Heimweh nach den Eltern: Sophienlust (ab 351) 411 – Familienroman
Von Marietta Brem
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Der Sophienlust Bestseller darf als ein Höhepunkt dieser Erfolgsserie angesehen werden. Denise von Schoenecker ist eine Heldinnenfigur, die in diesen schönen Romanen so richtig zum Leben erwacht.
»Jetzt kannst du endlich unseren hochverehrten Chef kennenlernen. Dort hinten kommt er.« Stella Wegener, der die Aufsicht über die Drogerieabteilung des Kaufhauses oblag, deutete unauffällig in Richtung Tür, die sich gerade hinter einem hochgewachsenen, gutaussehenden Mann geschlossen hatte. Kerstin Hennings, ein bildhübsches Mädchen von neunzehn Jahren, senkte rasch den Kopf und bemühte sich, ihre Arbeit besonders ordentlich zu machen. Seit etwas über zwei Wochen arbeitete sie schon in diesem Kaufhaus, räumte Regale ein und wischte mehrmals am Tag den Fußboden auf. Die Arbeit machte ihr keine Freude, aber sie war froh, daß sie überhaupt etwas arbeiten konnte. Zwar hatte Kerstin mit mittlerem Erfolg ihre Banklehre absolviert, aber nach der Abschlußprüfung ist sie leider nicht übernommen worden. So war ihr nach längerem Suchen nichts anderes übriggeblieben, als das Angebot von Merkels Kaufhaus anzunehmen. Seit über einem Vierteljahr lebte sie schon mit ihrer schwerkranken Mutter in einer kleinen Wohnung am Rande von Maibach, damals war ihr Vater an einem unheilbaren Magenleiden gestorben. Noch hatte Kerstin seinen Tod nicht verwunden, dazu kam noch die Sorge um die Mutter, die mit jedem Tag verhärmter aussah. Kerstin duckte sich noch tiefer in das unterste Regal, als sie fühlte, daß Richard Merkel immer näher kam. Ihr dunkles, schulterlanges Haar fiel nach vorne, und sie hätte es am liebsten zurückgestreift, um ihn unbemerkt ansehen zu können. Nur einen Augenblick paßte sie nicht richtig auf und schon geschah es. Eine Glasflasche mit Haarwasser rutschte ihr aus der Hand und fiel mit einem lauten Klirren zu Boden, wo sie in tausend Scherben zersprang. »Machen Sie das öfter so?« fragte Richard Merkel und runzelte mißbilligend seine dunklen, dichten Augenbrauen. Um seine Lippen glitt ein etwas überhebliches Lächeln. »Entschuldigen Sie bitte, ich war unvorsichtig«, gab Kerstin kleinlaut zu und strich nun doch mit der linken Hand die Strähne zurück. Ihr Blick wanderte von den schwarz glänzenden Schuhspitzen hinauf, an der exakten Bügelfalte seiner dunklen Hose entlang, bis zu dem markant geschnittenen Gesicht des Mannes.
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Heimweh nach den Eltern - Marietta Brem
Leseprobe:
Gaston, der Sohn des Diplomaten
LeseprobeDer betäubende Duft der in verschwenderischer Fülle blühenden Rosen strömte durch das offene Fenster des Schreibzimmers, in dem Irene von Wellentin an ihrem zierlichen Schreibtisch aus Rosenholz saß und den Brief ihrer Jugendfreundin Claudine Arnoud nun schon zum zweiten Mal las. Als sie ihn zusammenfaltete und in das hellblaue Kuvert zurücksteckte, dachte sie an die Zeit mit Claudine in dem Genfer Internat. Was waren das doch für herrliche, unbeschwerte Jahre gewesen! Damals hatten sie noch geglaubt, das Leben bestünde nur aus einer Reihe von glücklichen Tagen. Gemeinsam hatten sie Zukunftspläne geschmiedet, wobei Claudine immer den Wunsch geäußert hatte, die Frau eines Diplomaten zu werden, um an seiner Seite fremde Länder kennenzulernen. Dieser Wunschtraum hatte sich bei ihr tatsächlich erfüllt, aber ob sie so glücklich geworden war, wie sie erhofft hatte, das schien fraglich zu sein. Nach ihrem Brief zu schließen, verlief ihr Leben recht problematisch. Vor ungefähr sechs Jahren hatte Irene von Wellentin Claudine zum letzten Mal in Paris getroffen, in der Zeit, als es in ihrer Ehe eine Krise gegeben hatte. Doch damals hatte auch ihre Freundin alles andere als einen ausgeglichenen und zufriedenen Eindruck gemacht. »Mutti, ich bin da!«, riss eine helle Kinderstimme Irene von Wellentin aus ihren Träumereien. Kati, jetzt zehn Jahre alt, stürmte mit strahlenden Augen ins Zimmer und rief voller Freude: »Mutti, stell dir vor, ich habe den besten Klassenaufsatz geschrieben und eine Eins bekommen. Was sagst du dazu?« »Das freut mich sehr, mein kleiner Liebling«, lobte Irene von Wellentin die Kleine mit einem weichen mütterlichen Lächeln. Kati bereitete ihr nur Freude, und sie bereute es keine Stunde, das Mädchen adoptiert zu haben. Unendlich dankbar war sie dem Schicksal, dass es ihr dieses Kind zugeführt hatte. Noch heute erschauerte sie, wenn sie daran dachte, welche entsetzliche Angst sie ausgestanden hatte, als Hanna Ebert, Katis leibliche Mutter, eines Tages aufgetaucht war und ihre Rechte auf das Kind geltend gemacht hatte. Glücklicherweise hatte die Gier nach Geld Hanna Eberts Mutterliebe bei Weitem überwogen. Niemals würde sie, Irene, vergessen, was ihr Mann damals für sie getan hatte.
