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Verwaist zu sein ist bitter: Sophienlust 311 – Familienroman
Verwaist zu sein ist bitter: Sophienlust 311 – Familienroman
Verwaist zu sein ist bitter: Sophienlust 311 – Familienroman
eBook123 Seiten2 Stunden

Verwaist zu sein ist bitter: Sophienlust 311 – Familienroman

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Über dieses E-Book

Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt.
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.

Berthold Erkmann betrat das Haus seines jüngeren Bruders nur ungern. Er war der Ansicht, daß es dort unmoralisch zuging, und das widerstrebte seiner Auffassung als ehrenamtlicher Kirchenrat und wohltätiger Bürger des kleinen Städtchens. Berthold hatte keine Beweise für seine Annahme, doch die Tatsache, daß sein Bruder Rainer und seine Schwägerin Marianne stets guter Laune waren und nichts tierisch ernst nahmen, rechtfertigte seiner Ansicht nach das Mißtrauen. Eine weitere Bestätigung seines Verdachts sah er darin, daß Marianne Erkmann mit neununddreißig Jahren nochmals ein Kind erwartete. Berthold hatte sich sofort distanziert, hatte seinen Bruder verantwortungslos genannt. Selbstverständlich hatte er das Heim des Bruders seither gemieden. Deshalb war Constanze, die siebzehnjährige Tochter der Familie, erstaunt, den Onkel nun zu sehen. »Hallo«, murmelte sie und zog die schmalen dunklen Augenbrauen hoch. Flüchtig bemerkte Berthold, daß die Nichte in den vergangenen Monaten noch hübscher geworden war. Das früher stets etwas zu große Kind hatte sich zu einer anmutigen jungen Dame gemausert. Langes blondes Haar umrahmte ein frisches Gesicht mit faszinierenden tiefblauen Augen. Constanze war natürlich auch jetzt noch auffallend groß, doch ihr früher eckig wirkender Kinderkörper hatte sanfte Rundungen angenommen. Berthold Erkmann verbot sich selbst solche Betrachtungen. Als guter Christ hatte er nicht nur in seinen Handlungen, sondern auch in seinen Gedanken vorbildlich zu sein. »Darf ich hereinkommen?« fragte er steif. »Selbstverständlich.« Constanze machte eine einladende Handbewegung, lächelte freundlich und unbefangen. »Leider sind meine Eltern nicht da.
SpracheDeutsch
HerausgeberKelter Media
Erscheinungsdatum14. Apr. 2020
ISBN9783740964368
Verwaist zu sein ist bitter: Sophienlust 311 – Familienroman

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    Buchvorschau

    Verwaist zu sein ist bitter - Susanne Svanberg

    Sophienlust

    – 311 –

    Verwaist zu sein ist bitter

    Constanze setzt sich durch

    Susanne Svanberg

    Berthold Erkmann betrat das Haus seines jüngeren Bruders nur ungern. Er war der Ansicht, daß es dort unmoralisch zuging, und das widerstrebte seiner Auffassung als ehrenamtlicher Kirchenrat und wohltätiger Bürger des kleinen Städtchens.

    Berthold hatte keine Beweise für seine Annahme, doch die Tatsache, daß sein Bruder Rainer und seine Schwägerin Marianne stets guter Laune waren und nichts tierisch ernst nahmen, rechtfertigte seiner Ansicht nach das Mißtrauen. Eine weitere Bestätigung seines Verdachts sah er darin, daß Marianne Erkmann mit neununddreißig Jahren nochmals ein Kind erwartete. Berthold hatte sich sofort distanziert, hatte seinen Bruder verantwortungslos genannt. Selbstverständlich hatte er das Heim des Bruders seither gemieden.

    Deshalb war Constanze, die siebzehnjährige Tochter der Familie, erstaunt, den Onkel nun zu sehen.

    »Hallo«, murmelte sie und zog die schmalen dunklen Augenbrauen hoch.

    Flüchtig bemerkte Berthold, daß die Nichte in den vergangenen Monaten noch hübscher geworden war. Das früher stets etwas zu große Kind hatte sich zu einer anmutigen jungen Dame gemausert. Langes blondes Haar umrahmte ein frisches Gesicht mit faszinierenden tiefblauen Augen. Constanze war natürlich auch jetzt noch auffallend groß, doch ihr früher eckig wirkender Kinderkörper hatte sanfte Rundungen angenommen.

    Berthold Erkmann verbot sich selbst solche Betrachtungen. Als guter Christ hatte er nicht nur in seinen Handlungen, sondern auch in seinen Gedanken vorbildlich zu sein.

    »Darf ich hereinkommen?« fragte er steif.

