Dollar Jimmy kassiert: Wyatt Earp 261 – Western
Von William Mark
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Whitewater war auch damals schon ein kleines Nest, etwa zehn Meilen südöstlich von Grand Junction entfernt. An dem Tag, an dem unsere Geschichte spielte, bestand die Stadt aus etwa zwanzig Häusern und ebenso vielen Ställen, Scheunen und Anbauten. Eine Kistenholzstadt wie all die andern Städte im Westen, nur die zweigeschossige Bauweise und das etwas massivere Holz zeigten an, dass es eine Bergstadt im hohen Colorado war. Es war an einem Samstagnachmittag. Verschlafen träumte Whitewater dem Sonntag entgegen. Zwar hatten die Bürger noch längst nicht ihr Tagewerk beendet, denn das wurde bis spät in die Nacht durchgeführt, aber man merkte doch, dass eine arbeitsreiche Woche zu Ende ging. Aus mehreren Häusern kamen Frauen mit Kuchenblechen, die zum Backhaus gingen, und auch beim Butcher, im Generalstore sowie beim Barbershop war mehr zu tun als sonst in der Woche. Dennoch wäre auch in einer sehr viel größeren Stadt der Wagen aufgefallen, der jetzt von Südosten her in die Stadt einrollte. Jimmy Doleen, der beste Schütze des ganzen Landes, zeigt seine Kunststücke. gegen ihn anzutreten. Derartige Vorläufer der heutigen Zirkusunternehmen gab es ziemlich selten im Westen, aber man fand sie immerhin doch. Menschen, die sich von irgendwelchen Shows einen Lebensunterhalt versprachen. Auf dem Kutschbock saß ein semmelblonder Bursche mit sommersprossigem Gesicht und müden Augen. Er hatte eine Stupsnase und trug einen grauen, abgetragenen Anzug, ein verwaschenes blaues Hemd und einen grauen, alten Hut, dessen Krempe vorn mit einer Stecknadel an der Krone des Hutes befestigt war. Eine Waffe war nicht bei ihm zu sehen. Sollte das etwa der »große« Jimmy Doleen sein? Die Kinder, die auf den Vorbauten schon stehen geblieben waren, um die Show zu beobachten, blickten verblüfft zu ihm auf. Dann aber entdeckten sie ihn. Er saß auf einem weißen Pferd, trug eine enganliegende schwarze Kluft aus Kalbsleder, die vielfach mit blinkenden Ornamenten besetzt war.
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Dollar Jimmy kassiert - William Mark
Wyatt Earp
– 261 –
Dollar Jimmy kassiert
William Mark
Whitewater war auch damals schon ein kleines Nest, etwa zehn Meilen südöstlich von Grand Junction entfernt.
An dem Tag, an dem unsere Geschichte spielte, bestand die Stadt aus etwa zwanzig Häusern und ebenso vielen Ställen, Scheunen und Anbauten. Eine Kistenholzstadt wie all die andern Städte im Westen, nur die zweigeschossige Bauweise und das etwas massivere Holz zeigten an, dass es eine Bergstadt im hohen Colorado war.
Es war an einem Samstagnachmittag.
Verschlafen träumte Whitewater dem Sonntag entgegen. Zwar hatten die Bürger noch längst nicht ihr Tagewerk beendet, denn das wurde bis spät in die Nacht durchgeführt, aber man merkte doch, dass eine arbeitsreiche Woche zu Ende ging. Aus mehreren Häusern kamen Frauen mit Kuchenblechen, die zum Backhaus gingen, und auch beim Butcher, im Generalstore sowie beim Barbershop war mehr zu tun als sonst in der Woche.
Dennoch wäre auch in einer sehr viel größeren Stadt der Wagen aufgefallen, der jetzt von Südosten her in die Stadt einrollte. Es war ein Planwagen, an dessen Seiten in großen Lettern geschrieben stand:
JIMMY DOLEENS SUPER-SHOW
Jimmy Doleen, der beste Schütze des ganzen Landes, zeigt seine Kunststücke. Zwanzig Dollar
demjenigen, der riskiert,
gegen ihn anzutreten.
