Und plötzlich kam das Glück: Der Bergpfarrer 225 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
»Soll ich Sie net doch lieber in meinem Auto mit nach Hause nehmen, Frau Bindl?« Sebastian Trenker öffnete einladend die Beifahrertür seines Wagens und lächelte Anneliese Bindl zu. Die Bäuerin, Anfang fünfzig überlegte noch einen Moment, ehe sie nickte. Einen letzten Blick zurück auf das Gebäude des Garmischer Amtsgerichts werfend, drehte sie sich schließlich zu Pfarrer Trenker um. »Wenn S' unbedingt meinen, Herr Pfarrer, sag ich halt ein herzliches Vergelt's Gott und steig ein«, erwiderte sie matt. »Obwohl mir im Moment wirklich alles gleich ist. Mich würde es net einmal schrecken, wenn ich zu Fuß nach St. Johann zurück müsste. Ich weiß so und so nimmer, wo mir der Sinn steht.« Der Bergpfarrer legte tröstend seine Hand auf Annelieses Arm, als sie sich auf dem Beifahrersitz niedergelassen hatte. »Nehmen Sie's net so schwer, Frau Bindl«, sagte er. »Es gibt für jedes Problem eine Lösung, auch für Ihres. Und Groll auf Ihren verstorbenen Mann bringt Sie jetzt am allerwenigsten weiter. Sein Testament ist nun einmal wie es ist. Ihr Mann hat halt sein Gewissen erleichtern und, so gut er es vermocht hat, etwas wieder ins Lot bringen wollen. Und jetzt ist es an uns, das Beste daraus zu machen.« »Was Sie da sagen, klingt ja schön und gut, Herr Pfarrer. Aber im Grunde muss doch ich … ich ganz allein das Beste daraus machen«
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Buchvorschau
Und plötzlich kam das Glück - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 225–
Und plötzlich kam das Glück
Als Sissi schon gar nicht mehr darauf hoffte
Toni Waidacher
»Soll ich Sie net doch lieber in meinem Auto mit nach Hause nehmen, Frau Bindl?«
Sebastian Trenker öffnete einladend die Beifahrertür seines Wagens und lächelte Anneliese Bindl zu.
Die Bäuerin, Anfang fünfzig überlegte noch einen Moment, ehe sie nickte. Einen letzten Blick zurück auf das Gebäude des Garmischer Amtsgerichts werfend, drehte sie sich schließlich zu Pfarrer Trenker um.
»Wenn S’ unbedingt meinen, Herr Pfarrer, sag ich halt ein herzliches Vergelt’s Gott und steig ein«, erwiderte sie matt. »Obwohl mir im Moment wirklich alles gleich ist. Mich würde es net einmal schrecken, wenn ich zu Fuß nach St. Johann zurück müsste. Ich weiß so und so nimmer, wo mir der Sinn steht.«
Der Bergpfarrer legte tröstend seine Hand auf Annelieses Arm, als sie sich auf dem Beifahrersitz niedergelassen hatte.
»Nehmen Sie’s net so schwer, Frau Bindl«, sagte er. »Es gibt für jedes Problem eine Lösung, auch für Ihres. Und Groll auf Ihren verstorbenen Mann bringt Sie jetzt am allerwenigsten weiter. Sein Testament ist nun einmal wie es ist. Ihr Mann hat halt sein Gewissen erleichtern und, so gut er es vermocht hat, etwas wieder ins Lot bringen wollen. Und jetzt ist es an uns, das Beste daraus zu machen.«
»Was Sie da sagen, klingt ja schön und gut, Herr Pfarrer. Aber im Grunde muss doch ich … ich ganz allein das Beste daraus machen«, stellte Anneliese Bindl mit Bitterkeit in der Stimme klar, während ihr Tränen der Enttäuschung und der Wut in die Augen traten. »Und das bedeutet, dass ich meinen Hof, für den ich
fünfundzwanzig Jahre lang gerackert hab’, mit einer Stieftochter teilen muss, von der ich vor einer halben Stunde noch net einmal gewusst hab’, dass es sie gibt.«
Schniefend presste die Bindl-Bäuerin ihr Taschentuch gegen ihre Augen, als Pfarrer Trenker den Motor seines Wagens startete und losfuhr.
Vor Anneliese Bindls geistigem Auge tauchte wieder der Raum im Garmischer Amtsgericht auf, in dem die Testamentseröffnung stattgefunden hatte. Erneut sah sie sich neben Pfarrer Trenker auf der hölzernen Bank sitzen und glaubte ein weiteres Mal die Stimme des Notars zu hören: »Mein Barvermögen und die an den Ainringer Forst angrenzende Wiese vermache ich Herrn Sebastian Trenker, dem Pfarrer unserer Gemeinde. Er soll das Geld für die Instandhaltung unserer schönen Kirche verwenden oder es einem anderen guten Zweck zuführen, der ihm vielleicht dringlicher erscheint.« Nach diesen Worten hatte der Notar sich nervös geräuspert, bevor er fortfuhr: »Der Bindl-Hof mit Wohnhaus und Grundbesitz soll zu jeweils gleichen Teilen in das Eigentum meiner Frau Anneliese und meiner inzwischen 26-jährigen Tochter Sissi Hastreiter übergehen, die, soweit ich weiß, in München wohnhaft ist.«
Anneliese Bindl konnte es immer noch nicht fassen. Sie fühlte sich wie in einem bösen Traum gefangen, aus dem sie jeden Augenblick erwachen würde.
Sie wollte sich nur zögernd mit dem Gedanken anfreunden, dass alles, was sie in der letzten Stunde erlebt hatte, Wirklichkeit war, vor der es kein Entrinnen gab.