Sophienlust (ab 351)
– 411 –
Heimweh nach den Eltern
Und wenn es hier noch so schön ist …
Marietta Brem
»Jetzt kannst du endlich unseren hochverehrten Chef kennenlernen. Dort hinten kommt er.« Stella Wegener, der die Aufsicht über die Drogerieabteilung des Kaufhauses oblag, deutete unauffällig in Richtung Tür, die sich gerade hinter einem hochgewachsenen, gutaussehenden Mann geschlossen hatte.
Kerstin Hennings, ein bildhübsches Mädchen von neunzehn Jahren, senkte rasch den Kopf und bemühte sich, ihre Arbeit besonders ordentlich zu machen. Seit etwas über zwei Wochen arbeitete sie schon in diesem Kaufhaus, räumte Regale ein und wischte mehrmals am Tag den Fußboden auf. Die Arbeit machte ihr keine Freude, aber sie war froh, daß sie überhaupt etwas arbeiten konnte.
Zwar hatte Kerstin mit mittlerem Erfolg ihre Banklehre absolviert, aber nach der Abschlußprüfung ist sie leider nicht übernommen worden. So war ihr nach längerem Suchen nichts anderes übriggeblieben, als das Angebot von Merkels Kaufhaus anzunehmen.
Seit über einem Vierteljahr lebte sie schon mit ihrer schwerkranken Mutter in einer kleinen Wohnung am Rande von Maibach, damals war ihr Vater an einem unheilbaren Magenleiden gestorben. Noch hatte Kerstin seinen Tod nicht verwunden, dazu kam noch die Sorge um die Mutter, die mit jedem Tag verhärmter aussah.
Kerstin duckte sich noch tiefer in das unterste Regal, als sie fühlte, daß Richard Merkel immer näher kam. Ihr dunkles, schulterlanges Haar fiel nach vorne, und sie hätte es am liebsten zurückgestreift, um ihn unbemerkt ansehen zu können.
Nur einen Augenblick paßte sie nicht richtig auf und schon geschah es. Eine Glasflasche mit Haarwasser rutschte ihr aus der Hand und fiel mit einem lauten Klirren zu Boden, wo sie in tausend Scherben zersprang.
»Machen Sie das öfter so?« fragte Richard Merkel und runzelte mißbilligend seine dunklen, dichten Augenbrauen. Um seine Lippen glitt ein etwas überhebliches Lächeln.
»Entschuldigen Sie bitte, ich war unvorsichtig«, gab Kerstin kleinlaut zu und strich nun doch mit der linken Hand die Strähne zurück. Ihr Blick wanderte von den schwarz glänzenden Schuhspitzen hinauf, an der exakten Bügelfalte seiner dunklen Hose entlang, bis zu dem markant geschnittenen Gesicht des Mannes. So gutaussehend hatte sich Kerstin ihren Chef nicht vorgestellt. Eigentlich hatte sie überhaupt keine Vorstellung von ihm gehabt bis zu dem Tag, als Stella ihr mit verschämtem Augenaufschlag gestanden hatte, daß Dr. Richard Merkel der Schwarm aller weiblichen Angestellten des Kaufhauses war.
Das ließ Kerstin gleich die Oppositionsstellung einnehmen, die aber in den letzten Minuten nur so dahingeschmolzen war. So hatte sie sich Richard Merkel wirklich nicht vorgestellt.
Ärgerlich registrierte das junge Mädchen, daß ihr Herz einige unkontrollierte Schläge machte. Den heftigen Puls spürte Kerstin bis in die Schläfen.
Forschende Blicke aus grauen Augen musterten das Mädchen, das noch immer am Boden kniete.
»Bitte, räumen Sie die Scherben weg, in etwa einer halben Stunde erwarte ich Sie in meinem Büro.« Er nickte ihr noch kurz zu und setzte dann seinen Rundgang fort.
Stella Wegener stand wie zur Salzsäule erstarrt an das Regal gelehnt und holte tief Luft.
