Freude am Leben!: Dr. Norden 113 – Arztroman
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Über dieses E-Book
Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist.
»38,6 Grad.« Dr. Daniel Norden hielt das Fieberthermometer vor die Augen und las den Messwert ab. »Leiden Sie in letzter Zeit häufiger unter erhöhter Temperatur?«, erkundigte er sich bei seinem Patienten, dem Journalisten Noel Rombach. Im Geiste setzte er die Erkenntnisse aus seiner Untersuchung wie ein Puzzle zusammen. Das Ergebnis war alles andere als beruhigend. »Keine Ahnung«, beantwortete Noel die Frage seines Hausarztes ungeduldig. »Fieber gemessen habe ich schon ewig nicht mehr. Aber jetzt, wo Sie es sagen ... Ich wache öfter mal nachts auf, weil ich so schwitze. Das war früher nicht der Fall«, gab er nach kurzer Bedenkzeit zu. Dr. Norden hatte ihm zu verstehen gegeben, dass die Untersuchung beendet war, und er erhob sich von der Liege, um das Hemd zuzuknöpfen. »Aber was tut das zur Sache?«, fuhr er ungehalten fort. »Ich bin hier, weil mir dieser ständige Juckreiz langsam aber sicher auf die Nerven geht. Die Kollegen denken schon, ich habe Läuse und machen entsprechend dumme Witze.«
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Buchvorschau
Freude am Leben! - Patricia Vandenberg
Dr. Norden
– 113 –
Freude am Leben!
Patricia Vandenberg
»38,6 Grad.« Dr. Daniel Norden hielt das Fieberthermometer vor die Augen und las den Messwert ab. »Leiden Sie in letzter Zeit häufiger unter erhöhter Temperatur?«, erkundigte er sich bei seinem Patienten, dem Journalisten Noel Rombach.
Im Geiste setzte er die Erkenntnisse aus seiner Untersuchung wie ein Puzzle zusammen. Das Ergebnis war alles andere als beruhigend. »Keine Ahnung«, beantwortete Noel die Frage seines Hausarztes ungeduldig. »Fieber gemessen habe ich schon ewig nicht mehr. Aber jetzt, wo Sie es sagen ... Ich wache öfter mal nachts auf, weil ich so schwitze. Das war früher nicht der Fall«, gab er nach kurzer Bedenkzeit zu. Dr. Norden hatte ihm zu verstehen gegeben, dass die Untersuchung beendet war, und er erhob sich von der Liege, um das Hemd zuzuknöpfen. »Aber was tut das zur Sache?«, fuhr er ungehalten fort. »Ich bin hier, weil mir dieser ständige Juckreiz langsam aber sicher auf die Nerven geht. Die Kollegen denken schon, ich habe Läuse und machen entsprechend dumme Witze.« Aufgebracht stopfte Noel das Hemd in die Hose und schloss die Gürtelschnalle. Zu gerne hätte Daniel aufmunternd gelacht. Doch dazu gab es keinen Grund. »Verschreiben Sie mir also bitte ein Mittel gegen das Jucken. Dann ist alles wieder gut«, verlangte sein Patient von ihm.
»So gerne ich das auch täte, aber so einfach ist die Sache wahrscheinlich leider nicht«, erwiderte Dr. Norden schweren Herzens und winkte Noel Rombach mit sich.
Der schlang sich die Krawatte um den Hals und folgte seinem Arzt ins Sprechzimmer, wo er Daniel gegenüber auf dem bequemen Schwingsessel am Schreibtisch Platz nahm. Eine steile Sorgenfalte stand zwischen seinen Augen, als er den Knoten festzog.
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Ich will den Teufel nicht an die Wand malen«, begann Daniel zögernd. »Aber all die Symptome – die nächtlichen Schweißausbrüche, das ständig wiederkehrende Fieber, der unerklärliche Gewichtsverlust, das Schwächegefühl, das Sie geschildert haben – all das gibt durchaus Anlass zur Sorge ...«
»An was denken Sie? Burn-out?«, unterbrach Noel seinen Hausarzt beunruhigt. Seit ein paar Kollegen dieser Krankheit zum Opfer gefallen waren und monatelang nicht zur Arbeit gehen konnten, ging diese Diagnose in der Redaktion um wie ein Schreckgespenst. »Ich kann es mir auf keinen Fall erlauben, nicht ins Büro zu gehen«, fügte er vorsorglich hinzu. Nur mit Mühe unterdrückte Daniel ein tiefes Seufzen. Eine Erschöpfungsdepression wäre eine vergleichsweise milde Diagnose im Gegensatz zu den Befürchtungen, die er hegte.