Derartige Vorläufer der heutigen Zirkusunternehmen gab es ziemlich selten im Westen, aber man fand sie immerhin doch. Menschen, die sich von irgendwelchen Shows einen Lebensunterhalt versprachen.
Auf dem Kutschbock saß ein semmelblonder Bursche mit sommersprossigem Gesicht und müden Augen. Er hatte eine Stupsnase und trug einen grauen, abgetragenen Anzug, ein verwaschenes blaues Hemd und einen grauen, alten Hut, dessen Krempe vorn mit einer Stecknadel an der Krone des Hutes befestigt war. Eine Waffe war nicht bei ihm zu sehen.
Sollte das etwa der »große« Jimmy Doleen sein?
Die Kinder, die auf den Vorbauten schon stehen geblieben waren, um die Show zu beobachten, blickten verblüfft zu ihm auf.
Dann aber entdeckten sie ihn.
Er saß auf einem weißen Pferd, trug eine enganliegende schwarze Kluft aus Kalbsleder, die vielfach mit blinkenden Ornamenten besetzt war. Sein Hut war weiß wie sein Pferd und hatte links am Band eine große rote Adlerfeder stecken. Das Haar, das unter dem Hut hervorkam, reichte ihm fast bis zu den Schultern.
Jimmy Doleen hatte ein Gesicht, das an einen Habicht erinnerte. Scharfe falkenhelle Augen und eine Nase, die aus der fliehenden Stirn förmlich wie ein Haken hervorsprang. Der Mund war strichdünn und an den Winkeln heruntergezogen. Scharf ausgeprägt war das Kinn.
Hätte er nicht so überlanges Haar gehabt, so würde sein Gesicht womöglich sogar eindrucksvoll gewesen sein. Aber das Haar ließ ihn an einen Quäker-Apostel erinnern oder an einer jener Mormonen- und Wanderprediger der »Heiligen der letzten Tage«.
Sein Hemd war grau und schwarz seine Seidenschleife, in der vorn eine blinkende Glasperle steckte. Er trug eine gelbe Weste, über die er von der rechten Schulter zur linken Hüfte, ähnlich wie der große Clay Allison – der nun wirklich groß war – einen patronengespickten Waffengurt. Unter der kurzen Jacke blickte ein Kreuzgurt hervor, also ein doppelter Patronengurt, der an jeder Hüftseite einen schwarzen 38er Revolver hielt. Die Knäufe der Waffen waren aus blankgeputztem Hirschhorn gefertigt, und ihre Lederteile waren mit silbernen Nägeln beschlagen. An den Jackenärmeln und an den Hosennähten hatte er Lederfransen, und seine schwarzen Stiefel waren mit weißen Stepparbeiten verziert.
Er machte schon einen abenteuerlichen Eindruck, dieser Jimmy Doleen.
Vor der City Hall machte er halt, führte sein Pferd an den Vorbau, stieg ab und gab dem Jungen auf dem Wagen ein Zeichen.
Der griff nach der schweren Kuhglocke, die unten auf dem Stiefelbrett des Wagens stand, und schlug einen Höllenlärm an.
Wären die Leute auf der Straße nicht ohnehin schon aufmerksam geworden, so hätten sie jetzt alle dem Showmaster ihre Beachtung geschenkt.
Als Jimmy Doleen der Ansicht war, dass genügend Leute auf der Straße, an den Fenstern und an den Tischen waren, breitete er beide Arme aus und rief in dem Ton, der typisch für die Leute von der Wandershow war: »Es freut mich, Leute, dass ihr mir zuhört. Mein Name ist Jimmy Doleen. Ich begrüße euch und bin froh, heute in eure Stadt gekommen zu sein. Ich habe schon viel davon gehört. Es soll eine großartige Stadt mit großartigen Menschen sein.«
Es war der übliche Schmus, den sie alle machten, die Leute von der Wandershow. Worin Jimmy Doleen sich von den andern unterschied, war die Tatsache, dass er ein goldenes Zwanzig-Dollarstück hochhob und sagte:
»Das mache ich heute einem von euch zum Geschenk. Jawohl, es sind zwanzig Dollar, ein echter Eagle.«
Zum Zeichen dafür, dass es auch tatsächlich so war, biss er auf die Münze und verzog das Gesicht. Dann reichte er sie einem Mann, der nicht allzu weit von ihm entfernt stand, und fragte: »Ist das ein echter Eagle oder nicht, Mister?«
Der Mann betrachtete das Geldstück nur kurz und nickte dann, um es zurückzugeben.
