Der neue Landdoktor 12 – Arztroman: Der Spatz in der Hand …
Von Tessa Hofreiter
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Die Hintertür der gemütlichen Landhausküche im Doktorhaus wurde schwungvoll aufgerissen, und ein junges Mädchen trat ein. "Hallo, Familie!" Schulrucksack und Schuhe landeten im Abstellraum, man hörte Wasser zum Händewaschen rauschen und gut gelauntes Plaudern. "Ratet mal, was wir ab jetzt neu in Bergmoosbach haben!" Emilia Seefeld, die vierzehnjährige Tochter des jungen Landdoktors, schaute auffordernd in die Runde, die am gemütlichen alten Eichentisch saß..
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Der neue Landdoktor 12 – Arztroman - Tessa Hofreiter
Der neue Landdoktor –12–
Der Spatz in der Hand ...
Elisabeth will nicht so entscheiden
Roman von Tessa Hofreiter
Die Hintertür der gemütlichen Landhausküche im Doktorhaus wurde schwungvoll aufgerissen, und ein junges Mädchen trat ein. »Hallo, Familie!« Schulrucksack und Schuhe landeten im Abstellraum, man hörte Wasser zum Händewaschen rauschen und gut gelauntes Plaudern. »Ratet mal, was wir ab jetzt neu in Bergmoosbach haben!« Emilia Seefeld, die vierzehnjährige Tochter des jungen Landdoktors, schaute auffordernd in die Runde, die am gemütlichen alten Eichentisch saß.
Traudel Bruckner, langjährige Haushälterin und das Herz der Familie, lächelte freundlich. Obwohl sie bereits wusste, was in Zukunft mit zur Bergmoosbacher Gemeinschaft gehören würde, sagte sie: »Na, Madl, erzähl mal. Worüber freust du dich denn so?«
»Wir bekommen ein ganz tolles Buchgeschäft!«, informierte das junge Mädchen sie. »So eines, wo man sitzen und lesen kann, wo es auch Kaffee und selbstgebackene Kleinigkeiten gibt. Die Frau, die diesen Laden eröffnen will, zieht gerade ein. Sie hat das Haus von Frau Bräuer gemietet; ihr wisst schon, wo früher der Friseursalon Glamour von dieser zickigen Lisa gewesen ist.«
Die Erwachsenen am Tisch wechselten einen raschen Blick. Die Friseurin Lisa Ecker und ihr intrigantes Lügengespinst, das für großen Kummer gesorgt hatte, waren ihnen noch allzu gut in Erinnerung.
»Schön, dass jetzt neues Leben in diese Räume einzieht«, sagte Benedikt Seefeld, der Vater des jungen Landdoktors, zufrieden.
»Wird bestimmt gut, wenn man von der Besitzerin auf ihren Laden schließen kann«, antwortete Emilia und bediente sich ausgiebig vom leckeren Kartoffel-Gurken-Salat und dem Geselchten. Sie grinste verschmitzt. »Auffallen wird er bestimmt! Diese Elisabeth Faber, der er gehört, fällt auch auf.«
»Klingt interessant! Ich bin gespannt darauf, diese neue Bergmoosbacherin kennenzulernen«, erwiderte ihr Vater Sebastian.
Dieses Kennenlernen sollte schneller als gedacht erfolgen, und der Anlass dazu waren ein zu Tode erschreckter Junge, sein Mountain Bike und dessen defekte Bremse.
Elisabeth Faber stand vor dem Haus, das sie gemietet hatte, und strahlte. Sie war eine Frau mit sahneweißer Haut, gesprenkelt mit unzähligen, feinen Sommersprossen, grau-blauen Augen und einer wilden, roten Lockenmähne, die sie zu einem Ährenzopf geflochten hatte. Sie trug einen langen Rock aus flatterndem, schwarzem Stoff, unter dem ein Tüllunterrock und altmodische Knopfstiefeletten hervor blitzten, ein weißes Männerhemd mit aufgekrempelten Ärmeln und einen Glockenhut, an dem eine Rose aus zerknitterter, dunkelgrüner Seide prangte.