»Au wei, das bedeutet bestimmt nichts Gutes.«
»Meinst du, daß er mich hinauswirft?« fragte Kerstin ängstlich und richtete sich jetzt langsam auf.
»Ganz so schlimm wird es hoffentlich nicht kommen. Aber es ist gut möglich, daß du den Schaden bezahlen mußt. Er soll sehr streng sein, habe ich gehört.«
Kerstin zuckte die Schultern. »Das werde ich noch verkraften können. Hauptsache, er setzt mich nicht gleich auf die Straße.«
Eine knappe halbe Stunde später machte sich Kerstin mit gemischten Gefühlen auf den Weg zum ›Allerheiligsten‹, wie die Chefetage bei den Angestellten genannt wurde. Nervös fuhr sie mit gespreizten Fingern noch einmal durch ihr dunkles Haar und holte dann tief Luft. Den Kopf konnte er ihr ja nicht abreißen.
»Herr Doktor Merkel erwartet Sie schon, Fräulein Hennings«, tadelte die Sekretärin im Vorzimmer und zog überheblich eine ihrer stark geschminkten Augenbrauen hoch. »Sie können gleich hineingehen.«
»Danke.« Kerstin zögerte einen Augenblick, aber als sie dann das kühle Metall der Türklinke in ihrer Hand spürte, bekam sie auf einmal Mut. Was hatte sie denn schon getan? Schließlich konnte es jedem passieren, daß ihm etwas aus der Hand rutschte.
Richard Merkel saß an seinem pompösen Schreibtisch, dem man den Wert schon von weitem ansah. Anscheinend las er gerade ein wichtiges Schriftstück, denn er hielt den Kopf gesenkt.
»Setzen Sie sich schon mal, Fräulein Hennings. Dort drüben, bitte«, murmelte er, ohne aufzusehen.
Zaghaft setzte sich Kerstin auf den äußersten Rand des lederbezogenen Stuhls, der normalerweise für Besucher bestimmt war. So unauffällig wie möglich schaute sie sich in dem vornehm eingerichteten Büro um.
Das Mädchen merkte nicht, daß der Mann es immer wieder kurz betrachtete, denn Kerstin war so mit dem Studium der vielen Bücher beschäftigt, die in einem hohen Regal standen. Wie gerne hätte sie in einigen von ihnen geblättert, denn es waren etliche Titel dabei, die sie brennend interessiert hätten.
»So, und nun zu Ihnen, Fräulein Hennings.« Aufatmend legte Herr Merkel das eng beschriebene Blatt in die Mappe zurück. Er runzelte die Stirn, denn er wußte, wenn er es sich genau überlegte, nicht einmal, was er überhaupt von Kerstin wollte. Die zerbrochene Flasche hatte er längst vergessen. Das einzige, an was er noch dachte, waren die wunderschönen blauen Augen des Mädchens, das ihn vom ersten Augenblick an fasziniert hatte. Eigentlich war das auch der Grund gewesen, warum Kerstin jetzt in seinem Büro saß.
»Wie lange arbeiten Sie schon bei uns?« Seine Stimme klang freundlich und aufmunternd, und Kerstin atmete auf.
»Seit gut zwei Wochen«, gab sie Auskunft und konnte nicht verhindern, daß ihr flammende Röte ins Gesicht schoß.
»Und wie gefällt es Ihnen?« Richard stand auf und kam nun ebenfalls auf die Sitzgruppe zu. »Machen wir also eine kleine Pause«, fuhr er fort, ohne Kerstins Antwort auf seine Frage abzuwarten.
»Es gefällt mir gut«, sagte das Mädchen zögernd und senkte den Blick.
Richard Merkel grinste. »Also begeistert klingt das überhaupt nicht. Wo haben Sie denn vorher gearbeitet?«
»Bei der Sparkasse. Aber nachdem ich meine Lehre abgeschlossen hatte, wurde ich leider nicht übernommen.«
Richard nickte. Er kannte die Geschichte schon aus der Personalakte. »Eigentlich schade. Dann haben Sie Ihre ganze Ausbildung umsonst gemacht.« Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Leben Sie ganz allein hier in Maibach?«
»Nein, nicht ganz. Meine Mutter ist bei mir. Wir teilen uns die Wohnung.« Zwar war Kerstin verwundert über den Verlauf ihrer Unterhaltung, aber sie zeigte es nicht.
»Schönes Haar haben Sie.« Der Mann musterte das Mädchen ungeniert. Noch immer konnte sich Kerstin nicht vorstellen, auf was er eigentlich hinauswollte.
Plötzlich läutete das Telefon. Richard sprang auf.
»Wir müssen unsere interessante Unterhaltung leider beenden, denn der Anruf ist dringend. Hätten Sie Lust, heute abend mit mir essen zu gehen? Ich erwarte Sie nach Dienstschluß an der Bushaltestelle.«
Damit war Kerstin entlassen. Benommen ging sie an der Sekretärin vorbei, die ihr verwundert nachschaute.
Die Stunden bis zum Feierabend