Sie kam von weit her ...: Sophienlust 280 – Familienroman
Von Anne Alexander
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Über dieses E-Book
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
»Ist es gestattet einzutreten?« fragte Wolfgang Dihlmann, als ihm auf sein Klingeln hin Cornelia Pasa, eine junge, blonde Frau von siebenundzwanzig Jahren, die Wohnungstür öffnete. Etwas ungeschickt hielt er einen Plastikeinkaufsbeutel und einen riesigen Blumenstrauß in der linken Hand. »Das muß ich mir erst noch überlegen«, erwiderte Cornelia mit einem charmanten Lächeln. Sie trat beiseite, um Wolfgang vorbeizulassen. Wolfgang Dihlmann stellte seinen Plastikbeutel neben den Schuhschrank in der Diele, dann überreichte er Cornelia mit einer leichten Verbeugung die Blumen. »Danke, aber das wäre doch nicht nötig gewesen«, sagte Cornelia. »Iris und Nelken, meine Lieblingsblumen!« Sie sog den Duft der Blüten ein. »Danke, Wolfgang, vielen herzlichen Dank!« Es war eine Ewigkeit her, seit ihr zum letzten Mal Blumen geschenkt worden waren. Tränen stiegen ihr in die Augen. Verlegen wandte sie für einen Augenblick den Kopf ab. Wolfgang Dihlmann sah sich in dem kleinen, nett eingerichteten Korridor um. Er kannte Cornelia jetzt knapp ein Jahr. Sie arbeitete in derselben Firma wie er. Seit einigen Monaten war er ziemlich eng mit ihr befreundet, und doch war es das erste Mal, daß er ihre Wohnung betrat. »Bitte, Wolfgang!«
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Sie kam von weit her ... - Anne Alexander
Sophienlust
– 280–
Sie kam von weit her ...
Sabah, ein Kind aus Anatolien
Anne Alexander
»Ist es gestattet einzutreten?« fragte Wolfgang Dihlmann, als ihm auf sein Klingeln hin Cornelia Pasa, eine junge, blonde Frau von siebenundzwanzig Jahren, die Wohnungstür öffnete. Etwas ungeschickt hielt er einen Plastikeinkaufsbeutel und einen riesigen Blumenstrauß in der linken Hand.
»Das muß ich mir erst noch überlegen«, erwiderte Cornelia mit einem charmanten Lächeln. Sie trat beiseite, um Wolfgang vorbeizulassen.
Wolfgang Dihlmann stellte seinen Plastikbeutel neben den Schuhschrank in der Diele, dann überreichte er Cornelia mit einer leichten Verbeugung die Blumen.
»Danke, aber das wäre doch nicht nötig gewesen«, sagte Cornelia.
»Iris und Nelken, meine Lieblingsblumen!« Sie sog den Duft der Blüten ein. »Danke, Wolfgang, vielen herzlichen Dank!« Es war eine Ewigkeit her, seit ihr zum letzten Mal Blumen geschenkt worden waren. Tränen stiegen ihr in die Augen. Verlegen wandte sie für einen Augenblick den Kopf ab.
Wolfgang Dihlmann sah sich in dem kleinen, nett eingerichteten Korridor um. Er kannte Cornelia jetzt knapp ein Jahr. Sie arbeitete in derselben Firma wie er. Seit einigen Monaten war er ziemlich eng mit ihr befreundet, und doch war es das erste Mal, daß er ihre Wohnung betrat.
»Bitte, Wolfgang!« Cornelia wies in das Wohnzimmer. »Ich gebe nur die Blumen ins Wasser, dann komme ich gleich!«
»Ach, der Wein!« Wolfgang ergriff den Plastikbeutel. »Wie versprochen, zwei Flaschen Mosel.« Er zog die Flaschen aus dem Beutel. »Soll ich sie mit ins Wohnzimmer nehmen?«
»Ja, stell sie bitte auf den Tisch. Den Beutel kannst du mir geben.«
»Da ist er jedenfalls besser aufgehoben als in meiner Hosentasche«, meinte der junge Mann und legte den zusammengeknautschten Beutel in Cornelias ausgestreckte Hand. Danach fuhr er vor dem Spiegel mit dem Kamm rasch durch seine schwarzen Haare.