    »Selbstverständlich.« Constanze machte eine einladende Handbewegung, lächelte freundlich und unbefangen. »Leider sind meine Eltern nicht da. Du wolltest doch sicher mit Vati über geschäftliche Dinge reden.«

    Schon vor Constanzes Geburt hatten die beiden Brüder das elterliche Bauunternehmen übernommen, hatte es all die Jahre hindurch gemeinsam geleitet. Während sich Constanzes Vater um die Arbeit auf den Baustellen kümmerte, war Berthold für die kaufmännische Abwicklung zuständig. Er trug stets elegante Anzüge, weiße Hemden und Krawatten, Constanzes Vater bevorzugte dagegen sportliche Kleidung, ging oft in Jeans und Karohemden zur Arbeit.

    »Nein.« Berthold übersah die freundliche Aufforderung seiner Nichte, Platz zu nehmen. Er blieb vor der wandhohen Fensterfront im Wohnzimmer stehen. Sein hageres Gesicht mit der Adlernase und der dunkel umrandeten Brille wirkte noch ernster und strenger als sonst.

    Wie schon so oft fiel Constanze auf, daß die beiden Brüder keinerlei Ähnlichkeit miteinander hatten. Ihr Vater war ein fröhlicher, sympathischer Mann, der überall Freunde fand und bei den Angestellten der Firma sehr beliebt war. Onkel Berthold dagegen wurde gefürchtet.

    »Deine Eltern waren unterwegs nach München. Vielleicht hast du gehört, daß wir dort eine Straßenunterführung bauen. Ein großes Projekt…«

    »Wieso waren? Sind sie es denn nicht mehr?« Constanze zog die noch kindlich gewölbte Stirn in Falten. Wenn Onkel Berthold herkam, um ihr das zu sagen, dann stimmte doch etwas nicht. Sofort empfand sie eine unbestimmte Angst.

    Berthold Erkmann machte jenes mitleidige Gesicht, daß er bei wohltätigen Veranstaltungen oder Krankenbesuchen zeigte.

    »Deine Eltern, meine liebe Constanze, hatten leider einen Verkehrsunfall.«

    Das junge Mädchen, das überall nur »Conny« genannt wurde, erschrak. »Einen Unfall? Mein Gott, sind sie verletzt?« Angst und Sorge spiegelten sich in Constanzes blauen Augen.

    Berthold Erkmann blieb ruhig und sachlich. Der Ton seiner Stimme wurde noch etwas salbungsvoller. Vielleicht sollte das Mitgefühl ausdrücken.

    »Sie sind tot. Leider.«

    Aus Constanzes frischem, rosigem Gesicht wich schlagartig jede Farbe. Ihre Lippen zitterten. Dünn und kindlich wirkte ihre Stimme. »Das… das ist doch nicht wahr. Das kann doch gar nicht wahr sein. Mein Vati ist ein ausgezeichneter Fahrer. Er hat…«

    »An der Richtigkeit dieser Meldung gibt es keinen Zweifel«, erklärte der Mann ohne jede Gefühlsregung. »Ich hatte die traurige Pflicht, die Toten zu identifizieren. Der Unfall geschah kurz nach der hiesigen Autobahneinfahrt. Dein Vater hatte übrigens keine Schuld. Ein Geisterfahrer kam ihm entgegen. Es gab kein Ausweichen. Die beiden Autos stießen frontal zusammen. Auch dieser Mann, der auf der falschen Seite fuhr, war sofort tot. Die Polizei ist der Meinung, daß es sich um einen Selbstmörder handelte.«

    Fassungslos starrte das junge Mädchen den Onkel an. Was er da sagte, war so ungeheuerlich, daß Constanze es nicht begreifen wollte. Warum sollte ein so fürchterliches Unglück ausgerechnet ihre Familie auslöschen? Warum sollten ausgerechnet ihre Eltern auf so schreckliche Art ums Leben kommen? Sie waren doch noch verhältnismäßig jung, neununddreißig und einundvierzig Jahre alt. Warum sollte gerade ihnen ein Geisterfahrer begegnen? Das war doch so unwahrscheinlich.

    Constanze schluckte mehrmals. »Ich kann… kann es nicht glauben«, flüsterte sie. Tausend Gedanken wirbelten hinter ihrer Stirn durcheinander. Sie dachte daran, wie fröhlich ihre Eltern beim Frühstück gewesen waren. Sie hatten Pläne fürs Wochenende gemacht, hatten die Absicht gehabt, ins Theater zu gehen. Aus München hatten sie Constanze ein hübsches langes Kleid mitbringen wollen.

    Berthold Erkmann nahm Haltung an, richtete sich steif auf. Hochmütig reckte er den Kopf, streckte die Adlernase in die Luft.

