Zwei Lausebengel - aber mit Herz: Mami 1881 – Familienroman
Von Myra Myrenburg
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»Wenn ich richtig informiert bin«, sagte Felix Holtmann an einem trüben Morgen im Monat Juli, »ist heute der heilige Tag der Zeugnisverteilung. Oder habe ich mich im Datum geirrt?«
»Nein, nein«, murmelte sein Sohn Jasper und löffelte lustlos einen Joghurt mit Früchten, »du irrst dich nicht.«
»Ich vermisse die Begeisterung in deiner Stimme«, bemerkte Felix, die zweite Tasse starken Kaffee schlürfend, »denn immerhin kriegst du heute nicht nur ein Zeugnis, sondern auch Sommerferien.«
»Ja, ja.«
»Du bist wirklich auffallend gesprächig heute morgen, mein Junge. Dabei haben wir doch beide Grund zum Jubeln, weil wir sechs Wochen lang keine Schularbeiten machen müssen. Juhuuu!«
Jasper ließ erschrocken den Löffel fallen und starrte seinen Vater vorwurfsvoll an.
»Nicht so laut, Mann!«
Der Einwand war nicht ganz unberechtigt, denn sie saßen trotz des unfreundlichen Wetters auf der Terrasse.
»Okay, okay«, murmelte Felix und rieb sich das bärtige Kinn, »manchmal erinnerst du mich stark an deine Mutter. Ach ja –«, er verschränkte die Arme auf dem Tisch und betrachtete die leere Kaffeetasse, »an einem Tag wie heute frage ich mich wieder einmal, wie es wäre, wenn sie noch lebte.«
»Warum gerade an einem Tag wie heute?« erkundigte sich Jasper mißtrauisch.
»Weil wir heute unsere kritischen Situationen meistern müssen – du deine und ich meine.«
»Hast du auch eine?«
»Leider. Das Auto, der alte Klapperkasten, ist allmählich reif für den Schrott.«
»Wau! Und dann?«
»Dann werden wir nicht auf große Fahrt gehen, sondern die Kirschen pflücken, sobald sie reif sind. Das ist eine sehr nützliche und gesunde Tätigkeit.«
»Oooh, Daddy«, hauchte Jasper, »ist denn gar nichts zu machen? Können wir kein
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Zwei Lausebengel - aber mit Herz - Myra Myrenburg
Mami
– 1881–
Zwei Lausebengel - aber mit Herz
Jasper und Simon haben eine Idee
Myra Myrenburg
»Wenn ich richtig informiert bin«, sagte Felix Holtmann an einem trüben Morgen im Monat Juli, »ist heute der heilige Tag der Zeugnisverteilung. Oder habe ich mich im Datum geirrt?«
»Nein, nein«, murmelte sein Sohn Jasper und löffelte lustlos einen Joghurt mit Früchten, »du irrst dich nicht.«
»Ich vermisse die Begeisterung in deiner Stimme«, bemerkte Felix, die zweite Tasse starken Kaffee schlürfend, »denn immerhin kriegst du heute nicht nur ein Zeugnis, sondern auch Sommerferien.«
»Ja, ja.«
»Du bist wirklich auffallend gesprächig heute morgen, mein Junge. Dabei haben wir doch beide Grund zum Jubeln, weil wir sechs Wochen lang keine Schularbeiten machen müssen. Juhuuu!«
Jasper ließ erschrocken den Löffel fallen und starrte seinen Vater vorwurfsvoll an.
»Nicht so laut, Mann!«
Der Einwand war nicht ganz unberechtigt, denn sie saßen trotz des unfreundlichen Wetters auf der Terrasse.
»Okay, okay«, murmelte Felix und rieb sich das bärtige Kinn, »manchmal erinnerst du mich stark an deine Mutter. Ach ja –«, er verschränkte die Arme auf dem Tisch und betrachtete die leere Kaffeetasse, »an einem Tag wie heute frage ich mich wieder einmal, wie es wäre, wenn sie noch lebte.«
»Warum gerade an einem Tag wie heute?« erkundigte sich Jasper mißtrauisch.
»Weil wir heute unsere kritischen Situationen meistern müssen – du deine und ich meine.«
»Hast du auch eine?«
»Leider. Das Auto, der alte Klapperkasten, ist allmählich reif für den Schrott.«
»Wau! Und dann?«
»Dann werden wir nicht auf große Fahrt gehen, sondern die Kirschen pflücken, sobald sie reif sind. Das ist eine sehr nützliche und gesunde Tätigkeit.«
»Oooh, Daddy«, hauchte Jasper, »ist denn gar nichts zu machen? Können wir kein neues Auto kaufen – ich meine kein richtig neues, aber ein anderes, eins, das läuft.«
»Nicht von heute auf morgen«, sagte Felix Holtmann ruhig und entschieden und tippte mit dem Zeigefinger auf das Zifferblatt seiner Armbanduhr.
»Es wird Zeit für dich.«
Jasper schulterte stumm seinen Schulranzen. Er kickte ein paar Steinchen vor sich her, als er durch den großen, verwilderten Garten davonging. Er trug schwer an der Enttäuschung, man sah es ihm an.