Cornelia ging mit Blumen und Plastikbeutel in die Küche, während Wolfgang Dihlmann das Wohnzimmer betrat. Er hörte die junge Frau leise mit Wasser, Töpfen und Geschirr hantieren. Es roch verlockend nach Gebratenem. Als Junggeselle hatte er nicht oft Gelegenheit, außerhalb eines Restaurants oder der Betriebskantine zu essen, aber nicht allein deshalb hatte er sich schon die ganze Woche über auf diesen Samstag gefreut. Er liebte Cornelia und glaubte, obwohl er noch nie mit ihr darüber gesprochen hatte, doch zu wissen, daß seine Liebe von ihr erwidert werde.
Das Wohnzimmer war sehr geschmackvoll eingerichtet. An den Wänden hingen Bilder. Eines davon stach besonders hervor. Es zeigte ein kleines Mädchen mit einem dunklen Lockenkopf und fast schwarzen Augen.
Wolfgang hielt das Bild im ersten Moment für die Reproduktion eines Gemäldes, doch gleich darauf stellte er fest, daß es sich um ein echtes Ölbild handelte.
»Das ist Sabah«, sagte Cornelia hinter ihm.
Er wandte sich um. »Deine Tochter?«
Cornelia nickte. »Ich habe das Bild nach einer Fotografie malen lassen. Eine Bekannte von mir verdient damit ihren Lebensunterhalt.«
»Ein bildhübsches Kind«, mußte Wolfgang Dihlmann zugeben. Anfangs hatte Cornelia ziemlich oft von ihrer Tochter gesprochen, aber dann schien sie gemerkt zu haben, daß er sich nicht für ihr Kind interessierte. Es war das erste Mal seit Wochen, daß Sabah jetzt wieder zwischen ihnen erwähnt wurde.
»Danke«, sagte Cornelia mit einem wehmütigen Blick auf das Bild. Sie hatte ihre Tochter seit einem Jahr nicht mehr gesehen. Sabah lebte bei ihrem geschiedenen Mann in Divhir, einem kleinen Dorf in Anatolien.
Cornelia riß sich gewaltsam von dem Bild los. »Warum setzt du dich nicht, Wolfgang?« fragte sie. »Das Essen ist in zehn Minuten fertig.«
»Es duftet ganz köstlich«, gestand Wolfgang und nahm in einem der Sessel Platz. »Eine hübsche Wohnung hast du. Sie ist ja gar nicht zu vergleichen mit meiner Junggesellenbude.«
»Es war nicht leicht, sie zu bekommen. In den ersten Wochen nach meiner Rückkehr nach Deutschland lebte ich in Untermiete.« Cornelia lachte auf. »Ich stellte allerdings bald fest, daß Untermiete nichts für mich ist. Ich wollte wieder frei und ungebunden sein und konnte das ewige Schnüffeln meiner Wirtin nicht ertragen. Ich war lange genug tyrannisiert worden.«
»Von deinem Mann?« fragte Wolfgang.
»Von ihm selbst weniger, aber von seiner Familie. Ich mußte über jeden Schritt, den ich tat, meiner Schwiegermutter Rechenschaft ablegen. Ich weiß nicht, ob du dir die Zustände in einem anatolischen Dorf überhaupt vorstellen kannst.« Cornelia schaute wieder zu dem Bild empor. »Als ich Mustafa in die Türkei folgte, glaubte ich noch, es würde nicht so schlimm werden. Ich nahm an, mit allen Schwierigkeiten fertig zu werden und mich auch gegen seine Familie behaupten zu können. Doch ich mußte sehr bald lernen, daß dies unmöglich war.« Sie setzte sich auf die Lehne eines Sessels. »Ich hatte von Anfang an verloren, denn ich war allein. Mustafa, so westlich er sich hier auch gegeben hatte, wurde in der Türkei wieder ein gehorsamer Sohn seines Vaters.«
»Es muß sehr schlimm für dich gewesen sein«, meinte Wolfgang.
»Ja, das war es auch«, sagte Cornelia. »Und trotzdem, manchmal frage ich mich, ob ich nicht einen Fehler gemacht habe. Es wäre meine Pflicht gewesen, bei Sabah zu bleiben. Ich hätte nicht auf sie verzichten dürfen.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich muß wieder nach dem Essen sehen.«
Cornelia sah ihren Besucher nicht an, als sie aufstand und das Wohnzimmer verließ. Wolfgang war überzeugt, daß sie Tränen in den Augen hatte.
Bald darauf saßen die beiden an dem reizend gedeckten Eßtisch. Mehr als einmal hatte Wolfgang schon das exzellente Essen gelobt. Er fand, Cornelia war eine hervorragende Köchin. Jetzt hob er sein Glas und prostete ihr zu.
