Das Millionenkind: Sophienlust 245 – Familienroman
Von Susanne Svanberg
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Über dieses E-Book
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Die Herbstsonne spiegelte sich im dunklen Wasser des Waldsees. In den hohen Tannen ringsum rauschte der Wind. Die letzten Wasserrosen dieses Jahres blühten im sumpfigen Teil des Gewässers. Drüben auf der Lichtung leuchtete erikafarben das Heidekraut. Still und friedlich war es hier draußen.
Nick, der an diesem sonnigen Nachmittag mit seinen Freunden zum Waldsee gefahren war, stellte sein Rad ab und rannte zum Ufer hinab. Die übrigen Buben und Mädchen stürmten hinter ihm drein.
»Blöd, dass man nicht mehr baden kann«, maulte Fabian Schöller.
»Finde ich auch«, pflichtete ein blondes Mädchen ihm bei, das wegen der kessen Sommersprossen auf dem Stupsnäschen nur »Pünktchen« genannt wurde. Pünktchen hatte vor vielen Jahren bei einem Zirkusbrand ihre Eltern verloren und lebte seither im Kinderheim Sophienlust.
»Ich gehe Heidekraut pflücken«, verkündete Vicky Langenbach. »Und dann schenke ich meinen Strauß Tante Isi.«
»Warte, ich helfe dir.« Angelika Langenbach lief ihrer um zwei Jahre jüngeren Schwester nach. Auch die Langenbach-Kinder hatten in Sophienlust Unterschlupf gefunden, nachdem ihre Eltern bei einem Lawinenunglück umgekommen waren.
»Wollen wir nachsehen, ob es drüben bei der Quelle noch Brombeeren gibt?«, schlug Nick vor.
Der große Junge mit dem lockigen blauschwarzen Haar und den intelligenten dunklen Augen wartete eine Antwort gar nicht ab. Er rannte los, immer am Ufer entlang. Er wusste, seine Kameraden würden schon nachkommen.
Oft gab der Waldboden unter den Füßen der Kinder beachtlich nach, doch das störte sie nicht. Sie kannten dieses Gebiet sehr genau und wussten, dass keine ernsthafte Gefahr bestand, irgendwo einzusinken.
Die Kinder waren schon fast auf der anderen Seite des Sees, als Irmela
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Buchvorschau
Das Millionenkind - Susanne Svanberg
Sophienlust ab 211
– 245–
Das Millionenkind
Plötzlich wollen alle Benjamin haben ...
Susanne Svanberg
Die Herbstsonne spiegelte sich im dunklen Wasser des Waldsees. In den hohen Tannen ringsum rauschte der Wind. Die letzten Wasserrosen dieses Jahres blühten im sumpfigen Teil des Gewässers. Drüben auf der Lichtung leuchtete erikafarben das Heidekraut. Still und friedlich war es hier draußen.
Nick, der an diesem sonnigen Nachmittag mit seinen Freunden zum Waldsee gefahren war, stellte sein Rad ab und rannte zum Ufer hinab. Die übrigen Buben und Mädchen stürmten hinter ihm drein.
»Blöd, dass man nicht mehr baden kann«, maulte Fabian Schöller.
»Finde ich auch«, pflichtete ein blondes Mädchen ihm bei, das wegen der kessen Sommersprossen auf dem Stupsnäschen nur »Pünktchen« genannt wurde. Pünktchen hatte vor vielen Jahren bei einem Zirkusbrand ihre Eltern verloren und lebte seither im Kinderheim Sophienlust.
»Ich gehe Heidekraut pflücken«, verkündete Vicky Langenbach. »Und dann schenke ich meinen Strauß Tante Isi.«
»Warte, ich helfe dir.« Angelika Langenbach lief ihrer um zwei Jahre jüngeren Schwester nach. Auch die Langenbach-Kinder hatten in Sophienlust Unterschlupf gefunden, nachdem ihre Eltern bei einem Lawinenunglück umgekommen waren.
»Wollen wir nachsehen, ob es drüben bei der Quelle noch Brombeeren gibt?«, schlug Nick vor.
Der große Junge mit dem lockigen blauschwarzen Haar und den intelligenten dunklen Augen wartete eine Antwort gar nicht ab. Er rannte los, immer am Ufer entlang. Er wusste, seine Kameraden würden schon nachkommen.
Oft gab der Waldboden unter den Füßen der Kinder beachtlich nach, doch das störte sie nicht. Sie kannten dieses Gebiet sehr genau und wussten, dass keine ernsthafte Gefahr bestand, irgendwo einzusinken.
