Anna – wo bist du?: Der Bergpfarrer 467 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
Es war Freitagabend. Vor einer halben Stunde waren Matthias Breitmoser und sein Sohn Jonas aus dem Wald zurückgekehrt. Sie hatten einen Teil des Waldes vom Windbruch gesäubert oder verdorrte Bäume gefällt. Das war notwendig, um die gesunden Bäume im Frühling vor Schädlingsbefall zu schützen. Anna Kallmeier hatte für Vater und Sohn das Abendessen vorbereitet. Die Fünfundzwanzigjährige arbeitete auf dem Breitmoserhof als Hauswirtschafterin, nachdem vor über drei Jahren die Bäuerin tragisch früh verstorben war. Der Tisch in der Küche war gedeckt. Es duftete nach gebratenem Fleisch und Bratkartoffeln. Eine Schüssel voll Endiviensalat stand in der Tischmitte, daneben eine Schale mit Röstzwiebeln. Nachdem Matthias und sein Sohn sich geduscht und umgezogen hatten, setzten sie sich an den Tisch. Anna brachte die Pfanne mit dem gebratenen Fleisch, spießte jedem ein großes Stück auf den Teller und sagte: »Kartoffeln und Röstzwiebeln müsst ihr euch selber nehmen. Ich weiß net, wie groß euer Hunger ist.« »Er ist riesig!«, versetzte Jonas. Er war fünfundzwanzig Jahre alt, dunkelhaarig und von sportlicher Statur. Er grinste Anna an, seine Augen funkelten. »Ich glaub', in meinem Magen sitzt ein Wolf, der wie verrückt nach Essen brüllt. Waldarbeit macht hungrig.« Anna lächelte. »Dann tu' dir keinen Zwang an, Jonas, und greif zu.
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Buchvorschau
Anna – wo bist du? - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 467 –
Anna – wo bist du?
Toni Waidacher
Es war Freitagabend. Vor einer halben Stunde waren Matthias Breitmoser und sein Sohn Jonas aus dem Wald zurückgekehrt. Sie hatten einen Teil des Waldes vom Windbruch gesäubert oder verdorrte Bäume gefällt. Das war notwendig, um die gesunden Bäume im Frühling vor Schädlingsbefall zu schützen.
Anna Kallmeier hatte für Vater und Sohn das Abendessen vorbereitet. Die Fünfundzwanzigjährige arbeitete auf dem Breitmoserhof als Hauswirtschafterin, nachdem vor über drei Jahren die Bäuerin tragisch früh verstorben war.
Der Tisch in der Küche war gedeckt. Es duftete nach gebratenem Fleisch und Bratkartoffeln. Eine Schüssel voll Endiviensalat stand in der Tischmitte, daneben eine Schale mit Röstzwiebeln.
Nachdem Matthias und sein Sohn sich geduscht und umgezogen hatten, setzten sie sich an den Tisch. Anna brachte die Pfanne mit dem gebratenen Fleisch, spießte jedem ein großes Stück auf den Teller und sagte: »Kartoffeln und Röstzwiebeln müsst ihr euch selber nehmen. Ich weiß net, wie groß euer Hunger ist.«
»Er ist riesig!«, versetzte Jonas. Er war fünfundzwanzig Jahre alt, dunkelhaarig und von sportlicher Statur. Er grinste Anna an, seine Augen funkelten. »Ich glaub’, in meinem Magen sitzt ein Wolf, der wie verrückt nach Essen brüllt. Waldarbeit macht hungrig.«
Anna lächelte. »Dann tu’ dir keinen Zwang an, Jonas, und greif zu. Ich stell’ die Pfanne mit dem Fleisch auf den Tisch.«
»Wir haben tatsächlich mächtigen Hunger«, erklärte Matthias Breitmoser, der vierundfünfzigjährige Landwirt. »Der Sturm vor zwei Wochen hat im Wald fürchterlich gehaust. Nix wie entwurzelte oder abgebrochene Bäum’ hat er zurückgelassen. Eine Schneise der Verwüstung … Da gibt's noch viel zu tun für uns.«
»Nehmt euch morgen halt mehr Brotzeit mit«, schlug Anna vor.
»Wir nehmen mit, was du uns richtest«, grinste Jonas. Für einen Moment versank sein Blick in dem Annas, sie errötete leicht und wandte sich ab.
Matthias Breitmoser entging ihre Verlegenheit nicht. Er warf seinem Sohn, der große Ähnlichkeit mit ihm besaß, einen prüfenden Blick zu, dann griff er nach der Pfanne mit den Bratkartoffeln und bediente sich. Er gab die Pfanne an Jonas weiter und nahm sich einige Löffel voll von den Röstzwiebeln, die er über seinem Braten verteilte.
»Ich hab’ mich um acht Uhr mit der Sonja verabredet«, sagte Jonas nach einer ganzen Weile, in der er und sein Vater schweigend gegessen hatten. »Ihre zwei Brüder und deren ganze Clique treffen sich im ›Roten Ochsen‹ zum Bowlen. Sie hat mich angerufen, ob ich auch mitgeh’. Ich hab’ natürlich zugesagt.«
»Hast du net eben drüber geklagt, dass du ziemlich müd’ bist?«, fragte Matthias. »Und morgen müssen wir wieder hinaus in den Wald. Wir werden den ganzen Winter über zu tun haben.«
»Jetzt geht’s schon wieder«, erwiderte Jonas. »Nachdem ich heiß und kalt geduscht hab’, fühl’ ich mich wie neu geboren. Ich wollt’ halt die Sonja net vor den Kopf stoßen. Hätt’ ich ihr einen Korb gegeben, würd’ sie mich wohl nie mehr wieder einladen, mit ihr bowlen zu gehen. Ich hab’ aber net vor, allzu lang auf der Bowlingbahn auszuhalten, keine Sorge, morgen möcht’ ich fit sein.«
Anna stand mit dem Rücken zu ihnen am Herd. Ihr Gesicht war wie versteinert, in ihren rehbraunen Augen drückten sich Traurigkeit und Enttäuschung aus.