Lächelnd nippte auch Cornelia an ihrem Glas. Sie wollte eben etwas sagen, als es an der Wohnungstür klingelte.
»Erwartest du Besuch?« fragte Wolfgang enttäuscht.
»Mein Besuch ist schon da«, sagte Cornelia und stand auf. »Vielleicht der Postbote. Samstags verspätet er sich immer. Entschuldige bitte, Wolfgang!«
Es war tatsächlich die Post. Der Beamte stand mit einem Paket vor der Tür. Bereits auf den ersten Blick erkannte Cornelia, daß es sich um das Paket handelte, das sie vor einigen Wochen an Sabah geschickt hatte. Nur mühsam die Tränen zurückhaltend, bezahlte sie die Postgebühr. Dann nahm sie das Paket in Empfang und trug es in die Küche.
»War es die Post?« fragte Wolfgang gutgelaunt, als Cornelia zurückkam und sich stumm an den Tisch setzte. Erst jetzt bemerkte er, daß sie völlig verstört war. »Was ist denn, Conny?« Fürsorglich legte er seine Hand auf ihren Arm. »Ist etwas passiert?«
Cornelia schüttelte stumm den Kopf. »Nein, es ist nichts passiert, Wolfgang«, sagte sie nach einigen Sekunden. »Ich habe nur wieder einmal ein Paket zurückbekommen. Briefe, Päckchen, Pakete, alles, was ich nach Divhir schicke, kommt kommentarlos zurück. Es ist, als wollte man Sabah jede Erinnerung an mich nehmen.«
»Ich möchte mich zwar nicht in deine Angelegenheiten einmischen, Cornelia, aber wäre es nicht besser, wenn du deine Tochter vergessen würdest?« fragte Wolfgang. »Es mag herzlos klingen, aber es erscheint mir als die beste Lösung. Du tust deiner Tochter nichts Gutes, wenn du sie immer wieder an dich erinnerst.« Er ahnte, daß er nicht die richtigen Worte gewählt hatte, aber er nahm sie dennoch nicht zurück.
»Das darf doch nicht dein Ernst sein, Wolfgang«, sagte Cornelia entsetzt. »Sabah ist meine Tochter, mein Kind! Sabah ist alles, was ich habe!«
»Aber sie wurde deinem geschiedenen Mann zugesprochen.«
»Von einem türkischen Gericht.«
»Aber der Spruch dieses Gerichtes gilt auch hier.« Sanft streichelten seine Finger ihren Arm. »Es hat keinen Sinn, wenn du dir etwas vormachst.«
Cornelia schüttelte den Kopf. »Ich werde weiter um Sabah kämpfen, Wolfgang. Und wenn ich hundert Rechtsanwälte bemühen müßte. Ich werde den Kampf nicht aufgeben.«
Zornig preßte sie die Lippen zusammen.
»Cornelia, sei vernünftig! Du wirst einen Haufen Geld in eine Sache stecken, die von vornherein verloren ist«, versuchte Wolfgang sie umzustimmen. Er liebte Cornelia, er wollte sie heiraten, aber er dachte nicht daran, ein türkisches Kind in seine Familie aufzunehmen. Er wollte eigene Kinder haben. Mit Freuden wollte er ihretwegen auf alles verzichten, aber eines fremden Kindes wegen? Nein, es mußte ihm gelingen, Cornelia davon zu überzeugen, daß Sabah dort, wo sie jetzt war, besser aufgehoben war als hier.
»Vernünftig?« Cornelia blickte zu ihm empor. »Ich bin vernünftig. Ein Kind gehört zu seiner Mutter.«
Wolfgang sah ein, daß er im Moment nichts ausrichten konnte. Es war auch nicht der richtige Tag, um sich mit Cornelia auf ein Streitgespräch einzulassen. Sie war bis in ihr Innerstes aufgewühlt, weil das Paket zurückgekommen war. Er mußte etwas finden, was sie ablenkte.
»Hast du dir schon Gedanken darüber gemacht, wie wir den Nachmittag verbringen werden?« fragte er mit einem Lächeln. »Ich dachte daran, nach Ludwigsburg ins Blühende Barock zu fahren.«
»Eine gute Idee«, sagte Cornelia, dankbar dafür, daß er das Thema Sabah fallenließ. Sie wollte sich nicht mit Wolfgang Dihlmann streiten. Dazu hatte sie ihn viel zu gern. Sie liebte es, Arm in Arm mit ihm spazierenzugehen, sie hörte ihn gerne reden. Sie war überzeugt davon, daß er sich nur deshalb so gegen Sabah sträubte, weil