    »Eigentlich müßtest du wissen, daß über meine Lippen keine Lüge kommt«, meinte er selbstbewußt.

    Es war Constanze natürlich bekannt, daß ihr Onkel jeden Sonntag in der Kirche war, daß er dort stets in der ersten Reihe saß. Er galt als Ehrenmann, der alle wohltätigen Vereine unterstützte und sich in seiner Freizeit um karitative Einrichtungen kümmerte. Trotzdem hatte Constanze ihren Onkel noch nie geliebt, empfand sein Gehabe auch jetzt als abstoßend und beängstigend.

    Aus großen, furchtsamen Augen schaute das junge Mädchen den hageren Mann an. »Vati und Mutti sind…« Weiter kam Constanze nicht. Ein Schluchzen erstickte den Rest des Satzes.

    »Sie sind tot«, bestätigte Berthold Erkmann kalt. »Mein Bruder Rainer muß schon beim Aufprall getötet worden sein. Er hat vielleicht einen kurzen Schreck, aber keinen Schmerz empfunden. Dazu ging alles viel zu schnell. Meine Schwägerin, deine Mutter, wurde bewußtlos aus den Trümmern des Autos geborgen. Es war sofort ein Krankenwagen da, die Ärzte bemühten sich um sie.« Kalt und herzlos klang Berthold Erkmanns Stimme. Kalt und ohne Mitgefühl war auch sein Blick.

    Constanze wollte etwas fragen, doch es kam kein Ton über ihre zitternden Lippen. Sie wollte schreien, aber ihre Kehle war wie zugeschnürt. In ihrem jungen, bleichen Gesicht spiegelte sich namenloses Entsetzen.

    Berthold Erkmann sprach ohne Erbarmen weiter. Er sah, daß seine Nichte die furchtbare Nachricht kaum verkraften konnte, doch er dachte nicht daran, sie irgendwie zu trösten. So mildtätig und hilfreich der Bauunternehmer nach außen hin war, so hart und unnachgiebig verhielt er sich der Familie gegenüber.

    »Man hat versucht, das Leben deiner Mutter zu retten. Leider vergeblich. Sie starb eine Stunde nach der Einlieferung ins Krankenhaus an ihren schweren inneren Verletzungen. Zuvor wurde sie noch von einem Jungen entbunden. Das Kind ist unverletzt. Es lebt.«

    Berthold Erkmann verzog nach diesen Worten mißbilligend das Gesicht. Dieses Baby, das den schrecklichen Unfall überlebt hatte, würde ihm nur eine Menge Arbeit und Unannehmlichkeiten einbringen.

    Constanze stand unter einem schweren Schock. Sie war nicht fähig, den Sinn der Worte zu erfassen. Aus der Rede ihres Onkels hörte sie nur heraus, daß sie ihre geliebte Mutti nicht wiedersehen würde. Und das war für sie ein unvorstellbarer Schmerz. Ohne sie war die Welt kalt, feindselig und leer. Constanze konnte sich nicht vorstellen, wie das Leben ohne ihre geliebte Mutti weitergehen sollte.

    Wimmernd sank das Mädchen auf dem Teppich zusammen, schlug die Hände vors Gesicht und weinte. Der schmale Mädchenkörper zuckte, zitterte und bebte, bot einen ergreifenden Anblick des Jammers.

    Berthold Erkmann jedoch stand stocksteif und unbeteiligt da. Er fand kein Wort des Trostes, kein Wort des Bedauerns. Starr und unbeweglich war sein hageres Gesicht. Die hellen Augen hinter der schwarzumrandeten Brille sahen verständnislos auf die zusammengesunkene Gestalt.

    »Ich lasse dich jetzt allein, bis du dich beruhigt hast. Dann reden wir weiter. Es sind eine Menge Formalitäten zu erledigen. Darum werde ich mich kümmern. Du kannst von Glück sagen, daß du jetzt nicht ganz allein bist.«

    Berthold Erkmann neigte würdevoll den Kopf, doch das sah Constanze nicht. Sie hatte auch seine Worte nicht verstanden. Für sie war die ganze Welt kalt und dunkel.

    *

    »Hallo, Platz da, jetzt kommt David Supermaus«, rief der Fünfjährige, so laut er nur konnte. Er stürmte durch das offene Portal des Kinderheims Sophienlust, breitete weit die Arme aus, wölbte die kleine Brust vor.

    Im nächsten Moment sprang er von der obersten Stufe der Freitreppe herab, schlug mit den Armen, als wollte er fliegen. Bäuchlings fiel er auf die Steintreppen, überschlug sich und kullerte sieben Stufen hinab. Auf dem Vorplatz blieb David Frohberg liegen.

    Fabian, der die Szene beobachtet hatte, ohne den

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