Die Kinder waren schon fast auf der anderen Seite des Sees, als Irmela Groote keuchend ihr Tempo verminderte. »Wartet doch«, rief sie den anderen zu, »hier liegt etwas im Wasser.«
»Das ist nur ein Baumstumpf«, rief Nick zurück.
Irmela schüttelte den Kopf. Sie blieb stur stehen und beobachtete das braune Ding, das zwischen dem Schilf im seichten Wasser lag. »Der Sack bewegt sich«, stellte sie ein bisschen ängstlich fest.
»Du spinnst ja«, raunte Fabian, der gerade an ihr vorbeilaufen wollte.
»Hörst du es nicht? Da schreit auch etwas ganz komisch.« Irmela nahm dem jüngeren Kameraden seine abfällige Äußerung nicht übel. Bei den Kindern von Sophienlust ging es manchmal recht rau zu. Aber im Grunde hielten sie immer wieder zusammen.
Fabian lauschte angestrengt. »Du hast recht«, gab er schließlich zu. »Es klingt fast, als würde ein kleines Kind weinen.« Er warf die Arme hoch und fuchtelte damit wild herum. »Kommt zurück! Kommt schnell zurück!«, rief er den Kameraden zu.
Nur zögernd folgten die anderen der Aufforderung.
»Mensch, das ist ja tatsächlich ein Sack«, stellte Nick fest, als er, etwas außer Atem, neben Irmela stand.
»Was kann nur darin sein?«, überlegte das Mädchen laut.
»Wir werden nachsehen«, entschied Nick, der stets dafür war, den Dingen auf den Grund zu gehen.
»Wie willst du denn herankommen? An dieser Stelle ist das Ufer doch ganz sumpfig.« Fabian schüttelte sich.
Ganz deutlich hörten die Kinder in diesem Moment langgezogene, klagende Töne. Sie kamen zweifellos vom Wasser her.
Die Kinder schauten sich an. Furcht und Unsicherheit war in ihren Blicken.
»Wir holen die langen Bretter, mit denen der Badesteg erneuert werden soll«, schlug Nick, der eigentlich Dominik hieß, vor. »Los, helft mir!« Er rannte bereits den Weg zurück.
Wenige Minuten später schleppten die Kinder mit vereinten Kräften die schweren Bretter am Ufer entlang.
Angelika und Vicky hatten ihre Heidekrautsträuße im Stich gelassen und halfen nun ebenfalls mit.
»Was kann das nur sein?«, wisperte Vicky ängstlich. »Vielleicht ein Baby?«
Ihre Schwester Angelika tippte sich an die Stirn. »Ein Baby in einem Sack im Wasser. Das gibt es doch gar nicht.«
»Quatscht nicht lange, helft lieber«, rief Pünktchen, die von der Anstrengung ein ganz rotes Gesichtchen hatte. Nach Kräften half sie Nick, die Bretter über das sumpfige Gelände zu stoßen.
»Vicky ist am leichtesten. Sie muss den Sack holen«, entschied Nick.
»Aber wenn ich …, und wenn …«, stotterte das Mädchen erschrocken.
»Du wirst doch keine Angst haben?«, drängte Nick, der gewöhnlich in der Gruppe den Ton angab. Niemand machte ihm diese Vorrangstellung streitig. Denn einmal war der hübsche Junge, der künftige Besitzer von Sophienlust, zum anderen war er ein Kamerad, auf den man sich unbedingt verlassen konnte.
Vicky schüttelte rasch den Kopf. Auf keinen Fall wollte sie als Feigling gelten. Andererseits aber hatte sie ein ganz merkwürdiges Ziehen im Bauch.
»Es ist überhaupt nicht gefährlich«, behauptete Nick. »Der Sack ist zugebunden. Es kann nichts passieren.«
Das Mädchen mit dem glatten braunen Haar nickte, obwohl es noch lange nicht überzeugt war. Zaghaft trippelte es über die Planken, die geringfügig einsanken. Doch das Wasser erreichte nicht einmal Vickys Schuhe.
»Jetzt nimm den Stock!«, schrie Nick, als Vicky den Sack bis auf einen Meter erreicht hatte.
Das Mädchen gehorchte und konnte den Sack tatsächlich zu sich heranziehen. Wieder ertönte der langgezogene, klagende Laut. Rasch fasste Vicky zu, ergriff den nassen Sack und zerrte ihn hoch. Zu ihrer Überraschung war er nicht sonderlich schwer.
Trotzdem hastete Vicky ängstlich zurück. Sie legte den Sack vor Nicks Füße und brachte sich rasch durch entsprechenden Abstand in Sicherheit.