»Na also, zwanzig Dollar. Und wie ich gesagt habe, einer von euch kann sie gewinnen.«
Jetzt »konnte« sie schon einer gewinnen, im ersten Satz sagte er, dass er sie jemanden schenken wollte.
In seinem dritten Satz würde er noch näher zur Sache kommen. Denn er rief jetzt: »Ich bin neugierig, wer mutig genug ist, sich diesen Eagle zu verdienen. Er hat nichts weiter zu tun, als gegen mich mit dem Revolver anzutreten. Nein, Leute«, rief er dann, während er beide Hände wieder in einer theatralischen Geste hob, »es geht hier nicht um einen Revolverkampf. Ich bin sicher, dass der Sheriff mit meiner Show ebenso einverstanden ist wie der Pfarrer und wie die älteste Lady aus eurer schönen Stadt. Nein, nein, ich bin kein Gunfighter. Ich bin ein Kunstschütze, und zwar der größte Kunstschütze, den es in diesem Land gibt. Ihr werdet euch davon überzeugen, Leute wie Doc Holliday, Hal Flanagan und Colorado Bill, wie Jack Fareland und viele andere sind gegen mich nur kleine Lichter, ihr werdet es selbst sehen. Ihr könnt euch davon überzeugen. Zwanzig Dollar stehen auf dem Spiel. Ein Eagle, den ein Familienvater gewinnen kann, um für morgen ein Festessen richten zu lassen. Das heißt, mit zwanzig Dollar kann er ja die ganze Straße einladen.« Er schlug eine dröhnende Lache an, in die allerdings niemand einfiel.
Dennoch muss man zugeben, dass Jimmy Doleen seine Sache nicht schlecht machte. Er redete eine ganze Weile und schmückte seine Rede mit allerlei Vergleichen, die den Leuten nicht unangenehm waren. Er sagte, dass er nicht abgeneigt wäre, der Stadt ein schönes Geschenk zu hinterlassen, wenn er weiterreden würde.
Wie dieses Geschenk allerdings aussehen würde, ahnte weder er zu dieser Stunde noch sonst irgendjemand in Whitewater.
»Yeah, Leute, so sieht das aus. Und schon heute gebe ich meine erste Vorstellung. Heute Abend um sechs Uhr, und zwar an einem Ort, den ihr selber bestimmen könnt. Das heißt, ich will es so einrichten, wie ich es in Santa Fé, Dodge City, Tombstone, Abilene und Topeka gemacht habe: Ich werde es mit dem Sheriff vereinbaren. Ich denke, das ist allen recht.«
Das war eine besonders raffinierte Formulierung, denn erstens ließ er die Leute jetzt wissen, dass er in all diesen berühmten Städten aufgetreten war, und zweitens gab er seinem Gewerbe den Anstrich der Ehrbarkeit, indem er den Sheriff mit einbezog.
Zum Zeichen dafür, dass es ihm damit auch Ernst war, wandte er sich zur Seite und ging die paar Schritte zum Sheriff’s Office hin, öffnete die Tür und rief mit lauter Stimme: »Sheriff, Jimmy Doleen ist da. Kommen Sie heraus, ich muss mit Ihnen sprechen.«
Er hatte aus gutem Grund hier angehalten und seine Rede hier begonnen. Der Sheriff sollte, fallss er überhaupt in seinem Office war, seine Worte mit anhören. Er hatte sich auch nicht direkt vor das Haus des Sheriffs gestellt, um nicht Gefahr zu laufen, gleich bei den ersten Worten von diesem weggejagt zu werden. Jetzt aber, wo er die Zuhörer auf seiner Seite hatte, war das gar nicht mehr möglich.
Im nächsten Augenblick tauchte im Türrahmen die mittelgroße Gestalt des Gesetzeshüters von Whitewater auf. Sheriff Marcus Hilton war ein stiller Mensch von fünfundvierzig