Sein Vater zündete sich eine Pfeife an und bückte sich nach der schwarzen Katze, die aus dem Nichts aufgetaucht war, streichelte ihr warmes, weiches Fell und stand auf, um ihr einen kleinen Napf mit Flocken und Milch zu füllen.
»Wir haben keinen Grund, uns zu beklagen, Kassandra, nicht wahr?«
Die grünen Augen, rätselhaft und tiefgründig wie die einer Sphinxs, öffneten sich spaltweit.
»Solange uns nichts Schlimmeres passiert als ein maroder Wagen und ein mieses Zeugnis, sollten wir dankbar sein«, fuhr Felix fort und warf einen schrägen Blick zum Himmel hinauf, wie so oft, wenn er an Vera dachte. Es sind nicht schwere Felsbrocken, die einem ständig vor die Füße gerollt werden, hatte sie oft gesagt, es sind die vielen kleinen Stolpersteine.
Das hast du nun alles hinter dir, Veruschka, dachte Felix, während der Rauch seiner Pfeife in die graublaue Luft stieg und sich auflöste wie ein Gedanke, der nicht zu Ende gedacht wird, wir aber stehen noch mitten im Leben, sind befaßt mit lauter irdischen Geschäften.
Die grünen Augen der schwarzen Katze öffneten und schlossen sich dreimal hintereinander, ein untrügliches Zeichen dafür, daß sie seinen Gedanken lebhaft zustimmte.
Dann erst begann sie rasch und methodisch mit ihrem Frühstück.
»Was dich betrifft«, sagte Felix, als sie fertig war und sich mit dem rechten Vorderpfötchen artig das kleine dreieckige Gesicht gesäubert hatte, »du kannst mir auf die Dauer nichts vormachen. Demnächst kriegst du mindestens drei Katzenkinder! Aber wann genau?«
Kassandra gähnte lautlos und rollte sich unter einem Klappstuhl zusammen, ein kleines schwarzes, auffallend rundes Bündel.
»Na siehst du«, murmelte Felix, »unter diesen Umständen hätten wir ja keinesfalls verreisen können.« In den Tiefen des Hauses klingelte bereits seit geraumer Zeit das Telefon.
Felix räumte ohne Eile den Tisch ab, trug das Tablett in die Küche und füllte die Spülmaschine. Dann betrat er mit elastischen Schritten seinen Arbeitsraum, prüfte den Eingang der E-Mail-Nachrichten auf dem Bildschirm und nahm beim nächsten Klingelzeichen den Hörer ab.
»Es ist halb neun«, sagte Esther Siebert mit sanftem Vorwurf in ihrer betörenden Stimme, »andere Leute haben schon ihre Post erledigt und die ersten Entwürfe vorgelegt. Du dagegen…«
»Ich war immer schon ein Individualist«, unterbrach Felix heiter, »und wer wird denn gleich mit der Tür ins Haus fallen! Einen schönen guten Morgen wünsche ich dir.«
»Dir auch guten Morgen.«
Felix lächelte zufrieden, weil er sie ein wenig aus dem Konzept gebracht hatte.
Esther war nicht nur die Leiterin der bekannten Werbeagentur ›Zenit‹, sie war auch deren Motor.
Sie war ein Genie im Verkauf von Ideen und Gedankenspielen, aber selbst sie brauchte gelegentlich etwas Konkretes, Sichtbares, Vorzeigbares, um die Kundschaft von der schöpferischen Kraft ihrer Mitarbeiter zu überzeugen. Sie schätzte Felix als Texter und Grafiker, der eine Gesamtkonzeption erstellen konnte, sie schätzte ihn als Mensch und vor allem als Mann.
Aber sie hatte einiges an ihm auszusetzen, zum Beispiel, daß er nicht nur für die Werbeagentur ›Zenit‹ arbeitete, sondern auch für einen Kinderbuchverlag, für einen Kalenderverlag und für ein paar mittlere Unternehmen, die sich keine große Marketingberatung leisten konnten. Ihrer Meinung nach gehörte Felix Holtmann zu den kreativen Menschen, die sich hoffnungslos verzettelten, sowohl in beruflicher, wie auch in privater Hinsicht.
Je länger sie ihn kannte, um so intensiver bemühte sie sich darum, ihm zu einer besseren, klar strukturierten Lebensform zu verhelfen.
Was, wie sie bereits wußte, nicht ganz einfach war, denn Felix hing an seinen Gewohnheiten, an seinem alten Haus mit den knarrenden Dielen und der Wildnis drum herum, an dem Lausejungen, den er mit wenig Erfolg allein erzog, und in gewisser Weise noch immer an seiner vor acht Jahren verstorbenen Frau Vera.
Ein schwieriger Fall, aber Esther Siebert liebte die Herausforderung.
»Deine Vorschläge für die neuen Produkte der Berg-Milch sind ausgezeichnet«, sagte sie herzlich, »was mir jetzt noch fehlt, ist die Ausarbeitung. Wann machst du sie?«
»Nicht bevor die Konzeption genehmigt ist.«
»Mit anderen