»Vorsicht, Nick«, warnte Pünktchen, als der große Junge mit seinem Taschenmesser die Schnur aufschnitt. »Vielleicht ist ein Tier darin, das beißt.« Heimlich bewunderte sie den Mut ihres Freundes.
Nick, der mit vielen Tieren groß geworden war, kannte keine Furcht vor ihnen. Spontan öffnete er den Sack. »Er liegt bestimmt noch nicht lange im Wasser«, murmelte er dabei, »denn er ist noch kein bisschen schlüpfrig.«
Ängstlich waren alle Kinder zurückgewichen. Doch wenn sie geglaubt hätten, das kläglich wimmernde Lebewesen würde sofort aus seinem Gefängnis fliehen, hatten sie sich getäuscht. Es geschah nichts.
»Doch ein Baby«, flüsterte Vicky und näherte sich vorsichtig. Diesmal widersprach ihr niemand.
»Schau doch mal rein«, riet Pünktchen ihrem Freund Nick. »Was siehst du?«, drängte sie, als der Junge gleich darauf ihrer Aufforderung nachkam.
Nick gab nicht gleich eine Antwort. »So eine Gemeinheit«, zischte er schließlich wütend. »Das ist eine Tierquälerei!«
Jetzt rückten die Kameraden wieder näher. Gespannt schauten sie zu, wie Nick in den Sack fasste und ein kleines, nasses Etwas hervorbrachte. Liebevoll hielt er es in den Händen.
»Was ist das?«, keuchte Vicky. Im nächsten Augenblick war es ihr selbst klar.
»Ein Kätzchen«, stöhnte Nick. »Und nicht nur eines. Es sind fünf Stück. Sie sind alle patschnass. Deshalb kann man sie kaum erkennen. Jemand wollte sie ertränken. Aber sie haben Glück gehabt und sind vom Wind ans Ufer getrieben worden.«
»Wer das getan hat, ist ein ganz böser Mensch«, schimpfte Angelika und übernahm das zweite Kätzchen. Vorsichtig trocknete sie mit ihrem Taschentuch das schwarzweiße Fell.
Fabian ballte wütend die Hände zu Fäusten.
»Wenn man nur wüsste, wer die Kätzchen in den Sack gesperrt hat. Er gehört ins Gefängnis!«
»Überlegt doch mal, wie elend diese armen Kätzchen umgekommen wären, wenn wir sie nicht zufällig gefunden hätten«, meinte Irmela. Auch sie drückte jetzt liebevoll eines der unglücklichen Geschöpfe an sich.
»Den Kerl müssen wir erwischen«, sagte Nick rachedurstig.
»Aber wie?«, piepste Vicky.
»Zunächst müssen wir uns darum kümmern, dass wir die armen Kleinen durchbringen. Sie sind halb erfroren und fast verhungert.« Pünktchen schob ihren Schützling unter den Pulli.
*
Jochen Dresel legte das Besteck weg. Aufmerksam schaute er die junge Frau, die ihm gegenübersaß, an.
»Ich gebe ja zu, das Mensa-Essen ist nicht besonders gut, aber du hast heute noch gar nicht probiert. Du sitzt nur da und starrst auf deinen Teller. Was ist los, Barbara?« Echtes Interesse sprach aus Jochens Blick.
»Ich habe keinen Appetit«, gab die junge Frau leise Auskunft. Sie trug Jeans und einen groben handgestrickten Pulli darüber. Sportlich kurzgeschnitten war ihr volles blondes Haar, ihr Gesicht war von natürlicher Frische. Barbara Schoch war dreiundzwanzig Jahre alt und hatte die schlanke, zierliche Figur eines sehr jungen Mädchens.
»Probleme?«, erkundigte sich Jochen leise. Er hätte sich gern mehr um Barbara gekümmert, aber sie ließ das nicht zu. Sie sah nur den Kommilitonen in ihm, nicht mehr.
»Ich habe heute den Bescheid bekommen, dass ich in Bayern ein Praktikum absolvieren kann. Es handelt sich um das Architekturbüro Rahner in München.«
»Das ist doch kein Grund, den Kopf hängen zu lassen. Im Gegenteil, du solltest dich freuen. Rahner hat einen ausgezeichneten Ruf. Bei ihm wirst du viel lernen. Er baut Schulen, Theater und Kirchen, die nicht nur in Deutschland Beachtung finden. Nicht jeder angehende Architekt hat das Glück, in seinem Büro ein Praktikum absolvieren zu dürfen. Ich finde es klasse,