»Wenn der Verlust des Barvermögens und der Waldwiese Sie in Schwierigkeiten bringt, Frau Bindl, bin ich selbstverständlich gerne bereit, auf meinen Anteil am Erbe Ihres Mannes zu verzichten«, sagte in diesem Moment Sebastian Trenker zu ihr.
Ruhig und sicher steuerte er seinen Wagen aus dem Ortskern von Garmisch heraus und bog schließlich in die Straße ein, die in Richtung Wachnertal führte.
Anneliese Bindl schüttelte heftig den Kopf.
»Aber nein, Herr Pfarrer. Das brauchen Sie auf gar keinen Fall«, erwiderte sie fest. »So etwas kommt überhaupt net in Frage. Dass mein Albert die Kirche testamentarisch bedacht hat, ist schon in Ordnung. Das ist es net, was mir zu schaffen macht. Mir geht es um …«
Die Bäuerin verstummte mitten im Satz und schaute in den Nieselregen hinaus, der die Landschaft wie mit einem Grauschleier überzog. Tief herabhängende Wolken verhüllten die Berge und den Himmel, als wollten sie sie nie wieder freigeben.
»Ein Kind mit einer anderen hat er gehabt, der Albert«, sagte Anneliese Bindl tonlos. »Und zu mir hat er immer gesagt, dass er keine Kinder will. Net einmal an einem Hoferben war ihm gelegen. Wer gibt mir denn die Garantie, dass unser Kind das Anwesen auch wirklich einmal übernehmen wird, hat er jedes Mal gemeint. Die meisten jungen Leute wollen doch heutzutage gar keine Bauernarbeit mehr tun. Sie wandern sowieso bloß in die Stadt ab, weil sie sich ihr Geld dort schneller und leichter verdienen.«
Sebastian Trenker schwieg.
Er überlegte, wie er Anneliese Bindl Trost spenden konnte. Die verwitwete Bäuerin tat ihm leid. So plötzlich mit der Existenz einer Stieftochter konfrontiert zu werden und noch dazu unter diesen Umständen, musste ein schwerer Schock für sie sein.
»Net einmal zur Testamentseröffnung ist sie erschienen, diese Sissi Hastreiter«, sagte Anneliese Bindl nach einer Weile verächtlich. »Die denkt wohl, dass sie so etwas gar net nötig hat.«
Pfarrer Trenker sagte eine Weile nichts, dann schüttelte er langsam den Kopf.
»Das Fernbleiben ihrer Stieftochter hat, wenn Sie mich fragen, wohl eher andere Ursachen, Frau Bindl«, meinte er schließlich. »Es könnte doch zum Beispiel auch sein, dass sie gar net willens ist, ihr Erbe anzutreten.«
Für einen Moment trat ein leiser Hoffnungsschimmer in Anneliese Bindls Augen, doch er verschwand schneller als er gekommen war.
»Wer glaubt wird selig«, gab die Bäuerin mürrisch zurück. »Mit Sicherheit will sich das Weibsstück ihren Anteil am Bindl-Hof auszahlen lassen. Und weil sie sich leicht zusammenreimen kann, dass ich das Anwesen dann werde verkaufen müssen, will sie mir erst gar net unter die Augen treten.«
Sebastian Trenker richtete seine Blicke konzentriert auf das graue Band der Straße vor seinen Augen.
Wenn er Anneliese Bindls Wut und Verletztheit auch sehr gut nachvollziehen konnte, sah er die Angelegenheit doch nicht in ähnlich düsteren Farben.
»Einerseits bin ich ja froh, dass ich meiner frisch gebackenen Stieftochter net auch noch hab’ gegenübertreten müssen«, redete indessen Anneliese Bindl weiter. »Ich weiß wirklich net, was passiert wäre, wenn sie mir plötzlich gegenüber gestanden hätte. Gut möglich, dass ich mich dann vergessen hätte.«
Pfarrer Trenker bedachte Anneliese mit einem kurzen Seitenblick, dann lächelte er.
»Das glaub ich net, Frau Bindl«, erklärte er. »Wenn ich mir alles vorstellen kann, aber dass Sie sich vergessen …«
Anneliese Bindl sagte fürs Erste nichts mehr.
Es tat ihr gut, dass Pfarrer Trenker ihr nichts wirklich Böses zutraute, und sie wollte die hohe Meinung, die er offenbar von ihr hatte, nicht Lügen strafen.
Gedankenverloren schaute sie in das triste Grau hinaus.
Sie seufzte tief und schwer.
»Ich weiß net, ob Sie mich verstehen können, Hochwürden«, sagte Anneliese Bindl schließlich. »Aber was mich am allermeisten enttäuscht, ist die Tatsache, dass mein Albert in den fünfundzwanzig Jahren unserer Ehe nie ein Sterbenswörterl über seine außereheliche Tochter verloren hat. Von einem Menschen, den man geliebt und dem man vertraut hat, derart angelogen und hintergangen zu werden, tut bitter weh.«
Sebastian Trenker nickte. Auch ihm gegenüber hatte Albert Bindl kein Wort über seine Tochter verloren. Sebastian hätte Albert Bindl, der ihm immer einen grundehrlichen Eindruck gemacht hatte, nie zugetraut, dass er ein dunkles Geheimnis mit sich herumtrug.
Wieder herrschte Schweigen zwischen dem Bergpfarrer und der Bindl-Bäuerin.
Aus dem feinen Nieseln war mittlerweile starker Regen geworden und die Scheibenwischer konnten der Flut kaum Herr werden.
Selbst das Ortsschild von St. Johann konnte Anneliese Bindl nur verschwommen erkennen. Oder lag das an ihren