»Sie werden sich auf jeden Fall mit dem Gedanken anfreunden müssen, für zwei, drei Tage in die Klinik zu gehen, um der Ursache für die Lymphknotenschwellung und den anderen Symptomen auf den Grund zu gehen.«
Doch Noel hörte Dr. Norden gar nicht mehr richtig zu. In Gedanken war er längst bei der anstehenden Redaktionskonferenz und warf einen beiläufigen Blick auf die Uhr. »Geht das nicht auch schneller?«, fragte er ungeduldig. »Einen Tag kann ich schon mal frei machen. Länger wird schwierig.«
»Es geht um Ihre Gesundheit!«, warf Dr. Norden schroffer als beabsichtigt ein. Mit fortschreitendem Alter und angesichts der Zerbrechlichkeit des Lebens verstand er es immer weniger, wenn die Menschen ihre Gesundheit – das höchste Gut überhaupt – leichtfertig aufs Spiel setzten und sich keine Zeit dafür nahmen. Wie eine Maschine sollte der Körper funktionieren und ebenso von einem kundigen Arzt schnell und möglichst unkompliziert repariert werden. Doch so war das Leben nun einmal nicht. »Was für einen Wagen fahren Sie?«, stellte er eine augenscheinlich völlig zusammenhanglose Frage, die Noel denn auch mit einem ungläubigen Lachen quittierte.
»Einen nagelneuen 5er BMW. Warum fragen Sie?«
»Und was tun Sie, wenn dieser BMW nicht so funktioniert, wie er sollte?« Daniel dachte nicht daran, sich aus der Ruhe bringen zu lassen.
»Dann bringe ich ihn selbstverständlich in die Werkstatt. Schließlich hat das gute Stück eine Menge Geld gekostet«, gab Noel Rombach die erwartete Antwort.
Daniel lächelte.
»Und was ist Ihrer Ansicht nach wertvoller? Ihr Wagen oder Ihr Leben?« Manchmal musste er diesen drastischen Vergleich anwenden, um seine Patienten zur Vernunft zu bringen.
Grinsend hob Noel die Hände und gab sich geschlagen.
»Also schön, Doktor. Sie haben gewonnen, selbst wenn ich Ihren Vergleich ein bisschen zu drastisch finde. Aber sei’s drum. Was schlagen Sie vor?« »Wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist, sollten Sie sich Zeit für Ihre Gesundheit nehmen«, fügte Daniel etwas milder hinzu.
Noel schluckte und nickte. Die Tatsache, dass der Arzt seines Vertrauens nicht auf seinen lockeren Tonfall einging, störte ihn. Und auch an Daniels Tonfall gefiel ihm etwas nicht.
»Also schön. Machen Sie einen Termin in der Klinik Ihrer Wahl aus und geben Sie mir rechtzeitig Bescheid. Ich werde sehen, was ich tun kann.«
»Gut.« Daniel wusste, dass er nicht mehr erwarten konnte, und erhob sich, um seinen Patienten zur Tür zu begleiten. »Ich melde mich bei Ihnen.« Er gab Noel Rombach die Hand und sah ihm nach, bis er am Ende des Gangs um die Ecke verschwand. Erst dann schloss er die Tür und kehrte nachdenklich an den Schreibtisch zurück, um mit der Behnisch-Klinik einen Termin zu vereinbaren, ehe er die nächste Patientenkarte öffnete, die seine treue Assistentin Wendy schon für ihn bereitgelegt hatte. So sehr ihn der Fall Rombach auch beunruhigte, so energisch schob er ihn für den Moment beiseite. Dr. Norden betrachtete es als seine heilige Pflicht, jedem Patienten das gleiche Maß an Aufmerksamkeit und somit seine volle Konzentration zu schenken.
»Das ist eine tolle Geschichte!«, frohlockte Noel Rombach am nächsten Morgen, als er während der allmorgendlichen Redaktionskonferenz die frisch gedruckte Zeitung hochhielt. »Der Landtagsabgeordnete Brummer, der seit Monaten Jagd auf Falschparker macht und drakonische Strafen verlangt, sich selbst jedoch über jedes geltende Recht hinwegsetzt.« Zufrieden betrachtete er das Foto des Landtagsabgeordneten, der nichts ahnend in die versteckte Kamera lächelte. Das Foto war ein paar Monate zuvor entstanden, als er nach einer überstandenen Operation aus der Klinik entlassen worden war. »Ich liebe solche Geschichten!« Noch immer strahlte Noel übers ganze Gesicht, und das Adrenalin kreiste in seinen Adern. »Dummerweise ist die Behörde nicht deiner Meinung«, dämpfte der für den Artikel und das Foto verantwortliche Redakteur Holger Peters die Euphorie des stellvertretenden Chefredakteurs. Das Lächeln auf Noels Gesicht erstarb, als er Holger mit schmalen Augen musterte. »Was soll das heißen?«
»Der Behördensprecher wirft uns vor, unmoralisch gehandelt zu haben. Immerhin handelt es sich um ein Archivfoto«, erwiderte Peters zerknirscht.
Schlagartig brodelte der Zorn in Noel. »Was bitte ist daran unmoralisch?«, ereiferte er sich ärgerlich und warf die Zeitung auf den Tisch, dass die Seiten auf die MDF-Platte des Konferenztisches klatschten. »Niemand außer Brummer selbst ist dafür verantwortlich. Schließlich hat ihn keiner gezwungen, falsch zu parken oder eine Hetzjagd auf Falschparker zu machen. Er hat sich über seine eigene Anordnung hinweg gesetzt, und wir haben ihn dabei erwischt. Pech gehabt.« Wiederum jagte das Adrenalin durch Noels Körper. Diesmal aber, weil er sich so sehr über diese augenscheinliche Ungerechtigkeit aufregte. »Das ist ja alles gut und schön«, mischte sich schließlich der Chefredakteur Anton Baumann in das Gespräch. Bisher hatte er der Diskussion schweigend