»Jesses!«, war der einzige Kommentar, welcher der Kioskbesitzerin Afra beim Anblick der eigenwillig gekleideten Frau einfiel. »Eine Zigeunerin.«
»Ja, sehr hübsch, gell?« Traudel, welche gerade neue Zeitschriften für die Praxis gekauft hatte, lächelte amüsiert. »Sie weiß halt, was sie mag und was ihr steht. Das ist eine Frau, die in ausgefallener Kleidung genauso gut ausschaut wie im Dirndl.«
»Die im Dirndl? Nie im Leben!«, antwortete Afra entschieden.
»Abwarten!« Traudel nahm die Zeitschriften in Empfang und ging zum Doktorhaus hinüber. Aus den Augenwinkeln sah sie noch, wie die Frau beide Arme weit ausbreitete und sich spielerisch im Kreis drehte.
Es war eine freundliche Willkommensgeste, mit der Elisabeth Faber ihre neue Heimat begrüßte. Vom ersten Augenblick hatte sie die bewaldeten Hügel, den rauschenden Bach, der sich in den Sternwolkensee ergoss, die saftigen Weiden und das Alpenpanorama im Hintergrund geliebt. Die Häuser mit ihren tief herabgezogenen Dächern und umlaufenden Balkonen, den Marktplatz mit seinem Kopfsteinpflaster und dem alten Brunnen, die ruhige Herzlichkeit der Menschen. Hier kann ich neue Wurzeln schlagen, hatte sie gedacht, als sie in den Ort im Allgäu zurückkehrte, in dem sie als Kind ihre Ferien verbracht hatte.
Jetzt war sie wieder hier, als gestandene Frau von Ende Dreißig, mit Lebenserfahrung und Zukunftsplänen im Gepäck. Sie musterte kritisch die Bank, die vor den Schaufenstern ihres zukünftigen Geschäftes stand. Das ursprüngliche schreiende Pink, in dem sie gestrichen worden war, hatten Sonne und Regen zu einem angenehmen Altrosé verblassen lassen.
»Du kannst erst einmal so bleiben, ich habe genug anderes zu streichen«, murmelte die junge Frau halblaut vor sich hin. »In die Blumenkübel rechts und links von dir pflanze ich weiße Blumen, dann passt das schon.«
»Du führst also immer noch Selbstgespräche!«, sagte plötzlich eine tiefe, warme Männerstimme in ihrem Rücken.
Elisabeth fuhr überrascht herum. »Henning!«
»Ich freu mich auch, dich zu sehen, Elli«, antwortete der Mann. Er beobachtete zärtlich-amüsiert ihre offensichtliche Verwirrung.
Elisabeth holte tief Luft. »Henning! Was tust du denn hier in Bergmoosbach?«
»Dich besuchen, Elli.« Seine braunen Augen waren genauso warmherzig wie sein Lächeln. »Und schauen, wie du dir deinen alten Traum vom eigenen Buchgeschäft erfüllst.«
Inzwischen hatte die junge Frau sich von ihrer anfänglichen Überraschung erholt. In einer unbewussten Abwehrgeste verschränkte sie die Arme vor der Brust. »Woher weißt denn du von meinen Plänen?«
Sein freundliches Lächeln gewann an Tiefe und Ernsthaftigkeit. »Ich habe in dem Buchhandel in Rosenheim nachgefragt, in dem du gearbeitet hast. Dort sagte man mir, dass du nach Bergmoosbach ziehen und ein eigenes Geschäft eröffnen willst.«
»So, sagte man das.« Elisabeth runzelte leicht die Stirn. »Und weshalb interessiert es dich überhaupt?«
Sein Blick hüllte sie in Aufrichtigkeit und Wärme ein. »Weil du es bist, Elli! Ich möchte wissen, wie es dir geht, wie du lebst.«
»Gut, danke der Nachfrage!«, antwortete sie kurz angebunden und wies auf den weißen Umzugswagen, den sie gemietet hatte. »Wie du siehst, habe ich viel zu tun. Servus, Henning.« Sie wandte sich ab und wollte zu den Freunden hinübergehen, die den Transport ihrer Sachen begleitet hatten.