»Es freut mich, dass du so diszipliniert bist«, hörte sie Matthias zu seinem Sohn voller Stolz sagen. »Aber ich hab’s ja schon immer gewusst: Du bist von meinem Schrot und Korn. Bei dir bewahrheitet sich wieder mal die alte Binsenweisheit, dass der Apfel net weit vom Stamm fällt. Hätt’s deine Mutter noch erleben können, wie du dich entwickelt hast in den vergangenen zwei – drei Jahren, sie wär’ sicher stolz auf dich.«
»Man wird halt älter und gescheiter, Papa«, versetzte Jonas lächelnd. »Dass ich manchmal recht schwierig war und der Mama eine Menge Sorgen und Ärger bereitet hab’, tut mir heut’ noch leid, und wenn ich so manches rückgängig machen könnt’, würd’ ich’s tun. Aber ich denk’, die Mama hat mir’s nachgesehen, ehe sie …« Er brach ab. Er wollte bei seinem Vater keine Wunde aufreißen. Es hatte lange gedauert, bis Matthias über den Tod seiner Frau hinweggekommen war. Jonas, der früher ein rechter Luftikus gewesen war, hatte sich regelrecht über Nacht geändert und seinem Vater geholfen, die tiefe Trauer zu überwinden.
Anna beschäftigte sich damit, dass sie Geschirr und Besteck, das sie zum Kochen benötigt hatte, per Hand abspülte. So konnte sie es vermeiden, Vater und Sohn ansehen zu müssen. Sie sollten nicht bemerken, was mit ihr los war. Es sollte ihr Geheimnis bleiben, dass sie sich in Jonas verliebt hatte, der dies aber nicht bemerkte oder nicht bemerken wollte.
Eben hatte er ihr wieder in die Augen geschaut, aber sie konnte nicht sagen, ob er dabei etwas empfunden hatte. Er hatte gegrinst; lausbubenhaft und entwaffnend, so wie sie es an ihm liebte. Sein Blick hatte ihr Herz schneller schlagen lassen und sie hatte selbst gespürt, dass sie errötet war. ›Genauso wird er sicher auch die Sonja anschauen‹, dachte sie und verspürte Eifersucht.
Sonjas Eltern bewirtschafteten in Waldeck einen großen Hof, der ganz gewiss beträchtliche Gewinne abwarf, sodass Sonja mal mit einer beträchtlichen Mitgift rechnen konnte. Und das brachte sicherlich so manchen Burschen zum Grübeln, ob es net sinnvoll wäre, darüber hinwegzusehen, dass Sonja nicht gerade eine Schönheit war. Sie war, wie man so sagt, eine ›gute Partie‹.
Sie, Anna, war zwar recht hübsch, aber unvermögend …
Matthias und sein Sohn hatten gegessen. Anna hatte das Geschirr gewaschen und getrocknet und in den Schrank gestellt. Jetzt holte sie die schmutzigen Teller und Bestecke vom Tisch und stellte sie ins Spülbecken.
Jonas erhob sich. »Ich mach’ noch den Stall«, sagte er, »und dann verschwind’ ich.«
»Ich komm’ auch gleich hinaus und helf’ dir beim Ausmisten«, erklärte sein Vater.
Jonas verließ die Küche und Anna begann, auch die beiden Schüsseln und die Pfanne vom Tisch abzuräumen.
Matthias beobachtete sie eine Weile. Anna bemerkte es, doch sie war bemüht, dem Blick des Bauern auszuweichen. Schließlich sagte Matthias: »Was ist denn los, Madel? Du bist vorhin ziemlich verlegen geworden, als dich der Jonas angeschaut hat. Hast du dich etwa in den Burschen verguckt?«
Anna schluckte. Damit, dass sie der Bauer so direkt fragte, hatte sie nicht gerechnet. Sie war regelrecht überrumpelt und ihr fehlten sekundenlang die Worte. Schließlich aber stammelte sie: »Wie – kommst – du denn darauf, Matthias? Ich mich in den Jonas verschaut – nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Das wär ja anmaßend. Ich bin hier auf dem Hof angestellt, und es käm’ mir nie in den Sinn …«
»Gefällt dir mein Bub net?«, fragte Matthias.
»Wieso sollt’ er mir net gefallen?«
»Weil du’s eben so kategorisch verneint hast, dich in ihn verschaut zu haben. Das hat geklungen, als wär’ er net deine Kragenweite.«
»Ich hab’ das anders gemeint, Matthias«, murmelte Anna. »Und deshalb hab’ ich auch gesagt, dass es anmaßend von mir wär’ …«
Matthias winkte ab. »Was sollt’ daran anmaßend sein, Madl? Mir wärst du als Schwiegertochter sehr willkommen. Du bist die geborene Bäuerin, und mein Bub hätt’ mit dir eine sehr gute Wahl getroffen. Sein Blick vorhin hat mir verraten, dass er von dir recht angetan zu sein scheint.«
»Aber