbahn als Sheriff geendet hatte. Es war der erste Mord in Lindon, seitdem er den Stern trug. Bisher war es ruhig gewesen.
Dann war dieser Kartenhai gekommen, der sich Murphy McLoed nannte, und hatte den Frieden in seiner Stadt zerstört. Und ihm, dem jungen Sheriff von Lindon, war es nicht gelungen, den Verbrecher zu stellen.
Monoghan öffnete die Augen zum letztenmal, er schloß sie nie wieder. Ein Fluch war auf seinen Lippen, aber die Lunge gab ihm nicht mehr die Kraft und den Atem, diesen Fluch auszusprechen. Seine Augen waren starr auf das Gesicht des Verbrechers gerichtet, und das Bild dieses grausamen Antlitzes nahm er mit hinüber in das Land, aus dem es keine Wiederkehr gibt.
Ralph Monoghan war tot.
Ein Sheriff war von der Kugel eines Verbrechers ausgelöscht worden!
McLoed erhob sich. Ungerührt blickte er auf sein Opfer hinunter. Der Sheriff war nicht der erste Mann, den er erschossen hatte. Morden gehörte gewissermaßen zu seinem Handwerk. McLoed nannte es nicht Morden, sondern Schießen.
Männer wie McLoed ritten zu Dutzenden im Westen herum und machten die Spielsaloons unsicher. Sie lebten von Falschspiel wie andere Menschen von der Arbeit, für sie gab es nur eines: betrügen, so lange es gut ging, und wenn es nicht mehr gut ging, dann wurde geschossen, dann wurden die Menschen ausgelöscht, die ihnen im Wege standen.
Und da lag so ein Mensch. Er hatte nichts anderes gewollt, als dem Gesetz zu seinem Recht zu verhelfen. Er hatte das schwere Amt eines Gesetzesmannes übernommen, für ganze vierzig Dollar im Monat.
Und was hatte Ralph Monoghan dafür eingehandelt?
Den Tod!
Es war ein erbärmliches Sterben, von der hinterhältigen Kugel eines Banditen hingestreckt zu werden.
Und sie verstanden zu sterben, die Männer, die den Mut hatten, in dieses wilde Land zu reiten, die sich hier ein neues Leben aufbauen wollten. Es waren Pioniere, Kämpfer.
Dazu gehörte auch Ralph Monoghan, der Sheriff von Lindon.
McLoed begann, ihm ein Grab zu machen. Er tat das nicht aus dem Bewußtsein heraus, daß es seine Pflicht sei, einen Toten zu begraben, er hatte nur die Absicht, seine Schandtat zu verbergen. Mit seinem Messer harkte er den sandigen Boden auf, auf seiner Stirn perlte der Schweiß. Er bemerkte nicht, daß ihm aus der Brusttasche ein kleines ledernes Etui in den Sand fiel.
Aber dafür sah er den Reiter, als er zufällig den Kopf hob. Fast eine Meile mochte der Mann noch von ihm entfernt sein, aber er ritt genau auf ihn zu.
Murphy McLoed richtete sich auf.
»Also war der Hund nicht allein«, stieß er hervor und bleckte dabei die Zähne wie ein Wolf. Dann griff er hastig nach seinem Messer und schob es hinter den Waffengurt.
»Ich muß verschwinden«, knurrte er vor sich hin und rannte zu seinem Pferd, das hinter einer Bodenwelle stand.
Mit einem Satz war der Mörder im Sattel und hetzte davon.
Zurück ließ er einen Toten, der den silbernen Stern des Gesetzes an der Brust trug, eine halb ausgescharrte Grube, ein Lederetui, in dem sich ein Kartenspiel befand – und ein Bild.
Es war ein vergilbtes Bild, eine Fotografie, die vor einigen Jahren gemacht worden war, aber es spiegelte das gemeine Gesicht des Mörders deutlich wider.
Und noch etwas ließ der Verbrecher zurück: seine Untat, die aufs neue die Tragödie dieses jungen Landes aufzeigte.
Ja, es gab ganz einfach noch kein Gesetz in diesem Land, alles war wild, niemand achtete die Rechte des Nächsten.
In Washington hatten sich zwar Männer zusammengesetzt, um ein Gesetz zu entwerfen. Sie hatten es auch zu Papier gebracht und in die Staaten geschickt.
Aber wer vertrat dann dieses Gesetz? Wer hatte die Eignung, gegen die Horden anzutreten, die das Land unsicher machten? Sie waren nicht alle Wyatt Earps, es gab auch Männer, die Monoghan hießen, die nicht aus dem Holz geschnitzt waren wie der Missourier.
Und dieser Monoghan, der Sheriff von London, lag mit weiten, gläsernen Augen unter der sengenden Sonne Colorados, auf der Grassteppe, die ebenso weit war wie der azurblaue Himmel, der sich darüber spannte.
*
Eigentlich sah er nicht so aus wie ein Mann, der über die Prärien des Westens ritt. Auch trug er nicht die Kleider der Cowpuncher. Er war angezogen wie ein Mann, der zu einer Abendgesellschaft zum Gouverneur des Staates eingeladen war.
Sein Gesicht war schmal und von einer Härte, die an die Felssteine der
Mountain erinnerte, das Haar so dunkel wie die Augen einer Mexikanerin.
Es war der Georgier Doc Holliday, der vor dem toten Sheriff sein Pferd anhielt und aus dem Sattel stieg. Er kannte den Mann nicht, der am Boden lag, er war nie in Lindon gewesen. Ein bloßer Zufall hatte ihn an diesen Ort geschickt.
Holliday blickte in die halb ausgescharrte Grube, er sah die noch dunkle Erde, die Sonne hatte es noch nicht vermocht, sie zu trocknen.
Dann sah er den Stern an der Brust des Erschossenen.
Der Täter konnte noch nicht weit sein. Er mußte ihn gesehen haben, sonst wäre er nicht geflüchtet.
Dann erblickte der Georgier das kleine Lederetui. Er bückte sich und hob es auf. Als Holliday die Tasche auseinanderschlug, sah er die Karten und das Bild.
Welch ein entsetzliches Gesicht starrte ihn da an!
Dann blätterte der Georgier die Karten durch; sie waren gezeichnet, für einen Laien unmerklich, aber der Gambler sah es sofort.
Der Georgier schloß die kleine Tasche und steckte sie ein, dann kniete er neben dem Toten nieder, und löste den Stern von seiner Brust, auch diesen steckte er in die Tasche. Dann schloß er dem Mann die Augen.
Er begrub ihn in der Mulde, die der Mörder für sein Opfer ausgehoben hatte. Mit den Händen schaufelte er die Erde auf den Toten, und als die Grube geschlossen war, erhob er sich.
Er hätte den Toten in die nächste Stadt bringen müssen, so schrieb es das fadenscheinige Gesetz vor, das in diesem Land für Ordnung sorgen sollte. Aber er tat es nicht. Zu oft hatte er erleben müssen, daß seine Korrektheit schlecht belohnt worden war.
Doc Holliday zog sich in den Sattel seines Schecken, das Pferd des Toten trottete mit gesenktem Kopf hinter ihm her.
Zurück blieb ein Grab, ein flacher Erdhügel. Es war kein Kreuz auf diesem Grab, namenlos lag es in der weiten Grassteppe Colorados.
Aber der Mord an dem Sheriff