»Ähm, wart doch mal, nicht so schnell, Elli!«, rief er. »Kannst du nicht Hilfe gebrauchen?«
Die junge Frau drehte sich mit schwingenden Rocksäumen um und musterte den Mann: seine schlanke Erscheinung, die gepflegte, helle Sommerkleidung, die glänzenden Schuhe aus teurem Leder. »Der Herr Astrophysiker Doktor Henning Faber will Möbel und Bücherkartons schleppen?«, fragte sie mit einem gewissen Spott in der Stimme.
»Elli, ich bitte dich! Nur weil ich Wissenschaftler bin und mein Geld mit Kopfarbeit verdiene, bin ich noch lange kein Weichei, das im praktischen Leben nicht mit anpacken kann!«
»Ach? Und was war das mit …?«
Gellende Schreie unterbrachen den Satz der jungen Frau. »Weg, weg, weg!« Alles geschah blitzschnell, und in einem Wirbel aus blitzenden Fahrradspeichen, einem vor Entsetzen verzogenen Kindergesicht, einem fliegenden Körper und Ellis jähem Sturz auf das Pflaster!
Für einen Moment herrschte lähmende Stille, dann klang lautes Wehgeschrei aus der Hecke, in welcher der junge Radfahrer gelandet war: »Aua, aua, mein Bein, mein Bein!«
»Elli! Ist dir etwas passiert?« Henning kniete neben der jungen Frau, ganz blass um die Nase. »Elli!«
»Ne-nein, mir nicht«, stotterte die junge Frau. Sie schaute auf ihren rechten Arm, welcher der Länge nach aufgeschürft war und blutete. »Es ist nichts gebrochen, das sind nur Hautverletzungen, nichts Schlimmes. Dem Radfahrer ist offensichtlich mehr passiert!«
Hennig half ihr vom Boden hoch und hielt sie ein wenig länger, als dafür nötig gewesen wäre, in den Armen. »Elli, bist du sicher, dass nicht mehr passiert ist?«
»Doch, schon«, murmelte sie. Mit zitternden Knien wankte sie zu der Bank vor ihrem Geschäft und setzte sich. »Das ist nur der Schreck, der arme Unglücksrabe in der Hecke braucht viel mehr Hilfe.«
»Die bekommt er schon«, beruhigte sie der Mann. Er half Elli, die Blutung, so gut es ging, mit Papiertaschentüchern zu stoppen. »Du musst unbedingt zum Arzt, die Wunde muss gereinigt und desinfiziert werden.«
»Ja, gleich«, stimmte sie leise zu. Irgendwie hatte ihr Kopf den altvertrauten Platz an seiner Schulter gefunden, und Elli schloss für einen Moment die Augen. Dann richtete sie sich abrupt auf und rückte ein Stückchen zur Seite. »Lassen wir dem Arzt doch Zeit, sich um den verletzten Jungen zu kümmern.« Die Abschürfung an ihrem Arm brannte zwar wie Feuer, aber sie wusste, dass es nichts Gefährliches war und sie warten konnte.
Der Unfall hatte sich in Sichtweite der Praxis des Landdoktors abgespielt, und Doktor Seefeld war sofort über den Marktplatz gestürmt, um Erste Hilfe zu leisten. Seine junge Sprechstundenhilfe Caro begleitete ihn und assistierte bei der Erstversorgung des weinenden Jungen. Wie er unter Schluchzen hervorstieß, hatten bei seinem alten Fahrrad die Bremsen versagt, und mit immer größer werdender Geschwindigkeit war er die abschüssige Straße mitten in den Verkehr hinein gerast! Um nicht unter ein Auto zu kommen, hatte er das Fahrrad in die Ligusterhecke neben Ellis Geschäft gelenkt und dabei die junge Frau mit zu Boden gerissen.
»Du konntest nichts anderes tun, Bernhard«, sagte Doktor Seefeld beruhigend zu dem Jungen. »Es hätte noch viel, viel Schlimmeres passieren können, du hast einen Schutzengel an deiner Seite gehabt. Zwar hast du dir das Bein gebrochen, aber das wird im Krankenhaus wieder gerichtet, und in ein paar Wochen hast du die ganze Angelegenheit vergessen. Die junge Frau, die du über den Haufen gefahren hast, schaue ich mir gleich an. So wie es aussieht, ist